lischt bezeichnet werden kann. Jene terra incognito, die bisher auf allen Landkarten die weiße, unerforschte Fläche bildete, ist die von Sven Hedin als Transhimalaja be- zeichnete riesige Gebirgskette, die in ihren höchsten Pla- teau-Erhebungen noch um 1000 Meter den Gipfel des Montblanc überragt. Durch dieses eisbestandene, un- ivirtliche Land hat der schwedische Forscher unter den größ­ten Strapazen, bei annähernd 40 Grad Celsius unter Kull seine großen Forschungen beendet, die Quellen deA Achus und Brahmaputras entdeckt und ethnographisch« Gtudien gemacht, deren Wert noch nicht in seiner vollen Bedeutung erkannt ist. Tie ungemein anziehenden Schil­derungen des tibetanischen Volks und der lamaistisches Geistlichkeit fesselten die Zuhörer ganz besonders, ebenso die Erzählung der vielfachen Abenteuer und der großen Schwierigkeiten, denen der Gelehrte seitens der tibetani­schen Regierung ausgesetzt war. Eine Reihe vorzüglicher Lichtbilder stellten das neuentdeckte Land und seine BewoG- ner sehr anschaulich dar. Mit einem Dankeswort für den freundlichen Empfang in Stuttgart, schloß Sven Hedin seinen denkwürdigen Vortrag, nach dessen Beendigung sich Herzogin Wera den Forscher vorstellen ließ, sich mit ihntz längere Zeit unterhielt und ihn auch den übrigen Fürst­lichkeiten vorstellte.

Nah und Fern.

Ei« verschmähte» Asyl

besitzt Plochingen. Um den vielen in der Umgebung br- schästigten Italienerinnen ein Heim zu gewähren, sam­melte die katholische Geistlichkeit milde Gaben und ließ, nach­dem 30 der Mädchen sich bereit erklärt hatten, das Asyl aus- züsuchen, für 000 Mark ein bequem eingerichtetes Asyl er­bauen. Man scheint aber nicht mit dem Freiheitsdrang der unter der Sonne des Südens Geborenen gerechnet zu haben, dem sie blieben dem Heim fern. Jetzt sind arme verkrüppelte Kinder darin unter gebracht.

«Et«- R«Oricht-n.

Der Bauerswitwe H 3 nes vom Lehrhof bei Stein heim M. Marbach, die sich auf Besuch in Ludwigsburg befand, wurden während ihrer Abwesenheit sämtlich« Räumlichkeiten des Hauses durchstöbert und dabei verschiedene Gegenstände ge­stohlen, z. B- Kleider, Uhren, Geld und anderes mehr. De» Verdacht lenkte sich auf einen im Hause bediensteten Tag- löhner, der inzwischen, bis die Frau nach Hause kam, das Weite gesucht hatte. Es gelang, den Burschen in einer Wirt­schaft in Ludwigsburg dingfest zu machen.

Zu dem Ltaub am Hochaltar in der Herrgottsktrch« in LrSglingen schreibt die Cannstatter Zeitung: Wenn diese Nachricht richtig ist, kann es sich nur um Bestandteile des hoch­berühmten Hochaltars, des schönsten in Württemberg, handeln, und dann sind die gestohlenen Figuren nicht nur von erheb­lichem Altertumswert, sondern auch von ganz enormem Kunst- wert. Schon vor Jahren ist an dieser Stelle auf die sehr ungenügende Bewachung dieses einhalb Stündchen von Creg- lingen in der Herrgottskirche aufgestellten wundervollen Wer­kes hingewiesen worden, das schon früher einmal einen schwe­ren Verlust durch den Diebstahl eines Christuskindes erlitt.

Das Rodeln hat in Tuttlingen bereits ein Opfer ge­ordert. Zwei Knaben fuhren mit einem Davoser Schlitten den steilen Abhang am östlichen Homberg hinunter. Der Schlitten fiel dabei, während er sich mit größter Schnelligkeit abwärts bewegte, um und einer der Knaben erlitt einen dop­pelten Unterschenkelbrnch.

