Am 25. November er. ist hier, Pankstraße 32 b, im Hause des früheren sozialdemokratischen Stadtverord­neten Emil Kerfin, ein umfangreiches Lager des Zentral­komitees der russisch-sozialdemokratischen Arbeiterpartei entdeckt worden. Es wurden u. a. in Verwahrung genom­men: 1) etwa 10 Zentner russischer Zeitungen und Druck­schriften sozialdemokratischer Tendenz mit zwei unter der Gewandung zu tragenden weißleinenen Schmuggelschür­zen; 2) drei Ballen (19 000 Bogen) weißen mit geraden Wasserzeichen versehenen Papieres, 3) zwei Kisten mit 14 Parabellumpistolen und 3000 dazu gehörigen 'Neunm'illi- meter-Hohlspitzpatronen; 4) ein Elektromotor und mehrere hundert starke Eisenschrauben für Eisenteile. Die Zeit­ungen und Druckschriften sind zum Teil gestempelt:Zen­tralkomitee russisch-sozialdemokratischer Arbeiterpartei." Die 19 000 Bogen weißen Papiers sind in einer großen deutschen Fabrik auf. Bestellung des Buchhalters Wilhelm Günsel vomVorwärts" hergestellt und eignen sich zur Nachahmung von russischen Dreirubelnoten. Die Waffen stammen aleichfalls aus einer.großen deutschen Fabrik und sind auf Bestellung von Lüttich her an eine Ber­liner Mittelsperson,-den Schlosser Albert Oberbossel, Mit­glied des 6. sozialiikmokratischen Wahlvereins, gesandt. Ueber die Bedeutung des Elektromotors und der Eisen­schrauben ließ sich noch keine Gewißheit erlangen. Mieter des betreffenden Lagerraums soll ein Russe Freytag sein, der bis jetzt aber noch nicht ermittelt werden konnte. Wahr­scheinlich ist derselbe identisch mit einem im Mai d. I. hier ausgewiesenen Russen, der bei dem sozialdemokratischen Stadtverordneten Wilhelm Bäumler in Schönberg eine Geschäftsstelle des Zentralkomitees der russisch-sozialdemo­kratischen Arbeiterpartei unterhielt und bei dem sozial­demokratischen Stadtverordneten Ernst Obst in Schöne­berg wohnte. Bericht an den Minister des Innern ist von dem Polizeipräsidenten erstattet."

* * 4:

Die Polenvorlage und das österreichische Abgeordnetenhaus.

Im österreichischen Abgeordnetenhause gab Minister­präsident Frhr. v. Beck folgende Erklärung ab:In der letzten Sitzung haben die Abgeordneten Ernst Breiter und Gen. an mich eine Interpellation betr. den im preußischen Abgeordnetenhaus eingebrachten Entwurf über Maßnah­men jzur Stärkring des Deutschtums in den Provinzen»West- preußen und Polen gerichtet. Gegen diese Vorlage ist in derselben Sitzung von Vertretern einer Reihe von Parteien in der Form von Anfragen an den Präsidenten Beschwerde erhoben worden. Die Interpellanten haben sich damit auf ein Gebiet begeben, das zu betreten schon von vorn­herein versagt werden muß, (Zustimmung. Zurufe.) Es ist ein im Völkerrecht vollkommen anerkannter und einge­lebter Brauch, daß man sich in keiner Weise in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staats einmischen darf. Es ist aber auch ein wohl­begründeter Brauch, weil sonst die wechselseitigen Verhält- . nisse der Staaten fortwährenden Störungen und Trübungen ausgesetzt und damit der Friede gefährdet würde. Deshalb muß von der Regierung uno den öffentlichen Faktoren an Wesem Grundsatz unter allen Umständen festgehalten werden, wenn auch vielleicht das Gefühl Einzelner manch­mal nach einer afndern Richtung drängt. Wir, die Mr sorgfältig!d!arüber wachen, daß sich.niemand in unsere Ange­legenheiten mengt, müssen denselben Anspruch auch bei an­deren achten. (Zustimmung.) Bei diesem Anlaß muß ich aber, insofern die Angelegenheit« zumal in der Inter­pellation der Abgg. Breiter und Gen. in unzulässiger Art und Weise besprochen wurde, nachdrücklich Verwahrung ein- legen. Derartige Ausfälle, wie sie in dieser Angelegenheit gegen fremde Regierungen gerichtet waren, schaden gewöhn­lich nur der Sache, der sie dienen wollen und sind beson­ders Unstatthaft gegenüber verbündeten und befreundeten Staaten. (Lebh. Zustimmung.)

