Zweites Blatt.
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mit Lrzcihler vom Achwarzwald.
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Amtsblatt für die Stadt Mldbaö.
Perkündigungsblatt
d« Agil. Ssrstämter Wildbad, Meistern, Lnzklösteri« »c.
mit
amtlicher Fremdenliste.
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Kk 246.
Dienstag, de« 22 Hkioöer
1807
Aus kritischer Zeit.
(Neue Dokumente von 1848).
Als sich in den letzten Februartagen des Jahres 1848 mit Windeseile die Nachricht verbreitete, daß die Franzosen ihren „angestammten" Bürgerkönig Louis Philipp verjagt hatten, ging ein ahnungsvolles Beben durch die Inhaber von Europens Thronen. Hier bebte es mehr, dort weniger. Verhältnismäßig tapfer benahm sich der Schwiegersohn des vertriebenen Königs der Franzosen, Leopold I. von Belgien. Er brachte seine Schätze nach England in Sicherheit und wartete ab; und es.geschah ihm nichts. Besonders heftig dagegen wär die Wirkung der Pariser Nachricht auf das romantische Gemüt Friedrich Wilhelms IV. von Preußen, des Großonkels des jetzigen preußischen Königs Wilhelm II. Neue interessante Dokumente aus jener Zeit der Volkserhebung und des Monarchenschreckens bietet ein großangelcgtes, umfangreiches Werk geschichtlich-politischen Inhalts, das eben auf dem Büchermarkt erschienen ist: „Auszüge aus dem Briefwechsel und den Tagebuchblättern der Königin Viktoria von England".*) Wir drucken aus dem Werke als erstes Dokument den Brief ab, den Friedrich Wilhelm IV. der Königin Viktoria über die Februar- Revolution schrieb, und worin sich der ganze panische Schrecken spiegelt, den der sich zeitweise als Herrgott dünkende damalige König von Preußen über das in Paris niedergegangene reinigende Gewitter empfand.
Der Brief Friedrich Wilhelm IV., der immerhin in besserem Deutsch geschrieben ist, als es seinem Bruder und Nachfolger auf dem preußischen Königsthron, dem späteren Kaiser Wilhelm I. jemals zur Verfügung stand, lautet:
*) Königin BikioriaS Briefwechsel und TagkbuchMtier. Auf Veranlassung S. M. des Königs Eduard berauSgeßebeu mit Einlei- lung, geschichtlichen Ueberblictc« und Anmerkungen von A. C. Benson und Lord Tshcr. Autorisierte lieber setzvng vom kaiserlichen Kontrc- admiral Rlüddewann. Zwei Bände mit zwölf Portrait? und Slamm- daum'aseln. Verlag von Karl Stegikmuud, königlich sächsischer Hofbuchhändler in Berlin. Preis broschiert 24 M., in Leinen gebunden 2S M.
Die blaue Dame.
Krimiuai-N»««n v»» Auguste Elrtuer.
St) (R»chdr««k »erbst««.)
(Fortsetzung)
„Marr sagte mir, daß der Retter meines Kindes wie ein — ein —"
Sie kam mit ihrem Gemurmel nicht weiter, da vollendete Ossip herb lächelnd, „ein armer Teufel aussah", sagte er, und noch während er redete, wurde sein Lächeln Humoristisch. Mun gnädige Frau, die Leute, die Ihnen dies sagten, hätten ganz recht. Ich sehe nicht nur arm aus, ich bin es auch, wie sehr arm, das weiß freilich nur einer, aber so erbärmlich armselig bin ich denn doch nicht, daß ich mir diese Tat bezahlen ließe."
Wieder wurde die Dame rot, und wieder stammelte sie eine Entschuldigung, und Jewljeff nickte ihr zu: „Schon gut, ich kann es mir ja denken, daß Sie mir nicht weh - tun krollten. Aber, jetzt eine Frage, gnädige Frau! Sie ! haben doch das gewissenlose Dienstmädchen, das auf Ihr Kind so wenig geachtet hat, davongejagt?"
Zum drittenmal stieg jetzt das Blut in das Gesicht, der Dame, nird wieder stammelte sie ein paar Worte, die doch so viel Wahrheit enthielten, daß man ans ihnen entnehmen konnte, wie eigentlich sie selber die Schuld träfe.
Da verneigte sich Ossip leicht und sagte: „Ah! Dies ist etwas anderes. Sie selber können sich natürlich Vicht."
„Davonjagen, wollen Sie sägen, Herr — Herr Jewljeff", brauste die Dame, sich rasch von ihrem Sitze erhebend, aus, üm dann doch gleich wieder sanft und verlegen zu werden, denn der junge Mann, der ihretwegen verwundet da vor ihr saß, bannte sie abermals mit seinem seltsam ruhigen Blick, und dabei sagte er: „Regen Sie sich doch nicht auf, gnädige Frau. Sie müssen doch zugeben, daß Sie eine Mägd des gleichen Falles wegen sofort entfernt hätten, und die wäre zu dem Kinde doch eine Fremde gewesen, und Sie sind die Mütter."
Jetzt schluchzte die Dame laut aus und sagte leidenschaftlich bewegt: „Recht haben Sie, gänz recht. Aber weil Sie mir so Hartes sagten, müssen Sie mir jetzt erlauben, etwas für Sie zu tun."
