7 ^Uiorren Mark zu stehen kommen. Wer die sortschrei- l-mde technische Entwicklung verteuert nicht nur den Lim und die Ausrüstung - besonders die Armierung i er Schiffe an sich, sie verkürzt auch fortwährend ihre Lebenszeit; denn es ist selbstverständlich, daß ein Li­nienschiff, das vor SO Jahren gebaut worden ist, noch nicht so gut ausgerüstet wurde, wie ein Schiff neuester Kon­struktion, beispielsweise vom Typ des englischen Dread­nought. In den Augen unserer Flottenenthusiasten stellt deshalb die Mehrzahl unserer Kriegsschiffe nichts anderes als schwimmende Särge dar, falls es zu einem Kriege kommen sollte. So schlimm ist cs.nun ja tatsächlich nicht, die Herren vom Flottenverein übertreiben gerne etwas aber guch die Regierung behauptet allen Ernstes, daß es dringend notwendig sei, die Lebensdauer der Linien­schiffe. guf dieselbe Zeit wie für die Panzerkreuzer, nämlich aus 20 Iahre sestzusetzen. Die Lebensdauer von 25 Jah­ren wurde seinerzeit auf Antrag des Zentrums sestgelegt, um das Flottengeseh etwas annehmbarer zu machen. Der Erfolg war aber, wie jetzt die Novelle zum Flottengesetz ergibt, nur ein scheinbarer, wenn die Mehrheit des Reichs­tages her Regierungsvorlage zustimmt. Das Zentrum hat also lediglich seinen Wählern Sand in die Augen gestreut, als es die Regierung seinerzeit veranlaßt«, die Lebens­dauer .der Linienschiffe zu erhöhen, denn es mußte ganz genau wissen, daß die Regierung nicht lange an dieser Er­höhung her Altersgrenze festhalten werde. Menfalls Sand sin die Augen der Wähler ist es, wenn jetzt das Zentrum .es so hinstellt, als ob die bürgerliche Linke nun unter allen Umständen gegen die Novelle zum Flotten­gesetz stimmen müßte, weil sie seinerzeit gegen die Bindung über die jährliche Etatsbewilligung hinaus gestimmt hatte. Die jetzige Vorlage bedeutet nur eine Neuregelung inner­halb des gegebenen Rahmens des Flottengsfetzes, den das Zentrum mitgeschaffen hat, sie" zeigt aber äuch wie recht seinerzeit die Linke hatte, wenn sie das Flotten­gesetz bekämpfte. Tie Regierung will sich auch jetzt noch im Rahmen des Gesetzes halten und nicht über die bereits bis zum Jahre 1917 bewilligte Anzahl von Kriegsschiffen hinausgehen die Wirkung des früheren Ersatzes der Kriegsschiffe wird also erst nach 1917 in die Erscheinung treten aber doch wird durch die veränderte Sachlage eine Mehrbelastung des Marinebudgets ent­stehen, die ungefähr den Kosten von drei neuen Li­nienschiffen entspricht.

Es wird nun Sache des Reichstags fein, sich ge- nauestens darüber zU unterrichten, ob wirklich eine der­artige Erhöhung der Flottenbaukosten um rund 10 0 Mil- l i o n e n eine unbedingte Notwendigkeit ist, und seine Abstimmung derart einzurichten. Auf alle Fälle aber sollte sich der Reichstag daran erinnern, daß er auf Antrag des Zentrums zum Flottengesetz einen Zusatz beschlossen hat, wonach weitere Mehrbelastungen tzur .Verstärkung der Flotte nicht mehr durch neue indirekte Steuern aufgebracht, also auf die Schultern der kleinen Leute abgewälzt werden sollen. Wer bis jetzt hat gerade das Zentrum mit der Redensart von der Belastung der leistungsfähigen Schultern nur fein fri­voles Spiel getrieben. Wenn es Aussicht hätte, dadurch wieder Regierungspartei werden zu können, würde es so­fort für die Novelle zum Flottengesetz und für indirekte Steuern stimmen; es hat ja schon mehrfach derartigen; Volksverrat geübt, ohne deshalb feine Wähler zu ver­lieren. Ein tüchtiger Zentrumsmann läßt sich eben gar vieles gefallen. Die bürgerliche Linke aber wird sich über jdie Frage der Flottenvorlage und der Mittel zu ihrer Deckung auf keinen Kuhhandel" einlassen.. Sie kennt ein sehr gutes Mittel, um der Finanzmiferst des Reiches abzuhelfen: die direkte Reichs-Einkom­men- und Kapitalrentensteuer. Zu ihren Durch­führung ist id.ie bürgerliche Linke bereit, zur Belastung des deutschen Volkes durch neugindirektc Steuern wird sie der Regierung aber unbedingt die Gefolgschaft verweigern. Zu einer derartigen fVolksausbeutung- mag sich die Regierung wieder mit dem Zen­trum verbünden. Tie Quittung würden dann beide wohl bei den nächsten Wahlen erhalten.

