Fortsetzung des Berichts über die Versammlung des Volksoereins am Sonntag.

Während Herr Schweickhardt als Abgeorndneter des Bezirks besonderes Interesse daran hatte, sich seinen Wählern auch nach der Wahl zur Verfügung zu stellen, halte der Verein den Proporzabgeordneten Herrn Löchner durch Vermittlung des Parteisekretariats für den Tag ge­wonnen. Wir lernten in ihm einen gewandten Redner kennen, der in formvollendeter, humorvoller Weise uns das näher brachte, was aus den einzelnen Zeitungsberichten oft schwer zu entnehmen war.

Er führte aus, daß die erste Tagung der reinen Volks­kammer gezeigt habe, daß diese nach Entfernung der Privi­legierten nicht weniger leistungsfähig geworden sei. Im Gegenteil denn gerade jene Privilegierten hätten die Notwendigkeit der verlangten Reformen jedenfalls nie so am eigenen Leibe verspürt, wie die nun vom Volk gewählten Abgeordneten. Die Arbeiten der Kammer waren vielseitig und sehr schwierig. Es sei nur an die ungeheuren Schwierig­keiten erinnert, welche die Reform des Beamtengesetzes machte, die den vielen niederen und mittleren Beamten zwar nur be­scheidene Aufbesserungen, aber doch auch viele Vorteile und Verbesserungen gebracht hat. Wohl waren alle Parteien hier einig, doch ist vor allem die Arbeit der Volkspartei und speziell des Abgeordneten Liesching dabei anzu- erkennen. Nachdem die Beratung des Etats durch die An­tragsfreudigkeit des Zentrums und einzelner Abgeordneten so sehr in die Länge gezogen morden war, galt es noch, sich über den Bahnhosumbäu in Stuttgart zu entschließen, dessen Dringlichkeit von allen anerkannt wurde Erscheint auch der dafür bewilligte Betrag von IOO Millionen dem Volk als sehr hoch, so muß doch in Betracht gezogen werden, daß sich die Bauzeit auf etwa 12 Jahre erstreckt und, daß die Kosten für die nötigen Ergänzungsbauten ohne gründ­lichen Umbau im Lauf dieser Zeit mindestens dieselbe Höhe erreicht hätten. So wie der Verkehr in der Tat ist und werden wird, kann er ohne Neuanlagen überhaupt nicht länger bewältigt werden.

Bei der Beratung des Postetats erreichte die Volkspartei, daß die beabsichtigte Verteuerung des Briefportos im Orts­und Nachbarorts-Verkehrs wenigstens vorläufig noch hinaus­geschoben wurde. Beim Eisenbahnetat war es leider nicht

möglich, die so beliebte Landeskarte zu halten, dagegen hat ' die neueingeführte 4 Klasse sich eine solche Beliebtheit er- i rnngen, daß der Verkehr in den höheren Klassen ganz be- ! deutend nachgelassen hat und die Regierung zugeben muß, daß sie sich in ihren Berechnungen darüber getäuscht hat. Der Redner kritisierte sodann die Art und Weise wie durch den Bauernbund gegen den geplanten Neckarschiffahrts- Kanal Stimmung gemacht wurde. Abgesehen davon, daß die Kosten mit 100 Millionen angegeben wurden, während der Entwurf der Regierung nur etwa 30 Millionen ver­langt, wurde den Bauern z. B. gesagt, daß die großen Ozeandampfer dann bis Stuttgart herauffahren könnten nud, daß sie dann für ihre Produkte keinen Absatz mehr und so­mit nur Schaden hätten. Solche Vorspiegelungen sind ein­fach ungeheuerlich und umso unverantwortlicher wenn man bedenkt, daß von der Erleichterung des Frachtverkehrs das ganze Land d. h auch die Bauern nur Nutzen haben können.

Als noch zu erreichende Verbesserungen führte der Redner an: die Erlangung von Diäten für die Schöffen, die Hinausschiebung der Strafmündigkeit, die Verstaatlichung der Mobiliarversicherung, die Reform der Wegeordnung der Bauordnung, Erbauung von Nebenbahnen und die Er­richtung von Beamten- und Nnterbeamten-Ausschüssen, sowie von Landwirtschafts- und Arbeiterkammern. Die letzt­genannten Einrichtungen bezeichnete er als geradezu dringend notwendig, nachdem der Ministerpräsident durch seinen Maul­korberlaß den Angestellten das Recht zu gemeinsamen Be­schwerden genommen habe und da ein UnterbeanOer oder ein Arbeiter bei der Vorbringung einer Beschwerde den höheren, zumeist akademisch gebildeten Vorgesetzten gegen­über fast stets den kürzeren ziehe.

Besonders gründlich sprach sich der Redner über die Not­wendigkeit einer Reform der Schulgesetzgebung aus. Das erste was gefordert werden müsse, seien die Simultanschulen. Außerdem sei es doch ganz gewiß nicht zeitgemäß, daß in einzelnen Latein, und Realschulen ein Lehrer oft nur 1015, ja noch weniger, in einem Fall in Biberachhnur 1 Schüler zu unterrichten habe, während in vielen ja den meisten Volksschuiklaffen ein Lehrer 50100 ja sogar bis zu 135 Schüler in der Klasse sitzen habe. Diese Bevorzugung der höheren Schulen, die den Staat so viel kosten gegenüber den Volksschulen, die doch gewiß mindestens ebensoviel be­gabte Köpfe ins Leben hinaus schicken, müsse aufhören.

