mit Erzähler vom Schwarzwald.

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Verkündigungsblatt

der ligl. Forstämter Wildbad, Meistern.

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Nr. 1«

Freitag den 14. Januar 1S1«.

27. Jahrg.

Liberalismus und Sozialdemokratie.

In einem uns zngesandten Artikel, der auch in der Hilfe" erscheinen wird, nimmt der Reichstagsabgeord­nete Naumann Stellung zum Programm der deutschen Linken und führt dort u. a. aus:

In den letzten 30 Jahren ist der Liberalismus viel­fach durch die Sozialdemokratie bedrängt worden, und zwar keineswegs nur in Wahlkämpfen, sondern auch in der geistigen Arbeit. Durch die Theorie des Marxismus war ein neues ElenRmt in das politische Leben geworfen worden, was erst verarbeitet werden mußte, ehe es wie­der einen selbständigen Liberalismus geben konnte. Auch darin beruht ein Teil der Schwäche der deutschen Linken in der jetzt zu Ende sich neigenden Periode, daß nicht er die Gedankenführung hatte, sondern daß diese vielfach bei den Sozialisten lag. Diese waren die theoretischen Wegbahner für eine Zeit, in der sich die ganze Wirt­schaft des Volkes nach Interessengruppen gliedert. Sie sagten vorher, was jetzt gekommen ist: Tie immer stei­gende Macht der vereinigten Großbetriebe und die Auf­saugung des Einzelmenschen durch Wirtschastsverbände, deren Bestandteil er wird. Sie verlangten auch staats­sozialistische Eingriffe zum Schutz der Schwachen zeitiger und dringender als die Liberalen, zu deren ältere Theorie diese Eingriffe nicht passen wollten. Schritt für Schritt hat sich der Liberalismus den Notwendigkeiten der staats­sozialistischen Sozialpolitik gefügt, aber es ist nicht zu leugnen, daß ihm das zu Anfang sehr schwer geworden ist. Jetzt aber beginnt die Sache anders auszusehen: Der Liberalismus hat sich mit der neuen Welt des Verbands- nnd Großbetriebszeitalters vertraut gemacht und fühlt, daß seine alte Aufgabe, für die Rechte des Einzelmenfchen zu sorgen, jetzt in neuer Weise vor ihn tritt. Er fühlt, daß überall neue liberale Aufgaben vorliegen, nämlich die Liberalisierung des Zeitalters der Syndikate, Riesenbe­triebe und Verbände. Es wird allmählich klar, daß die Großbetriebsentwicklung an sich kein Volksfortschritt ist, solange sie nicht mit Menschenrechten durchgesetzt und gesättigt wird. Zwischen den gigantischen Jndustriezünf- ten der Neuzeit versinkt die Menschlichkeit, wenn ihr nicht Bewegungsrechte garantiert werden. Wir werden ein Volk von Jndustriechinesen, wenn wir uns nicht zu vernünftigen Jndustrieverfassungen hindurchgrbeiten. Das

ist der Zentralpunkt der Zukunftsaufgaben in der inneren Politik, und hier ist der Liberale an seinem Platze. Ter Sozialismus kommt schon von selbst als Regelung her Produktion und als Verbandszwang aller arbeitenden Menschen, aber daß er zum Segen werde, dazu müssen wir die alte Fahne der Menschenwürde im Geiste des alten Liberalismus wieder Hochhalten. Wenn die So­zialdemokratie das auch tut, so kann es uns nur recht sein, denn sobald sie es tut, tut sie. etwas Liberales. Tie bloße Verkündigung der Großbetriebsentwicklung für sich allein ist heute ohne magnetische Kraft. Wir alle wissen, daß sie kommt, und fühlen ihre Wucht und ihren Druck. Darauf kommt es an, wie sie gestaltet wird. Hier ist die Aufgabe des Fortschritts.