Bäckermeister Adolf Atz, der vor ca. einem halben Jahr «us sein neuerworbenes Oekonomie-Anwesen auf dem Sonnen- kerg bei Winnenden verzogen ist, stürzte in Aalen so un­glücklich von einem Wagen herab, daß er einen Schädelbruch »Mt und auf der Stelle tot blieb.

In der Bodenseegegend und im Schwarzwald herrschen starke Schneestürme. Stellenweise liegt der Schnee be­reits meterhoch.

Gerichlssaal.

Schwurgericht Heilbrvnn.

Die feindlichen Nachbarn.

HeiLbron», 23. Nov. Im 3. Fall hatte sich per Jahre alte verheiratete Bahnwärter Karl Jakob Schmälzle von Illingen wegen Tatschlags zu verant­worten. Ten Vorsitz führt Landgerichtsrat Egg­wann, die Anklage vertritt Staatsanwalt Sigel, die Verteidigung führt Rechtsanwalt Heckenberger. Es sind 37.Zeugen u. als Sachverständiger Tr. Weißkircher aus Maulbronn geladen. Unter den Geschworenen befand sich ein Menonit, der seinem Glaubensbekenntnis ent­sprechend keinen Eid Msgte, sondern die Verpflichtung m die Hand des Präsidenten mit einem einfachen Ja ablegte, nach dem Bibelwort:eure Rede sei Ja Ja, Nein, Nein, was darüber ist, ist vom Uebel." Darauf wurde in die Verhandlung eingetreten.

Ter Angeklagte Schmälzle, der Bahnwärter auf dem Posten 47 bei Illingen war, ist beschuldigt, den eben­falls dort stationiert gewesenen, pensionierten Bahnwär­ter Wöhr vorsätzlich aber nicht mit Ueberlegung getötet ZU haben, zudem er nach einem Wortwechsel sind nach­dem er von Wöhr einen Schlag ins Gesicht erhalten hatte, den Wöhr an der Brust gepackt und auf das Bahngeleife geworfen habe, so daß derselbe bewußtlos liegen blieb. Die Anklage nimmt ferner an, daß er den Wöhr absicht­lich habe liegen lassen, damit er von dem fälligen Schnell­zug überfahren werde, was unglücklicherweise auch 'eintrat. Tie Frau Wöhr hatte vergebens versucht, ihren Mann, der groß und stark war und ein schweres Gewicht hatte, von dem Geleise wegzubringen. Wöhr, der hart neben den Schienen lag, wurde von dem heranbrausenden Schnellzug erfaßt und getötet.

Der Angeklagte Schmälzle und der Bahnwärter Wöhr waren Wärter auf einem Doppelposten, eine Viertelstunde von Illingen. Ihre Häuser standen nicht weit vonei­nander. Obwohl sie einsam draußen wohnten, war das Verhältnis zwischen den Familien ein äußerst schlech­te. Sie verlästerten sich gegenseitig im Dorf, vms dann zu persönlichen Auseinandersetzungen und Beleidigungsklagen Anlaß gab. Wer die Schuld trug? Ter Angeklagte sagt, der alte Wöhr sei schuld daran gewesen, er fei streitsüchtig gewesen und chlbe oft getrunken. Verschiedene Zeugen aber sagen, der Schmälzle sei mit seinen Kollegen nicht ausgekommen und habe gerne Anzeigen erstattet. Wöhr wurde im Frühjahr pensioniert, er durfte aber noch bis 1. Oktober das Bahn- warthaus bewohnen. So hätte eigentlich dienstlich kein Anlaß mehr zu Reibereien Vorgelegen, aber da war ein

