Bebels Antwort an Haußmann.
Reichstagsabgeordneter Bebel schreibt dem „V o r- w ärts":
Nachdem bekannt wurde, daß ich auf den offenen Brief des Reichstagsabgeordneten Haußmann an mich diesem in einem Privatbrief antwortete, werde ich von den verschiedensten Seiten um Auskunft angegangen und um Veröffentlichung des Briefes ersucht, mein Schweigen würde sonst falsch ausgelegt. Ich muh diesen Einwand für begründet erachten und übersende Ihnen hiemit den Brief zur Veröffentlichung. Der Brief lautet:
Geehrter Herr Kollege!
Das Vertrauen, das Sie in mich fetzen, ist sehr schmeichelhaft für mich, aber ich kann ihm nicht gerecht werden.
Aus Ihrem offenen Brief ersehe ich wieder erneut, daß die Differenzen in der Auffassung von der Natur des Staates und der Gesellschaft und der Stellung, die unsere beiderseitigen Parteien im politischen und sozialen Kampfe einnehmen, unüberbrückbar sind.
Ich kann nicht anerkennen, daß auch nur einer der Anwürfe, hie Sie in Ihrem offenen Brief gegen mich bezw. die sozialdemokratische Parteileitung erheben, Berechtigung hat. Aber um die Angriffe zu widerlegen, bedürfte es langer historischer und parteipolitischer Auseinandersetzungen, die schließlich eine Broschüre füllten und uns — dafür sind die beiderseitigen Auffassungen zu grundverschieden — doch nicht näher brächten. Gegenüber Ihren vielen Rekriminationen möchte ich eine Keine Reminiszenz ausfrischen, die zeigt, daß der Wandlungsprozeß der deutschen Demokratie und des Liberalismus, der sich seit fast 5 Jahrzehnten vollzogen hat, uns immer mehr auseinander braiAe.
Als ich im Februar 1867 in den konstituierenden norddeutschen Reichstag eintrat, waren noch Mitglieder desselben die Demokraten Dr. Schaffrath und Professor Wigand, beides alte Achtundvierziger. Als ich frug, wie sie die Situation beurteilen — ich war erst in der engeren Wahl gewählt und traf daher einige Wochen später als sie im Reichstag ein — antworteten beide einmütig: „Mit den preußischen Fortschrittlern ist wenig flnzufangen; sie verstehen unssnicht, denn siesind vorallem Preußen."
Dieselbe Antwort gaben mir ein Jahr später die Freunde Ihres Vaters, die damals ins erste Volksparlament eintraten, die Tafel, Ammermüller, Deffner, Kolb usw., ja selbst Männer wie ein Schäffle und Bestellen, die bekanntlich mehr rechts standen, waren erstaunt über den mangelnden demokratischen und konstitutionellen Geist, den sie bei der Fortschrittspartei fanden. Seitdem sind mehr als vier Jahrzehnte verflossen, die Epigonen der Waldeck, Ziegler, Hoverbeck usw. sind immer mehr nach rechts marschiert, aber auch die Epigonen der Tafel, Ammermüller, Haußmann sen. usw. haben sich den Liberalen angeschlossen und den Gipfel ihrer Betätigung im Block d- h- in Verbindung mit den schärfsten Gegnern jeder freien bürgerlichen und konstitutionellen Entwicklung, den preußischen Junkern, gefunden.
Eine Untersuchung der Gründe für diesen tiefen Sturz, der einzig im politischen Leben aller Nationen ist, würde zu weit führen. Ich konstatiere die Tatsache.
Ist es da nicht natürlich, daß wir, die wir — was immer Sie uns.vorwerfen mögen — unentwegt die Forderungen zu verteidigen und zu verwirklichen bestrebt sind, keinen gemeinsamen Weg mehr fanden?
Die Wahlparole Eugen Richters aus dem Jahre 1877: „Lieber Lucius als Kapell", d. h. lieber ein Konservativer als ein Sozialdemokrat, ist seitdem immer mehr die Parole des liberalen Bürgertums ge
worden, heute mehr als je. Sie werden antworten: Das habt ihr mit euren sozialpolitischen Forderungen verschuldet. Wir verschulden genau so viel an der bürgerlichen Gesellschaft, wie das Bürgertum in seinem Klassenkampf gegen die Feudalherrschaft verschuldete, als es dem Worte des Abbe Sieyss zujubelte: „Was ist der dritte Stand? Nichts. Was sollte er sein? Alles." Mit der bürgerlichen Ordnung aber hat der menschliche Fortschritt nicht der Weisheit letzten Schluß erreicht. Hinter dem Bürgertum erschien als neue von ihm selbst geschaffene, aber von ihm niedergehaltene Klasse, die immer gewaltiger wächst und ihre Forderungen an die Gesellschaft stellt, die moderne Arbeiterklasse, deren politischer Repräsentant die Sozialdemokratie ist.
