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Areitag, den 1 Wovemöer

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Rundschau.

Zum Prozeß Moltke-Harden.

Das Berliner Schöffengericht hat den Beklagten.Har­den jreigesprochen, und zwar mit einer Begründung, die wohl selbst die Erwartung Hardens übertroffen hat. Und über diese Begründung muß noch gesprochen werden, gleich­viel wie man sich zu den Prozeßparteien sonst verhält. Das Schöffengericht konstatiert, daß Moltke wahrheits­liebend sei, daß er sich im Sinne des ß 175 nicht ver­fehlt hat, daß er aber homosexuell veranlagt sei. Dieses Urteil stützt sich im Wesentlichen auf die Aussagen der eigenartigen Frau v. Elbe und ihres Sohnes und auf das sachverständige Gutachten des Herrn Dr. Hirschfeld, das der Gerichtsvorsitzende alseinwandfrei" erklärte. Und hier muß der Protest einsetzen. Die Sexualphilosophie des Perm Dr. Hirschfeld, der seit Jahren für Aufhebung des Z 175 agitiert, ist alles nur nicht einwandfrei, nament­lich nicht als gerichtliches Beweismittel. Solange der § 175 des Strafgesetzbuchs besteht, dürfte unseres Er­achtens der Vorwurf der Homosexualität nur erhoben ,'verden, wenn auch der Beweis für eine Uebertretung dieses Paragraphen erbracht werden kann. Ohne diesen schlüssigen Nachweis führen zu können, sollte man aber auch niemand d»n Borwurf homosexueller Neigung 'ma­chen dürfen; denn es gibt gar viele Leute, die homo­sexuell veranlagt sind und es doch nicht zur geschlech t- lichen Betätigung dieser Neigung kommen lassen. Diese stehen aber doch wohl auch nach unseren derzeit geltenden sittlichen Anschauungen entschieden höher als geschlecht­lich normal veranlagte Menschen, die sich sittlichen Aus­schweifungen innerhalb des heterosexuellen Rahmens hin­geben und dabei dennoch als anständige Staatsbürger gelten. Auch ein weiterer Teil der Begründung dürfte nicht ohne Protest ausgenommen werden. Das Schöffen­gericht sagt, auch die musikalisch-poetische Veranlagung habe etwas- Feminines (weibisches) an sich. Unsere Mu­siker und Dichter werden mit Ueberraschung von dieser Ent­deckung Kenntnis nehmen. Nach dieser Richtung bedarf das Urteil einer Remedur. Zu einerFreisprechung hätten sich andere Gründe finden lassen, Gründe, die auch die ein­fachen Menschen in der Provinz draußen verstanden hätten.

DerPost" zufolge soll der I ustiz minist er zum Kaiser befohlen worden sein, um Vortrag darüber zu hal­ten, warum die Klage gegen Harden ex okkieio von der Staatsanwaltschaft abgelehnt worden sei. Man halte die

Die blaue Dame.

Kriminal-Roman von Auguste Groner.

74) (Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Ich glaube nichts übersehen zu haben und sende daher diesen Brief mit dem Wunsche ab, Ihnen ein wenig gedient zu haben. Ich fahre, annehmend, daß es Ihnen recht ist, heute noch nach Linz, um mich in der Administration der Zeitung darnach zu erkundigen, auf welche Weise die In­serate an diese gelangten.

- In tiefster Dankbarkeit Ihr Ossip.

Salzburg, am 8. Juni, abends sieben Uhr."

