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Amtsblatt für die Stadt N)ildbad.

Verkündigungsblatt

der rlgl. Forstämter Wildbad, Meistern. Lnzklösterle rc. während der Saison mit

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Aus dem Reichstag.

Herr von Bethmann-Hvllweg und die auswärtige Politik.

Berlin, 10. Dez.

Am Donnerstag war das Publikum, das die Tribünen des Reichstages gefüllt hatte, nur halb auf feine Kosten gekommen, es sei denn, daß jemand so genügsatn ge­wesen wäre, die große Enttäuschung der ersten Kanzler- redc für ein Ereignis zu nehmen. Ganz anders die Sitz­ung vom Freitag. Interessant vom ersten bis znm letzten Augenblick, erreichte sie in den Ausführungen des Kanzlers über die auswärtige Politik einen wirklichen Höhepunkt.

Herr b. Beihmann Hollweg, der wieder mit Amtlichen Staatssekretären und seinem getreuen Adlatus Wahnschaffe erschienen war, erhob sich unmittelbar nach der großen Etatrede des freisinnigen Abgeordneten Wie- ui er, um zunächst mft ein paar Worten zu revo - zieren und zu deprezieren. Gegenüber dem Abg. Wassermann, der tags zuvor aus dem Gekränktsein der Naiionalliberalen kein Hehl gemacht hatte, versicherte er feierliche daß er die Naiionalliberalen gar nicht ge­meint hätte, als er von denTraditionen der großen Par­teien" gesprochen habe. Und auch die Freisinnigen be­kamen heute etwas Zuckerbrot, indem der Kanzler mit Genugtuung die Versicherurkh des Abg. Wiemer akzeptierte, der Freisinn werde sich durch das Finanzreform-Erlebnis nicht in eine Politik der Erbitterung hineintrciben las­sen. Gleich darauf schwang freilich Herr v. Bethmann wie­der die- Pe i t s ch e. Abg. Wiemer hatte es bemängelt, daß der Kanzler und die anderen hohen Staatsdiener neuer­dings ihre Ehre darein setzten, in Majors- und anderen schönen Uniformen zu erscheinen: der Kanzlerlehnte es ab, über die Kleidung der Minister zu diskutieren." Abg. Wiemer hatte über die brennende Frage des preußi­schen Wahlrechts bescheidentlich Auskunft erbeten: Herr v. Bethmann verkriecht sich hinter die mit Recht so beliebte Unzuständigkeit des Reichstags und vertröstet die Ungeduld des Volkes aus die im Preußischen Landtag zu erwartenden Offenbarungen.

So unbefriedigend auch dieser Teil der Kanzlerrede wieder gewesen, so sympathisch wirkte was nun folgte: die ruhigen, sachlichen, unzweideutigen Erklärungen über unsere auswärtige Situation. lieber unser V er-

Ein Mensch ohne Wissenschaft ist wie ein Soldat ohne Degen, wie ein Acker ohne Regen; er ist ein Wagen ohne Räder, wie «in Schreiber ohne Feder; Gott selbst mag die Eselsköpf'nicht leiden.

Abraham a Santa Llara.

Willst du Richter sein?

Z8) Roman von Maximilian Böttcher.

Ob Trude Hoffmann wohl den Mut und die Kraft haben würde, einen Mann znm Gatten zu nehmen, den die Welt mit ihrem blöden und blinden Urteil geächtet hatte? Mut und Kraft? Was galten hier Mut und Kraft? Es kam hier doch Wohl nur darauf an, ob einer oder eine die rechte.Liebe im Herzen trug: Was frag' ich »ach der ganzen Welt, wenn ich dich nur habe! Und einer solchen Liebe war Erna Plathe wohl überhaupt nicht fähig, sie, die Reiche, deren Herz seine besten Kräfte vielleicht 'in tausend eitlen und nichtigen Wünschen ver­brauchte, für deren Erfüllung ihres Vaters Geld ihr im vorhinein Gewähr leistete.