Eine Protestkundgebung gegen die Preußische Polenvorlage.

In Lemberg fand im Rathaussaale eine große Protest Versammlung gegen die preuß. Polen­vorlage statt. Die Redner sprachen unter stürmischen Pfuirufen gegen den Fürsten Bülow und Baron Aehrenthal und forderten zur Boykottierung der aus Preußen kommenden Waren auf. Weiter verlangten sie, daß die polnischen Abgeordneten im Abgeordnetenhaus und in den Delegationen gegen das Budget stimmen sollen. Die Menge zog dann unter Schmährufen gegen Bülow und Aehrenthal vor das Hotel George, wo sich das deut­sche Konsulat befindet. Auf dem Wege wurde eine Karikatur Kaiser Wilhelms auf eine Stange gesteckt und verbrannt. Ein Student hielt eine Ansprache, in der er sagte: Wer dem deutschen Konsul eine Wohnung gibt, sei ein Verräter. Die Menge, von der Polizei mehrmals - zurückgehalten, gelangte schließlich doch vor das Hotel ! George, wo mehrere Scheiben eingeschlagen wurden. Die Stimmung beruhigte sich erst, als der Hotelier erklärte,

! daß dem deutschen Konsul die Wohnung bereits gekün- : digt sei und dieser nicht mehr im Hotel wohne.

! Tages-Chronik.

! Berki», 3 De» Dre städtische Verkehrsdeputatkon ! beschloß in ihrer heutigen Sitzung den Bau einer Unter- ! grundbahn von der Grell e CharlottenburgS an der Ottostroße durch Moabit bis zum Humannplatz in R xdorf Die Kosten der 10,1 Kilometer langen Strecke sind auf 59 Millionen Mark berechnet.

Be'lia 3 Dez. Eme weitere Verteuerung der Backwaren tu Berlin und Umgegend bedeutet ein Beschluß der Backer-J nung Germania, gemeinsam mit den anderen Bäckerorgamsanon n eine Gebühr für die i Lieferung des Gebäcks an dieKundschaft i einzuiühren. Es ist ein Abiragsgeld von 10 bi« 20 Pig.

! für di>> W"ck>e im Aussicht a-mo-nmen

Berlin, 4. Dez. 'Der LA. meldet aus Konstan­tinopel: In dem Theater Petitschamps kam es gestern Abend zu einer merkwürdigen Störung. Der deutsche Vizekonsul Schräder wurde plötzlich vom Wahn­sinn befallen m hielt von der Loge herab Reden. Es gelang den Beamten der deutschen Botschaft, den Kranken aus dem Theater zu entfernen und ihn in einem Krankenhause unterzubringen.

Leipzig, 3. Dez. Eine Versammlung von Hand­lungsgehilfen beauftragte den deutsch-nationalen Handlungsgehilfenverband, in Anbetracht der Teuer­ung die Prinzipale schriftlich um eine lOproz. Ge­haltserhöhung zu ersuchen. Die Anfangsgehälter sollen nicht unter 110 bezw. 150 Mark betragen.

Dresden 3 D,z In der h.uttgen Sitzung der Eisten Kammer b sprach Finanzmw st r v. Rüger die Frage, ob dtrekie oder indirekte Steuern vom Reiche »rho den werden sollien, um die Einnahmen zu verb'ssein, «nd kom zu dem R sulrat, vaß die direkten Steuern nicht mit dem Gei st e der ReichSoer- sassung zu vereinbaren seien und dre Selb- ständrkc'l der Bu.ideestaaren bedrohren; diese müsse der Bundebrar w ihren

Mannheim. 3. Dez. Bet der heurigen Ziehung der Mannheimer I ubt läumsl o tle rie fiel der erste Haupt­gewinn im B-rraae von 20 000 M. auf Nummer 150 689, der zwetie Hauptgewinn im Betrage von 5000 M. auf Nummer 271844

Straßburg. 3. Dez Ja Anbetracht der teuren Lebensverhätimss hat die Allgemeine Elsässtsche Bank-Gesellschaft in Slraßburg allen Beamten sämilrch r 20 »Filialen der Bank eine Teuerungszu­lage ,n ^<r Höb e ue« voll n Monatsgehalts gewährt

Rostock, 4. Dez. Hier sind OOPersonenam Ge­nuß verdorbener Leberwurst zum Teil schwer erkrankt. Zwei sind bereits gestorben. Die Wurst hatte ein Rostocker Kaufmann von auswärts biogen.