Paul Kampfmeyer und Eduard Bernstein haben in letzter Zeit in den sozialistischen Monatsheften ihren Par­teigenossen vorgehalten, daß bei ihnen das theoretische Interesse außerordentlich schwach geworden sei. Sicher­lich haben sie recht. Die Sozialdemokratie besteht aus lauter Gewerkschaftsorganisation und Wahlkreisbearbeit­ung, leistet aber zur Erkenntnis der Gesamtentwicklung auffällig wenig. Wie arm ist sie gegenüber der Frage der industriellen Syndikate und Fusionen! Was haben denn selbst die Revisionisten bei aller ihrer Klugheit ge­leistet, um ein Bild von der zukünftigen Verfassung der deutschen Industrie zu geben? Am Zentralpunkt gerade ihres Systems versagen sie, weil sie von Haus aus sich außerhalb der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung stellen wollten. Diese Schlaffheit des sozialdemokratischen Den­kens äußert sich natürlich nicht sofort als Verlust an Wäh­lern. Im Gegenteil! Je weniger die Linien heransge- arbeitet werden, desto leichter ist es ein^ Zeitlang, neue Anhänger zu gewinnen. Nur stellt sich inzwischen bei dem innersten Kreis der Parteigenossen ein Gefühl der Pro- grammlosigkeit ein, das auf die Dauer schwer ertragen wird. Ter Liberalismus kennt diesen Zustand, denn er hat ihn in den letzten 40 Jahren genügend durchlebt. Ter Marxismus ist etwas Geschichtliches geworden. Er hat starke Wirkungen gehabt, aber er ist nicht das Gegen-- wartsprogramm der Linken. Es ist eine gewisse Lücke vor­handen, die ausgefüllt werden muß. Wir brauchen eine einheitliche und groß gedachte Wirtschaftsauffassnng der Linken. . .

In diesem Sinne nehmen wir das jetzt vorliegende Programm der Linksliberalen als gute uud geeignete

Grundlage und Anregung zu der' Arbeit der nächsten zehn oder zwanzig Jahre. Erst muß der alte gemeinsame Be­stand vorhandener Ideen gesammelt und wieder ungeeig­net werden, ehe durch ihn die Zukunft erleuchtet werden kann. Die Art der Sammlung ist vorsichtig und klug. Es hat wenig Zweck, am einzelnen herumzukritisieren, denn vollständig allen Wünschen kann ein derartiges Programm nie genügen. Seien wir denen dankbar, die es uns dar­bieten, und arbeiten wir auf dieser Grundlage weiter!

Deutscher Reichstag.

Berlin, 12. Januar.

Vizepräsident Spahn eröffnet die Sitzung um Ssst Uhr. Am Bundesratstisch sind die Staatssekretäre Delbrück, Mer­muth und Krätke anwesend.

Auf der Tagesordnung stehen zunächst die Interpellationen Horn-Neisse und Brandys (Pole) betreffend

Maßregelung von Reichsbeamten wegen Ausübung ihres Kommunalwahlrcchts. .

Staatssekretär Delbrück erklärt sich zur sofortigen Be­antwortung der Interpellationen bereit.

Abg. Graf Oppersdorf (Ztr.): Die Gemeinderatswahl in Kattowitz führte zu Maßregelungen von Reichsbeamten. Bei politischen Beamten soll politische Agitation gegen staatliche Ein­richtungen nicht geduldet werden. Aber Postbeamte sind keine politischen Beamten. Ferner sind Kommunalwahlen keine po­litischen Einrichtungen. Daher ist ein Eingreifen des Staats­sekretärs hier unzulässig. Die polnische Frage kann Man nur durch Versöhnlichkeit lösen. In Kattowitz hat man die Polen und das Zentrum in schärfster Weise angegriffen. Das hat aber die Entschließungen der Regierungen in keiner Weise be­einflußt. Das größte Uebel ist politische Heuchelei. (Bravo im Zentrum und bei den Polen).