Die Armen dagegen, - wieder ging es Gottfried durch den Kopf, mit welcher Inbrunst, mit welcher wild verzweifelten Sehnsucht sich manch einer von den ferm­sten der Armen im Zuchthaus an eine letzte Hoffnung, an eine letzte große Leidenschaft geklammert hatte, weil diese Inbrunst, diese Sehnsucht, diese Hoffnung, diese Lei­denschaft der einzige Schutzwall gewesen war, das Herz vor dem Erstickt- und Erdrückt-werden durch die furcht­bare äußere Not und Enge zu bewahren! Und Trude Hofsmann war arm, stammte aus der ärmsten Familre des Torfes, wohnte, wenn auch nicht im Zuchthause, so doch inr Armenhause, hatte eine sieche Mutter, und hatte «inen Vater, der mehr vertrank, als er verdiente, weil seine Arbeitsgenossen sich oft genug den Spaß machten, ihm extra ein paar Schnäpse und ein paar Glas Bier zu be­zahlen, nur, um sich über die phantastisch-revolutionä­ren Reden zu amüsieren, die derMaulrvurf" so

Montag, den 13. Dezember ISSN.

SS. Jahrg.

hältnis zu O e st c r r er cp erklärte ver Kanzler jede » Diskussion für überflüssig. Von der Auslegung und Ausführung des Marokko-Abkommens erwartet der Kanzler, sich auch für die Folge nur Gutes und Fried­liches. Das Verhältnis im Dreibund sieht der Kanzler ebenfalls mit durchaus optimistischen Augen an: die italienische Regierung habe von dem Ergebnis der Begegnung in Racconigi Deutschland in loyaler Weise verständigt und die italienische Balkanpolitik gebe uns keinerlei Grund zu Besorgnissen. In Bezug auf unser Verhältnis zu England quittierte Herr v. Beth- manu Hollweg dankend über die versöhnlichen Aeußerungen englischer Staatsmänner und erwiderte diese Gesinnung. Auch der russischen Regierung stellte der Redner das Zeugnis aus, daß sie vor und nach Racconigi loyal ge­handelt habe. Mit seinem Bedauern über deutschenfeind­liche Exzesse und Unterstellungen der russischen wie eines gewissen Teiles der englischen Presse aber verbindet der Kanzler eine Mahnung an die deutsche Publizistik es ist das erste Mal, daß Herr v. Bethmann freund- lichst sich herabläßt, die Presse zu erwähnen auch ih­rerseits Reserve zu beachten.

Man wird die friedlichen Aspekten, die der Kanz­ler eröffnet, dankbar begrüßen. Daß diese Erklärung er­folgte, im Zusammenhang mit Aeußerungen iu Bezug auf die innere Politik des Kanzlers, die einen völligen Rückzug bedeuteten, kann allerdings nicht den Respekt vor einem Kanzler erhöhen, der fortwährend vor Nervo­sität warnt und dabei selbst die Verkörperung dxr Nervosität zu sein scheint.

Tie Ausführungen des Reichskanzlers wurden durch eine lange Rede des Freiherrn v. Schön ergänzt, hie freilich einen nichts weniger als angenehmen Eindruck hinterließ. Herr v. Schön sprach über die Marokko- und über die Kougofrage, verteidigte den deutschen Botschaf­ter in Washington, Grafen Bernstorff, gegen einen An­griff Baffermanns vom Tage vorher und kam auch apf den sattsam bekannten Fall Mannesman», in dem sich der Herr Staatssekretär aber werkwürdig passiv ver­halten zu wollen scheint: den Fall, der doch durchaus llar liegt, verweist Herr v. Schön vor das Forum schieds­richterlicher Entscheidung. Das scheint uns ein bedauer­licher Verzicht, zum mindesten aber eine Vertagung zu sein.