Dichterstimmen über die Luftschiffahrt.

Die Dichter edlen mit ihren poetischen Träumen der Zeit voran. Und so finden wir auch über den neuesten Fortschritt der Menschheit, die Luftschiffahrt, eine interessante Aussprache zweier längst verstorbener Dich­ter, Justinus Kerner und Gottfried Keller. Keimer hatte 1845 im StuttgarterMorgenblatt" fol­gendes Gedicht veröffentlicht:

Unter dem Himmel.

Laßt mich in Gras und Blumen liegen Und schann dem blauen Himmel zu,

Wie goldne Wolken ihn durchfliegen,

In ihm ein Falke kreist in Ruh'.

Die blaue Stille stört dort oben Kein Dampfer und kein Segelschiff,

Nicht Menfchentritt, nicht Pferdetoben,

Nicht des Dampfwagens wilder Pfiff.

Laßt satt mich schann in dieser Klarheit,

In diesem stillen, sel'gen Raum:

Denn bald könnt' werden ja zur Wahrheit Das Fliegen, der unsel'ge Traum.

Dann flieht der Vogel aus den Lüften,

Wie aus dem Rhein der Salmen schon,

Und wo einst singend Lerchen schifften,

Schifft grämlich stumm Britannias Sohn.

Rundschau.

Endlich.

Auf Befehl des Kaisers ist, wie der Lokal-Anzeiger! erfährt, gegen den früheren Kommandeur des Regiments des Gardekorps, späteren General und Brigadekommandeur Grafen Hohenau, der außerdem General ü In suits des Kaisers war, ein ehrengerichtliches Berfa li­ve n unter dem Vorsitz des Generals v. Löwenfeld einge- leitet worden. Graf Hohenau hat sich sittliche Verfehl­ungen zu schulden kommen lassen. Inwieweit diese Ver­fehlungen sm Sinne des Gesetzes oder entsprechend der allgemeinen Auffassung gegen den 8 175 verstoßen, wird die Untersuchung ergeben. Die Zeugenvernehnrungen ha­ben bereits begonnen.

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Armeemusiker.

Eine Hebung der Militärkapellmeister, die jetzt trotz ihrer Hochschulbildung Feldwebelrang bekleiden, beabsich­tigt ein Erlaß des preußischen Kriegsministers in die Wege zu leiten. Danach sollen sie in Zukunft sofort bei ihrer; Ernennung den Titel Musikmeister erhalten und nach einigen Jahren durch Kabiuettsordev zum Obermusikmeister befördert Werden. Sie erhalten einer: Rang über den Feldwebeln, nur noch der Regimentskommandeur, sowie die höheren Befehlshaber bleiben ihre unmittelbaren Vor­gesetzten. Me erhalten in Zukunft keinen Sold mehr, sondern ein Gehalt, das um em geringes erhöht wird. Auch ihre Uniform soll eine entsprechende Veränderung erfahren.

Warum macht man nicht endlich ganze Arbeit wird gibt den Kapellmeistern Offiziersrang, den die Zahlmei­ster schon lange besitzen, und den die Kapellmeister anderer Armeen haben?

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Die Reichsdenkschrift über das Zeppelin'sche Luftschiff.

