Stuttgart, 1. Nov. Die Geschäftsstelle des Württ. Landesverbands vom Hansa-Bund für Gewerbe, Han­del und Industrie befindet sich ab 2. November in Stuttgart Büchsenstraße 53 (Bauhütte), Eingang von der Schloft- ftraße aus, Telephon-Anschluß der Geschäftsstelle unter Nr. 9595.

Stuttgart, 1. Nov. Eine Milchpreiserhöh­ung empfiehlt das Organ des Bundes der Landwirte. Es fordert in seiner letzten Nummer die Genossenschaften und sonstigen ^Vereinigungen auf, die Milchpreise um 1 Pfg. zu erhöhen und für die nach Stuttgart und Umgegend gehende Milch künftighin 16 Pfg. zu verlangen. Diese Erhöhung soll als Aequivalent für die in der letzten Zeit gestiegenen Kraftfutterpreise und den Ausfall der Heuernte dienen.

Heilbronn, 2. Nov. Dr. Paul Mayer ist am heutigen Allerseelentag aus dem Leben gegangen, im Al­ter von 61 Jahren, wohl in einem Anfall von Schwer­mut, die sich schon einige Zeit bei ihm gezeigt hat. Dr. Paul Mayer ist bekanntlich der einzige Sohn des berühmten Naturforschers Robert Mayer.

Neckarsulm, 1. Nov. Der Streik der Jutearbeiter bei Gebr. Spoh'n ist nach fünfwöchiger Dauer am letz­ten Samstag beendet worden, ohne daß die Streikenden einen Vorteil für sich herausschlagen könnten. In der Ver­sammlung, die über die Beendigung des Streiks Beschluß faßte, wurde folgende Resolution einstimmig angenom­men:Die am 30. Oktober 1909 im Gasthaus zur Sonne" versammelten Textilarbeiter und Arbeiterinnen sind mit den Beschlüssen der Vertrauenspersonen einver­standen und erklären den Streik bei der Firma Gebr. Spohn für beendigt. Weiter erklären die Versammelten, daß es die sogenanntenArbeitswilligen" von Neckarsulm und Umgebung sind, welche die Schuld tragen, daß dieser Kampf 'nicht zugunsten der Arbeiterschaft ausgefallen ist. Sie verurteilen diesen Verrat deshalb aufs schärfste, weil gerade dieser Kampf im Interesse dieser Elemente aus­genommen wurde und auch diese eher wie die fremden Arbeiter in der Lage gewesen wären, ohne Not und Ent­behrungen, auszuharren. Die Versammelten verpflichten sich mehr als je für den deutschen Textilarbeiterverband tätig zu sein und nicht eher zu ruhen als bis der letzte Mann organisiert ist, um bei gegebener Zeit das jetzt nicht Erreichte nachholen zu können. Die Versammelten spre­chen den verhafteten Kollegen und Kolleginnen ihre Sym­pathie aus, auch sind sie überzeugt, daß die Verhaft­ungen zu Unrecht erfolgt sind. Weiter erklären die Ver­sammelten, .daß auch dieser Streik von neuem bewiesen hat: daß die Befreiung der Arbeiterklasse aus den Fes­seln des Kapitalismus nur das Werk der Arbeiter selbst sein kann. Geschäftsleute, Behörden und fast die gesamte bürgerliche Presse standen auch in diesem Kampf auf Sei­ten des Unternehmers. In Anbetracht dieser Tatsache verpflichten sich die Versammelten künftig nur noch die so­zialdemokratische Arbeiterpresse zu lesen und die politische Arbeiterpartei die Sozialdemokratie zu unterstützen!"

Heidenheim, 2. Nov. Die C. F. Rees'sche Buch­druckerei samt Zeitungsverlag des Grenz-Boten ist durch Kauf auf '1. Januar 1910 an Rudolf und Otto Bühler aus Urach übergegangen. Das Geschäft ist 1848 gegründet.

Nah und Fern.