U-ebergang von Illingen her, den Wöhr stets benützte anstatt wie Schmälzle meinte, einen Nebenweg zu seiner Wohnung zu nehmen. So war Wöhr auch am 13. Au­gust in Illingen gewesen und hatte dort einen Wendschop­pen getrunken. Bei seiner Heimkehr benützte er den offi­ziellen Uebergang und klopfte, da die Schranken geschlossen waren, demSchmälzle, damit dieser öffne. Schmälzle öffnete auch, schimpfte aber sofort, daß Wöhr nicht einen anderen Weg wähle. Ein Wort gab das andere, es entstand ein heftiger Wortstreit, der auch die Frau Wöhr auf den Schauplatz zog. Durch ein Wort des Schmälzle ausge­bracht, gab Wöhr demselben eine Ohrfeige. Ter Ange­klagte gibt nun an, er sei von dem Schlag ganz verwirrt gewesen, er habe deshalb den Schlag nicht erwidert. Wöhr fei sofort weggelaufen und da es finstere Nacht war, Arbe « den Wöhr nicht mehr gesehen. Er habe sich aus seinen Posten gestellt, Sn der Zug M erwarten war, er stave War die Stimme der Frau Wöhr gehört, er habe aber nicht gewußt, um was es sich handle und habe ihr zu- zugerufen, sie solle vom Geleise Weggehen, da der Zug in Sicht sei. Ter Schnellzug sei dann herangekommen und erst nachdem er vorbei war, habe er den Kontrollgang angetreten und den Wöhr gefunden. Wie derselbe auf das Geleise gekommen fei, wisse er nicht. Ter Vorsitzende hält dem Angeklagten verschiedene Widersprüche vor. So soll er dem Bahnverwalter in Illingen gegenüber zugegeben haben, daß er dem Wöhr einen Stoß gegeben habe. Der Angeklagte bleibt bei seiner heutigen Darstellung.

Ms erste Zeugin wird die Witwe des getöteten Bahnwärters Wöhr vernommen. Sie war bei dem Streit zugegen und sah, wie ihr Mann dem Schmälzle einen Schlag gab, worauf der Schmälzle den Schlag erwidert habe. Auch sie, die Zeugin, habe von Schmälzle einen Schlag ins Gesicht bekommen, so daß sie aus der Nase ge­blutet habe. Sie habe das Blut abgewischt und als sie sich dann hernmgedreht habe, habe sie ihren Mann an denk Geleise liegen sehen, während .Schmälzle der Schranke entlang ging. Wie ihr Mann zu Fall gekommen, habe sie nicht gesehen. Sie versuchte dann ihren Mann von dem Geleise wegzuziehen, da er aber groß und schwer war, gelang ihr dies nicht. Darauf habe sie um Hilfe gerufen, Schmälzle sei aber nicht gekommen, obwohl er nur wenige Schritte entfernt stand. Plötzlich sei dann der Zug heran­gekommen und sie habe mit ansehen müssen, wie ihrem Mann die Schädeldecke weggerissen worden sei. Ter An­geklagte sagt, diese Darstellung treffe nicht zu, er habe die Frau nicht geschlagen.

Die Tochter Wöhrs hat den Wortwechsel vom Haus aus mit angehört, hat auch Klatschen hören, sie konnte aber nichts weiter wahrnehmen, da es finster war und sie sich wieder ins Haus zurückbegab. Einige Hilfs­wärter werden vernommen, die zuungunsten des Charak­ters des Schmälzle aussagen. Dem Hilfswärter Hessen­berger gegenüber habe Schmälzle über die Vorgesetz­ten pnd auch über Wöhr geschimpft und gesagt, er werde iu nächster Zeit noch etwas erleben. Ter Fuhrmann Gott­lob Fink, ein Schwager Wöhrs, bezeugt, daß Schmälzle, der annahm, daß er mit Wöhr nicht gut stehe, eines Tags imAdler" in Illingen über Wöhr schimpfte und sagte,den werfe er noch einmal unter den Zug". Ter Zeuge Friedrich Fink weiß aus diesem Gespräch sich noch zu erinnern, daß Schmälzle gesagt habe,wenn der Wöhr in feinem Rausch einmal unter den Zug komme, dann gebe er ihm noch einen Drücker." Der Angeklagte bestreitet den Wortlaut dieser Aeußerung. Es wäre ihm nicht eingefallen, so was im Ernst zu tun.

