Dienstnachrichte»
Der Hofgärtner Hering in Stuttgart wurde unter Verleihung des Titels .Hofgarteninspektor" zum Vorstand des Hof- gartemnnts und die Obergärtner Klotz in Cannstatt und Eh - mann in Stuttgart zu Hofgärtnern ernannt. — rDer Finanzsekretär Bender bei dem Salzsteueramt Heilbronn wurde in gleicher Eigenschaft zu dem Hauptzollamt Heilbronn versetzt. — Die seitens des Fürsten von Hohenlohe-Bartenstein und Jagst- berg erfolgte Nomination des Stadtpfarrers Krauß in Eindringen, Dekanats Oehringen, zur Pfarrei Neunkirchen, Dekanats Weikersheim, ist bestätigt worden.
Neckarsulm, 22. Okt. Die Jutespinnerei und Weberei der Gebrüder Spohn hat einem Teil der ausländischen Arbeiter (Polen, Tschechen und Italiener) gekündigt und, da die Fabrikleitung Kürzungen am Lohntarif beabsichtigte, mußte der andere Teil der Arbeiter vom Verband aus die Arbeit einstellen. Nur noch etwa 40—50 einheimische Arbeiter, meist Frauen und Mädchen von hier und Umgebung, sind als „Arbeitswillige" noch beschäftigt. Infolgedessen kam es in den letzten Tagen morgens, mittags und abends, wenn die Arbeitswilligen ins Geschäft gingen oder es verließen, vielfach zu lvüsten Auslassungen. So gab es am Donnerstag abend nach Vs? Uhr, als die Spohn'schen Arbeiter die Fabrik verließen, wieder zu lebhaften Szenen. Ein älterer Mann von hier namens E. wollte seine Frau und Tochter in Schutz nehmen und ging ihnen daher in die Fabrik entgegen. Als er bald darauf mit seinen Angehörigen und noch anderen Arbeiterinnen die Fabrik verließ, begann ein Lärmen und Toben. Sie wurden lt. U. V. mit Steinen beworfen und im Gesicht verletzt. Der Mann wurde infolgedessen so aufgebracht, daß er zur „Hübe"" griff, einem sich nähernden Arbeiter damit übers Gesicht fuhr und ihm die Unterlippe aufriß, sodaß er sich sofort zum Arzte begeben mußte. Fabrikdirektor Kommerzienrat Banzhaf von den Fahrradwerken, der vor dem Tore stand, nahm den E. hierauf zu sich in seinen Fabrikhof hinein, um weitere Tumulte zu verhüten, ebenso die Verletzten, woselbst sie auch verbunden wurden. Das Stationskommando wurde telephonisch angerufen, worauf nach einiger Zeit der Stationskommandant und zwei Schutzleute erschienen und die Lärmenden zum Verlassen des Platzes aufsorderten, was nach wiederholten Aufforderungen unter dem Johlen der Menge schließlich geschah. Nun erst konnten die Arbeitswilligen unter Bedeckung des Kommandanten und der Schutzleute den Heimweg antreten, wurden aber trotzdem wieder mit Steinen beworfen.
Saulgau, 22. Okt. Eine üble Submissionsblüte ist hier zu verzeichnen. Bei der Vergebung von Arbeiten zum Neubau des Oberamtsspaikassengebäudes reichte ein Stuttgarter Maler ein Offert ein mit einem Abgebot von saee und schreibe fünfzig Prozent auf die Preise des Voranschlags. Erfolg hatte der billige Mann allerdings nicht.
Heidenheim, 22. Okt. Das K. Oberamt und das Stadtschultheißenamt machen bekannt, daß die seit April bei den Oberamts- und städtischen Kanzleien an den Samstagen eingeführte Durcharbeitszeit künftig wieder in Wegsall kommt.