Die Arbeiterklasse kann aus ihre Klassenforderungen ebenso wenig verzichten, wie das Bürgertum der feudalen Herrschaft gegenüber verzichtet hat. Aber ein Unterschied besteht: indem die moderne Arbeiterklasse die Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen beseitigen will, um eine Gesellschaft von Freien und Gleichen zu schaffen, fällt auch jede Klassenherrschaft, die nunmehr keine Existenzberechtigung mehr hat. Das ist der Stand der Tinge zwischen Ihnen drüben und uns hüben.
Aber was wir erstreben, ist nicht von heute auf morgen durchsetz bar. Wir marschieren in Etappen. Jeder Fortschritt auf irgend einem Gebiet bringt uns näher ans Ziel. Damit müssen wir den Fortschritt auf allen Gebieten erstreben wollen; deshalb werden wir auch jeder ehrlichen liberalen Forderung, die Vertreter des Bürgertums an den Staat stellen, kräftig unterstützen. Das haben wir bisher getan, und wir werden es ferner tun, und es wird mir und sicher auch allen Parteigenossen nur angenehmsein, wenn wir recht oft in di e Lage kommen, die Forderungen der bürgerlichen Parteien unterstützen zu können. Auf unsere weitergehenden Forderungen verzichten wir damit nicht. Wir hörten sonst auf zu sein, was wir sind.
Wir bleiben also im übrigen Gegner, was nicht ausschließt, daß ich auch heute noch! an Ihrer Seite an den Ufern des Bodensees wandelte, wie ich das vor Jahren in Gesellschaft Ihres leider so früh verstorbenen Bruders tat.
Ter Brief Bebels ist zwar sehr konziliant, er schiebt aber alle Fehler den Liberalen zu und geht auf die von Haußmann aufgeworfene Frage, wie nun in Zukunft die deutsche Politik sich gestalten soll, mit keiner Silbe ein. Es bleibt also in der deutschen Politik beim alten Elend.
Rundschau.
Grobes Geschütz.
,Herr Bass er mann", überschreibt die „Kreuzzeitung" einen Leitartikel. Wenn der Deutsche jemand mit „mein Herr" anredet oder eine titelbehaftete Persönlichkeit schlicht und einfach „Herr So^ind So" nennt, so hat er bekanntlich die Absicht, sehr grob zu werden. Das wird die „Kreuzzeitung" denn auch.. Also hebt ihre Erwiderung auf Wassermanns letzte Mannheimer Rede an:
„Nicht 'häufig, hat der Führer einer großen politischen Partei in der Oeffentlichkeit sich so sehr bloßgestellt, wie dies kürzlich in einer liberalen Wählerversammlung zu Mannheim der Abgeordnete Bassermann getan hat. Er hat sich, als Politiker gezeigt, dem entweder die Fähigkeit oder der Wille fehlt, die Dinge sachlich zu beurteilen. Er hat diejenige Partei, mit der die Nationalliberalen in allen nationalen Fragen jahrelang Schalter an Schulter gestanden haben, auf das ärgste beschimpft, ihr für ihre Haltung in der großen nationalen Frage der Reichsfinanzreform unlautere Beweggründe untergeschoben und ihren Führern bei ihren of-
Der Starke ist am mächtigsten allein.
Schiller.
Am Franzosenstein.
Original-Roman von Erich Eben st ein.
SN (Nachdruck verboten.)
Wahrscheinlich war also der Schatten des Eibenbaumes im Mondenschein gemeint. Sabine stellte fest, daß zur Vollmondzeit der Mond in gerader Linie gegenüber dem Franzosenstein aufging und der Schatten des Baumes alsdann schnurgerade gegen die alte Ruine zu fiel. Es gelang ihr weiter, in der Bibliothek einen alten Bauernkalender aus dem Jahre 1809 aufzustöbern, aus dem sie feststellen konnte, daß am Todestag Matthäus Herzog Vollmond gewesen war. Und am Tage zuvor hatte er den Schatz geborgen.
Es war Ende April. In Bruckstadt sollte die Hochzeit Anschi von Theissens mit dem Baron Riva stattfinden. Eigentlich war die Vermählung ursprünglich für Februar bestimmt gewesen, da aber Riva den erbetenen Urlaub nicht früher bekam, mußte die Hochzeit verschoben werden. Natürlich waren die Verwandten aus Winkel dazu geladen und Peter Herzog, Konstanze und Richard fuhren auch wirklich am 20. April nach Bruckstadt, von wo sie am 23. in Begleitung Melanies zurückkehren sollten.
