Schillers GeburtHrnimer in Marbach.

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chen Herrschaft der Archonten (der höchsten Obrig- leit) aus die Tauer von zehn Jahren und führt dabei aus:

Ein wichtiger Schritt zur künftigen Freiheit; denn dadurch, daß es alle zehn Jahre einen neuen Beherrscher wählte, erneuerte das Volk den Aktus feiner Souveräni­tät; es nahm alle zehn Jahre seine weggegebene Gewalt zurück, um sie nach Gutbefinden von neuem wegzugeben Tadurch blieb ihm immer in frischem Gedächtnis, was die Untertanen erblicher Monarchien zuletzt ganz vergessen, daß es selb st die Quelle der höchsten Gewalt, daß der Fürst nur daS Ge­schöpf der Nation ist."

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Von Drako, dem Vorgänger Solon's, sagt er:

Trako's Gesetze sind der Versuch eines Anfängers in der Kunst, Menschen zu regieren. Schrecken ist das einzige Instrument, wodurch er wirkt. Er straft nur be­gangenes Uebel, er verhindert es nicht, xr bekümmert sich nicht darum, die Quellen desselben zu verstopfen, und die Menschen zu verbessern. Einen Menschen aus den Leben­digen vertilgen, weil er etwas Böses begangen hat, heißt ebensoviel, als einen Baum unchauen, .weil eine seiner Früchte faul ist."

Eine Verballhornung derRäuber.

Unter dem TitelDer mißhandelte Schiller" er­zählt Albert Boree allerlei persönliche Erinnerungen, von denen hier eine wiedergegeben sei: Schiller selbst hat den später beim deutschen Theater wütenden Erfindern hon Toppeltiteln Vorschub geleistet, indem er seinerBraut von Messina" die Unterbezeichnungoder die feindlichen Brüder" verlieh. Tas liehen sich die kleineren Direkto­ren nicht zweimal sagen. Gaben sieMaria Stuart" alsKrone und Schaffott", so genügte das bei einem so herrlichen Stücke wieMe Räuber" natürlich picht. Zur Erheiterung aller Schiller-Verehrer will ich einen Zettel hier folgen lassen, den ich, ein dramatischer Em­bryo, vor 22 Jahren höchstselbst in den Dörfern des Salzkammerguts in die Bauernhäuser getragen habe. Ich füge gleich hinzu, daß ich in dieser denkwürdigen Vor­stellung den Hermann, den Daniel und den Pater spielte, außerdem hinter der Szene Volksgemurmel und Hunde­gebell markierte, die große Trommel schlug, viele alte Donnerbüchsen losschoß und zum Schluß mit bengalischem Rotfeuer das Leichenfeld magisch beleuchtete.

Heute im roten Ochsen:

Die Räuber

oderDie feindlichen Brüder"

oder:Allmächtiger Gott, der Sohn hat seinen Vater erschlagen!"

Großes Ritterschanspiel nach Schiller von. Franz Xaver Kleiderspeck.

1. Abteilung: Wer ist euch auch wohl, Vater?

2. Franz heißt hie Kanallje.

8. Weh demi der lügt!

4. Die Gräuel in die böhmischen Wälder.

5. Liebe ist das höchste!

6. Ter Graf im Hungerturm.

7. Tränen kommen aus dem Bauch!

8. Ende gut, alles gut!

Zum Schluß:

Große Apotiose bei Kunstfeuerwerk.

(Folgt das Personenverzeichnis.)

Kinder, Hunde, Volk und Soldaten beiderlei Geschlechts.

P. P. Dieses mit dem Staatspreis (!) gekrönte Stück habe ich gewählt, um dem verehruugswürdigen Pnblico zu zeigen, wohin List, Tücke und Verrat führen kann, wie erquicklich Andererseits aber auch Liebe ist! Wer die Fol­gen von verlorenem Familienglück sich veranschauligen will, wer sehen will, wie auch dem gesunkesten Mensche« noch eine Umkehr zum Guten möglich ist, der komme i»

die heutige Vorstellung, in der alle Meine besten Kräfte Mitwirken. Der Eingang ist durch den Hausflur.