Ein nächtliches Rekondre

Wirt» aus Reutlingen berichtet: In der Nacht auf den Montag machten dort junge Arbeiter von Nehren auf de: Straße Skandal, griffen den Achutzmann tätlich an, flohen und feuerten auf einen zur Hilfe kommenden Fahnder und t.afeu ihn am Arm. Bei einem nochmaligen Zusammentreffen stellte sich einer der Burschen, der Maler Schelling, schußbereit und zielend gegen den entgegenkommenden Schutzmann, worauf die­ser gleichfalls seinen Revolver zog, feuerte und dein jungen Mann durch die Brust schoß. Er starb auf dem Wege zur Polizeiwache. Der Malergehilfe ist als Raufbold bekannt und soll auch wegen dieser Eigenschaft aus der Schweiz ausge­wiesen worden sein. Zn der nächtlichen Radauszene erfährt dieSchwarzwälder Kreiszeitung" folgendes: In der Nacht vom Sonntag auf Montag wollte der Schutzmann.Allmendinger am Gartentor die Namen von Ruhestörern, die er wiederholt zur Ruhe verwiesen hatte, feststellen. Die Ruhestörer, drei an der Zahl, fielen über den Schutzmann her und hieben mit Stöcken auf ihn ein, auf ein von ihm abgegebenes Notsignal kam der Schutzmann Hack ihm zu HUst, riß einen von den Angreifenden von ihm weg und wurde von diesem in dem­selben Augenblick mit einem Revolver in den Arm geschossen. Die Angreifer flüchteten hierauf und schossen mehrmals auf die sie verfolgenden Schutzleute. In der äußeren Krämerstraße versteckten sie sich in dem Garten einer Villa, der hierauf von den Schutzleuten abgesncht wurde. Allmendinger bemerkte, als er seine Taschenlaterne in Funktion setzte, drei bis vier Schritte vor sich den 19jährigen Maler Paul Schelling von Nehren, der auch den Schuß auf Hack abgegeben hatte, wie er in knieender Stellung mit angelegtem Revolver auf Ihn zielte und ihm znrief, wenn er herkomme .schieße er ihn über den Haufen. Diesen gegen sein Leben gerichteten Angriff schlug Allmendinger durch einen Schuß aus seinem Dienstrevolver zurück. Schelling wurde durch den Schuß ge­tötet. Die beiden Schutzleute sind schwer, aber nicht lebensgefährlich verletzt.

Ein Dienstmädchen von der Herrschaft ermordet?

Der angebliche Selbstmord eines Dienstmädchens, der noch Acht 15 Jahre alten Rosa Wetzet, führte nach erfolgter Wie- derausgrabnng und Sektion der Leiche zur Verhaftung der Dienstherrin der Verstorbenen, Frau Fabrikdirektor Kuntz in Kirschau bei Bautzen i. S- Nunmehr ist auch der Direktor 'Kuntz selbst festgenommen und gleichfalls dem Landgerichts- Gefängnis in Bautzen zugeführt worden. Kuntz steht im Ver­dacht, mit dem Mädchen unerlaubte Beziehungen unterhalten zu haben. Die Aufsehen erregende Affäre kam durch einen Bru­der des Plötzlich verstorbenen Mädchens an die Öffentlichkeit. Als dieser nämlich seine Schwester von der Dienstherrschaft fort­holen wollte, wurde ihm von Frau Kuntz bedeutet, das Mäd­chen habe sich erhängt. Zum Beweise hierfür zeigte sie dem Bruder den Lederriemen, mit dem der Selbstmord verübt wor­den sei; sie, Frau Kuntz, habe die Leiche soeben abgeschnitten. Die Ermittelungen der Staatsanwaltschaft richten sich auf Mord. Es wird angenommen, daß das Mädchen durch die Kuntz'schen Eheleute erdrosselt worden ist. Bor dem Amtsgericht Sayda haben in der Angelegenheit bereits Verhöre stattgefunden.

Schutz vor Schutzleute«!