Uesküb, 3. Dez. Heute nacht ist das neue Gebäude des serbischen Gymnasiums gänzlich nieder­gebrannt. Der Schaden beläuft sich auf '/, Mich M nschenleben sind nicht zu beklagen, da 200 Internisten glückt ch entkamen. Das bulgarische Komitee gilt als der Brandstiftung verdächtig. In Belgrad herrscht große Erbitterung.

Auf!d!em Bahnhof in Mengen wurde am Montag abend der 28jährigen ThomasSipieler beim Ueberschrei- ten der Gleise, über die er ein Expreßstück tragen wollte, von einer Rangierabteilung erfaßt und unter die Rächr geschleudert. Dem erst kurz verheirateten Mann wurde der rechte Arm lftud das rechte Bein abgeschnitten. An einer Genesung des Verunglückten wird gezweifelt.

Auf der Straße von Enzweihingen nach Brei­ten hat kürzlich ein Automobil den Wagen eines Fuhr­manns aus Pulverdingen, der nicht rasch genug zur Seite fahren konnte, von hinten her angefahren, schwer beschä­digt und auch ,denf Fuhrmann verletzt. Das Automobil fuhr schleunigst davon, wurde aber nach Breiten voraus­gemeldet, dort angehalten und dem Bezirksamt vorgeführt. Der Inhaber des Automobils war ein Herr aus Göppingen.

Auf energische Weise hat sich eine Hebamme in Ober­hausen bei Augsburg gegen einen Vergewaltigurxgsver- such gewehrt. Sonntag früh gegen 4 Uhr wurde die Heb­amme Bestler von einem Unbekannten überfallen, der sie zur angeblichen Hilfeleistung herbeigerufen hatte. Die Hebamme hatte jedoch aus dem Benehmen des Mannes Verdacht geschöpft, zumal hier im Sommer zwei gleich­artige bisher unaufgeklärte Ueberfälle erfolgt waren, und ihr Lysolfläschchen heimlich hervorgezogen und entkorkt. Bevor der Unhold seine Absicht der Vergewaltigung zur Ausführung bringen konnte, schüttete sie ihm das Lysol ins Gesicht. Das führte nach wenigen Stunden zu seiner Entdeckung, denn die Flüssigkeit hat ihn des Augenlichts beraubt. Es ist der hier wohnende Dekorationsmaler Ru­dolf Spangenberg.

In Vilbel (Hessen) erschoß der Schweinehändler Philipp Kroner seinen Vetter Johann Kvoner, der vor Gericht gegen ihn ausgesagt hatte, und tötete sich dann durch einen Schuß selbst. Die Tragödie trug sich bei der Rückkehr von der Verhandlung in Gießen vor dem Bahn­hofgebäude zu.

In Mainz sind drei Kinder des Zuschneiders Burk­hard, ein 51/2 Jahre altes Mädchen und zwei Kinder im Alter von 21/2 und 1 Jahr schrecklich verbrannt. Die Kinder waren allein zu Hause und hatten mit Papier am Ofen gespielt, dabei waren die Kleider in Brand ge­raten. Das ältere Mädchen wurde tot aufgesuuden, die beiden jüngeren Kinder konnten wieder zum Bewußtsein gebracht werden.

Auf der Station Porth der englischen Tafftal - bahn stand ein zur Fahrt nach Ferndale besetzter Per­sonenzug auf einer Weiche, als ein mit Mineralien be­ladener Zug, der eine Steigung hinauf rangiert wor­den war, sich von der Lokomotive abriß und mit großer Ge­walt auf den Persvnenzug auffuhr. Zwei Wagen des letzteren wurden zerschmettert. 31 Personen, da­runter 6 Kinder, wurden verletzt.