Hochachtungsvoll

Direktor Franz Xaver Kleiderfpeck, Inhaber eines k. k. KunstpatentS.

1. Platz, 30 Kreuzer, 2. Platz 20 Kr., 3. Matz 10 Kr.

Um dem Ganzen etwas Humor zu verleihen, legte sich der Direktor als Karl Moor das Couplet ein:Der Mensch is nix als eine schwarze Hosen", das er sich auf einer zu­fällig an einem Baum der böhmischen Wälder hängende» Gitarre begleitete. O heiliger Schiller,, vergib uns heute an deinem 150. Wiegenfeste die Verballhornung dei­ner herrlichen Jugendtragödie, aber ich kann deinen Ma­nen zuschwören, daß der Erfolg größer war, als auf der ersten .Hofbühne, denn zum Schluß, durch deine Donner­worte entfacht, entwickelte sich unter den oberösterreichischen Bauern eine solenne Keilerei, bei der unsere ganzen, et­was leicht gezimmerten böhmischen Wälder-Kulissen in Trümmer gingen. Franz Moor, den die Bauern für seine Schandtaten lynchen wollten, entwich noch rechtzeitig durch die Hintertür desRoten Ochsen".

Schillerfest in Gerolstein. Serenissimus:Ist Schiller nicht in seinem Militärverhältnis äh Regiments­arzt gewesen?" Kindermann:Jawohl, Durchlaucht." Se­renissimus:Und hat er nicht die ähGlocke" ge­schrieben?" Kindermann:Sehr wohl, Durchlaucht!" Se­renissimus:Dann sollen äh die Sanitätsoffiziere in Zukunft äh zwei übereinander gekreuzte Klöppel auf den Achselstücken tragen!"

Der Bulle im Dienste der Politik.

Im achten sächsischen Wahlkreis Bautzen-Ka«en stan­den einander in der Stichwahl zwei Konservative gegenüber: der einfach konservative Gutsbesitzer Kockel und der bünd- lerische Oekonomierat Brühl. Mit welchen Waffen die Hei­den Kandidaten einander bekämpft zu haben scheinen, zeigt nachstehendes Inserat:

Wähler des achten ländlichen Wahlkreises^

Gebt am Wahltag alle eure Stimmen

Herrn Oekonomierat Brühl in Luga.

Er ist ein Mann, welcher seinen Wählern in jeder Weise entgegenkommt, und er stellt seiner Gemeinde und der Nach­bargemeinde Quovs den Bullen, gratis zur Verfüg­ung. Mehrere Wähler.

Das uneigennützige Entgegenkommen hat dem Herrn Oeko­nomierat freilich nichts geholfen; er ist bei der Stichwahl un- terlegen. Am zufriedensten wird darüber wohl der Bulle sein. Denn so angenehm seine nutzbringende Tätigkeit für ihn selbst auch sein mag: hätte er sie zum Heile der agrarisch-tellu- rischen Weltanschauung, andauernd gratis ausüben müssen, so wäre es ihm sicher bald zu viel geworden.

Der alte Fischer.

Hör ich bei sturmbewegter Flut Tie tolle Brandung bellen,

Träum' ich von manchem, der da ruht Im Schoß der wilden Wellen.

Ich 'Hab mein Herz gar oft erprobt Ta draußen auf den Wogen,

Von regenschwerer umtobt,

Bon kaltem Gischt umflogen.

Es war mir oft, als ob der Tod Das Steuer mir entringe,

Auf daß die Flut mein schwaches' Boot Erdrücke und verschlinge.

Gefährten sah ich neben mir Verschwinden und ertrinken,

Ost meint ich ihnen selber schier Ermattet nachzusinken. ,

Doch immer hat der sichre Port Mich wieder ausgenommen.

Im stillen Heim am Strande dort Sah ich das Ende kommen.

Tie alten Beine wollen kaum Den morschen Leib mehr tragen Hinab, wo an der Küste Saum Tie Wogenkämme schlagen.

Schau ich in klarer Sternennacht Die Boote still im Hasen,

Dann denk ich, wer sein Werk vollbracht,

.Der mag in Frieden schlafen.