Abg. Korfauty (Pole): Man muß den Hintergrund ken­nen, auf dem sich die Maßregelung vollzogen hat. Die Be­völkerung ist zum allergrößten Teile polnisch uud katholisch. Die Liberalen stehen im Dienste des Großkapitals und der politisch Reaktionären. . Die wirtschaftlich abhängigen Arbeiter werden von diesen Hurrapatriotcn terrorisiert. Gegen diesen Terrorismus haben sich dort die Arbeiter und der Mittelstand zur Selbsthilfe zusammengeschlosscn. Nun bekämpft man sie als politische Hochverräter. Wir lassen uns nicht be­kämpfen und in unseren Rechten beschränken. Die Behörden in Oberschlesien wirken ganz öffentlich gegen Zentrum und Polen (Hört, hört!) zusammen mit ücn Kriegervereinen und sonstigen politischen Schlingpflanzen. (Heiterkeit). Leute, deren Kinder die höhere Schule in Kattowitz besuchen, wurden wegen des Verdachts, die grosfpolnischs Agitation unterstützt zu habe», in Orte ohne höhere Schule versetzt und Leute, die täglich die Messe besuchen, wurden nach Gegenden ohne katho­lische Kirchen im Interesse des Dienstes abgeschoben. ^Lebhaftes

Sn Ding kann noch so närrisch sein, es sei nur neu, so nimmt'? den Pöbel ein. Lellert.

Willst du Richter sein?

51) Roman von Maximilian Böttcher.

(Fortsetzung.)

Gottfried war dicht an den Eingang des kleinen Vor­gartens, der dieKrone" gegen den Platz hin abfchloß, herangetreten und zog mit einem höflichenGuten Abend, Herr Plathe" den Hut, '

Der Gemeindevorsteher in feiner Festfreude und Or­denshoffnung legte die weißbehandschnhte Rechte jovial , an den Helmrand und schien, vielleicht in der. Erinner­ung an das Schriftwort, daß Gott feine Sonne über Gerechte und Ungerechte scheinen läßt, sogar geneigt, sich M irgendeinem leutseligen Wort herabzulassen.

Brückner aber, dem es schon wieder war, als hörte er Gottfrieds Peitsche auf seines Nesthäkchens Unaussprech­liche klatschen, stieß sogleich seinen orksbekannten heiseren Entrüstungshusten aus, zog Plathe mit einemAeh... äh . . . lieber Kamerad!" einen Schritt beiseite und setzte hinzu:Es wird Zeit, lieber Kamerad, daß du das Signal zum Sammeln blasen läßt!"

Gottfried sah wie Hilfe suchend nach Erna hin. Eben beugte sich Fritz Reinhardt mit einem spöttischen Blick ans ihn zu.ihrem Ohr nieder und flüsterte ihr eine Bemerkung zu, über die sie zunächst errötete, sich dann aber zu einer Miene eisigen Hochmutes zwang. Und der kleine Vizewachtmeister mit dem großen Säbel machte dabei ein Gesicht, als süße ihm ein unangenehmer Ge­such in der Nase. In demselben.Augenblick erscholl auch schon ein schmetterndes Trompetensignal, und Gottfried wurde von den im Sturmschritt anrückenedn Mannen der vier oder fünf Vereine, die in dem kleinen Rohenau üppig genug gediehen, in einen Haufen schnatterndes Frauen und Kinder hineingedrängt.

Gerade wollte er sich zu seiner Schwester, die er abseits in einer Gruppe junger Mädchen gewahrte, hin- dttrchwindcn, als der Schneidemiihlenbesitzer Gräbert derselbe, der ihm durch den Doktorbauer die einträgliche

Holzabfuhr für den Winter versprochen hatte und der wohl Zeuge der vorangegangeuen peinlichen Szene ge­wesen war, ihn derb am Arm packte und laut genug, um weit in der Runde verstanden zu werden, zu ihm sagte:

Vernünftig, mein Junge, daß du endlich mal wieder unter Menschen gehst! Und wenn andere dir 'n schiefes Maul machen, zu mir kannst du alle Tage kommen. *Dein Vater war mein bester Freund, und ich weiß, daß meines besten Freundes Sohn kein schlechtes Gewis­sen hat, und daß er sich vor gewissen Heupferden mit 'm Säbel um 'n Bauch und 'm Vereinsvogel im Kopp nicht zu verkriechen braucht." Dabei winkte er mit spöt­tischem Lächeln zu der Gruppe Plathe und Brückner, deren Gegner er von alters her war, hinüber, legte Gottfried den Arm um die Schultern und sprach weiter: Komm, mein Junge, trinken wir 'ne Flasche Rotspon drinnen bei der alten Hexe, die deine Großtante sein will, nach meiner Meinung aber des Deibels leibhaftige Großmutter ist."