In Konstanz tauchte dieser Tage das Gerücht ans, daß cm dortiger Obsthändler in Basel von der Polizei schwer mißhandelt worden und später an den Folgen gestorben sei. Es handelt sich um den Obsthändler Heinrich Jl g. Der Vor­kall hat sich bereits am 22. Juli und zwar nach der Darstell­ung des juristischen Vertreters der Erben Jlgs folgenderma­ßen zugetragen: Jlg hielt sich an genanntem Tage behufs Einlaufs von Obst in Basel ans. Abends etwa um sieben Ahr wollte « sich nach Erledigung der geschäftlichen Ange­

legenheiten an den badischen Bahnhof begeben und wurde unter­wegs von einem Polizisten mit dem Rade angefahren. Es entstand ein kurzer Wortwechsel, dem Jlg dadurch ein Ende machte, daß er den Polizisten ersuchte, ihm bis zum nächsten Posten zu folgen. Kaum war Jlg hier angekommen, als zwei Polizeibeamte sich ans ihn stürzten und ihn, ohne daß sie ihn zu Wort kommen ließen, unter schweren Miß­handlungen in einen Keller und dann in einen kleinen dunklen Raum abführten, woselbst sich Jlg bis nachts halb 10 Uhr unter ständigem Frieren aufhalten mußte. Jlg wurde dann wieder in das Wachtlokal verbracht, woselbst er sofort nach einem Arzt verlangte. Anstatt daß seinem Wunsche ent­sprochen wurde, packten ihn die Polizisten abermals, verbrach­ten ihn wieder in den gleichen Raum, wo er vorher gewesen war, und mißhandelten ihn daselbst ans die roheste Weise. U. a. erhielt er von dem einen der beiden Polizisten einen Tritt mit dem Fuß, von dem andern einen wuchtigen Stoß. Als

Jlg etwas sagen wollte, machte einer der Polizisten die Be­

merkung: ,Merft den Chaib Hintere", worauf Jlg wie­der gepackt und auf die Bretterpritsche geworfen wurde, so- daß ihm alle Knochen weh taten. Er blieb nun bis morgens

früh in diesem dunklen, feucht-nassen, jeder frischen Luft er­

mangelnden Kellerraum liegen, ohne daß ihm eine Decke oder Wasser gegeben wurde. Am Morgen wurde er dann ohne wei­teres Verhör entlassen mit dem Bemerken:man wolle ihn ausnahmsweise gehen lassen." Jlg hatte sich durch den Auf­enthalt in dem dunklen, nassen Kellerraum sofort eine starke Erkältung zugezogen und wurde daneben durch die Miß­handlungen ebenfalls schwer an seiner Gesundheit ge­schädigt. Er mußte sich sofort nach seiner Ankunft dahier in ärztliche Behandlung begeben und ist nunmehr seinem Lei­den, das zweifellos mit der schweren Mißhandlung im Zu­sammenhang steht, erlegen. Es hat sich bereits die Staats­anwaltschaft in Basel- mit der Sache näher befaßt, und es wäre zu wünschen, daß gegen die Uebeltäter in strengster Weise vorgegangen wird. Das Tragische bei dieser Sache ist, daß Jlg nicht Deutscher, sondern Schweizer Bürger war. lieber den Ansgang der Untersuchung, die evtl, zu der Erhebung einer zivilrechtlichen Klage für die Erben führen wird, soll später berichtet werden. Eine gerichtliche Sektion der Leiche hat be­reits stattgefunden.

Kleine Ruchrichten.

Am Samstag abend fuhr in Biber ach ein Radfahrer in langsamem Tempo in die Ehingerstraße. Dort sprang ihm ein Mechanikerlehrling direkt in das Rad hinein, sodaß der Radler zu Fall kam. Er hatte zwei frisch geschliffene Maschi­nenmesser bei sich und so wollte es das Unglück, daß er beim Fallen in sie fiel und zwar so unglücklich, daß dem Bedauerns­werten ein Knie säst vollständig durchgeschnitten wurde.

Infolge von Streitigkeiten über das Ausweichen gerieten in der Kurfürstenstraße in Ludwigsburg der Brauerei­küfer Wilhelm Unterkofler aus Eglosheim und der Fabrikar­beiter Gottlieb Schneider von Ludwigsburg aneinander. Der elftere zog das Stiletmesser, brachte dem Sch. Verletzungen an den Händen bei und versetzte ihm einen lebensgefährlichen Stich in die Herzgegend. Nur durch eine sofortige Operation im Bezirkskrankenhaus konnte der Verletzte am Leben erhalten wer­den. Der Täter, der geständig ist, befindet sich in Haft.