Hör ich bei sturmbewegter Mut Die tolle Brandung bellen.

Träum ich von manchem, der da puht Im Schoß der wilden Wellen.

Max KienningerS^

Handel und Volkswirtschaft.

Stuttgart, 9. Nov. Die Milchpreiser Höhung soll «un wirklich in Kraft treten. Und zwar beabsichtigt der Verein der Stuttgarter Milchhändler vom 15. dS. MtS. ab ßas Liter Milch von 20 auf 22 Pfg. erhöben.

! Wenn aus Fortunens Hand du das so voll und bündig. Was ich dir zärtlich wünsch', empfängst,

So wirst du noch in diesem Jahr Recht reich und floh auf immerdar Am Arm der schönsten aller Weiber ! Und lebst so lang als deine Räuber!"

Einen schönen, freudigen Geburtstag feierte Schil- ! ler vier Jahre später, am 10. November 1788, bei Len-- gefelds in Rudolstadt; Lotte widmete ihm als

! Geschenk eine Vase. Ein Jahr später schrieb er als glück-

! licher Bräutigam am 10. November aus Jena an Lotte

einen langen Brief, der beginnt:Daß mein Geburts­tag heute ist, habe ich erst von Dir erfahren, denn ich j bin ganz unrichtig in der Zeit., Voriges Jahr Hab ich ! ihn mit Dir durchlebt aber nein, Du bist mir, unserer ! Entfernung ungeachtet, heute viel näher als im vorigen ! Jahr. Meine Seele besitzt Dich . . . Der Tag in Lauch-

; städt, jener Morgen, wo ein so langes, schmerzhaftes Still­

schweigen endlich brach wo das entscheidende Wort ge­sprochen wurde, was mein ganzes Wesen umkehrte jener Morgen ist mir ein weit lieberer, schönerer Tag als der zehnte November. Was läge mir an meiner Geburt, wenn ich nicht zur Freude geboren wäre?" An diesem Geburtstag erhielt Schiller als Jenaer Professor der Philosophie sein erstes Kollegiengeld und zwar von einem Bernburger Studenten.Zum Glück, war der Mensch noch neu und noch verlegener als ich; er re­tirierte sich auch gleich wieder", bemerkt Schiller in sei- nem Schreiben an Lotte, in dem er der Geliebten Pläne zur Erreichung einer besseren Lebensstellung mitteilt. Am 10. November 1790 feierte Schiller seinen ersten Geburts­tag als glücklicher Ehemann.Was für ein schönes Le­ben führe ich jetzt!" hatte er kurz nach der Hochzeit an Körner geschrieben.Ich sehe mit fröhlichem Geist um mich her, und mein Herz findet eine immerwährende sanfte Befriedigung außer sich, mein Geist eine so schöne Nahrung und Erholung. Mein Dasein ist in eine har- > manische Gleichheit gerückt." Zu diesem Geburtstag bat ^ er seinen Verleger> 'Freund Göschenzu sich,Cham­pagner soll fließen und mitunter soll auch ein gescheidcs Wort gesprochen werden",, heißt es in seinem Einlad­