Doch der so freundlich Begönnerte machte sich un­sanft frei und g'chlug sich ohne ein Wort entschuldigender Absage über den erleuchteten Platz hinweg nach der dunk­len Dorfstraße zu, deren wenige, einmal vor- einem spen­dablen Jagdpächter gestiftete Laternen nur in der Zeit öom ersten Oktober bis einunddreißigsten März ange­zündet wurden. Die Menge hinter ihm aber hielt sich für verpflichtet, in ein wieherndes Gelächter ansznbrechen und einige immer Durstige drängten sich an den mit verblüffter Miene um sich schauenden Schneidomühlenbe- sitzer heran und bestürmten ihn, anstatt der ausgefallenen Pulle Rotspon" nun eine Tonne Bierfürs allgemeine Wohl zu schmeißen".

Nahe feinem Hanse, das dem Festplatz ziemlich fern am nördlichen Ansgang des Dorfes lag, nahm der von einem Empfinden brennender Scham gefolterte Gottfried seinen .Hut vom Kopf und trocknete sich den Schweiß ab, der auf seiner kälten Stirn in dicken Tropfen stand.

Hinter ihm erschollen die heiteren Klänge des Za­pfenstreiches, und wie er sich fast gegen seinen Willen umwandte, sah er, daß der Zug von derKrone" her in die breite, schnurgerade Torfstraße einbog und die Richtung auf ihn zu nahm: eine unruhig wogende, dunkle

! Masse, phantastisch beleuchtet von den grell miteinander ^ kontrastierenden Flammenzuugcn der weißen Magnesium- > und roten Pechfackeln, die in den grünen Baumkronen j der alten Linden huschende Lichter entzündeten und einen stumpfen Schein, dem Gleisch einer Feuerbrunst ähn­lich, gegen den Himmel warfen, an dem die Sterne da­durch wie cnwgelöscht erschienen.

Gottfried wäre am liebsten ins Haus getreten, um der überschäumenden Freude feiner Landsleute, die die Musik mit lautem Gesang und gellenden Juchzern be­gleiteten, nicht Zeuge zu werden. Aber er kam nicht weiter als vis zum Torwegspalt, hinter dem er in den letzten Tagen schon so manches Mal gestanden. Dort hielten ihn leidenschaftliches Interesse und seine alte Neig­ung, sich Selbstqnal zu bereiten, festgebannt. Und wie der Fackelzug, zu dem sich neben den Vereinen und der Schule alles zusammengeschart hatte, was noch im flot­ten Marschtempo einen Fuß vor den andern setzen konnte, an Gottfrieds Versteck vorüberfchwoll: eine brausende und flammende Kundgebung der Lebensfreude und Heimars- liebe, weckte er in dem verborgenen Späher zahllose, wirr durcheinandertaumelnde Erinnerungen an seine Jugend und an die kurze Zeit, in der er mit Luft des Königs Rock getragen; und ein heißes Schluchzen quoll aus feiner 'erschütterten Brust. Mit tränenumflortem Blick sah er die knochigen in affektierter Eitelkeit zu einem fast grinsenden Lächeln verzerrten Züge Brückners, und des Gemeindevorstehers gemütliches, in selbstgefälligem Stolze strahlendes Vollmondsgesicht unter dem blankbeschlagenen Helm, sah er des Schneidemüllers Gräbert knallrotes Antlitz, das von Alkohol und echter Begeisterung wider­strahlte. Fritz Reinhardt, Erna Plathe, der zukünftige erste Rodenauer Reserveleutnant und Fräulein Elena Friese, die wohl verspätet aus Zerlitz eingetroffen sein mochte, bildeten, alle vier Arm in Arm, zwischen der Feuerwehr und dem Landwehrverein ein separates Glied des Zuges, wie wenn ihnen darin ein besonderer Ehren­platz zukäme. Seine Schwester indessen konnte Gottfried trotz allen Spähens und Spähens nicht entdecken. Wahr­scheinlich ist sic schon wieder zum See oder zu sonst einem heimlichen Rendezvonsort voraus, an dem sie wohl heute umsonst auf'ihren ungebetenen Schatz warten wird! mußte er denken.