Biberach, 23. Okt. Der Kampf wogt hin und her — der Kampf auf dem Rathaus' nämlich. Im heute erschienenen „Anzeiger vom Oberland" verteidigt der Stadtschultheiß sein Verhalten in einer Bausache wieder in Form einer mehrere Spalten langen amtlichen Bekanntmachung des Stadtschultheißenamts. In der gleichen Nummer desselben Blattes ergreifen die angeblich vom Stadtschultheißen in ihrer Existenz bedrohten Gerber das Wort und versuchen, dem Stadtschultheißen durch Veröffentlichung amtlicher Aktenstücke eine gewisse Doppelzüngigkeit nachzuweisen. Ter Streitpunkte sind viele und ein Ende der Diskussion ist nicht abzusehen. Der Stadt- schultheiß gibt nicht nach und der Stadtrat erst recht K'icht. So gehen wir immer mehr einer neuen Auflage der leidigen Heilbronner Kämpfe entgegen.
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Nah und Fern.
Briefträger Braun von Jlsfeld kam Donnerstag nacht «uf dem Heimweg von Lauffen a. N. vom Wege ab und stürzte m einen Steinbruch des Zementwerks Lauffen, wo er Freitag früh tot aufgefunden wurde.
In Wangen bei Stuttgart wurde Freitag Vormittag der 21 Jahre alte .ledige Weingärtner Ernst Zondler in seinem Zimmer tot aufgefunden. Er hatte sich eine Revolverkugel in den Kopf geschossen. Ein unheilbares Leiden dürfte das Motiv zur Tat sein.
Donnerstag abend 7 Uhr brach in Calw in der Doppel- scheuer von H. Steimle und Fr. Auer Feuer aus, das auch das Wohnhaus des Ulrich Lörcher, Mechaniker, ergriff; die Scheuer und das Wohnhaus wurden vollständig eingeäschert.
In Adelsheim scheute im Rhonstockswald ein ehemaliges Militärpferd, rannte in das Haus des D. Koch und etwa zur Hälfte die Treppe hinauf, von hier stürzte es durch die offene Äellertüre in den Keller, Mostfässer, Kartoffeln, Kraut rc. unter den Füßen zertretend. Nach fünfstündiger Arbeitszeit konnte die Rosinante wieder an das Tages-' beziehungsweise Sternenlicht gebracht werden.
Aus Schussenried OA. Waldsee wird gemeldet: Ein über siebzig Jahre alter Handwerksbursche war noch km die neunte Stunde ohne Nachtquartier. Auf der Suche nach einem solchen ist er in die Schüssen gefallen, die anliegenden Bewohner hörten Hilferufe, erhielten aber vuf Anfragen keine Antwort. Auch der Nachtwächter des Hüttenwerks' hörte die Hilferufe und verfolgte dessen Spur Mid Hs' gelang ihm, den Mann noch lebend zu bergen.
Der Mord in Bruchsal.
Zu der Ermordung des Waldhüters Firnkes wird weiter gemeldet: Der des Mordes beschuldigte Feuerstein hatte sich durch verstörtes Benehmen seit Sonntag verdächtig gemacht; er wurde Mittwoch früh vom Felde geholt, mußte die am Sonntag getragenen Kleider anziehen und wurde zur Leiche geführt, wo ihn der Weinheimer Polizeihund sofort .heftig anpackte. An anderen Stellen wurde der Versuch noch mehrmals wiederholt und immer wieder spürte der Hund den Feuerstein unter eichw Menge anderer Personen heraus und packte ihn an den Kleidern. Feuerstein, der schon wegen Sittlichkeitsverbrechens eine Zuchthausstrafe abgebüßt hat, leugnet die Tat. In seiner Wohnung ist ein Flobertgewehr mit einem frisch ckbgefeuerten Schuß gefunden worden. F., der in dem Geruch eines Wilderers steht, wurde Mittwoch nachmittag bei der Sektion deer Leiche des Getöteten gegenübergestellt, währenddem das Rathaus von eineer erregten großen Menschenmenge umstellt war. Der im Dienst durch ruchlose Hand ums Leben gekommene Waldhüter Firnkes, ein Veteran von 1866 und 1870, wurde am Donnerstag unter Anteilnahme der ganzen Einwohnerschaft zur letzten Ruhe bestattet.
Dkö Verhaftung des Mörders Jünemann.