Nun erbrach Müller den Berliner Brief, dieser kam von Thorn. Er schrieb:Meine Annahme bezüglich der Person des Täters war unrichtig. Ich habe mich sofort nach meinem Hierherkommen zweifellos davon überzeugen können, daß derjenige, der einstens der Geliebte der Leh­mann war und den ich feiner Leidenschaftlichkeit wegen der Tat für fähig gehalten, die kritische Zeit in vollster Gemütsruhe hier verlebte. Es tut mir leid, daß ich Sie vielleicht auf eine falsche Fährte brachte, Sie einen Au­genblick lang aufgehalten habe. Ich sehe schon, mit der Impulsivität ist es nichts. Eines aber reut mich nicht, haß ich während der Heimreise meinen Vetter über den Charak­ter und das Vorleben Elisens aufgeklärt habe. Er ist jetzt ruhig, fast kalk.und sichtlich froh, dieser Ehe entgangen Zu sein. Er sagte mir, daß- Elisens Stiefbruder ihm zwei­mal mit großer Dringlichkeit, aber freilich nur mit dunklen Andeutungen, die Wallroth in feiner Verliebtheit nicht verstehen wollte, von dieser Heirat abgeraten habe. Briefe treffen mich ab neunten abends wieder in Wien. Wallroth wird jetzt dort sein und sch begleite ihn." Das schrieb Thorn. Noch eine Weile schaute Müller auf das Brief- blatt, dann faltete er es zusammen, steckte es in das 'Ku­vert und barg dieses samt Sennfelds Brief in seiner Rock­tasche; dann erhob er sich, und trat zu Volkners Verwun­derung zu einem Herrn, der an einem der nahen Tische saß und redete einige Worte mit ihm. Volkner sah, wie die Zwei sich die Hände schüttelten, und wie der, von k Müller Angesprochene, dann den Zählkellner zu sich he- x ranwinkte. Auf fein ferneres Tun achtete Volkner nicht f

Stellung des Justizministers für ernstlich erschüttert. DasBerliner Tagblatt" meldet, die Staatsanwaltschaft erwäge, ob sie die Klage gegen Harden nunmehr im öf­fentlichen Interesse weiter verfolgen solle. Nach Z 417 der St.-P.-O. ist der Staatsanwalt berechtigt, in jeder Lage der Sache bis zur Rechtskraft des Urteils die Ver­folgung zu übernehmen. Ein dahingehender Entschluß sei jedoch bisher noch nicht gefaßt worden.

Tie Wiener Zeit meldet, Für st Philipp Eulen­burg Habe einen Wiener und einen Berliner Spediteur beauftragt, seine Möbel zur Uebersiedelung nach einem überseeischen Platz, wahrscheinlich nach Nordafrika zu verpacken. Nach einer anderen Meldung beabsichtigt jedoch Fürst Eulenburg, sobald sein Gesundheitszustand es er­laube, nach Liebenberg zurückzukehren, und alsdann wie alljährlich nach dem Süden zu gehen.

* * *

Die unterbliebene Begegnung von 1904.

Im Anschluß an den Prozeß .Harden schilderte der Petit Parisien", wie die im Frühjahr 1904 an­geregte Zusammenkunft zwischen Kaiser Wil­helm und dem Präsidenten Loubet gescheitert sein soll- Nach dieser Darstellung sei das Projekt von deutscher Seite aufgegeben worden, während man bisher, besonders in Deutschland, annahm, daß es an der Politik Delcassas scheiterte. Ich holte darüber die Meinung eines fran­zösischen Diplomaten ein, der die damaligen Er­eignisse aus der Nähe miterlebte. Er sagte mir: Als Loubet damals Neapel verließ, um mit dem französi­schen Geschwader nach Marseille zu fahren, war jeden­falls jedermann an Bord darauf gefaßt, unterwegs mit dem Schiff Kaiser Wilhelms zufammenzutreffen. Herr Delcasss, der schrecklich unter der Seekrankheit leidet, wollte ursprünglich von Neapel mit der Eisenbahn nach Paris zurückkehren, er bestieg jedoch zuletzt in Neapel das Schiff Loubets, um zu vermeiden, daß seine Abwesenheit bei einer etwaigen Zusammenkunft Loubets mit dem Kai­ser falsch gedeutet werde. Auch Herr Combarieu, der Chef des Zeremoniendienstes im Elysee, ließ sich rasch aus Rom feine Galauniform nachsenden. Das Kriegs­schiff, auf dem Loubet fuhr, hatte sogar die Kaffer- standarte an Bord und eine Musikkapelle übte während mehrerer TageHeil dir im Siegerkranz". Aber die Be­gegnung mit dem Kaiser blieb aus. Der Kaiser hatte plötzlich Taormina verlassen und war vorausLefahren.

mehr, den interessierte Herr Müller, der nun wieder zu ihm zurückkehrte, mehr.