Der kanadische PacificdampferMonnt Temple" mit 9000 Tonen, von Antwerpen nach St. Jo­hann unterwegs, ist an der Küste von Neu-Schottland im Sjchjneestuvm ausgelaufen. Die 630 Passagiere und 150 Seelen zählende Besatzung des Schiffes wurde nach 12 Stunden gerettet., Das Schiff ist vor­aussichtlich gänzlich verlvren.

Arbeiterbewegung.

Mannheim, 3 Dez. Der Äusstand bei den S t r e b e lwerk e n , an dem elwa 700 Arbeiter beteiligt waren, ist nach zweitägiger Dauer bei gelegt. Es han­delte sich um D'ff e -zen wegen d-r Einfüchuna einer newn

Grete?!" Wie ein Jauchzen klang es und doch innig wie eine Bitte. Seine Arme öffneten sich und zogen sie an sich; wie es gekommen, wußten sie selbst nicht. Sie lag an seiner Brust, lachend und weinend zugleich, und fühlte in jubelnder Seligkeit, daß sie dort­hin gehöre, als ihrem richtigen Platz im Leben.

XVI.

Margret war zu gewissenhaft, Arnold zu offen, um sich lange in Heimlichkeit ihres Findens zu freuen. Nach kurzen Tagen, als sie den fragenden Blicken von Mutter und Tante begegneten, die ihrer ungewöhnlichen Fröh­lichkeit, ihren gemeinsamen kleinen Manövern, sich allein zu sprechen und zu sehen, galten, zogen sie sie, jeder für sich, ins Vertrauen. Sie hatten Zeit gehabt, sich über alles, was sie gemeinsam erstrebten, auszusprechen. Sie warteten nun bei ihren Lieben das innigste Mitgefühl, die freudigste Zustimmung. Doch diese wäk bei Mutter und Tante nur bedingt.

Der Abend vorher hatte eine lange Meistersinger- Vorstellung gebracht, und man war nachher noch bis nach Mitternacht beisammen geblieben und hatte über das herr­liche Werk und die gute Aufführung geplaudert. Heute hatten sich die Gäste deshalb früher zurückgezogen; Arnold aber bat die Mutter, ihm noch ein halbes Stündchen zu schenken. Sie saß ihm gegenüber an ihrem altgewohnten Fensterplatz am Schachtisch, und Arnold sprach mit plötz­lichem Enffchluß:

Mutter, Margret und ich haben uns verlobt. Mor­gen will ich bei Tante Marie um sie anhalten!"

Kind! Kind! Ich habe es ja kommen sehen, und doch ist's mir jetzt noch überraschend. Laß mir Zeit, ich muß mich erst fassen."

Ja, Mutter, freust du dich denn nicht mit mir? Siehst du denn nicht selbst, wie lieb und goldig Margret ist? Und dabei so kindlich, so unberührt. So lustig sie sein kann, so ernst fühlt und denkt sie. Mutter, du hast meine ersten Lieben in meiner Tanzzeit mit erlebt, aber das ist etwas ganz anderes. Grete gehört zu mir von allem Anfang an. Ich hatte noch nicht drei Stunden mit ihr verlebt, so wußte ich es."

Ja, mein Bub, an Margret ist auch nichts aus­zusetzen, und ich wüßte mir nichts Lieberes, als sie als

meine Tochter ans Herz zu schließen. Aber jene andere, Arnold, was ist's mit der?"

Welche andere, Mutter? Was weißt du? Hast du du irgend eine Nachricht bekommen?" Er fragte es mit zuckenden Lippen.

Nein, Kind, ich weiß gar nichts; aber es war nicht schwer zu erraten, daß hinter deiner gedrückten Stimm­ung vor Weihnachten ein Weib steckte."

Ja, Mutter!" Er hob die Schultern und atmete frei auf.Aber ich habe in mehr als drei Monaten keine Nachricht, kein Lebenzeichen. Es scheint, daß sie nichts mehr von mir wissen will. Es ist undenkbar, daß sie drei Monate geschwiegen hätte, wenn sie leiden würde, wenn sie noch an mich dächte. Lassen wir has; ich hoffe frei zu sein!" Eine leise Furcht, ob ihm das neue Jahr nicht eine unerwünschte Annäherung bringen würde, durchzog seinen Sinn; er unterdrückte sie.