Aus Berlin wird vom 22. berichtet: Der Friseur Hans Jünemann, der als Mörder der Verkäuferin Alice Rakowsky, genannt Packeier, allein in Betracht kam, ist icstern Mittag im Grunewald verhaftet worden. Ein Rad- ahrer, der einen Ausflug nach dem Grunewald machte, sah dort n der Nähe der Rennbahn einen Mann, dessen Aeutzeres mit dem Signalement Jünemanns übereinstimmte. Er stieg vom Rad und ging auf Jünemann zu, indem er sagte: „Guten Tag, Herr Jünemann." Jünemann ergriff die Flucht. Der Radfahrer verfolgte ihn aber und als Jünemann sah, daß er nicht entkommen konnte, gab er einen Schuß auf sich ab. Seine Verletzung ist nur leicht. Er wurde von einem Gendarm in einer Droschke ins Krankenhaus Westend gebracht. Zunächst gab er nur zu, in der Mordnacht bei der Verkäuferin Rakowsky gewesen zu sein. Später gestand er auch ein, den Mord ausgeführt zu haben. Er wurde als Polizeigefangener 'in die Charite gebracht.
Der verhaftete Jünemann hat den Mord an der Verkäuferin Rakowsky nunmehr zugegeben, behauptet aber, mit ihr ein Einverständnis gehabt zu haben, da sie gemeinsam aus dem Leben scheiden wollten. Zum Selbstmord habe ihm nachher der Mut gefehlt.
GerichLssaal.
Heilbron«. 22. Okt. Vor der Strafkammcr kam der Einbruchsdiebstahl am 3. August im Postgebäude in Besigheim zur Verhandlung. Ans der Anklagebank saßen 1. der 26 Jahre alte ledige Schlosser Georg Schnaufer, geboren in Paris, 2. der 26. Jahre alte ledige Kellner Simon Friedrich Dietz von Tommerdingen OA. Blaubeuren, 3. der 29 Jahre alte verheiratete Küfer Johannes Schmittmaier von Untertürkheim und 4. der 34 Jahre alte verheiratete Metzger Christian Lautenschläger von Flaacht, wohnhaft in Gerlingen OA. Leon- berg. Die vier Angeklagten haben in der Wohnung des Schmittmeier ihren Raubzug besprochen und Vorbereitungen getroffen. Die Wahl traf Besigheim. Sie kamen am 3. August nach Besigheim und haben dort am Nachmittag ihren Plan ausgeheckt. Die Angeklagten Schnaufer und Dietz holten aus einer Bauhütte Stemmeisen und Brechwerkzeuge herbei und verübten den Einbruch. Schmittmeier und Lautenschläger standen Wache. Schnaufer hat die Vorgartentüre und die Haustüre des Postgebäudes mit einem Dietrich geöffnet. Dietz hat die Schlösser zur Wohnung des Postinspektors versperrt, damit die Türen von innen nicht geöffnet werden konnten. Schmittmeier hielt Wache vor der Wohnung des Postinspektors und Lautenschläger auf der Straße. Schnaufer und Dietz machten sich an die Arbeit und erbrachen die Türe znm Kassenzimmer. Die Kasse, die in die Wand eingemauert war, wurde herausgebrochen. Die Eröffnung der Kasse, die eine Summe von ca. 1000 Mark enthielt, gelang ihnen aber nicht. In einem Kästchen, das sie erbrochen hatten, fanden sie einen Wertbrief mit 2643,64 Mk., außerdem fielen in ihre Hände eine Mappe mit Briefmarken im Werte von 663,01 Mark, 16'15 Mark bar Geld und ein Paket Wurstwaren. Auf das Erwachen des Postinspektors, der sofort seine Bediensteten alarmierte, ergriffen sie die Flucht gegen Löchgau. Bei Bietigheim verteilten sie ihren Raub. Es erhielt ein jeder 600 Mark. Die Tasche, die die Briefmarken enthielt, wurde bei Bietigheim gesunden. Von dem gestohlenen Gelbe wurden ea. 2000 Mark wieder beigebracht. Die Angeklagten wurden je wegen eines Verbrechens des schweren Diebstahls zu Zuchthausstrafen verurteilt und zwar erhielt Schnaufer 2 Jahre 6 Monate, Dietz 3 Jahre, Lautenschläger 2 Jahre 10 Monate und Schmittmeier unter Einrechnung einer Gefängnisstrafe von vier Wochen, die gegen ihn in Stuttgart ausgesprochen wurde, 1 Jahr 6 Monate 15 Tage. Bei Schnaufer und Lautenschläger wurden die bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von fünf Jahren und bei Dietz und Schmittmeier auf die Dauer von drei Jahren aberkannt. Zwei Monate der erlittenen Untersuchungshaft wurden je in Anrechnung gebracht. Die zur Tat benützten Dietriche und der Revolver wurden eingezogen.
