Obrigkeitsstaat und Parlamentär. Negierung."

" Um Freitag Abend sprach in der Brauerei Dreiß in einer von der Deutsch-Demokratischen Partei veranstalteten Versammlung Oberbürgermeister Dr. Hartenstein-Ludwigsburg überObrig- keitsstaat und parlamentarische Regierung". Einleitend bemerkte der Vorsitzende, Landtagsabgeordneter Staudenmeyer, daß in der Abhaltung der politisch-volkswirtschaftlichen Vorträge aus ver­schiedenen Gründen eine Pause habe eintreten müssen, daß aber die S noch ausstehenden -Vorträge womöglich vor den Wahlen noch zur Ausführung kommen. Insbesondere sei es sicher, daß Kultminister Hieb er in aller Bälde den angckündigtcn Vortrag halten werde. Dr Hartenstein führte in lebhaften und äußerst interessanten Aus- fühv-mgen Folgendes aus: In Beziehung auf die Staatsform gäbe es eine Menge von Formen sowohl im Obrigkeitsstaat als auch in der parlamentarischen Regierung. Die absolute Monarchie, die extremste Seite der Staatsform, sei kaum mehr vorhanden. Im alten Obrigkeiisstaat habe der Regent in alles hineingeredet, in den bekannten Randoerfügungen habe der Monarch in Württemberg wie auch in Preußen einfach über alles, auch über die Berufswahl, sein« Bestimmungen getroffen. Nach und nach haben sich aber die Regenten infolge Mangels an Geld an die Einwohner des Landes wenden müssen und so habe das Volk durch Verhandlungen gewisse Rechte erlangt. Auf diese Weise sei auch der Tübinger Vertrag im Jahr 1514 entstanden, wodurch das Volk gewisse Freiheiten und Rechte erzwungen habe. Die französische Revolution brachte es dann mit sich, daß auf die Gefühle des Volks mehr Rücksicht ge­nommen werden mußte und so seien durch immer stärkere Bewegun­gen die Rechte der Regenten stark beschnitten worden. Trotzdem habe es mit den Bolksrechten noch windig ausgesehen, in Würt­temberg habe von 1806 bis 1819 gar keine Verfassung bestanden. Es seien deshalb schwere Kämpfe entstanden, die damit endigten, daß das Volk im Jahre 1819 eine Verfassung erhielt und ein' weiteres Zurückdrängen der Rechte der Obrigkeit erreicht wurde. Das Wesentliche des Obrigkeilsstaatez sei also darin bestanden, daß der Herrscher seine Macht entweder von sich selbst oder der Stellung seiner Vorfahren oder von Gottes Gnaden hergelcitet habe. Ohne die Regierung konnte also das Volk nichts tun, das Parlament konnte auf den Regenten nur wenig oder gar keinen Zwang aus­üben, Bürokratie herrschte überall in hohem Maße. Ohne Büro­kratie könne nun aber auch eine parlamentarische R^iecung nicht airskoinmen. In allen Republiken, ja sogar auch in Amerika werde über Bürokratismus geklagt. Die Parlamente haben nach und nach ihre Befugnisse erweitert und in zähem Kampf ihre Stellung ge­hoben. Auch in Württemberg sei nach während des Kriegs eine Koalitionsregierung zustande gekommen, die allerdings durch die ein­tretende Revolution, nur ein kurzes Dasein gehabt habe. Der König habe bekanntlich damals erklärt, seine Person solle kein Hindernis zu einer Aenderung der Staatsform sein. In der Reichsver- fasfung seien nun die Grundsätze der parlamentarischen Regierung niedergelegt. Nach diesen Grundsätzen brauche ein, Beamter sein Amt nicht aufzuge^en, wenn er in die Regierung und in das Parlament' eintrete, die Minister bedürfen des Vertrauens des Par­laments, während sie früher kraft der Krone ihr Amt führten, die Regierung darf nicht mehr an ihrem Platze bleiben, wenn fl» das Vertrauen des Volkes verloren hat. Der Typus des parla­mentarischen Systems sei England, formell trete der König nicht in Erscheinung, aber sachlich könne der König doch in den Vorder­grund sich drängen und die Politik des Landes nach seinem Sinne führen. Es gäbe also Monarchien, die parlamentarisch regiert seien, andererseits Volksstaaten, wie Amerika, in denen die Regierung nicht parlamentarisch geführt werde. In Amerika seien die Minister nur die Gehilfen des Präsidenten, das Parlainent könne diesem zwar Schwierigkeiten machen, aber ihn nicht zwingen, daß er seine Minister wegschicke. Es gebe also Volksstaaten, die fast vollständig absolutistisch, regiert werden. In Württemberg habe nach der Be­seitigung der Monarchie, deren letzter Träger ein richtiger Volks­mann gewesen sei, zuerst die Diktatur und jetzt eine parlamentarische Regierung ihren Einzug gehalten. Das Volk ernenne seine Ver­treter selbst und alle Staatsgewalt gehe vom Volke aus. Das Volk sei an die Stelle der Monarchie getreten. Es übe seine Rechte durch Wahl und Abstimmung aus. Das Volk könne den Ministern sein Vertrauen entziehen und den Landtag auflösen. Daß damit auch Gefahren für ein Land verbunden seien, könne kein Demo­krat leugnen. Es sei möglich, daß eine Anzahl ehrgeiziger Männer