Auch Sabine hätte fahren sollen, aber am Abend des 19. April sandte sie ihr Mädchen mit der Nachricht zu Konstanze, daß sie plötzlich an heftigem Rheumatismus erkrankt sei, sich kaum rühren könne und daher im Bett bleiben müsse.
Sabine bewohnte allein mit einer Dienerin, welche alt und halbtaub war und lange Jahre in der Herzoglichen Familie diente, das erste Stockwerk des Schlosses. Zu ebener Erde wohnte ein ebenfalls altes Ehepaar, welches Hausmeisterdienste versah, und die Köchin.
Als Sabine nun plötzlich erkrankte, erbot sich die Dienerin, deren Stube abseits von Sabines Gemächern
lag, die Nacht über neben Sabines Schlafzimmer zu verbringen, um gleich zur Hand zu sein, falls die Herrin sie brauche.
Aber Sabine lehnte sehr bestimmt ab. Sie wolle Ruhe, nichts weiter. Die letzte Nacht habe sie wenig geschlafen, nun wolle sie es einbringen. Sie ließ von CM schon um acht Uhr alle Läden schließen und schickte sie dann mit dem strikten Befehl fort, sie absolut nicht mehr zu stören.
Kaum war Cilli gegangen, als Sabine aufstand und die Tür hinter ihr abschloß.
Dann kleidete sie sich an, holte aus einem Schrank eine Laterne/ Schlüssel und einen Spaten, welche Dinge sie augenscheinlich schon früher vorbereitet hatte. Zuletzt setzte sie sich auf einen Stuhl, legte die Taschenuhr vor sich hin und wartete.
In Winkel ging man zeitig zur Ruhe. Sabine hörte, wie um neun Uhr der Hausmeister unten das Tor schloß Und zweimal versperrte. Eine Weile drang aus den offenen Fenstern unten noch leises Geplauder, dann wurde es still und der Lichtschein erlosch. Auch in den nahen Arbeiterhäusern wurde es allgemach dunkel und nur drüben über der Winkel drang aus den Gewerken roter Feuerschein in die Nacht hinaus.
Als es zehn Uhr schlug, erhob sich Sabine, zündete die Blendlaterne an, warf einen Mantel über, in dessen Taschen sie die Schlüssel steckte und einen zusammengerollten Sack und machte sich auf den Weg.
Von ihrer Wohnung aus führte ein Gang in die Schloßkapelle. Diese besaß einen Ausgang nach der Waldseite hin, von wo man auf einem allerdings nicht sehr bequemen Pfad die Ruine erreichen konnte. Diesen Weg wählte Sabine. Der Mond war längst aufgegangen und beleuchtete das Tal hell. Sabine löschte darum, draußen angelangt, die Laterne aus und kletterte dann mit einer Gewandtheit, die man Ihren Jahren kaum zugetr'aut hätte, den steil ansteigenden Weg empor.
Nach einer halben Stunde hatte sie die Höhe des Franzosensteins erreicht und blieb aufatmend einen Augenblick stehen. Tie Spitze des Franzosensteins, von wel-
fiziellen Erklärungeil die bona kiäss abgesprochen. Er hat eine geradezu anormale Vergeßlichkeit bewiesen in bezug auf die frühere Haltung der eigenen Partei. Und er hat bei alledem eine Tonart angeschlagen, wie sie in dem Munde eines Führet einer großen bürgerlichen Partei bisher nicht Sitte gewesen ist."
Die „Kreuzzeitung" erinnert weiter boshaft daran, daß die nationalliberalen ursprünglich auch Gegner der Nachlaßsteuer waren. Eine volle Schale ihres giftigsten Zornes aber entleert sie auf Wassermanns Haupt, weck er die konservative Legende über Bülows Sturz richtig- gestellt hatte:
„MöKe uns nicht Herr Wassermann freund- lichst Hagen, inwiefern gegen die Konservativen auch nur mit einer Spur von Berechtigung der Vorwurf einer Fälschung gemacht werden könnte? Solche Vorwürfe pflegen, wenn sie nicht hinreichend bewiesen werden, auf den Urheber zurückzufallen."
Ihr Schjlußurteil faßt die „Kreuzzeitung" zornerfüllt dahin zusammen:
„Mag Herr Wassermann mit seinen Verdrehungen nur noch mehr Lorbeeren sammeln und sein Führerhaupt damit schmücken. Wir können nur Unsrem Bedauern darüber Ausdruck geben, daß der nationalliberalen Partei in dieser ihrer kritischen Zeit eine solche Selbstdiskreditierung ihres obersten Führers widerfahren mußte."