Aus der Straße zwischen Calw und Stammheim wurde in der Nähe des Bahndurchlasses nach Althengstett ein älterer Mann bewußtlos und mit einer schweren Ver­letzung am Hintexkopf aufgefunden. Von Passanten, die seine Verbringung in das hiesige Krankenhaus veranlag­ten, konnte seine Persönlichkeit festgestellt werden. Hie- nach ist es der Farrenwärter Gräber von Gechingen. Er hatte sich aus dem Heimweg nach Gechingen befunden. Man vermutet, daß er von einem Automobil überfahren wurde. Der Verunglückte war gestern noch nicht ver­nehmungsfähig.

Im Cirkus-Krnematograf in Besigheim ereignete sich infolge Ueberfüllung der Plätze ein kleiner Zwischen­fall, der leicht zu einer Katastrophe hätte werden können. Als noch einige korpulente Frauen Platz nahmen, krachte es plötzlich und mit einem Ruck war das ganze Publikum am Boden. Auf der hintersten Bank waren die Insassen jo eingeklemmt, daß sie nur mit Mühe aus ihrer un­freiwilligen Kniebeuge befreit werden konnten. Außer ei­nigen Schürfungen, die vorgekommen sind, dürsten die Beteiligten mit dem Schrecken davon gekommen sein.

Aus Fellbach OA. Cannstatt wird berichtet: Sonntag abend, als die Wirtschaft dicht gefüllt war, und die Wirts- lente vollauf zu tun hatten, wurde, laut Cannstatter Zeitung, im ersten Stock der Bahnhofrestanration der Kassenschrank er­brochen und 3000 Mark, welches Geld die Weingärtner be­friedigen sollte, gestohlen. Den Tätern ist man ans der Spur.

Ein schweres Unglück, verursacht durch ein Automobil, er­eignete sich laut Remstalbote vor Großheppach (Waib­lingen). Der dieses Jahr vom Militär beurlaubte Christian Wöhrle wurde von einem unbeleuchteten Automobil über- fahren, wobei er neben einem Schädelbruch, einen Schlüssel- beinbrnch und schwere innere Verletzungen davontrug. Bezeich­nend für den Automobillenker ist, daß er nach dem Unglück, ohne sich weiter um den Verletzten zu kümmern, in rasender Eile auf und davon fuhr. Leider konnte die Nummer des Automobils nicht sestgestellt werden.

Der Bauer Nau von Bleistetten hatte mit seinem Zweispänner Straßenschotter nach Reutlingen gefah­ren und sich abends allein auf den Heimweg gemacht. Unterwegs scheint er vom Wagen gestürzt und an dem blauen Unterhemd an der vorstehenden Wagenachse hän- geblieben und einige Kilometer mit geschleift worden zu sein. Die Pferde trabten bis vor den Stall, wo die An­gehörigen die Leiche am Wagen hängend fanden.

Am Samstag nacht ist das große Oekonomiegebäude der Gebrüder Zeeb znm Deutschen Hof in Tuttlingen voll­ständig abgebrannt. Bedeutende Futtervorräte sind ein Raub der Flammen geworden. Die Besitzer sind versichert.

Beim Bahnübergang in Erbach OA. Ehingen hat sich ein ISjähriger Bursche in betrunkenem Zustande auf das Bahn­gleis gelegt. Vom Abendzng wurden ihm beide Beine abgefahren .

Vermischtes.

Ein Sprung ums Leben.

Zu einem aufregenden und gefahrvollen Zwischenfall kam es jüngst auf der großen englischen Fliegerwoche von Doncaster; nur durch die bewundernswerte Geistesgegen­wart des Aviatikers Le Blon wurde ein furchtbares Un­glück vermieden und die in kurzen Sekunden zu höchster Nervenspannung gesteigerte Erregung der Menge konnte sich in enthusiastischen Kundgebungen für den kühnen Flie­ger Luft machen. Ein heftiger Wind hatte die Flugver­suche beeinträchtigt. Cody wagte es, gegr. Zorn der Elemente anzukämpfen, aber der Sturm zwang ihn bald, mit seiner Maschine zu landen und im Schuppen Zu­flucht zu suchen. Unmittelbar darauf wagte Le Blon seinen tollkühnen Aufstieg. Schon der Start brachte die erste Aufregung: mit einem blitzschnellen riesigen Sprunge schnellte die Maschine in die Lüste und begann davonzu­sausen. Das Publikum, dys sich bereits anschickte, den