Die Denkschrift, welche das Reichsamt des Innern feiner Forderung von 2,15 Millionen zur Unterstützung des Zeppelin'fchen Luftschiff» nternehmens beifügt, führt u. a. ans: Das Luftschiff des Grafen Zeppelin hat bei den Ver­suchsfahrten am 24.30. Sept. und 8. Oktober 1907 ein­wandfrei die Vorzüge erwiesen, die dem starren System inne wohnen. Das Schiff hat die in die Zeit vom 24. Sep­tember bis 8. Oktober fallenden Aufstiege mit der gleichen nur ganz gering vermehrten Gasfültnng zurückgelegt. Diese Eigenschaft rechtfertigt es somit, die Mittel vorzu- znfehen, üm das bereits vorhandene und das im Bau begriffene neue Luftschiff des Grafen Zeppelin für Reichs­zwecke zu erwerben, wobei indessen der Ankauf davon ab­hängig gemacht werden soll, daß es Graf Zeppelin im Laufe des Jahres 1908 gelingt, mit seinen Schjffen, die so­wohl hinsichtlich der Dauer der Fahrt wie der Geschwin­digkeit der Erreichung größerer Höhen, der Sicherheit des Landens auf festem Boden, stellenden Anforderungen der Reichsverwaltung erfüllen. Für die Bemessung des Kaufpreises werden alle die Aufwendungen berücksichtigt, die Graf Zeppelin im Laufe seiner mehr als 15 Jahre Um­fassenden Versuche mit eigenem Vermögen Und aus ihm gegen Verpflichtung der Rückgabe geliehenen Mitteln ge­macht hat, unter Abzug aller Summen, die ihm schon bis­her aus öffentlichen Fonds des Reichs Und der Einzelstaa­ten, aus Lotterien oder Sammlungen ohne Rückgabever­pflichtung zügeflosfen sind. Hiernach ergibt sich ein Preis von rund 1 650000 Mk. Daneben soll dem Grafen Zep­pelin eine Entschädigung für feine eigene Arbeit gewährt werden. Für ihre Bemessung ist zu berücksichtigen, daß Graf Zeppelin unter den schwierigen Verhältnissen ünd gegen Widerstände mannigfacher Art mit bewundernswer­ter Ausdauer und schöpferischem Geist die Frage der Lenk­barkeit des Luftschiffs zu einer bisher nicht übertroffenen Lösung geführt und daß er feit dem Jahre 1892 seine gesamte Arbeitskraft ausschließlich der Erreichung dieses Zieles gewidmet hat. Danach dürfte es angemessen sein, die Entschädigung auf 500 000 Mk. zu bemessen. In An­betracht dieser Leistungen des Reichs ist in Aussicht genom­men, gegebenenfalls den Bezug weiterer Luftschiffe unter Vorzugspreis durch ein entsprechendes Abkommen zu be­dingen.

Erblick' ich einen Zug von Waren,

Der an der Sonne schifft vorbei.

Fühl 'Regen ich beim Sonnenscheine,

Such nach dem Regenbogen keck,

Ist es nicht Wasser, wie ich meine,

Wurd' in der Luft ein Oelfaß leck.

Satt laßt mich schann vom Erdgetümmel Zum Himmel, ch' es ist zu spät,

Wann, wie vom Erdball, so vom Himmel Die Poesie still trauernd geht.

Verzeiht dies Lied des Dichters Grolle,

Träumt er von solchem Himmelsgraus,

Er, den die Zeit, die dampfestolle,

Schließt von der Erde lieblos aus.

Ihm erwiderte sein Schweizer Kollege Gottfried Keller folgendermaßen:

Dein Lied ist rührend, edler Sänger,

Doch zürne dem Genossen nicht,

Wird ihm darob das Herz nicht bänger,

Das, dir erwidernd, also spricht:

Die Poesie ist angeboren,

Und sie erkennt kein Dort und Hier!

Ja, ging die Seele mir verloren.

Sie führ' zur Hölle selbst mit mir.

Inzwischen sieht's auf dieser Erde Noch lange nicht so graulich aus,

Und manchmal scheint mir, daß das: Werde! Ertön' erst recht demDichterhaus."

Schau' ich zum Himmel, zu gewahren,

Schon schafft der Geist sich Sturmesschwingen ind spannt Eliastvagen an:

Tages-ChronLk.

Berlin, 23. Noo. Ter Gesetzentwurf z»r Abänder­ung des Gesetzes über c> en unlauteren Wetk- bewerb ist, wie dis Tägl. Rundsch. hört, im Reichsamt des Innern feitiggsstellt und wird voraussichihch iu nächster Zeit den Bundesregierungen zur Aeußerung zugehen. Gleich­zeitig wird der Entwurf wahrscheinlich veröffentlicht werden.

Berlin, 25 Noo. Dw ,B. T." nvloet aus Madrid: Die Lage in Portugal ist sehr ernst. Sämtliche Reservisten wurden eingezogen.

Karlsruhe, 23. Rov. An Stelle des Oberbürger­meisters Beck in Mannheim, der sein Mandat als Mitglied der Ersten Kammer rriedcrgelegt hat, werden die Städte der Slüdreordnung den Oberbürgermeister Habermchl in Pforzheim in die Erste Kammer wäblen. Der Wahltermir ist noch nicht bekannt.

München, 23. November. Der vom Würzburger Bischof exkommunizierte Professor Dc. Th. Engerl wird dis Redaktion der reformkalholischen ZetischrtftDas XX. Jahrhundert" übernehmen

Brüau, 25 Nov. Hier haben gestern Protest- Versammlungen gegen die L e b e n S m tt r e l teucr- ung stattgesund-n, tn denen sozialdemokratische Redner aus- traten 45 Tausend Personen nahmen an den Versamm­lungen teil.