Was hatten Sie denn mit diesem Herrn so eilig zu verhandeln?" fragte der junge Mann.

Ich habe ihm gesagt, daß ich seiner nicht mehr be­darf", war die, Volkner ganz unverständliche Antwort, und setzte Herr Müller hinzu,'ich habe ihn darauf auf­merksam gemacht, daß, jer meine Gondel benützen kann, wenn er sogleich- fährt. Später nämlich möchte ich diese, und Zwar für mich- allein haben. Ich denke nämlich nicht so ruhig, wenn ich nicht allein bin."

Volkner schüttelte den Kopf.

Ja, wozu wollten Sie denn den Herrn gebrau­chen?" erkundigte er sich neugierig, aber er wartete keine Antwort ab.

Luise, die kleine Schweizerin, war eilig auf ihn zu­gekommen und sagte, ein bißchen steif und schnippisch:Die Frau Majorin schickt den Ueberrock und diesen Brief und läßt sagen, daß sie in einer halben Stunde selber kom­men wird."

Volkner griff hastig nach dem Brief, dankte dem Mäd­chen zerstreut und wunderte sich trotz seines Abgelenkt­seins über Luisens Erröten und Erschrecken. Beides galt zweifellos Herrn Müller, den das Mädchen anstarrte und dessen gleichgültige Miene doch nur darauf schließen ließ, daß Luise ihm völlignbekannt sei. Nur einen Augen­blick lang beschäftigte Volkner Luisens seltsames Beneh­men, dann las er rasch- das Schreiben.

Gott sei Dank!"

Mit diesen Worten ließ er die Hände mit dem Pa­piere sinken, und es war, als ob eine Riesenlast von seinem schlanken Körper genommen sei. Er richtete sich auf und dehnte sich und sah, ein richtiger Sanguiniker, plötzlich um vieles besser aus.

Ihnen ist Gutes widerfahren", sagte Müller lä­chelnd.

Wahrhaftig, Gutes!" antwortete frei aufatmend Volkner.Jfch kann von jetzt an wieder, wie ein anderer Mensch leben, nicht jeden Augenblick fürchtend, daß -

, ,Nun daß?"

Der junge Mann schüttelte den Kops. '

Der Falt Schrörs.

Der akademische Senat der Universität Köln beschloß in seiner letzten Sitzung einen scharfen Protest gegen die Kundgebung des Kardinals Fischer ge- genüberhem Professor Schrörs an das Kul­tusministerium zu richten. Der Beschluß ist ein­stimmig erfolgt. Der Dekan der katholischen Fakultät ent­hielt sich der Abstimmung, gab aber eine Erklärung zu Protokoll. Der Protest des Senats findet in dem Vor­gehen des Kardinals Fischer, als einer außerhalb 'des- Senats stehenden Behörde, einen Eingriff in die innere Organisation und in den Lehrbetrieb der Universität. Der Minister wird gebeten, sich gegen solche Eingriffe zu ver­wahren. Außer dem Kürator der Universität hat sich Pro­fessor Schrörs zum Kultusminister begeben.

* * *

Die Heimkehr' Dernburgs.