Einige weitere Zeugen bekunden, daß Wöhr an dem betreffenden Wend nicht betrunken war, er habe im gan­zen etwa 4 Glas Bier getrunken gehabt.

Oberamtsarzt Tr. Weißkircher-Maulbronn teilt den Sektionsbefund mit. Darnach muß der Tod des Wöhr sofort eingetreten sein. Wöhr habe an einer chroni­schen Herzentzündung gelitten, es liege deshalb eine wenn auch entfernte Möglichkeit vor, daß die Be­wußtlosigkeit durch den Fall -eingetretcn sei.

Drei weitere Zeugen, Bahnmeister Wunder aus Großsachsenheim, Eisenbahninspektor Klein aus Mühl­acker, und Bahnhofverwalter Klopfer aus Illingen äu­ßern sich über die Dienstführung Schmälzles. Die bei­den ersteren Zeugen sagen, daß Schmälzle öfters gerügt werden mußte, wobei er sich häufig widersetzlich zeigte. Schmälzle habe die Neigung gehabt, seine Kollegen zu verdächtigen. Auch Wöhr sei hie und da gerügt worden, er habe sich aber stets entschuldigt. Bahnhofverwalter Klopfer hat sich sofort an die Unglücksstelle begeben und hiebei habe der Schmälzle auf die Frage, wie der Unfall sich zugetra- gen geantwortet, Wöhr habe ihn geschlagen, worauf er den Schlag abgewehrt habe. Landjäger H a u s ch e l-Illingen teilt seine Erhebungen mit. Tie Frau Schmälzles habe versucht, aus die Zeugen zu Gunsten ihres Mannes einzu­wirken. Schultheiß Dochte rmann - Illingen stellt bei­den Bahnwärtern ein gutes Leumundszeugnis aus. Ober­bahnsekretär S e e g e r - Stuttgart, der früher Bahnhof­verwalter in Vaihingen war, stellt Schmälzle ein gutes Zeugnis aus. Schmälzle sei später zu ihm nach Stuttgart gekommen und habe sich über die schlechte Behandlung durch Bahnmeister Wunder beklagt. Zwei weitere Zeu­gen, Konrad und Karl Geyer, Vater und Sohn, und Verwandte Wöhrs, haben sich sofort auf die Unglücks­stelle begeben und haben den Schmälzle hart angeredet. Ans 'die Frage Geyers, was hast Dn angerichtet, habe Schmälzle geantwortet,was braucht er mich an die Ohren schlagen." Der Angeklagte bestreitet die Richtigkeit die­ser Darstellung. Die beiden Geyer und zwei andere Männer seien auf ihn eingedrungen und haben ihn ge­schlagen. Tarauf sei Rede und Antwort erfolgt, ohne klare Richtpunkte. Verschiedene weitere Zeugen wissen zur Sache selbst .nichts mehr anzngeben. Aus drei Zeugen wird verzichtet.

Die Geschworenen werden zwei Fragen vorgelegt, die eine aus vorsätzliche Tötung, aber ohne Ueberleg­ung, die andere auf Fahrlässigkeit der Tötung durch Außerachtlassung der Sorgfalt, die ihm sein Amt auferlegte.

Ter Vertreter der Anklage hält den Beweis für er­bracht, daß der Angeklagte die Tat im Affekt begangen und den Wöhr auf die Schienen geworfen hat. Tas sei

aus den Aeußerungen des Angeklagten sofort nach der Tat mit Sicherheit zu schließen. Schmälzle habe eine ge­hässige, feindselige Stimmung gegen Wöhr gehabt und in dieser Stimmung habe er die Tat begangen. Er bean­tragt in erster Linie die Beantwortung der Frage 1 und ntzr im Falle der Ablehnung dieser Frage die Beant­wortung der Frage 2.