Baireuth. 24. Noo. Der zur Zeit hier weilende Kammersänger Bertram hat heute früh, vermutlich in einem Anfall von Geistesstörung, Selbstmord begangen.

Ora«, 24. Noo. Eine Rekognoszierungsabteilung ist in einer Schlucht am Kiß-Fluß von einer großen Zahl Marokkaner angegriffen worden. Der Kampf dauerte von 8 Uhr morgens dis mittags. Aus Seiten der Franzosen wurden 6 Mann verwundet. Die Marokkaner zogen sich schließlich zurück. Die französischen Truppen besetzten den Platz und nahmen viel Vieh.

In Frankfurt a. M. wurde in einem Keller die Leiche eines zweijährigen Knabens aufgefun- den. Als Täterin wurde die im gleichen Hause wohnende Mutter des Knaben, die 30jährige Monatsfrau Luise Merker geb. Endgelder aus Beerfelden im Odenwald verhaftet, die eingestand, den Knaben die Frucht eines heimlichen Verhältnisses mit ihrem jetzigen Gatten vor ihrer Heirat getötet zu haben, weil sie befürch­tete, ihr Mann würde die Heirat rückgängig machen, wenn er von der Existenz des Knaben Kenntnis erhielte. Merk­würdigerweise hat.Merker von seiner Vaterschaft nie Kennt­nis bekommen.

lieber einen Vatermord wird aus Stettin be­richtet : Samstag nachmittag wurde derArbeiterRisch von seinem eigenen Sohn erschlagen. Kurz vor der schrecklichen Tat hatte sich der Mörder mit ei­ner Polin standesamtlich trauen lassen, trotzdem der Va­ter gegen diese Heirat Einspruch erhob. Als der Pfarrer zur kirchlichen Trauung in der Rischschen Wohnung er­schien, fand er den alten Risch tot auf dem Boden liegend. Der Mörder wurde verhaftet.

Der Bankbeamte Schramm aus Breslau tvurde in Halle a. S., verhaftet, als er bet der Filiale der Magde- - burger Privatbank auf einen gestohlenen Depositenschein : des Schlesischen Bankvereins über 20 000 Mark Geld er- z heben wollte.

k Die Stockfabrik von Stzaethe in Langetals mühle r bei Bürgerl ist nachts total niedergebrannt. Vierzig Ar- ? beiter sind brotlos.

In Homburg wurde auf Veranlassung der Gläu-! ttiger Kommerzienrat Möller, der Inhaber dev insolventen Altonaer Wachsbleiche verhaftet.

Ein furchtbares Verbrechen verübte der 17jährige Schreinerlehrling Georg Szabor in Kmychnau bei Namslau. Er hatte im Gasthaus beim Kartenspiel sein Geld verspielt und forderte von seiner Mutter neue Mittel. Als sie diese ihrem Sohne verweigerte, er­würgte sie der Unmensch. Bei dem Versuch, die Leiche im Garten zu begraben, wurde er beobachtet und fest­genommen.

Im Pariser Automobilsalon brach aut Samstag Feuer aus. Die ganze herrliche Dekoration der großen Kuppel des Automobilsalons wuÄ>e durch

Willst träumend du im Grase singen,

Wer hindert dich, Poet daran?

Ich grüße dich im Schäferkleide, ;

Herfahrend, doch mein Feuerdach'

Trägt mich vorbei, die dunkle Heide Und deine Geister schann uns nach.

Was deine alten Pergamente Von tollem Zauber kund dir tun,

Das seh' ich durch die Elemente

In Geistes Dienst verwirklicht nun. Z

Ich seh' sie keuchend glühn und sprühen. Stahlschimmernd bauen Land und Stadt,

Indes das Menschenkind zu blühen ^

Und Singen wieder Muße hat. i ;

Und wenn vielleicht in hundert Jahren Ein Luftschiff hoch mit Griechenwein Durchs Morgenrot kam' hergefahren

Wer möchte da nicht Fährmann sein?

Dann bög' ich mich, ein sel'ger Zecher,

Wohl über Bord von Kränzen schwer,

Und gösse langsam meinen Becher Hinab in das verlass'ne Meer.

Man sieht, der praktische Schweizer findet sich vi^l besser mit der (damals erst geahnten) Erfindung ab alk der träumerische Schwabe. Dafür haben wir aber jetzt die Genugtuung, daß es nicht ein Schweizer ist, auch nichtBritannias Sohn", wie Kerner meint, der durch di« Lust fährt, sondern ein wackerer Schwabe.

S. 8.