Aus Württemberg.

Dieost»a»rich/eu. Versetzt: den Bahnmeister Collmer m Niederstetten in den Ruhestand.

Neberlragen: die erledigte Stelle eines Staatsstraßen- meistcrs mit dem Wohnsitz in Geislingen a. St. dem Straßen­meister Kim mich in Ehingen seinem Ansuchen gemäß.

Geistliche Ortsschulaufstcht. Bon den 48 Diö- zesanvereinen Württembergs haben minmehr 46 zur Frage der geistliä)en Ortsschnlaufsicht, bezw. zu dem bekannten- singer Beschluß Stellung genommen. Bon diesen 46 Diö- zesanvereinen erklärten sich 36, gemäß dem Eßlingen Be­schluß für A schaffung der geistlichen Ortsschnl- Lllfsi cht, drei weitere-Vereine haben mit teilweisen Vor­behalten diesem Beschluß zugestimmt. Für Beibehaltung her geistlichen Ortsschulaufsicht haben sich 3 Diözesan- vereine, nämlich Hall, Ulm und Urach, erklärt. Eine Stel­lungnahme zu Dieser Frage haben im gegenwärtigen Au­genblick abgelehnt 2 Vereine darunter Ludwigsburg. Der Eßlinger Beschluß hat sonnt die Zustimmung der über­wiegenden Mehrheit der Diözesanvereine in Württemberg gesunden. _

Stuttgart, 18. Okt. Wie bereits angekündigt, hat hie Untersnchungskommission ihre Prüfung des Banun- gliicks am Platze der allgenreinen Legionskaserne gestern abend minmehr beendet. Die Ergebnisse waren derart, daß eine Voruntersuchung gegen den mit der Bau­ausführung betrauten Architekten wogen fahrlässiger Tötung Eröffnet wurde. Ter Wbruch der stehen ge­bliebenen Teile und die Aufräumung der Trümmer kann erst beginnen, wenn die nötigen Schutzmaßregeln getrof­fen sind. Von der Unglücksstätte sind zahlreiche photo­graphische Aufnahmen!.' gemacht worden, die zur Auffind­ung der beim Ban gemachten Fehler geeignet erscheinen.

Ludwigsburg/' 18. Okt. Gegen den bekannten Mi- uisterialerlaß, der die Vornahme der Gemeinderatswahl erst gegen Ende Dezember als angezeigt bezeichnet, mit Rücksicht auf die am 1. Dezember erfolgende Herabsetzung der Bürgerrechtsgebühr, wandte sich Oberbürgermeister Dr. Hartenstein in einer im Gemeinderat abgegebe­nen Erklärung in der er nachwies, daß bei Berücksich­tigung der einschlägigen, gesetzlichen Bestimmungen die Gemeinderatswahl frühestens am 28. Dezember die Bür- gerausschußwvhl aber erst im Januar stattfinden könnte, so daß es Februar ivürde, bis man ein richtig zusammenge­setztes Kollegium bekäme. Die Verlegung der Wahl hält er aber gesetzlich für überhaupt nicht zulässig unter Hin­weis ans ine Bestimmungen von Art. 12 und 241 der Ge- meindeordnnng, über die man sich nicht hinweg setzen könne. Ebenso wenig kann er sich mit dem Rat des Mi­nisteriums befreunden, die Bürgerrechtsgesnche im Vor-, aus mit Wirkung vom 1. Dezember ab zu erledigen. Man könne nicht in die Wählerliste vor dem 1. Dezember Leute eintragen, die noch gar nicht Bürger feien. Das ganze Verfahren entspreche nicht dem Gesetz. Wenn einer aus­genommen werde, dann sei er eben Bürger und hübe die am Tage der Aufnahme geltende Gebühr zu zahlen. Ein anderes Verfahren sei im Gesetz vom 16. Juni 1885, das des Mindestbetrag der Aufnahmegebühr auf 5 Mk. be­stimme, nicht vorgesehen. Der Gesetzgeber hätte eben event. den Art. 253 der Gemeindoordnung früher in Kraft treten lassen sollen. Außer Betracht bleibe hiebei für den Ober­bürgermeister die Rücksicht darauf, ob durch seinen Vor­schlag Wähler einer bestimmten Partei von der nächsten Wahl ausgeschlossen werden. Der Gemeinderat, der am 18. September schon ein Gesuch von sozialdemokratischer Seite um Hinausschiebung der Wahl abgelehnt hatte, trat dem Antrag des Oberbürgermeisters, es bei diesem Beschluß zu belassen, bei.