Ter Verteidiger weist darauf hin, daß für die entscheidende Frage, wie Wöhr auf die Schienen gekom­men sei, kein Beweis erbracht sei. Much die Witwe Wöhr wisse über diesen Vorgang nichts sicheres. Es sei nicht ausgeschlossen, daß Wöhr gar nicht durch den Zug getö­tet worden sei, sondern einen Schlaganfall bekommen habe. Dafür spreche die Stille, in der die Sache vor sich ge­gangen. Es sei auch nicht bewiesen, daß der Angeklagte den Wöhr habe liegen sehen. Ter Verteidiger führt eine Reihe von Zeugnissen an, die zu Gunsten des Angeklagte» sprechen und beantragt die Verneinung der Schuldfrag««.

Der Angeklagte versichert die Geschworenen, daß er den Wöhr weggezogen hätte, wenn er ihn gesehen hätte, auch wenn er sein Feind war. Er hätte doch nicht sich und seine zahlreiche Familie unglücklich gemacht.

Tie Geschworenen Obmann Fabrikant Franz Ber- berich Heilbronn verneinten die Frage nach vorsätzlichem Totschlag und bejahten die Frage 2, die auf fahr­lässige Tötung lautete. Ter Staatsanwalt« beantragte 5 Jahre Gefängnis. Das Gericht blieb erheb­lich unter diesem Strafmaß, es erkannte auf IV 2 Jahre Gefängnis und 'Abrechnung von 3 Monaten Untersuch­ungshaft.

Stuttgart, 3t. Nov. (Schwurgericht). Am Sonntag 26. September wurde in Heutingsheim der 22 Jahre alte Tag- kühner Wilhelm Koch bei Streithändeln zwischen Geisinger und Heutingsheimer Burschen von dem 19 Jahre alten Flaschner Karl Dorumer in den Bauch gestochen. Koch starb am fol­genden Tag im Bezirkskrankenhaus,, der Stich hatte den Ma­gen durchbohrt. Dommer versetzte außerdem dem ledigen Me­chaniker Stockburger einen Stich in die linke Brustseite. Den Streithändeln waren Sticheleien in einer Wirtschaft voraus­gegangen. Dommer hatte sich heute wegen Körperverletzung mit nachgefolgtem Tod und gefährlicher Körperverletzung vor dem Schwurgericht zu verantworten. Er machte Notwehr gel­tend. Koch habe mit einem Prügel auf ihn eingeschlagen und um ihn von sich wegzubringen, habe er zugestochen. In der Voruntersuchung machte der Angeklagte schwankende Angaben. Wie bezeugt wurde, hat der Angeklagte dem abseits stehen­den Stockburger den Stich im Borbeispringen beigebracht. Stock­burger war eineinhalb Wochen arbeitsunfähig. Die Geschwo­renen verneinten die auf Körperverletzung mit nachgefolgtem Tod lautende Schuldfrage und sprachen den Angeklagten nur der gefährlichen Körperverletzung schuldig unter Ausschluß mil­dernder Umstände. Das Gericht erkannte sodann auf 4 Monate 15 Tage Gefängnis, wovon 1 Monat 15 Tage Untersuch­ungshaft abgehen.

London, 24. Nov. Zwei Anhängerinnen des Frauen- Zstimmrechts, die am 28. Oktober bei der Wahl eines Abge­ordneten zum Unterhaus im Stadtteil Bermondsey versucht hat­ten, die Stimmzettel dadurch zu vernichten, daß sie eine ätzende lüssigkeit in die Wahlurne gossen, wurden heute zu vier bezw. drei Monaten Gefängnis verurteilt.

Vermischtes.

Pariser Leben.