Die kleineren Real- und Lateinschulen sollten zusammen­gefaßt werden in Kreisschulen wie in der Schweiz und den Volksschülern solle nicht durch das Verlangen des Einjährigen der Weg nach so vielen Zielen abgeschnitten werden. Wenn selbst der katholische Vizepräsident der Kammer es für besser hält, sein Kind in eine gemischte Schule zu schicken, so müsse man auch den Eltern auf dem Lande die Gelegenheit ver­schaffen, ihre Kinder in die Schulen zu schicken, die sie für die besseren halten. Die Abschaffung der geistlichen Orts­schulaufsicht bezeichnet der Redner als dringende Notwendig, keit. Die Volkspartei hat auch im neuen Landtag die Führ­ung behalten. Während in den Wahlkämpfen so vielfach durch Streitereien zwischen Volkspartei und Deutschen Partei gesündigt worden war, habe man nachher den Fehler ein­gesehen und ihn bei der Reichstagswahl zum Teil wieder gut gemacht Im Landtag hat die Volkspartei wiederum das Präsidium und werde auch künftig vorangehen wenn es gilt, dem Volke nützliche Verbesserungen einzuführen. Die Hauptsache sei eine Einigkeit unter den liberalen Parteien auf politischem wie auf wirtschaftlichem Gebiet, dann werde man die gesteckten Ziele .auch erreichen.

Was der Redner hier unter großem Beifall und be­sonderer, persönlicher Einverständniserklärung seitens des Vorstandes der Deutschen Partei ausführte, gilt nicht nur im großen, sondern auch im kleinen.

Herr Schwizgäbele, der Schriftführer des Volks­vereins dankte in bewegten Worten den beiden Rednern für ihre vollendete und wohlgelungene Vorträge. Die Ver­sammlung wurde nach 2'/2 ständiger Dauer geschlossen.

Der schöne Verlauf der Versammlung hat gezeigt, daß die Interessen und die Bestrebungen der verschiedenen libe­ralen Parteien und der einzelnen Vereine so ziemlich die gleichen sind, er ließ auch die Hoffnung erwachen, daß in unserer Stadt und im Bezirk das Interesse für Politik immer mehr aufleben, die Gegensätze immer mehr gemildert und die Parteien durch ein starkes Zusammenwirken mehr als bisher für das Wohl des Ganzen arbeitend eintreten werden.

Druck und Verlag der Beruh. Hvfmannschen Buchdruckerei in Wildbad. Verantw. Redakteur E. Reinhardt, daselbst.

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Am nächsten Sonntag den 3. November 1SV7, nachmittags L Uhr findet eine

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bei Kamerad Weber zurSonne" statt mit folgender

Tages-Ordnung:

1. Beratung und Beschlußfassung der neu entworfenen Satzungen -es Vereins.

2. Verschiedenes.

Bei der Wichtigkeit der Tagesordnung, darf vorausgesetzt werden, daß die Kameraden vollzählig erscheinen.

Wildbad, den 29. Oktober 1907.

Der Borstand.

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Am Donnerstag den 3t. Oktober, nachm. V-2 Nhr

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Der Inhalt der seit 1. August d. Js. erschienenen Regierungs­blätter, soweit er von größerer Wichtigkeit ist, wird nachstehend bekannt gemacht.

Es enthält

das Wegiorungsbkatt:

Nr. 24. Gesetz, betreffend die Entschädigungen, Taggelder und Reisekosten der Ständemitglieder.

Nr. 25. Verfügung des Ministeriums des Innern, betreffend den Verkehr mit Geheimmitteln und ähnlichen Arzneimitteln.

Nr. 26. Verfügung des Ministeriums des Innern, betreffend die Beförderung von Leichen.

Nr. 28. Gesetz, betreffend Aenderungen einiger Schulgesetze. Bekanntmachung des Ministeriums des Kirchen- und Schulwesens, betreffend den Text des Volksschullehrergesetzes, des Gesetzes vom 31. Juli 1899, betreffend die Einkommensverhältnisse der Volksschullehrer und sowie der die höheren Mädchenschulen betreffenden Gesetze vom 30. Dez. 1877 und vom 3. August 1899.

Nr. 29 Verfügung des Ministeriums des Innern, des Kirchen- und Schulwesens und der Finanzen, betreffend die monatliche Voraus­zahlung des Gehalts der ständigen Volksschullehrer und -Lehrerinnen.

Nr 30. Königliche Verordnung, betreffend Abänderung der Königlichen Verordnung vom 11. Oktober 1898 über die Organisation des Landjägerkorps und die Rechtsverhältnisse seiner Angehörigen.

Die Regierungsblätter liegen zu jedermanns Einsicht auf dem Rathaus auf.

Wildbad, den 29. Oktober 1907.

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