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mit Erzähler vom Schwarzwald.

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Amtsblatt für die Ltadt lVildbad.

verkündigungsblatt

der Ugl. Forstämter Wildbad, Meistern, Lnzklösterle rc. während der Saison mit

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Aus dem Reichstag.

Das Debnt des Reichskanzlers.

Berlin, 8. Dez,

jkb;. Das erste Auftreten des Reichskanzlers im Reichstag ist, das kann man getrost vorausschicken, die erste große und bedenkliche Enttäuschung gewesen, die Herr v. Bethmann Hollweg, und zwar nicht etwa nur dem .Liberalismus, sondern dem ganzen Lande und dem Volke bereitet hat. Herrn v. Beth'manns Situation war ja keine beneidenswerte, sie war vielleicht sogar unge­wöhnlich schwierig. Trotzdem hatte man von dem neuen Kanzler doch wenigstens etwas ähnliches wie ein Programm erwartet; statt dessen bekam man Phrasen, nichts als Phrasen zu hören. Ein mattes Ge­rede, aus dem man höchstens noch die Bitte um Unter­stützung und um Schonung heraushören konnte. Der Kanzler beschränkte sich heute ausschließlich auf die in­nere Politik. Wenn man seine Rede hörte, mochte sie noch leidlich scheinen, wenn man sie liest, wird man vor­aussichtlich den Eindruck vertieft empfinden, daß es nichts war als ein leeres Herumreden um die Situa­tion. Eine fortwährend tiefe Verneigung vor den Par­teien der neuen Mehrheit und ein ebenso fortdauernder, zum Teil sogar brüsker Angriff gegen den.Radikalis­mus." Worunter Herr v. Bethmann offenbar die ganze Linke einschließlich der Ratio nalliberalen verstanden wissen will. Den Erfolg seiner diplomatischen Nachhilfestunden zeigte der Kanzler dadurch, daß er die Figuren des Spiels durcheinander zu schieben suchte. Man konnte deutlich den Dank an die Parteien heraushören,die die Finanz­reform zustande gebracht." In Wahrheit aber war es doch die Linke, und zwar in ihrer Gesamtheit, bis zu­letzt in den Kämpfen um die Finanzreform bereit gewe­sen war, in der von der Regierung vorgeschlagenen Form das Problem zu lösen, .während die Rechte, die heutige Mehrheit, in der Oppo sition gegen die verbündeten Regierungen verharrte und schließlich tatsächlich die Erb­schaftssteuer und damit den Vorgänger des Herrn v. Beth­mann zu Fall brachte.

neue Kanzler ist ein gewandter, aber durchaus kein eleganter Pedner. Schon der dunkelgraue Gehrock mit den breiten Seitenklappen ist gerade in diesem Milieu zu auffällig, um ganz korrekt zu sein. Gewisse Verrenk­

Aufklärung ist rine langsame Pflanze, die zu ihrer Zeitigung einen glücklichen Himmel, viele Pflege und eine lange Reihe von Frühlingcn braucht.

Schiller.

Willst du Nicht, r sein?

L9 Roman von Maximilian Böttcher.

(Fortsetzung.)

Was denn?" stieß der Knecht, über Gottfrieds gru- delndes Schweigen bestürzt, mit halbem Lachen hervor; doch über sein Gesicht zog die Blässe wie ein Schatten.

Run, du zeigst so viele Sachkenntnis und auch wieder so viel Haß gegen alles, was an das Zuchthaus erinnert, daß ich beinah glauben möchte, du hast dir's selbst mal näher angeschaut das Verbrecherseminar!"

Ja, was denn dann?"

Wenn . . . wenn der Bauer mich beleidigt, dann dann. . .!"

Dann. . ." Mwin bemühte sich vergeblich, mit seinen unstet flirrenden Augen dem durchdringenden Blick Gottfrieds standzuhalten.Dann. . . jawohl! . . . dann will ich auf der Stelle meine Papiere haben!"

Immer sachte, mein Sohn! Im Mai bist du zu- gezogen übrigens ein merkwürdiger Termin für 'nen Ackerknecht! und auf ein Jahr hast du dich meiner Mutter vermietet. Also dein Jahr dienst du ab so wghr ich hier vor dir stehe oder du znußt ehen versuchen, dir ohne Papiere 'nen neuen Dienst zu schaf­fen. Und das ist nicht leicht, du! Nun mach' daß du zu deiner Arbeit kommst^ Und die Trude werd' ich vor dir zu schützen wissen. Darauf kannst du Gift nehmen. Vor­wärts Wfahrt!"

Nachdem der Bursche mit geducktem Nacken aus der Scheune geschlichen war, Hub Trude Hoffmann noch ein­mal mit zitternder Stimme an:

Sie hätten ihn lieber gehen lassen sollen, Herr..."

Quassel nicht!" versetzte Gottfried barsch»n Tones und wandte sich unwillig ad unwillig über sich selbst

Samötag, den LL. Dezember LSVS.