Nach einem Telegramm des Berl. Tagbl. aus Neapel ist Staatssekretär Dern urg am Mittwoch dort eingetroffen. lieber -die Ergebnisse der Reise äußerte Dern- furg unverhohlene Befriedigung. Ostafrika mit seinen 10 Millionen arbeitsamen Menschen und seinem Boden von höchster Fruchtbarkeit sei für Deutschland- ein überaus wert­voller erfreulicher Zuwachs. Nur dürfe nicht zuviel hi nein re giert werden; es genüge, zu organisieren.. Er komme mit keiner großen Gekdforderung zurück, aber mit der Sicherheit einer außerordentlich günstigen Entwick­lung der Kolonie.

* * *

Meuternde Soldaten in Wladiwostok.

Wie es mit der Disziplin in der russischen Marine be­stellt ist, zeigt wieder ein neuer Vorfall. Tie Besatzung des TorpedobootszerstörersSkory" hat, aufgereizt von Agitatoren, unter diesen eine Jüdin, die auf einem Schiffe angekommen waren, gemeutert und eine rote Fahne gehißt. DerSkory" lief auf die Reede aus, und eröff - nete das Feuer gegen die Stadt ^ind die Truppen. Durch das Feuer des Kanonenbootes Mandschu" und der TsrpedobootszerstörerGrosowoy" S-mjely" undS-erdity", sowie durch- das Eingreifen des alarmierten 12 .Schützenregiments wurde derSkoary" zerschossen. Die auf ihm befindlichen Agitatoren wur­den während des Feuers getötet. Die übrigen Meuterer wurden verhaftet. Ge-tötet wurde der Kommandant des TorpedobootesBrawy", Kapitän Kürosch, sowie der Kommandant des TorpedobootszerstörersSkory", Leut-

Ah" murmelte er,ich kann darüber nicht re­den" und hastig fuhr er fort:auch zu meiner Schwe­ster nicht. Sie werden ihr also natürlich keine Andeut­ung über die Wirkung dieses Briefes machen. Ich kann mich doch auf Sie verlassen, Herr Müller?"

Bislang hat man sich immer noch auf mich ver­lassen können", antwortete der Detektiv egientümlich lä­chelnd,und überdies reise ich morgen früh ab. Sie brau­chen also meinerseits keine Indiskretion zu fürchten, schon deshalb nicht, weil ich den Kopf voll habe von meiner eigenen Angelegenheit und somit für die Angelegenheiten anderer Menschen eigentlich gar kein Interesse habe. Aber, ehe Ihre Frau Schwester kommt, muß ich Sie bitten, mir einige Fragen zu beantworten'"

Ich soll Ihnen Fragen beantworten?"

Ja. Für mich sehr wichtige Fragen."

Ei? Aber Sie beantworten meine Frage nicht."

Welche dann?"

Sie ist natürlich- ganz unwichtig."

Das kann man nie wissen. Mir fällt jcht ein, ehe Luise kam, fragten Sie mich, wozu ich den Herrn, mit wel­chem ich vorhin gesprochen habe, gebrauchen wollte. Mei­nen Sie diese Frage?"

Ja, diese meine ich. Aber, sagen Sie vorher. Wie­so wissen Sie, daß das Mädchen Luise heißt? Kennen Sie sie denn?"

Ein bißchen", lächelte Müllerund nun Ihre an­dere Frage."

Müller f chenkte langsam Wein in sein Glas, leerte cs, stellte es wieder hm und sagte dann:Ich habe diesen Herrn zur Begleitung bekommen, damit er, falls dies notwendig werden rollte, eine Verhaftung vornehme."

Daraufhin war es zwischen den beiden eine kleine Weile still. Volkner war jetzt bleich, recht bleich, aber er hatte -die Selbstbeherrschung nicht verloren.Und Sie haben den Herrn, der also ein Geheimpolizist ist, wieder fortgeschickt. Es ist also kein Grund vorhanden, hier ir­gend jemanden, zum Beispiel jemanden, dem Sie diesen Nachmittag widmeten, zu verhaften?" Sehr ernst, sehr- ruhig, aber mit belegter Stimme hatte der junge Mann gesprochen.

(Fortsetzung folgt).

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