Ludwigsburg, 18. Okt. Wie der Schw. M. hört, hat die Heilanstalt Winnental über den früheren Jrren- anstaltsbesitzer Hermann Kraus in Ludwigsburg, der au: 8. Sept. den Anlageportier Tambach dortselbst ab­sichtlich erschossen hat, ihr Gutachten dahin abgegeben, daß Kraus zurzeit der Tat sich in einem Zustand krank­hafter Störung der Geistestätigkeit befunden habe, durch den seine freie Willensbestimmnng ausgeschlossen war. Auf Grund dieses Gutachtens dürfte Kraus außer Verfolg­ung gesetzt, jedoch als gemeingefährlicher Geisteskranker dauernd in eine Irrenanstalt eingewiesen werden-

Freitag abend 81/2 Uhr ist im Dachstock des Gebäudes der Vereinigten Trikotfabriken in Untertürkheim ein Brand ausgebrochen. Das Feuer, das eine größere Aus­dehnung annahm, wurde durch die Freiwillige Feuerwehr Untertürkheim gelöscht. Der Materialschaden ist ein er­heblicher.

In Hegensberg OA. Eßlingen brannte das gcknze AnwLsen des Bauern Wilhelm Leech mit sämtlichen Fnt- tervorräten nieder. j

In Heimbach OA. Hall ist die mit reichen Futter- ^ Vorräten gefüllte Scheuer des Bauern Stiebei uiederge- : bräunt. , . > Z

In der Nacht auf den Freitag stießen auf dem Bahn- s Hofe in Ulm zwei Rangierzüge zusammen, wodurch 2 Wa- ; gen zertrümmert wurden. Ein Ankuppler trug schwere j Verletzungen davon. Die übrigen Bediensteten konnten sich durch Abspringen noch rechtzeitig in Sicherheit bringen. !

Wie wir kurz mitteilten, ist die in Frauenfeld inhaftierte Haushälterin Jofefine Zapf von Tettnang, die dort als Mitschuldige des Mörders von Güttingen dm Bodensee in Untersuchungshaft steht, auch in eine Straf­untersuchung wegen schweren Diebstahls in Zürich verwik- , kelt. Die Zapf stand diesen Sommer bei einer Arzt-Fa­milie aus Aegypten, die in Zürich Sommeraufenthalt z nahm, im Dienste. Die Aegypterfamilie vermißte Leim? Weggang ihrer Dienerin drei wertvolle Ringe, eine kost- > bare goldene Uhr und ein schwergoldenes Kettenarmband. Bei einer Hausduchifuchung in der Villa der Angeklagten » Maier in Thielle wurde einer der abhanden gekommenen Ringe, eine Schlange darstellend, die im offenen Rachen Line große Perle trägt, sowie kleinere Schmucksachen auf- gefnnden. Zwei Ringe, deren goldener Teil ebenfalls Schlangen darstellt, enthalten sogenannte Skarabäen, Kä­fersteine, die alte, ägyptische Ziselierarbeit zeigen, wie ' man sie nur noch als Raritäten in Museen findet. Diese Ringe wurden von der Zapf jedenfalls versetzt. Den in -

Thielle aufgefundenen Ring will die Zapf auf eine Art erhalten haben, die sich als plumpe Lüge erweist.

Gerichtssaal.

Kobltrg, 12. Okt. Die Strafkammer verurteilte die Porzellanarbeiter Schwenk und Köhler zu 14 Tagen Ge­fängnis, weil sie, als wegen Lohnforderung ausgesperrte Arbeiter, arbeitswillige Mädchen von 15 bis 17 Jahren von der Arbeit in der betreffenden Fabrik fernzn- halten versucht hatten. Sie drohten den Mädchen, ih­nen die Beine zusammenzuschlagen und das Dorf, in dem die Arbeitswilligen wohnten, in ^ie Luft zu sprengen. Der Staatsanwalt hatte 6 Wochen Gefängnis beantragt.

Berlin, 19. Okt. ' Morgenblätter melden: in dem Mordprozeß Waldeck wurde der Aussetzer Waldeck, der seine Geliebte auf deren ausdrücklichen Wunsch erschossen hat wegen vorsätzlicher, mit Ueberlegung ausgeführter Töt­ung zu 5 Jahren und 2 Monaten Gefängnis verurteilt. 6 Monate Untersuchungshaft werden abge­rechnet. >>