Flugplatz zu verlassen, drängte eilig vor, um Zeuge des sensationellen Schauspiels zu werden. Ter Apparat schien der Kraft des' Windes gewachsen; mit graziösen Schwing­ungen und langgestreckten Kurven schoß er in schwindel­erregender Schnelligkeit davon. Le Blon hatte den Wind im Rücken; unter ihm, einige 30 Meter zur Rechten, zog sich in tanger Linie die Barriere der Rennbahn hin, rechts davon die Rennbahn, die am Außenrande von der dichtgedrängten, viele Tausende zählenden Zuschauer­menge umsäumt war,wie von einem langen schmalen Band aufwärts starrender Gesichter", so beschrieb Le Blon später das Bild der Menge. Ter Wind war unregelmäßig und fegte in kurzen zornigen Stößen über das Feld. Mit klopfendem Herzen sah man, wie ein wilder Wirbel plötzlich den eleganten Flugapparat packte. Ein Zuschauer gibt eine anschaulich^ Schilderung des aufregenden Vor­falles, .der sich in wenigen Sekunden abspielte.Wie ein Schiff im Strudel ward die Maschine plötzlich in die Höhe und vorwärts gerissen; dann wurde der Apparat jäh nach rechts hinübergeschleudert. Ich konnte sehen, daß Le Blon in eine furchtbare Lage geriet. Er ver­suchte zuerst, die ursprüngliche Fluglinie wieder zu ge­winnen, aber der Sturm wuchs und die Wendung zur Linken mißglückte. Tann riß der Flieger mit einem schar­fen Ruck den Steuerhebel zurück und versuchte eine schnelle Landung. Aber vor ihm dehnte sich jetzt die Barriere. Mit einer Geschwindigkeit von 40 englischen Meilen in der Stunde sauste der Aeroplan nieder und berührte die Erde, 10 Meter vor den weißen Eisenstäben der Umzäunung. Unwillkürlich hatte man den Drang, die Augen zu schlie­ßen; man erwartete nichts mehr, als den Zusammenstoß, der Maschine und Flieger zerschmettern mußte. Nur um Bruchteile von Sekunden konnte es sich handeln, aber die Geistesgegenwart des Fliegers war der Kürze der Zeit gewachsen. Ich sah, wie Le Blon mit einem blitzschnellen Ruck vorwärts glitt und den Steuerhebel mit einem ha­stigen Stoß emporrichtete. Wie ein Pferd unter dem Truck der Sporen vor einem Hindernis plötzlich zum Sprunge ausholt, so sauste der Apparat vorwärts and sprang über die Barriere. Unmittelbar dahinter kam die Maschine im steilen Winkel auf die Rennbahn nieder. Aber die Gefahr war damit nicht überwunden. Tie Geschwindigkeit des Apparats überstieg die Berech­nung ; Le Blon erkannte, daß es ihm nicht gelingen konnte, noch aus der kurzen Breite der Rennbahn zum Still­stand zu kommen. In wildem Tempo sauste die Maschine auf dem Erdboden mitten auf die dichtgedrängte Zu­schauermasse zu. Nur einer unter Millionen konnte die blitzschnelle Geistesgegenwart haben, der grauenvollen Si­tuation durch einen raschen Entschluß zu begegnen; zum Glück war Le Blon dieser eine. Man sah ihn, wie er sich wieder auf die Steuerung stürzte; dann lehnte er seinen Körper vor wie ein Jockey, der einem müden Pferd beim letzten Sprung das Werk erleichtert. Nur 5 Meter vor der entsetzten Menge begann der Apparat zu steigen. Ein Augenblick atemloser angstvoller Spannung dann war es vorüber; unmittelbar über den Köpfen der Zuschauer raste die Maschine in wirbelndem Sprung durch die Lüfte. In den vorderen Reihen der Menge wurde durch den Luft­druck die Kopfbedeckung herabgerissen. Man sah noch, wie mit ruckartigem Sprung das Aeroplan bis zu etwa 20 Meter emporschnellte, dann rauschte es rasch h er ab .- Unter dem Anprall barsten die Räder und die Schwingen des Propellers brachen und wurden davongeschleudert. Ans den Trümmern seines Fahrzeugs stieg Le Blon und ei­nen Augenblick lang sah man ihn einsam auf dem Felde stehen. Tann kam Leben in die erstarrte Menge. In einer Aufwallung von wildem Enthusiasmus wogte die Menschenflut auf ihn zu, Hunderte von Händen streckten sich ihm entgegen, Frauen umarmten ihn, zwei kräftige Männer packten den Flieger und trugen inmitten brau­sender Hochrufe den Mann durch die Menschenbrandung, der durch seine Entschlußschnelligkeit eine grausige Ka­tastrophe verhindert hatte.