ungsschreiben. Hebers Jahr fühlte sich Schiller nicht wohl; Krämpfe im Unterleibe und Atembeschwerden Mache­ten ihm viel zu schaffen. Sein alter Vater schrieb von der Solitudeam Geburtstag unsers lieben Fritzen" ei­nen herzlichen Brief, der das bemerkenswerte Bekennt­nis enthält:Ich muß jetzt zu meiner Demütigung be­kennen, daß ich für meinen Sohn immer mehr Furcht als Hoffnung genährt habe, und das vornehmlich deswegen, weil ich ihn zur Erreichung seiner über meinen Hori­zont gegangenen Absichten niemals unterstützen konnte." Innig dankt Vater Schiller der Schwiegertochter für alle seinem Sohn erwiesene Liebe und Sorgfalt und knüpft daran die Worte:Gott segne Sie mit aller Fülle sei­nes Segens, lasse unseren lieben Sohn bald und voll­kommen wieder gesund werden und schenke ihm noch eine große Anzahl erfreulicher Geburtstäge. Ten heutigen ha­ben auch wir gefeiert und herzlich gewünscht, daß wir hätten mögen beisammen sein, um uns gemeinschaftlich dabei erfreuen zu können." Zwei Jahre darnach weilte Schiller mit seiner Lotte zu Besuch in der schwäbischen Heimat. Doch konnten die Eltern leider nicht zu ihres Sohnes Geburtstag nach Ludwigsburg kommen. Vater Schiller sandte von der Solitude sein Bild und innigen Glückwunsch:Gott stärke Im Seine Gesundheit und lasse Ihn diesen Tag noch 50 Mal feyern!" Ter Sohn ant­wortete: Recht leid tut es mir, liebste Eltern, daß ich meinen Geburtstag nicht mit Ihnen soll feyern können. Aber ich sehe wohl ein, daß der liebe Papa es jetzt nicht gut wagen kann, sich von der Solitude.zu entfernen. Es kommt überhaupt ja gar nicht auf den Tag an, wenn man zusammen fröhlich seyn will, und jeder Tag, wo ich mit meinen lieben und besten Eltern zusammen bin, soll mir festlich und willkommen wie ein Geburtstag seyn". Diesen Zeilen folgt herzlicher Dank für das Bild und der Wunsch öfteren Zusammentreffens.

Im Jahr 1795 feierte Schiller seinen Geburtstag ^ bei Griesbachs in Jena, zusammen mit Göthe, der am nächsten Tage nach Weimar zurückkehrte. Am 10. Notzeinber?1797 war Schiller zu Besuch bei Wol zo­gen. 1799 kam wieder Goethe zu dem Festtag nach Jena. In den folgenden fünf Jahren verbrachte Schiller den 10.

November in Weimar, meist in Goethes Gesellschaft. Sei­nen letzten Geburtstag (1804) verlebte er in gehobener Stimmung: er hatte gerade sein Festspiel zum Einzug der 'Erbprinzessin von Weimar (Großfürstin Maria Pau- lowna von Rußland) glücklich zu Ende gebrachst und einen kostbaren Brillantring als Geschenk der Kaiserin von Rußland empfangen; auch brachte das Hoftheater dies­mal an seinem Geburtstag ein Schillerstück: Wallensteins Lager. Am nächsten Tage wurde der Dichter bei Hofe der Erbprinzessin vorgestellt, am 12. November gelangte sein Festspiel mit schönstem Erfolg zur Aufführung. Kurz darauf erkrankte Schiller an heftigem Katarrh, zu dem sich einige Wochen später Meberanfälle und Schwäche- zuftände gestellten. Er sollte nicht mehr genesen. Fort­während kränkelnd arbeitete er mit letzter Anspannung der Kräfte noch einige Monate an Phaedra und Deme­trius, dann entsank seiner Hand die Feder, schloß sich sein beredter Mund, entwich der unsterbliche Geist der irdischen Hülle. Mit seinem Heimgang hörte jedoch die Feier seines Geburtstags nicht auf. Ter gesegnete Tag seines Eintritts in die Welt wurde vielmehr von Jahr zu Jahr allgemeiner als Festtag begangen, und als der Säkulartag der Geburt des Dichters kam, da brauste ein unbeschreiblicher, beispielloser Jubel durch Deutschland, da huldigten die Deutschen mit großartiger Begeisterung und Freudigkeit ihrem guten Genius^ da wurde der 10. November zum höchsten Festtag des deutschen Geistes erhoben. Und wie damals klingt es noch heute an jedem 10. November und besonders bei der jetzigen 150. Wie­derkehr des Schillertages, aus Millionen Herzen: Wir begrüßen dich, König der Geister,

Dich, den Schirmherrn deutscher Nation,

Dich, des' Gesanges gewaltiger Meister,

Dich, des Volles geliebtesten Sohn!"

Auch im zwanzigsten Jahrhundert stimmt das' deut­sche Voll begeistert in Ludwig Pfaus Schillerlied ein: Wohl bist du uns geboren Gestorben bist du nicht!

Tu lebst so unverloren,

Wo deutsche Zunge spricht."