Ein internationaler Schwindler

stand in der Person des früheren Goldschmiedes, jetzigen Privatgelehrten" Isaak Baumeister aus Schauenstein in Bayern vor der zweiten Strafkammer des Landgerichts I in Berlin, um sich wegen Betruges und Urkundenfälsch­ung zu verantworten. Er wurde beschuldigt, im Septem­ber 1902 in Florenz den Deutschen Hilfsverein um 23 Lire betrogen zu haben; ferner wurde ihm vorgewor­fen, daß er in Florenz eine intellektuelle Urkundenfälsch­ung begangen und in Genua 1902 ein Dokument über seine Anstellung als Hilssschreiber bei dem deutschen Ge­neralkonsul fälschlich angefertigt habe. Schließlich wurde er beschuldigt, in den Jahren 1902 bis 1904 zu Genua Siegelmarken, Formulare zu Reisepässen, Kanzlei- und Muudierpapier dem deutschen Generalkonsulat gestohlen, endlich mehrere Betrügereien gegen den Oesterreichisch- ungarischen Hilfsverein zu München, den Ludwigs-Mis­sionsverein in München, dem königlichen Hofknrator Dr. Geiger in München und das Institut der englischen Fräulein in Nymphenburg begangen zu haben.

Die Lebensgeschichte des B. bildet einen Roman. Sein Vater war Stadtschreiber in Schauenstein, von dem er die Trunksucht geerbt haben soll. Wegen eines in jungen Jahren begangenen Diebstahles wurde er in Zwangser­ziehung gebracht. Von da kam er nach Würzburg zu einem Goldschmied in die Lehre, ging aber nach etwa zwei Jahren durch und fand in verschiedenen Städten: Bayerns Stellung, bis er im Jahre 1902 in Kempten wegen Betruges verurteilt wurde. Am 5. August 1902 entsprang er jedoch aus dem Gefängnis in Kempten und verschwand aus -Deutschland. Dann ließ er sich in Graz auf der Universität immatrikulieren und studierte fleißig. Dadurch eignete »er sich große Sprachkenntnisse und eine außerordentliche Schriftgewandheit an. Er beherrscht die deutsche, französische, Italienische, englische, tschechische, die neugriechische, die altgriechische Sprache und das Sans­krit. In Graz beschäftigte er sich viel mit philosophischen und theologischen Fragen und gab unter seinem Namen ein Werk über die Lantgleichheit in den verschiedenen Sprachen heraus. Bon -Graz ging er nach Wien, wo er etwa drei Jahre lebte, dann besuchte er Innsbruck, Lindau, Zürich, Mailand und Rom, wo er in das Kolle­gium Mariannes eintreten und Missionar werden wollte. Im Vatikan will er als Uebersetzer für einen. Geheimsekre­tär beschäftigt gewesen sein und beim Monsignore de! Val gewohnt haben. Seinen Aufenthalt in Rom berechnet er auf nenn Monate. Von dort kam er wieder nach Wien, dann tauchte er als Drck Zdesar in London auf, wo er bei dein Professor der Theologie und Philosophie Wright als Hilfs­arbeiter beschäftigt war. Mit Empfehlung des Profes­sor Wright kam er nach Basel zu dem evangelischen Mis­sionsinspektor Dr. Oeler und wollte Lehrer in der China- Mission werden. Tie Sache scheiterte aber, da angeblich ein größeres Eintrittsgeld gefordert wurde. Er ging dann nach Gebweiler zu einein Herrn Duberry als Hauslehrer, wurde aber nach einiger Zeit wegen Trunksucht entlassen.

Sein Schicksal verschlug ihn dann weiter nach Basel, Bayern, Württemberg Bukarest, wo er in einem Bankin­stitut einige Zeit als Bibliothekar und Archivar tätig war. Schließlich ist er in Lemberg in dein deutschen Studien­heim des Pfarrers Optenhoff tätig gewesen. Am 12. April 1906 wurde er in Lemberg, wo er gleichfalls als Dr. Zdesar auftrat, verhaftet und, nachdem er eine ihm von dem Landgericht Czernvwitz zuerkannte Arreststrafe von zwei Monaten verbüßt hatte, an Deutschland ansge­liefert. .