Mannheim, 22. Okt. Das Schwurgericht verhandelte gestern gegen den Vorstand der Realschule zu Tauberbischofsheim, Leonhard Kiefer, dessen Verhaftung seinerzeit so großes Aufsehen erregt hatte. Er hatte sich an einer Reihe von Schülerinnen in schwerster Weise sittlich vergangen. Das Urteil lautete auf 10 Jahre Zuchthaus und 6 Jahre Ehrverlust. Die Zeugenvernehmung wurde mit Rücksicht auf das jugendliche Alter der belastenden Mädchen unter strengstem Ausschlüsse der Öffentlichkeit vorgenommen.
Das Zeugnis mit Bedingung.
Eine merkwürdige Forderung für die Ausstellung eines guten Zeugnisses stellte jüngst ein Chef an seine Verkäuferin; der Fall kam in einer jüngst vor dem Berliner Kaufmannsgericht verhandelten Streitsache zur Sprache. Tie Klägerin war fünf Monate in dem Verkaufsgeschäft eines Cakesfabrik tätig und erhielt bei ihrem Abgänge ein Zeugnis, in dem ihr zwar bescheinigt wird, daß sie tüchtig und zuverlässig war, das aber ferner den Passus enthielt, sie hätte ihre Arbeiten im allgemeinen zur Zufriedenheit erledigt. Während der Mittagszeit begab sich die Klägerin von ihrer neuen Arbeitsstätte in das Geschäft der beklagten Firma, wo gerade der Inhaber allein anwesend war, und bat ihren früheren Prinzipal, ihr doch ein besseres Zeugnis auszustellen. Es entspann sich hier nach der Angabe der Klägerin folgendes Zwiegespräch: Chef: „Was bekomme ich nun dafür, wenn ich ein besseres Zeugnis gebe?" Angeklagte: „Nun, an einem „schön Dank"" will ich's nicht fehlen lassen."" Chef: „Das genügt mir nicht, Fräulein. Sie müssen mir zum mindesten einen Kuß geben."" Das junge Mädchen will sich auf diese sonderbare „Bedingungen"" nicht eingelassen haben und erhob Klage auf Zeugnisänderung. In der Verhandlung bestritt der Beklagte zunächst die Behauptungen der Klägerin, meinte dann aber, daß wenn er zu dem Mädchen so gesprochen hätte, dies nur im Scherz geschehen sei. Auf dringendes Vorhalten erklärte sich schließlich der Geschäftsinhaber bereit, der Klägerin das Zeugnis ihrem Antrag entsprechend und „ohne Bedingungen"" auszustellen.
Vermischtes.
Ein „Medium" entlarvt.
Aus Berlin wird geschrieben: Am Sonntag abend würde hrer ein bekanntes „Medium" entlarvt und verhaftet: die Ehefrau Anna des Magnetiseurs und Masseurs Paul Abend aus der Bremerstraße Nummer 53, die mit ihrem Mann und einer Tochter dort im zweiten Stock wohnt und in Spiritistenkreisen sehr angesehen ist. Sie hatte täglich, den Donnerstag ausgenommen, von 2 Uhr an Empfangszeit, veranstaltete außer diesen Sprechstunden aber auch noch größere Sitzungen. Für diese ist ihr Erkerzimmer nach Art eines Theatersaales eingerichtet. Die Wände zieren Bilder ihrer Besucher und Anhänger. Stuhlreihen reichen bis nahe an die Eingangstür heran. Diese füllt ein Vorhang mit rotem Fries bis auf eine runde Oeff- nung aus, in der der Geist zu erscheinen pflegte. Dem Sitzungszimmer gegenüber auf der anderen Seite des Flurs liegt ein kleines Ankleidezimmer für das Medium und dessen Mann. Sln der Emgangstür prangt ein Zettel über dem Schilde Abends. Seme Aufschrift lautet: „Soeben erschienen sensatio
nelles Buch Spiritusmus, Lehre vom Geist durch bas Medium Anna Abend. Zu beziehen vom Herausgeber im Selbstverlag Paul Abend." Wohl jeder Besucher hat sich dieses Werk gekauft. Es kostete 4 Mark.