Dieser Wutausbruch zeigt, daß Herr Bassermann ins Schwarze getroffen hat.
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Ein patriotisches Mitglied des Bundes der Landwirte.
Steuern zahlen wollen die Herren vom Bund der Landwirte bekanntlich nicht, das haben sie gelegentlich der. Finanzreform wieder bewiesen, aber Geld vom Staat zu nehmen, dazu sind sie jeden Tag bereit. Selbst beim Manöver wollen sie noch Liebesgaben einheimsen. Wenigstens berichtet das „Berliner Tagblatt", der königliche Domänenpächter Fortlage in Sulnau, Kr. Schwetz, habe für Flurschäden aus den letzten Manövern die Summe von A4 000 Mark verlangt, es seien ihm dagegen von der Kommission nur 1100 Mark zugebilligt worden, womit er sich auch zufrieden gegeben habe. — Herr Fortlage ist Vorsitzender des Bundes der Landwirte für den Kreis Schwetz. Vielleicht äußert sich die „Deutsche Tageszeitung" einmal über den Fall.
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Die Abonnementseinladung eines
Zentrumsblatts.
Auf die Abonnementseinladung eines Zentrumsblattes aus dem Jahre 1908 macht das „Oberschles. Tagbl." aufmerksam:
„Ein Attentat,
, wie es bisher noch nicht da war, ist beabsichtigt, und zwar schon in der nächsten Zeck. Gegen wen?
— fragen ängstlich die Leser und Leserinnen.
Gegen Dich, gegen jeden aus Euch,
Zwar ist es nicht auf Euer Leben abgesehen, aber auf eine Stelle, auf welcher die Leute sehr empfindlich sind, nämlich
auf Euren Geldbeutel.
500 Millionen
neuer Steuern will der Reichsschatzsekretär aus demt deutschen Volke herauspresfen. Und das solltet Ihr auch nicht an Eurem eigenen Leibe verspüren!
Am 4. November,
gleich zu Beginn des Reichstages, wird der erste Vorstoß gemacht und das diesbezügliche Gesetz dem Reichstage vorgelegt.
Bauern, Beamte, Heschäftsreis ende und Handwerker werden davon berührt. Noch selten stand das deutsche Volk vor der ,Lösung so schwerer Fragen.
W- > «» >! ,,A « , W» , ,«MWWWWW^WS MWWWMWWWWW»»
cher der Eibenbaum nur wenige Schritte entfernt war, schimmerte silbergrau und hell im Mondlicht und senkrecht darunter lag das schweigende Tal, in märchenhaft flimmernde Lichtwellen gehüllt.
Aber Sabine hatte kein Auge für die Pracht und Weihe dieses Bildes. Hastig warf 'sie den Mantel hon sich, faßte den Spaten und suchte die Stelle im Schatten des Eibenbaumes, welche sie die Nacht zuvor ausgemesseir und mit einem Tannenzweiglein bezeichnet hatte. Dann fing sie eilig an zu graben. Das Erdreich war locker und ließ sich leicht ausheben.
Eine Viertelstunde mochte Sabine so gegraben haben, als der Spaten plötzlich klirrend an etwas Hartes stieß. Atemlos, aufgeregt, schweißtriefend hielt Sabine ein. Das war kein Felsgrund gewesen — das hatte wie Metalli geklungen —- — —
Fieberhaft erregt grub sie weiter. Ja, es war Metall — sie sah und fühlte es jetzt ganz deutlich. Eine eiserne Platte war da unter der Erde — vielleicht der Deckel einer Kassette. . .
Vorsichtig räumte sie mit den Händen die Erde weg, zündete die Blendlaterne an und leuchtete in die Vertiefung. Ja, es war der verrostete Deckel einer großen eisernen Kiste, die da verborgen lag. In der Mitte war eine altertümlich geformte Handhabe angebracht.
Sabine faltete unwillkürlich die Hände.
„Endlich!" stieß sie laut heraus. „Endlich habe ich gefunden!"
Eine dunkle Gestalt, die bisher beobachtend hinter einem Felsblock auf der Lauer stand, glitt behutsam auf Sabine zu mit den Worten:'„Jetzt gehts ans Teilen — oder, meiner Seele, Sie sollen garnichts haben von dem Schatz!"
Erschreckt starrte Sabine in das haßerfüllte, wutverzerrte Gesicht des Ameisöder. Einen Moment war sie sprachlos. Als aber der Ameisöder seine Finger nach der Handhabe am Kistendeckel ausstreckte, kam plötzlich Leben in sie. Sie sprang auf, schwang den Spaten und drang auf ihn ein.
(Fortsetzung folgt.)