die Herrschaft an sich reiße und eine willkürliche Diktatur auf­richte. Eine weitere Gefahr liege darin, daß die Minister nicht immer so sachkundig seien, wie es ihr Amt erfordere. Dadurch seien sic ihren Beamten zu sehr preisgegebcn und cs sei unzweifel­haft, daß die Beamten auch bei einer parlamentarischen Regierung noch eine gewisse große Macht besitzen. Es herrsche auch gegen­wärtig der Ruf nach Fachministern, obgleich zugegeben werden müsse, daß einzelne Parlamentarier durch langjährige Berichterstattungen sich, große. Fachkenntnissc erworben hätten. So sei Erzberger ein sehr guter Kenner des Reichsfinanzwesens gewesen, er habe sich seine Erfahrungen im Parlament gesammelt. Da in Deutschland erst seit kurzer Zeit die parlamentarische Rcgierungssorm bestehe, so habe es bei den Parteien an sachkundigen Leuten gefehtt nno die Sozialdemokratie habe deshalb auf ihre Parteisekretäre zurück­gegriffen. Eine weitere Gefahr entstehe der Parlament. Regierung dadurch, daß sie großem Mißtrauen ausgesetzt sei. Es gebe Leute sogar in der Demokratie, die am liebsten der Regierung Opoos-Lon machen möchten, da Opposition im Wesen der Demokratie liege Diese demokratische Eigenschaft müsse umgcbildct werden und cs müsse das Volk zu den aus der Wahl hervorgegangencn Vertretern mehr Vertrauen als seither haben. Es sei das Ziel anzustreben, daß unserem Volk mehr politisches Denken bcigebracht werde und der politische Instinkt erweitert werde. Man höre nun oft die Frage: Ist unser Volk überhaupt zu einer parlamentarischen Re- Perungsform reif? Es sei zuzugeben, daß eine Menge Männer und Frauen noch nicht für das Wahlrecht reif seien, aber man müsse mit dem Volk Geduld haben und ebenso mit der Regierung. Dazu gehöre, daß man dem Volk sage, es habe nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Es sei ernste Pflicht jedes Bürgers, dem Genu- wohl zu dienen und über das eigene Wohl zu stellen, vaterländische Gefühle zu wecken nach außen und innen, damit der Volksstaat die b-str . Errichtung werde. Dieses Ideal werde nicht alsbald er­reicht werden, aber möglich sei es. In der schweren Zeit, in der wir von Sorgen aller Art gequält werden, soll man den Glauben an . eine gute Zukunft nicht verlieren, einen gesunden Optimismus haben und seine vaterländische Pflicht aufs äußerste erfüllen. Aus all dem uns betroffenen Unglück könne man nur hcrauskommAi, wenn unser Volksstaat Leben habe und wenn nach dem alten demo­kratischen Wahlspruch gehandelt werde: Alles für das Volk und alles durch das Volk. Reicher Beifall folgte den packenden und wohltuend vollständig objektiven Ausführungen des gewandten und sachkundigen Redners. Der Vorsitzende gab diesem Dank noch be­sonderen Ausdruck und forderte die Versammlung zu reger Anteil­nahme bei den Bestrebungen für das Wohl des Vaterlandes auf.

Dom Gewerkschaftsausschutz Calw.

Man schreibt uns: Der Ausschuß erledigte in seiner letzten Sitzung die Abrechnung von der Maifeier, dabei wurde gewünscht, daß bei ähnlichen Veranstaltungen die Kinder am besten wegbleiben. Weiter wurde den.Anwesenden empfohlen, in ihren Mitglieder- kreisen zum Eintritt in dieVolksfürsorge-Versicherung zu werben. (Aufkl. Inserat folgt.) Zum Kurgastwesen im Oberamt soll als­bald Stellung 'genommen werden. Unter weiteren geschäftlichen Angelegenheiten wurde der Beitritt zum Verein .Arbeiterjugend- Hilfe" empfohlen.