Mau braucht wirklich nicht in Varietes und in Schwank­theater zu gehen eine köstliche echt französische Possen­tragödie hat sich dieser Tage ans dem Pariser As­phalt abgespielt. Die Passanten der Rue des Mathurins sind unfreiwillige Zeugen davon gewesen. Etwa 3 Uhr nach­mittags war es, als vor dem Tor eines Hotels Garni Lin Wagen hielt, dem eilends eine distinguiert aussehende, etwa 50jährige Dame entstieg. Sie stürzte ans eines der geschlossenen Parterrefenster zu, zertrümmerte, von irgendeinem Menschen unter den Schultern emporgehoben, die Glasscheiben, riß den Fensterriegel, dann die Fensterflügel auf, schwang sich auf das Gesimsbrett und sprang von dort aus ins Zimmer hinab. Schreckensrufe und Hilfegeschrei tönten ans die Mraße. Wenige Sekunden später erschien dieselbe Dame wieder heim Fenster und alsbald sah man eine Bluse, einen Jupon, ein Mieder, eine Schoß und nach und nach sämtliche Utensilien der intimsten Franengarder.oAe! aufs Trottoir fliegen, wo sie trotz ihrer Eleganz in höchst pitoyablen Attitüden liegen hlie- ben. Dies erledigt, wandte sich die Dame wieder ins Zimmer zurück, und neuerdings hörte man die Rufe: ,Hilfe! Hilfe! Mörder!" ans die Straße schallen. Ein Raubmord! Was an­ders konnte es sein! Hilfsbereite Passanten kletterten ins Fenster hinein, zogen sich in der Hast mehrere Kontusionen zu und warfen sich beherzt auf einen kleinen Greis mit schneeweißen Favoris, der in recht primitivem Kostüm die ge­walttätige Dame an der Gurgel gefaßt hielt. In dem­selben Moment jedoch teilten sich die Bettvorhänge, und nahezu völlig schleierlos erscheint die Gestalt einer hübschen jun­gen Frau, die in wahnwitziger Hast vom Alkoven weg und auf die Tür gestürzt, hinter der sie alsbald verschwindet. Schallendes, geradezu schreiendes Gelächter folgte ihr, denn das Auditorium ist mittlerweile sehr zahlreich geworden. Schon staut sich die Menge in den Fenstern und her Zimmertür. Sicherheitswache schreitet ein, und unter polizeilicher Eskorte ge­langt Mine. L. aufs nächste Kommissarat der Rue Anjou, wo sie M. Rajand, dem Diensthabenden des Quartiers Ma­deleine, die Gründe ihres abenteuerlichen Gehabens ausein­andersetzt:

Sie ist die Frau eines bekannten und angesehenen In­dustriellenäs la rivs gsueds". Seit langem schon hatte sie vermutet, daß ihr Mann sie hinterging. Sie wandte sich .an einen Detektiv, der nicht verabsäumte, sie recht gründlichauf­zuklären". Sie mußte hören, daß ihr Gatte schon seit ge­raumer Zeit mit einer jungen geschiedenen Frau zärtliche Be­ziehungen pflegte. Die regelmäßigen Zusammenkünfte tagten in dem Hotel Garni der Rue des Mathurins, wo der Handels- Herr ein Monatsappartement innehatte. Seiner Gemahlin war es nun daran gelegen, einen recht effektvollen Eklat herbeiznführen, damit der Scheidungsgrnnd ein gründlich un­anfechtbarer sei. Man beruhigte die erregte Frau und ver­sicherte ihr, daß der Eklat sich als hinreichend erweisen dürfte. Die Rosette der lüxus ä'donnsur im Knopfloche, erschien da­rauf der bekannte Industrielle der rivs gsuoks ans dem Kom­missariate und bestätigte sichtlich peinlich berührt, aber den­noch mit augenscheinlichem Vergnügen, die von seiner Frau gemachten Angaben. Er hatte sich nämlich bisher bloß aus Familienrücksichten einer Scheidung widersetzt. Und was die hübsche junge Dritte anbelangt, mit der M. .1. sich tröstete ... sie vxrließ inkognito das Hans, erst geraume Zeit, nach­dem die Menge sich verlausen hatte.

Handel und Volkswirtschaft.

Biberach, 23. Nov. Das Rittergut Erolzheim, das sich seither nn Besitze der Witwe Enslin befand, wurde vo« Herzo'g Wilhelm von Württemberg, Grasen von Urach, um den Preis von 375 OM Mark käuflich erworben.