Der Angeklagte, der jetzt 40 Jahre alt ist, wies da­rauf hin, daß er ans sumpfigem Boden ausgewachsen sei und durch seine Vorstrafen mehrfach gezwungen gewesen sei, sich einen andern Namen beizulegen. Als er aus Basel verschwunden war, fand der Missionsinspektor Oehler in seinem im Missionshause zurückgelassenen Koffer etwa 60 blaue Siegelmarken des deutschen Generalkonsuls in Genua, 13 Postformulare, 15 Bogen Stempelpapier u. a. Diese Gegenstände stammten aus den Beständen des deut­schen Generalkonsulats in Genua. Ferner fand sich ein auf den Namen August Blank tantendes Staatsangehörig­keitszeugnis, das vom deutschen Konsulat in Florenz ausgestellt war, und drei Briefe mit der AdresseHerrn Dr. Phil. Aug. Blank." Ein solcher Blank war vom 10. November 1902 bis zum 22. Januar 1904 beim deutschen Generalkonsulat in Genua als Hilfsschreiber be­schäftigt gewesen und hatte seine Papiere verloren. Die im Koffer Vorgefundenen Formulare hat der angebliche Dr. Zdesar währen- seiner Beschäftigung bei dem Ge­neralkonsulat in Genua entwendet. Der Angeklagte be­stritt entschieden jede Schuld und behauptete, einen Dop­pelgänger in der Person eines Zuhälters zu besitzen. Dieser habe den Koffer mit den entwendeten Papieren nach Basel geschickt. Im Februar 1902 soll er' ferner unter Vyrweisung einer aufDr. med. Christian Castel- lowic" lauteirden Legitimation und eines Doktordiploms vorn Oesterreichischen Hilfsverein in München eine Unter­stützung verlangt und erhalten haben. Am 28. Januar 1902 erschien B- bei dem Domkapitular Georg Brücklin

in München, der Vorsteher des Lndwig-Misfionsvereins in München war, und erhielt eine Reiseunterstützung von 30 Mark, weil er angab, daß er in die Gesellschaft der Salvatorianer des Pater Jordan in Rom eintreten wolle. Auch hier bestritt B. seine Schuld.

Auf Anregung des Gefängnisarztes Medizinalrat Dr. Hoffmann ist Baumeister in der Charitee auf seinen Gei­steszustand beobachtet worden. Nach dem Gutachten des Professors Dr. Köppen ist er zwar ein außergewöhnlich begabter, aber auch ein degenerierter Mensch; er sei erb­lich belastet und tveise manche pathologische Züge auf, falle aber nicht unter den Z 51 des Strafgesetzbuches. Staatsanwalt Muth beantragte darauf zwei Jahre Ge­fängnis. Der Gerichtshof erkannte nach längerer Be­ratung wegen Betrugs in zwei Fällen auf eine Gesamt­strafe von sechs Monaten Gefängnis, die durch die er­littene Untersuchungshaft als verbüßt erachtet wurden. Von -er Anklage der intellektuellen Urkundenfälschung wurde er freigesprochen. Zwei andere Fälle der Anklage sielen der Vertagung anheim, da einige in Süddeutsch­land ansässige Zeugen kommissarisch noch vernommen wer­den sollen.

Kunst und Wissenschaft.

Stuttgart, 18. Okt. Spiel-Plan der K. Würlt. Hoftheater. Sonntag, 20. Okt.: Die Legende der heiligen Elisabeth (8. 1. 7 Uhr). Montag, 21. Okt.: Gastspiel des Oberbayr. Bauerntheaters, D'Bräurosl. (^. 6. 71/2 Uhr.). Dienstag 22. Okt.: Die lustige Witwe (L. 7. 71/2 Uhr. Mittwoch 23. Oktbr. : Fidelio. ( 6 . 7. 71/2 Uhr.) Donnerstag 24. Okt.: Gastspiel des Oberbayr. Bauern­theaters, Der G'wissenswurm. (L. 8. 71/2 Uhr.). Freitag 25. Okt.: Zar und Zimmermann (sO 7. 71/2 Uhr.) Sams­tag, 26. Okt.: Zum ersten Male: Rosen. Bier Einakter! von H. Sudermann. 1 Margot, 2. Lichtbilder, 3. die ferne Prinzessin, 4. der letzte Besuch. 0. 8. 71/2 Uhr.). Sonntag 27. Okt. Zum ersten Male: Aukassin und Niko- tete. Romantisches Liederspiel in sechs Bildern von M. Marschalk. Hierauf Flauto solo. (8. L. 7 Uhr.) Montag 28. Okt.: Ethelwolp (tO 8. 71/2 Uhr.). Spielplan-Entwurs! für die Zeit vom 29. Okt. bis 4. Nov. Dienstag 29. Okt. r Carmen. Mittwoch 30. Okt.: Die weiße Frau auf Ave- nel. Donnerstag 31. Okt.: Rosen. Liederhalle 1. Abon­nementskonzert. (1. 'Symphonieabend.) Freitag, 1. Nov. Aukassin und Nikolete. Pagliacci. Samstag 2. Nov. Der Dieb. Sonntag 3. Nov.: Tannhänser. Montag 4. Nov.: Macbeth. K. Wilhelmatheater. Gastspiel des Oberbayr. Bauerntheaters. Sonntag 20. Okt.: Nachmittags: Brave Lumpen. Abends: D'Welt geht unter (21/2 und 7 Uhr.) Dienstag 22. Okt.: 2. AbonneMentsvorstellnng D'Bräurosl. (71/2 Uhr). Mittwoch 23. Okt.: D'Welt geht unter. (7hh Uhr). Sonntag 27. Okt.:'Husarensieber. (7 Uhr). Spiel- plan-Entwurf für die Zeit vom 29. Okt. 4. Nov. Ein idea­ler Gatte. Sonntag 3. Okt.: Rosen. .