Dom Landtag.

(SCB.) Stuttgart, 7. Mai. Auch der Landtag ist im Sterben. Seit Tagen ist das Haus so schwach besetzt, wie man es sonst nicht gewöhnt ist. Bei Beginn der Sitzung ist noch nicht die Hälfte der Abgeordneten anwesend. Man beratet über das Denkmal-Schutz­gesetz, das den Kunstbesttz im Lande vor Verschleuderung sichern will. Alle Parteien sind mit dem Gesetz einig, so daß es in allen drei Lesungen verabschiedet werden kann. Ein Antrag Wurm, der eine Milderung bei zwingenden Verhältnissen im Verkauf von Kunstwerken verlangt, wird gegen Zentrum und Bürgerpartei abgclchnt. Daun beginnt die große Aussprache über die Fragen der Volksernährung und Volkswirtschaft. Abg. Hermann (D. d. P.) berichtet über die Anträge des Ausschusses! tue Beibehaltung der öffentlichen Bewirt­schaftung von Brotgetreide. Haber, Kartoffeln, Fleisch, Fett und Milch billigen, aber doch für einen baldigen Abbau der öffentlichen Bewirtschaftung eintreten. Abg. Göhring (Soz. spricht im Sinne der Ausschußanträge und sieht einen Weg aus dem Elend im Genos- fenschastsgedanken. Abg. Scheef (D. d. P.) vertritt die Haltung sei­ner Partei, die freie Wirtschaft wünscht, aber zurzeit für unmöglich hält. Demgegenüber betont Abg. Körner (B.B.), daß die Auf­

hebung der Zwangswirtschaft, die Einführung des freien MarkicS und die Schaffung von Landbau- und Lieferungsöerträgen der rich­tige Weg fei. Seine Partei hat einen besonderen Antrag, der im Ausschuß abgclchnt worden war, wieder Angebracht. Bei der Aus­sprache kommt es wiederholt zu stürmischen Zwischenrufen, so daß der Präsident Ruhe schaffen muß. Die Aussprache über die Ernäh- rukgsfragen wird in einer Abendsitzung fortgesetzt.

(SCB.) Stuttgart, 7. Mai. Der Landtag setzte in einer Abend­sitzung die Aussprache über die Fragen der VolkSernährung fort. Die Sitzung nahm 5 Stunden in Anspruch und endete in später Nachtstunde. Der Redner des Zentrums, Abg. Sticgele, verteidigte die Anträge der Mchrheitspartcicn auf Beibehaltung der Zwangs­wirtschaft und legte die besonderen Wünsche seiner Fraktion dar. Abg. Hornung (U.S.P.) sprach ebenfalls für Beibehaltung der öffent­lichen Bewirtschaftung, Rettung steht er nur in der sozialistischen Weltwirtschaft. In zweieinhalbstündiger Rede behandelte der Er­nährungsminister Graf die Gründe für Einführung und Beibehal­tung der Zwangswirtschaft und die Wirkungen einer etwaigen Auf­hebung dieser. Im letzten Teil seiner Ausführungen polemisierte er gegen die Rechtsparteien und ihre Führer, wobei cs zu stürmi­schen Zusammenstößen und Lärmszcnen kam. Es sprachen sodann noch die Abgg. Adorno (Z), Wurm (B P.) und Körner (B.B.). Schluß der Sitzung z<11 Uhr. Nächste Sitzung: Samstag 9 Uhr: Abstimmung über die Anträge zur Volkswirtschaft, Forstreservegese^, 3. Lesung des Landtagswahlgesetzes und des Schulgesetzes.