Die Etatsrede des Mg. Wiemer, die diesen beiden Reden vorangegangen, war eine kluge und sorgfältige, na­mentlich zu Anfang auch ungemein temperament- und wirkungsvolle Erörterung, aller schwebenden politischen

Fragen. Der Redner besprach neben den bereits erwähnten Dingen u. a. auch die Fiktion der Konservativen, als seien sie in jeneu noch immer unvergessenen November­tagen die einzigen Schikdhalter der Krone gewesen. Er polemisierte gegen das Zentrum, das sich in politischen Kämpfen stets hinter der katholischen Religion verschanze. Er kritisierte noch einmal die Finanzreform und ihre Folgen und skizzierte dann kurz unsere Ausgaben aus Handels- und sozialpolitischem Gebiet, die neue Straf­prozeß-, die kommende Reichsversicherungsordnung, den Zwangsarbeitsnachweis und den Fall Zollitsch, und ging dann aus den Etat selber ein, bei dem er, im Militär- nnd Marine-Etat zum mindesten, eine wirklich konse­quente Sparsamkeit vermißte.

So vornehm sachlich der freisinnige Redner gespro­chen hatte, so leidenschaftlich wurde der Redner der So­zialdemokratie, der nach dem Freiherrn v. Schön zu Worte kam, der Mg. Scheidemann. Tie Erregung, K die sich Herr Scheidemann hineinsprach, war schließlich so stark, daß er sich dazu verflieg zu behaupten, eine der erhabensten Traditionen des Hohenzollerntums sei der Woribruch ein oratorischer Ezeß/ der ihm sofort einen Ordnungsruf des Vizepräsidenten, Erbprinzen zu Hohenlohe, einirug, dann aber sogar noch einmal den Reichskanzler zu einer Erwiderung veranlaßte. Herr v. Bethmann Hollweg bewies auch damit jene Nervosität, die er bei .anderen tadelt: es war unseres Erachtens überflüssig, gegenüber der Entgleisung eines sozialdemo­kratischen Redners mit so viel Pathos an das Volk zu appellieren.

Von den beiden hohen Herren, die noch zu Worte kamen, dem Freiherrn v. G amp-Massaunen (für die Reichspartei) und dem Fürsten Radziwill (für die Po­len) war aus der Tribüne nur der erste verständlich. Herr v. Gamp fand zunächst, daß in der Affäre Mannesman» der Freiherr v. Schön wie ein französischer, nicht wie ein deutscher Minister gesprochen habe. Im üb­rigen lief seine Rede im wesentlichen auf eine Verteidigung der Reichspartei und ihrer Haltung gegenüber der Erb­schaftssteuer hinaus. Die Reichspartei glaubt sich offen­bar verteidigen zu müssen, daß sie damals für die Erbschaftssteuer gestimmt. Herr v. Gamp selbst ist der Meinung, daß die Nachlaßbesteuerung über kurz oder lang doch kommen werde, zuvor noch freilich die Reichs- einkvmmen steuer, eine Prophezeiung, mit der sich die Linke durch lebhaften Beifall einverstanden erklärte, wäh­rend die Rechte wenig erbaut schien. Auch was Fürst

nannten sie ihn im Rausche hielt, und die ihn schon hundertmal guf Pie Anklagebank gebracht haben würden, wenn er sie nicht eben im Rausch gehalten hätte.-

Ja, Trude Hoffmann hätte wohl Grund gehabt, ihr armes, durch die Not und Härte des äußeren Lebens ge­quältes Herz hinter dem Schutzwall einer großen, hei­ligen Liebe, die nichts nach der Meinung der Welt fragte, zu verschanzen. -

Trude Hoffmann mit dem schmalen, feinen Gesicht und Yen großen Angen voll seltsamen Glanzes! . . .