Handel und Volkswirtschaft.

Heitdrou», 2 Noo. Obst- u. Kartosfelmarkt an der Wollhalle. dtaKnum-ljooum 2. o- 2.80 Mk. per. Ztr. Gelbe Kar­toffel 2 81 3.20 Mk. per Ztr. Wurstkartoffel 4.504.70 Mk. per Ztr Mostobft 40o bis v.^0 Mk per Ztr Tafelobst 8.00- 16.r0 Mk per Zentner

Salzwerk Heilbroun. Nach dem Bericht des Vorstandes über die 22. Betriebsperiode vom 1. Juli 1908 bis 30. Juni 1909 hat der Versand von Steinsalz gegen das Vorjahr eine Abschwächung erfahren, da im Anfang des Betriebsjahres der Absatz von gemahlenem Salz vorübergehend etwas geringer war. Der Verkauf von Kochsalz hielt sich annähernd auf der Höhe des Vorjahres. Die Selbstkosten haben sich im Stein­salzbetrieb ein wenig erhöht,, in der Kochsalzgewinnnng da­gegen verringert. Die Mühlen-Einrichtung wurde durch Auf- stellung eines Transportbandes für die KnörpelsalzverlaNung verbessert. Der Aktien-Amortisationsfonds weist auf den 30. Juni 1909 einen Bestand von 1 124 787,95 Mark auf. Der Knappschaftsverein des Werks besaß Ende 1908 ein Vermögen von 287 081,30 Mark und zählte 152 ständige und 166 un­ständige Mitglieder. Das Geschäftsjahr hat einen Ueb er­sehn ß erbracht von 688 787,73 Mark. Am 16. November vorigen Jahres wurde das 25jährige Jubiläum der Gründung der Aktiengesellschaft begangen. Am 25. Juli ds. Ls. hat die Gesellschaft durch das so plötzlich erfolgte Ableben des Ge­neraldirektors, Herrn Geh. Kommerzienrat Theodor Lichtenber- ger, einen unersetzlichen Verlust erlitten. Der Aufsichtsrat stellt in Gemäßheit der Tagesordnung an die Generalversammlung den Antrag: 1. die vorliegende Bilanz, sowie Gewinn- und Verlust-Rechnung pro 30. Juni 1909 zu genehmigen und dem Vorstand und Aufsichtsrat die Entlastung zu erteilen; 2. eine Gesamtdividende von 12 Proz. (120 Mark für dis Aktie zu verteilen und dem Pensions» und Unterstützungsfonds 10 000 Mark zuzuweisen, so daß sich folgende Gewinn-Verteil­ung ergeben würde: Bilanzgewinn 688 787,73 Mark; hieraus: 1. Wschreibungen 134 399,98 Mark, 2. erste Dividende an die Aktionäre 6 Proz. 180000 Mark, 3. statutarische Tantiemen des Aufsichtsrats und die vertragsmäßige Tantieme des Vor­standes 56 158,16 Mark, 4. dem Aktien-Amortisationsfonds 20 Proz. 63 645,92 Mark ,5. Bestreitung des vertragsmäßigen An­teils der Stadtgemeinde Heilbronn 20 Proz. aus 318 229,59 Mark 63 645,92 Marl, 6. Superdividende an die Aktionäre 6 Prozent 180 000 Mark und mit Zuziehung des letzten Gewinnvortrags von 617,87 Mark; hieraus: 7. Zuschuß an den Pensions- und Unterstützungssonds 10 000 Mark, sodaß auf neue Rechnung vorzutragen sind 1555,62 Mark. 3. Ersatzwahlen in den Auf­sichtsrat vorzunehmen (§ 27 der Statuten) für die austreten­den Herren: Richard Andreae-Petsch, Geh. Bergrat Krabler, Gustav v. Müller, Freiherr Ernst Pergler von Perglas.