Am Samstag wurde über die Anträge des Volkswirtschaftlichen Ausschusses zur VolkSernährung und Volkswirtschaft abgestimmt. Die Anträge der Mehrheitsparteicn, die der Ausschuß vorschlug, fanden auch im Plenum Annahme. Der bauernbündlerische Antrag auf Aufhebung der öffentlichen Bewirtschaftung wurde abgelehnt. Gegen die Stimmen der Sozialdemokraten wurde einem Antrag Haas zugestimmt, für den kommenden Herbst von Weinhöchst­preisen abzusehen. Das Gesetz über den Forstreservefonds wurde ohne Erörterung angenommen. Bei der Schlußabstimmung über das Landtagswahlgesetz stimmten 105 Abgeordnete mit Ja, die drei Mitglieder der U.S.P. mit Nein. Die dritte Lesung des sog. Kleinen Schirlgesetzes brachte eine längere Aussprache. Abg. Dr. Beißwdnger machte Mitteilungen, wonach württ. Regierungs­vertreter auf der ersten Tagung des Reichsschulausschusses in Berlin besonders unfreundlich über die Konfesstons- und für die Simultan» schule gesprochen haben. Der Kultminister suchte diese Enthüllungen damit zu entschuldigen, daß dies private Vorbesprechungen und unverbindliche Meinungsäußerungen gewesen seien. Beißwenger stellte aber ausdrücklich fest, daß es sich hiebei um Ansichten der Ver­treter der württ. Schulverwaltung handelte. Abg. Bolz (Z.) wies klar und deutlich nach, daß diese Stellungnahme im Wider­spruch mit der Auffassung des württ. Volkes und der Staatsregte- rung stehen. Sollte das Ministerium die Schulpolitik im Sinne dieser Aeußerungen gestalten wollen, so wäre für das Zentrum ein Verbleiben in der Regierung nicht mehr möglich. Abg. D. Baur (Z.) betonte noch das Recht auf die Erziehungsfreiheit der Eltern, die der Staat berücksichtigen müsse. Der Kultminister gab die Erklärung ab, daß durch ihn und sein Ministerium der Art. 146 der Reichsverfafsung in loyalster Weise durchgeführt wird. Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Heymann (Soz.) und Haußmann (D.d.P.) zum Schulkompromiß wurde das Schulgesetz in nament­licher Abstimmung mit 87 gegen 9 Stimmen des Bauernbundes angenommen.

Der Bauernbund stellte eine Anfrage, in der auf die Aus­breitung der Maul- und Klaucnscuche in Württemberg hingewiesen und in der Maßnahmen gegen die Seuche gefordert werden. Ferner fragen Rapp und Benkert (B.P.) an: Ist dem Herrn Minister deS Innern bekannt, daß die Ministerialverfügung vom 12. April 1920 betr. die Gewährung von Teuerungszulagen an Körperschafts­beamte in den Kreisen dieser Beamten durchaus nicht befriedigt, in­sofern als sie dem Sinn des Gesetzes vom 31. März 1920 betr. Ge­währung auskömlichec Teuerungszulagen insbesondere auch im Hin­blick auf die in den letzten Monaten weiter eingetretene Steigerung der Aufwendungen für die gesamte Lebenshaltung nicht entspricht? Ist der Herr Minister bereit, diesem offensichtlichen Notstand sofort abzuhelfen?

Für die Schriftleitung verantwortlich: I. V.: H. O. Röcker, Calw, Druck und Verlag der A. Olschläger'schen Buchdruckerei, Calw.

Stadtschultheißenamt Lalw.

Die seinerzeit bestellten

Arbeitsanzüge und Schuhe

werden am Mittwoch, den 12. Mai, vorm, von 81V Uhr auf dem Rathaus Zimmer Nr. 8 gegen Barzahlung

abgegeben.

Calw, 10. Mai 1920.

Stadtschultheißenamt: Göhner.

Bez.-Lehmiiellil>

CM.

Nächsten Mittwoch bei Drettz um 4 Uhr

OWliistenversanrullung.

um 5 Uhr

Ges.-ProSe.

S.

Ein ehrliches, pünktliches

Mödcheil

von 1516 Jahren, das zu Hause schlafen kann, wird in gutes Haus gesucht, auf 1. 2uli oder früher.

Zu erfragen in der Ge­schäftsstelle d. Bl.

Ständiges Inserieren E bringt Erfolg! T

Kranke

offen zur Kräftigung täglich

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Forstamt Hirsau.

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M-Willlg.

Rin Freitag, den 14. Mai nachm. 4 Uhr in Hirsau tm Löwen wird die Jagd in den Staatsivalddistrikten Ottenbronnerberg mit 213 tm Altburgerberg mit 143 ko im öffentlichen Ausstreich auf 6 Jahre verpachtet.

ReirslrahlenstWe,

HHmm's

RekslwMMe,

Hoffimnn's

WunderglmMrke

Borax

empfiehlt

CH. Schlatterer.

Verloren

ging gestern in Hirsau ein

Gummireif

zu einem Kinderwagen.

Bitte denselben abzugeben gegen Belohnung in der Ge- ichafsstelle des Blattes.

Gesucht

wird ein jüngerer, kräftiger

WMU.

der die Landwirtschaft ver­steht

Ludwig Weick, Wildberg.

Ein selbständicr»

Knecht

zu 2 Pferden und 2 Stück Vieh kann sofort cin- treten bei

Karl Essig, Schafhalter. Ravensburg.

2 Arbeiter

finden dauernde Beschäf­tigung für Schlackenstein- Herstellung. Akkord.

Gottlieb Pfeiffer, Vaugeschäst, Calw.