Eine Warnung für Hochzeitsreisende.

DerB. Z. a. M." wird von ihrem! römischen Korre­spondenten geschrieben:

i Die Venetianer, diese Filous, haben es längst hcrans- gefunden, daß die deutschen Hochzeitsreisenden die zärtlich­sten, weltvergessensten sind. Es kommt ihnen komisch vor, so komisch wie die ausknöpfbaren Lodenröcke vieler deut­scher Damen und die Bergstöcke, die viele deutsche Männer noch in der Hand halten, wenn sie San Marcos Bezirk betreten. Und wie ihre Rucksäcke. An all dem, an der Zärtlichkeit, »den Lodenröcken, den Bergstöcken und den Rucksäcken wollen sie nun gar die Deutschen als an un­trüglichen Merkmalen erkennen. Wenn das nicht eine unerhörte Uebertreibnng ist!

Aber doch möchte ich warnen. Ich selbst begegnete einst einem engverschlnngenen Paare auf der Treppe des Palazzo Pitti in Florenz. Sie fuhren schnell auseinan­der, als meine Schritte erklangen, und die kleine Frau sagte aufatmend:Achott! Hab' ich mich erschrocken!" Solche und ähnliche Szenen kann man oft genug beob­achten. Nun gibt es in Italien ein Gesetz, das aus Grün­den der Moral Liebkosungen an öffentlichen Orten streng verbietet. Wahrscheinlich, um bei dem heißblütigen Volke argen Mißbrauch zu verhüten. Sind doch die öffent­lichen Parks deshalb fast überall am Abend geschlossen, die Villa Borghese hier in Rom ist nach Sonnenuntergang zum Beispiel dem Publikum uicht mehr zugänglich, angeb­lich, weil die aufsteigenden Nebel Fieber erzeugen. Iw Wahrheit jedoch sagt einem jeder kichernde Backfisch den Grund:Weil sonst dort zu viel geküßt würde!" Im Kolosseum, besonders wenn Mondschein im Kalender» steht hört man süße Laute in allen «sprachen, die ver­liebten Paare, hiesige und fremde, sitzen im tiefen Schat­ten an moosbewachsenen Mauern, an Säulenstrümpfe ge­lehnt, aus verwitterten Stufen, in unbewußtem Triumph über das harte Gesetz der Vergänglichkeit, das ihre Um­gebung predigt. Vor nicht langer Zeit veranstaltete die Polizei einmal eine Razzia in den Ruinen des! großen Zir­kus. Es war zu so später Stunde, daß die Fremden alle längst in die Hotels zurückgekehrt waren; der Schauplatz, gehörte nur noch den Einheimischen, aber es wurde eine so große Beute gemacht, daß damals der Plan in Erwägung gezogen wurde, ein Gitter um das Riesenbauwerk zu er­richten und auch dieses abends abzuschließen.

Eine Gerichtsverhandlung gegen zwei verliebte Nebel* täter hat neulich vor dem römischen' Tribunal stattge* siinden, zum größten Gaudium der Richter, der zahlrei­chen, gerade unbeschäftigten Advokaten, zur schmerzlichen' Verwunderung für hie beiden Ertappten und, so hoffe ich, zur Wahrung für unvorsichtige Honigmondsüchtige. Der Ort der Tat ist allerdings ein wenig sonderbar ge­wählt und könnte Pharisäern schon sich Grund zu ernsten Kopffchütteln geben. Der Kirchhof von Campo Verano. Ein junger Mann hatte mit seiner verlobten Braut das Grab seiner Mutter besucht und es in kindlicher Liebe mit Blumen geschmückt. Zärtliche Gefühle für die lebendige Geliebte, hie neben ihm kniete, hatten ihn auf dem Um­wege des teuren Gedenkens an die tote Mutter gepackt. So unwiderstehlich gepackt, daß, er sein Mädchen umarmte und küßte. Im Gebüsch aber lauerte ein Kirchhofswäch^