Frau von Rosner zog ihn an sich.Mein Bub', mein lieber Bub'! Es gibt eben nichts Vollkommenes auf der Welt; kein Glück ohne Schatten. Vielleicht ist's gut so, man schätzt sich dann das Schöne, was man hat, viel mehr. Gott segne dich und Margret; ich habe sie lieb wie ein eigenes Kind."

Mutter! Tausend Dank für dieses Wort, für meine Grete und für mich."-

Oben in Marie Alfters Schlafzimmer saß zu gleicher Zeit Margret vor der Tante mit dem gleichen Bekenntnis.

Frau.Alster nahm sie in die Arme und küßte ihre tief erröteten Wangen.Du hast gut gewählt, Kind, Arnold von Roßner und du, ihr paßt zusammen."

Tantchen, du sagst das so wenig heiter, so ge­drückt! Ist es dir nicht recht?"

Wie könnte es mir nicht recht sein? Der Sohn meiner liebsten Freundin und, wie ich Grund habe, zu glauben, ein tüchtiger, ehrenhafter, junger Mann. Es ist ein großes Glück für dich! Nur ... ich habe so man­ches dabei zu überwinden. Daß ich dich so bald her­geben muß, daß nun das Zusammenleben mit dir auf­hört, welches mir so viel Freude gebracht hat. Ich wollte, deine Mutter säße heute an meiner Stelle; vielleicht hat echte Mutterliebe die Kraft, sich selbstlos zu freuen. 'Seit dem Augenblick, wo ich dich als Tochter in meine Arme

genommen habe, fühle ich es heute zum erstenmal, daß ich nicht deine rechte Mutter bin."

Mein Mütterchen! Wie oft habe ich in diesen Ta­gen geglaubt, ihren Kuß, ihren Segen zu fühlen. Aber du, Tante Marie, bist ihre Schwester, und nichts, kein Glück und keine Liebe soll mich dazu bringen, unkind­lich gegen dich zu sein. Du hast nur jetzt zwei Kinder statt einem, und ein so kluges und großes und herzwarmes wie Arnold. Tantchen! darf ich sagen mein Arnold?"

Du liebes, kleines Ding! Gott segne dich und ihn. Mles andere auf morgen, Kind, ich bin müde zum Um­sinken, geh' schlafen und träume süß."

Marie Alster saß aber noch lange, nachdem Margret gegangen war, in dem niedrigen Lehnstuhl und blickte träumerisch ins Licht. Margret hatte gewählt, ihr Herz hatte gesprochen, da war nichts weiter zu machen. Ein Stören dieses jungen Glücks lag ihrer vornehmen Seele fern. Wer ein Schmerz, ein bitterer Schmerz war Ha­bei, über den sie nicht hinweg konnte. Da war in Wien der blonde, reife Mann, der sich ihr und Margret so unzweideutig genähert hatte. Ein echter Ritter, zu hem man in jeder Lebenslage ausblicken konnte, und er be­gehrte Margret. Er! Und das Kind, das törichte, junge Kind hatte das nicht erkannt, und die frische Jugend des Andern war ihr mehr als die erfahrene Männlichkeit. Ein Wann wie Sternenseld sollte umsonst werben? Es war kaum denkbar. Nun floh er jedenfalls das Haus, das ihm eine solche Enttäuschung brachte, und die schöne Freundschaft, die sich Marie Alster zu dem Gatten ihrer Adoptivtochter erträumt hatte, zerfloß in Bitterkeit und Kränkung. Sie sah es kommen und sie litt darunter. Was hatte sie nicht alles schon erlebt und durchgekämpft! Und jetzt? Kein glückliches Alter, wie sie sich's erhofft» Einsamkeit nur und einen schwachen Ersatz dafür in der selbstlosen Freude an Margrets Glück. Bloß das Wie­gen der Enkel, die nicht ihre eigenen waren; es war zu wenig für ihre energische Natur, für ihr lebendig pul­sierendes Herz. Der junge 'Mann würde sie ehren und schätzen, das wußte sie wohl, aber ein Freund wie Ster- nenfeld konnte er ihr nicht sein, das war vorbei, vorbei!

(Fortsetzung folgt.)