2«. Jahrg.

ungen des allzu langen Körpers aber und die lebhaften Bewegungen der Hände, die der Eouloirwitz alsbald als ein Erbteil der Frankfurter Ahnen bezeichnte, lassen bei ei­nem Vergleich mit dem Fürsten Bülow Herrn v. Beth­mann den Kürzeren ziehen. Auch eine gewisse Nervo­sität ans dem neuen Posten und in der neuen Rolle wa­ren unverkennbar.

Dabei konnte sich der Redner keinen glänzenderen Rahmen für ftin erstes Auftreten wünschen. Herr von Bethmann erschien umgeben von seinen sämtlichen Staats­sekretären; der Reihe nach nahmen neben ihm Platz: Del­brück, Wermut h, Lisco» Freiherr v. Schön, Dern- burg, v. Tirpitz, Krätke, der Kriegsminister von Heeringen und zahlreiche Mitglieder Bnndesrats; alte und junge Geheimräte sowie endlich die Offiziere des Reichsmarineamtes und des Kriegsministerinms füllten das Podium. Die Tribünen waren sehr stark besetzt, wenn auch lange nicht in dem Maße überfüllt wie etwa während den Novemberdebatten des vorigen Jahres. In der Hof­loge wohnte der Chef des Militärflabinetts, Gras Moltke, mit zwei anderen Generälen in großer Uniform der Sitzung bei.

In den Couloirs herrschte unmittelbar nach der Kanzlerrede das übliche lebhafte Treiben. Ein Bismarck­bild von Lenbach, das dort ausgestellt worden war und das die Ausschmückungskommission des Reichstags für den Bundesratssaal ankanfen soll, fand heute gar keine Beachtung. Auf den Gesichtern der Konservativen prägte sich deutlich die Genugtuung aus über dieses erste Debüt des Kanzlers, während man sich auf der Linken in der Beurteilung und Verurteilung der Rede durchaus einig war. Währenddem hielt drmnen im Saal der Schatz­sekretär Wermuth sein großes, zweistündiges Finanz­exposch in dessen Mittelpunkt die Versicherung stand, daß die neuen Steuern noch eine schonungsbedürftige Pflanze seien, deren Wachstum man noch eine ganze Weile ab- warten müsse. Umsomehr erschiene Vorsicht in Bezug aus'den neuen Etat geboten.

Die Kritik des Reichstags, die dann einsetzte, brachte heute noch wenig aufregendes, Herr v. Hertling, der Sprecher des Zentrums, der als Führer der regierenden Partei als Erster zu Worte kam, begann mit einer Ver­teidigung der neuen Steuern und mit einer scharfen Ab­wehr der angeblichen VoWverhetzung, die die Minderheit treibe und gegen die er ziemlich deutlich eineKonsoli-

weil er unter dem ängstlich und flehend auf ihn gerich­teten Blick schon wieder hatte denken müssen: Wo hat das Mädel nur die schönen Augen her? Trude setzte die breikrempige Helgoländer Schute auf, die sie vorher an einen Riegel des Scheunentores gehängt hatte, und nahm den langen Ernterechen, der daneben in der Ecke lehnte. Wie sie aber bis zur Gartenpforte gekommen war, rief Gottfried sie an:

Geh nicht Hafer binden. Du sollst dem Kerl nicht den ganzen Tag vor der Nase herumhantieren. Nimm die Hacke und geh in die Rüben an der Platheschcn Grenze!"

Da sind schon zwei Frauen!"

Ist egal! Und was du da sagst von wegschicken, den Alwin wegschicken. . . das geht nicht so leicht, jetzt in der Ernte, wo's schon an allen Ecken und Enden «n Arbeitern fehlt! Wo kriegt man denn gleich einen andern her für den. . . den. . . ? Wo kriege gerade ich einen andern her, so rasch?" Ein bitteres kücheln grub ihm zwei tiefe Falten von den zuckenden Nasen­flügeln bis zu den Mundwinkeln hin.

Mein Gott die Menschen müssen doch mal ein- sehen, wie schweres Unrecht man Ihnen getan hat!"

Gottfried wollte erst in Hellem Hohn auflachen; aber der.treuherzig-mitleidige Blick, mit dem Trude Hosf- mann ihn ansah, rührte ihn bis Lum Grunde seiner Seele. Und obgleich er mit sich haderte: Was fällt dir ein, daß du nach dem Urteil deiner Magd über dich forscht? konnte er doch nicht anders, er mußte fragen:

Ja, glaubst du denn, daß man mir unrecht ge­tan hat, daß, daß ich... ?"

Daß Sie unschuldig sind, ja, das glaub' ich ge­wiß!" vollendete das Mädchen den Satz, mit dem der Mann nicht fertig werden konnte, in festem Ton.

Hm! . . . Und woher . . . warum glaubst du das?"

Da wurde Trude Hoffmann rot bis unter die brau­nen, noch immer ein wenig zerzausten Haare.