Am Sonntag abend also um 7 Uhr veranstaltete Frau Abend wieder eine Sitzung. Gegen zwanzig Personen nahmen daran teil, meist Frauen und junge Mädchen, aber auch einige Männer. Die Sitzung war nur für einen engeren Kreis be- timmt. Trotzdem gelang es auch dem Kriminalkommissär Leonhardt, Zutritt zu erhalten. Er verfolgte mit dem größten Interesse die Vorgänge und griff blitzschnell ein, als Pas Medium ich in einen Geist verwandelt hatte, um Mitteilungen aus der Geisterwelt zu machen. Wie die Entlarvung zeigte, war die Geschichte gar nicht geisterhaft. Ein leuchtender Schleier, den das Medium im Aermel verborgen hatte, genügte, um mit einigem Hokuspokus und entsprechender Verdunkelung und Beleuchtung alles vorzutäuschen. Frau Abend gestand, daß sie den Schleier hin und wieder benutzt habe, wenn der Geist nicht so recht habe kommen wollen. Ihr Mann tat sehr erstaunt, als ob er an die übersinnliche Kraft seiner Frau fest geglaubt hätte. Das Ehepaar wurde wegen fortgesetzten gemeinschaftlichen Betrugs von mehreren Kriminalbeamten verhaftet und nach dem Polizeipräsidium gebracht.
Die Spiritistin und ihr Mann betrieben den Schwindel schon seit Jahren in großem Umfang, seit anderthalb Jahren in dem Hause Bremerstraße Nummer 53. Hier war Pas Treiben der Nachbarschaft schon lange ausgefallen. Von 2 Uhr an kamen und gingen ununterbrochen die Besucher. Zuweilen erschienen sie auch schon am Vormittag. Es gab Tage, an denen vor der Haustür ein Automobil das andere ablöste. Oft mußten Kunden in den Nebenräumen warten, bis ihre Vorgänger abgesertigt waren. Aus der Art der Einrichtung des Sitzungszimmers kann man schließen, daß Tischrücken und ähnliche „Geisteroffenbarungen" jeden Tag stattfinden. Das Eingreifen der Kriminalpolizei rief unter den „Gläubigen" zunächst einen Entrüstungssturm hervor. Sie wollten durchaus nicht glauben, daß ihr bewährtes Medium geschwindelt habe. Auch dann noch nicht, als der Kriminalkommissär einen deutlichen Beweis für das Schwindelgebaren, den Geisterschleier, allen zeigte. Das Medium selbst, das durch den Eingriff der Kriminalpolizei bald aus dem Trancezustand erweckt worden war, versicherte hoch und heilig, daß es nichts Schwindelhaftes begangen habe. Einige Anwesende sicherten dem Ehepaar, dessen Unschuld sie ebenfalls beteuerten und dessen Geschick sie sehr bedauerten, sofort ihre Unterstützung zu. Sie konnten aber nicht - verhindern, daß die Schwindler mit einer Droschke nach dem Polizeipräsidium sofort abgeführt wurden.
Ein neues Wunderkind.