Gottfried Reinhardt schlug sich mit der Hand vor die Stirn, schüttelte sich. Was ging ihn Trude Hoffmann! an, die ihn zum Danke dafür, daß er sie durch seine zufällige Dazwischenkunft vor der Roheit eines gemeinen Buben behütet, mit freundlichen Worten ihrer Wertschätz­ung und ihres Mitleids, versicherte. Mit freundlichen Worten, die sich so gut anhörten, obgleich sie nichts koste­ten, nichts!-

Als er dann endlich dazu kam, sich in der Küche nach einer Tasse Kaffee und einer Brotschnitte umzutun, saß da am Fenster seine Mutter und putzte Gemüse für das Mittagsmahl, und am Kochherd stand seine Schwester, offenbar eben erst aus den Federn gekrochen, und bereitete sich ihren Kakao. Ihres blassen Teints und dauernder Müdigkeit am Morgen, nicht am Wend wegen hielt sie sich für blutarm und besonderer Pflege bedürftig. Viel­leicht ist sie wirklich von unkräftiger und kränklicher Na­tur, dachte Gottfried, der ihr sonst immer riet, ihren pein­gebildeten Leiden" mit Frühaufsteher: und rüstiger Feldar­beit zu Leibe zu gehen, in der weichen und versöhnlichen Stimmung, die schon wieder über ihn kam, und warf ihr ein freundlich spottendesGuten Mittag, Elsbeth!" zu.

Und dann schien es, als hätte ihm dieser Tag noch eine zweite wundersame Freude Vorbehalten.

Tie Schwester, durch eine lebhafte Augensprache der Mutter ermuntert, trat, mit den weißen Händen an ih­rem Schürzenzipfel drehend, das hübsche Kindergesicht von dam Ausdruck leiser Verlegenheit überschattet auf ihn zu.

Ich bitte dir ab, was ich damals - an dem Abend, als du nach Hause kamst zu dir gesagt habe, Friede!! Ich weiß jetzt, daß du unschuldig bist!"«

Gottfried machte große Augen, wie wenn er nicht recht verstanden hätte, fand nicht gleich ein Wort zur Entgegnung.

Da kam die Mutter ihren beiden Kindern, die sich da schweigend gegenüberstanden, zu Hilfe.

,,Jch Hab' Elsbeth das Buch gegeben, in das du während deiner Strafzeit allerhand hineingeschrieben hast!" sagte sie, unbeweglichen Gesichts, wie immer, ließ aber doch ihre Hände einen Augenblick im Schoße feiern.

Terweile hatte auch das blonde Mädchen mit dem Kindergesicht seine Befangenheit überwunden.

Ich hab's zweimal durchgelesen, Friede!, von vorn bis hinten, Zeile für Zeile!"

Hm!" brummte Gottfried, der an dem Ton der Schwester nicht recht warm werden konnte.

Ja," half wieder die Mutter nach;und schon nach dem erstenmal Lesen hat sie mir's gesagt: So kann keiner, der schuldig ist, vor Gott und vor sich selbst seine Un­schuld beteuern."

Gottfried ging znm Tisch und schnitt sich von dem mächtigen hausbackenen Brot, das da lag, estne dicke Scheibe herunter. Mit fast den gleichen Worten, dachte er, hat rnir einst im Zuchthause Pfarrer Christ meine Tagebuch zurückgegeben, hat dann aber gleich mit resigniertem Seuf­zer hinzugesetzt:Ter Direktor ist leider anderer Mein- nung. Er hätte schon von viel raffinierteren Simulatio­nen Eingesperrter gehört. Das Buch selbst zu lesen, bliebe ihm übrigens keine Zeit. Nur Zeugen könnten ihn über­zeugen!"

So sag' doch deiner Schwester ein freundliches Wort", mahnte die Mutter in einem fast gekränkt klingen­den Ton.

Ach so ja! Na, Elsbeth, es freut nnch also, daß du wieder 'ne bessere Meinung von mir hast. Daß du mich nicht mehr für den abgefeimten Schuft und Schwindler hältst, für den du mich so lange gehalten!" Wie im Trotz biß er mit seinen starken Zähnen iu die Brotschnitte, die mit Butter zu bestreichen, er sich nicht die Zeit genommen.

(Fortsetzung folgt.)