Ia, Sie sagen es doch I Und man braucht doch nur in Ihre Augen zu sehen, «m zu wissen, daß Si« nicht lügen,"

dation nach rechts" androhte. Seiner Weisheit Schluß war, daß jedenfalls dem Volke nicht weitere neue Steuern auferlegt werden dürften, ein Versprechen, das der ALg. Singer in einem Zwischenruf alsbald als ein Wahl Ma­növer festnagelte. Der Zentrumsredner wandte sich dann zu seinem eigentlichen Steckenpferd der auswär­tigen Politik, sprach einige schöne Worte über Marokko und die Bewegung von Racconigi und verdiente sich einen Extra-Applaus seiner neuen konservativen Freunde durch den Hinweis aus England, wo man sich nun möglicher­weise auch dem Schutzzoll zuwenden werde. Dann kamen katholische Spezialwünsche an die Reihe, der Zwischen­fall von Kattowitz, im Zusammenhänge damit ein leises .Mißtrauensvotum gegen Herrn v. Bethmann und zum Schluß die von der gesamten Linken mit jubelnder Heiter­keit aufgenommene Versicherung, das Zentrum sei keine konfessionelle Part ei.

In noch höherem Maße klangen ans der Rede des konservativen Sprechers, des Abgeordneten Frciherrn v. Richthofen, Friedens-Schalmeien. Der Rtthten wird bange, und sie spricht den Wunsch aus, daß der, Kamps äufhören möchte.

Der einzige Redner aus dem Hause, der direkt auß die programmatische Erklärung des Reichskanzlers ein­ging und antwortete, war der nationalliberale - Führer Bassermann. Er wehrte sich energisch gegen die An­griffe aus die Linke, die sich auch der Kanzler zu eigen gemacht hätte, und rückte schließlich noch etwas deutlicher als es bisher geschehen von der neuen Mehrheit ab. Was nach Bassermann nicht bedeuten soll, daß sich nun die Nationalliberalen etwa in den Schmollwinkel stellen und fürderhin nicht mehrpositiv Mitarbeiten" wollen. Auch aus die auswärtige Politik ging der Redner ein, da aber auch ihm die Basis ministerieller Erklärungen fehlte, konnte er kaum irgend etwas neues Vorbringen. Beach­tung verdiente höchstens die deutliche Feststellung, daß das Festhalten am Dreibund auch für Italien von gro­ßer Bedeutung sein müsse. Schließlich kam der Redner noch einmal auf die innere Politik zurück, besprach die Großblockpolitik in Baden und erwähnte auch die preu ßische Wahlrechts frag e. Es war nicht un­interessant zu hören, daß nach Bassermanns Ausführungen sich die nationalliberale Partei jetzt auf die recht beschei­dene Forderung der geheimen Wahl in Preußen zurückzuziehen und sich mit dieser Forderung begnügen

Gottfried war es, als wenn sich in seiner Brust et­was löste. Irgend etwas Freundliches, ein Wort deS Dankes! chder dergleichen wollte er sagen, dachte aber doch wieder daran, daß er der Herr, und Trude die Magd wäre, ging schweigend auf das rote Wohnhaus zu und blieb doch mitten auf dem weiten Hofplatz, auf dessen Steinpflaster der pralle Sonnenschein lag, stehen.

Also außer der Mutter und dem Onkel Jörg gab es noch einen Menschen in Rodeirau, der an seine Uir- schuld glaubte, der ihm die Ueberzeugung von seiner Un­schuld aus seinen Augen las? Seltsam! Was weder seine Schwester noch Erna Plathe vermochte, das .ver­mochte diese Fremde! Oder wollte sie ihm nur was Angenehmes sagen, ihmHonig ums Maul schmieren"? Nein, das wollte sie gewiß nicht! Das bewiesen ihm wieder ihre Augen, deren reinen Glanz kein Hauch von List oder Falschheit trübte.

Fest und zähe,, wie im Trotz, .klammerte sich Gott­fried mit allen seinen Gedanken an Erna Plathe. Erna Plathe glaubte ihm nicht, trotz seines Wortes, trotz iei- nes Schwures glaubte sie ihm nicht; Erna Plathe wollte, daß er seine Unschuld mit Aufbietung aller Mittel, mit Daransetzung all seiner Kraft vor der Welt zu erweisen suche. Vor der Welt und vor ihr! Erna glaubte ihm nicht! . . . Ach, Unsinn, das redete er sich ja nur ein, weil er sich vor dem Kampf um seine Rehabi­litierung, vor diesem mühseligen, und doch von vorn­herein völlig aussichtslosen Kamps scheute! Erna hatte ihm ja doch ausdrücklich wenn auch ein wenig gewun­den versichert, daß sie an seine Unschuld glaube, daß sie seinen Namen nur der Menschen wegen wieder rein und blank sehen wolle. Der Menschen wegen, deren Achtung sie nicht entbehren konnte. Nun ja, als die Tochter des Herrn Gemeindevorstehers Plathe mit dem Namenszug Bismarcks und dem Schnörkel des alten Kaisers!! ... Ob Trude Hoffmann wohl auch so gro­ßen Wert aus die Meinung der Menschen legte?

WvlkHtzun, sskst-s