Das' ist der elfjährige William Sidis, der jetzt als Student an der Harward-Universität seinen Studien obliegt. Der Wunderknabe ist der Sohn des Dr. Sidis aus Boston, der sein Kind von der Geburt an selbst erzogen und unterrichtet hat, um den Beweis zu erbringen, daß das Gehirn von Anfang an leistungsfähig ist und mit zunehmendem Alter nur unempfindlicher wird. Der kleine Sidis konnte schon mit zwei Jahren fließend lesen, beherrschte mit vier Jahren die Schreibmaschine und verfaßte .mit fünf Jahren eine Art anatomische Fibel für Anfänger. Mit sechs' Jahren begann er Sprachunterricht zu nehmen, studierte vom siebenten Jahr ab gleichzeitig Deutsch, Französisch und Russisch, sowie „zur Erholung"" Lateinisch und Griechisch. Bereits vor drei Jahren legte der kleine Bursche sein Abiturientenexamen ab, aber die Universität verweigerte ihm wegen zu großer Jugend die Ausnahme, die ihm jetzt gewährt worden ist. Tr. Sidis begann sein Kind bereits mit Hilfe von Buchstabenblöcken im Lesen und Buchstabieren zu unterrichten, als es kaum ein Jahr vollendet hatte. Eine besondere Neigung zeigte Klein-William von jeher für Mathematik. Eines Tages überraschte das Kind seine Eltern mit der Erklärung, genau den Tag vorher zu sagen, auf den irgend ein beliebiges Datum fallen würde. Man glaubte erst, es hätte einige Daten auswendig gelernt, aber eine Prüfung ergab, daß das Kind sich ein regelrechtes System ausgedacht hatte, nach dem es jedes Datum sofort im Kopse fehlerlos ausrechnete. - '
Handel und Volkswirtschaft.
Reichsbanknebenftelle. Am 29. November d. I. wird in Spandau eine neue Reichsbanknebenstelle eröffnet werden.
Ochsen Bullen gugelrieben: 9 13
Verkauft 6 l 1
Sch ackr^Bieh-Markt Stuttgart.
32. Oktober 1909.
Kalb ein u Kühe IN
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Kälber
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Schweine
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Kilo Schlachtgewicht:
Ochsen, 1 Qual.,
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Kühe. 1. Qual.,
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75
Verlauf des Marktes: lebhaft.
Herbftriachrichten.
Stadtkelter Heilbronn, 23. Okt. Lese dauert fort in Trol- linger und Weißriesling. Die. Verkäufe sind gestern sehr lebhaft gegangen. Preise für Rot 130-140, für Weiß 105 bis 115 Mark. '
Mundelsheim, 27. Okt. Zur heutigen Weinmost-- Ver steig erung der W e i n g ä r t n e r g e s e l l s cha f t fanden sich die Liebhaber recht zahlreich. Es kamen zum Verkauf: 160 Hektoliter vom unteren Käsberg, 176 Hektoliter vom oberen Käsberg, 206 Hektoliter aus sonstigen ersten Berglagen, zus. 542 Hektoliter. Der Verkauf ging rasch von statten und wurde der ganze Vorrat abgesetzt. Für Käsberger wurden durchschnittlich 51—52 Mark, für sonstige erste Berqlaqen 43 bis 46 Mark pro Hektoliter erzielt,
Besigheim, 21. Okt. Die gestern Nachmittag im Waldhorn vorgenommene W e i n m o st-B e r st e i g e r u n q der Wein bau g en offen s cha f t Besigheim nahm unter lebhafter Beteiligung von nah und fern einen flotten Verlauf. AngWvten wurden 231 Hektoliter erster und 54 Hektoliter zweiter Klasse, zus. 285 Hektoliter. Die aufgestellten Proben fanden den Beifall der Lieber. Der höchste Preis für erste KIas>e war 47 Mark pro Hektl., oder 141 Mark per Eimer, der Durchschnitt 138 Mark per Eimer. Für zweite Klasse war der höchste Preis 36 Mark per Hektl. oder 180 Mark per Eimer, h.er niederste 35 Mark per Hektl. oder 105 Mark per Eimer, der Durchschnitt lOTH« Mark per Eimer. 81 Hektoliter wurden von hiesigen Wirten und Privaten gekauft: die übrigen Weine kamen nach auswärts, und zwar nach Bietigheim (Baumann z. Herzog Ulrich, Gneiding z. Bahnhofrestauration, Schieferdecker z. Adler, Gottlob Uebele, sämtlich 1. Kl.), Asperg, Ludwigsburg, Stuttgart (Hotel Marquardt), Stuttgart- Heslach, Oeschelbronn, Ditzingen, Warmbronn, Calmbach, Wild- berg, Welzheim, Aalen (Dettling), Täferrot bei Gmünd, Rem- mmgsheim OA. Rottenburg, Laugenau, Unterzeil bei Leutkirch Ravensburg, Mindelstetten bei Ravensburg. Das Verkaufsqe- schäft war in knapp 2 Stunden vollständig abgewickelt.