Berlin, 27. Februar 1848.
„Gnädigste Cousine und Schwester!
Noch zu dieser mitternächtigen Stunde, an dem Abend, an welchem die verhängnisvollen Nachrichten aus Paris eingetroffen sind/wage ich, diese Zeilen an Euer Majestät zu richten. Gott hat Ereignisse zugelassen, die entschieden den Frieden Europas bedrohen.
Es ist ein Versuch, „die Grundsätze der Revolution mit allen Mitteln durch ganz Europa zu verbreiten". Die Folgen für den Weltfrieden sind klar und gewiß. Wenn die revolutionäre Partei ihr Programm durchführt, „die Souveränität des Volkes", wird meine verhältnismäßig kleine Krone zerbrochen werden, ebenso aber auch die mächtigen Kronen Euer Majestät, und eine furchtbare Geißel wird den Völkern auferlegt werden; ein Jahrhundert des Aufruhrs, der Gesetzlosigkeit und Gottlosigkeit wird folgen. Der verstorbene König wagte nicht zu schreiben „von Gottes Gnaden". Wir indessen nennen uns „König von Gottes Gnaden", weil es wahr ist. Wohlan, gnädigste Königin, lassen Sie uns jetzt den Menschen, den mit Zerreißung und namenlosem " 'Elend bedrohten Völkern zeigen, daß wir unsere heilige Pflicht kennen und Ine wir sie verstehen. Gott hat in Eure Majestät Hände, in die Hände der beiden Kaiser, in die des deutschen Bundes und in die meinigen eine Macht gelegt, die, falls sie jetzt in Einigkeit und Harmonie geübt wird, wenn der Himmel will, imstande "ist, mit Gewißheit das Weiterbestehen des Weltfriedens zu erzwingen. 'Diese Macht ist nicht die der Waffen, denn diese müssen kroch mehr denn je der ifttima ratio bleiben.
Die Macht, die ich meine, ist „die Macht des gesprochenen Wortes". Im Jahre 1830 wurde die unermeßliche Macht sträflich vernachlässigt, aber jetzt die Gefahr dringender als jemals. Diese Macht ist unter uns nach Verhältnis verteilt. Ich besitze davon "den kleinsten und Euer Majestät den bei weitem größten Teil. Dieser Teil ist so groß, daß Euer Majestät allein, bei Ihrem mächtigen Wort, die Aufgabe aus- sühren könnten. Tiber die Sicherheit des Erfolges liegt,
Jewljeff mußte Mer diesen merkwürdigen Schluß lächeln.
„Geben Sie das Kuvert her", sagte er. „Ich bin ja wirklich ein gänz armer Mensch. Es ist doch hoffentlich Geld drinnen?"
„Gewiß. Natürlich."
Die Dame reichte ihm das Kuvert hin. Er nahm es und langte in seinen Rocksack. Er brachte einen Bleistift zum Vorscheine. Damit schrieb er ein paar Warte ans das Kuvert.
„So. Sehen Sie. Ich komme nur selten dazu, jemanden etwas geben zu können. Heute ist eine solch seltene Gelegenheit und die darf ich ja eigentlich gar nicht von mir weisen. Seien Sie nun noch so gut, gnädige Frau, und besorgen Sie das weitere. Mein Knie ist wirklich der Schonung bedürftig, und ich erspare mir gerne das Ausgehen."
Er gab das Kuvert zurück. Die Dame nahm es.
Sie drückte ihm dabei die Hand.
„Wollen Sie nicht wenigstens vorher schauen, was Sie da wegschenken? "fragte sie schüchtern und er darauf: „Meinetwegen? Nein, ich bin nicht neugierig. Und Ihretwegen? Ah! Sie werden ja nichts unterschlagen! Und — natürlich wird mein Name nicht genannt."
Noch immer hielt die Dame seine Hand, jetzt ließ sie sie los.
„Nein, ich werde gewiß nichts Unterschlagen", lächelte sie, nickte ihm zw, und ging.
Auf der Schwelle wandte sie sich zurück und schaute ihn noch einmal aufmerksam an.
„Ich werde Sie nie vergessen, Herr Ossip Jewljeff", sagte sie, dann schloß sie die Tür.
Am anderen Tage gab ein livrierter Diener für Herrn Jewljeff eine Zeitung im grauen Hanse ab.
Ossip durchblätterte sie. Eine Stelle darin war mit Rotstift angestrichen.
Die so bezeichnete Notiz war von der Redaktion hi- neingegdben. Sie lautete: Gestern abend kamen durch uns dem Vereine für Unterstützung entlassener Sträflinge zwei Spenden zu. 500 Kronen wurden uns unter den Buchstaben O. I. und eine ebenso große Summe unter dem Motto: „Für eine scharfe Lehre" zu gedachtem Zwecke
abgesehen vom göttlichen Segen, lediglich in der Kundgebung, daß wir einig sind. Es muß unsere Botschaft näch Frankreich sein: „Wünschen wir Frankreich von Herzen alles Gute; wir mißgönnen ihm nicht sein mögliches Mdeihen und seinen Ruhm, wir beabsichtigen nicht, es jemals darin zu beeinträchtigen, und wir werden der neuen 'Regierung zur Seite stehen wie der alten, fois de gentis-hommes. Aber der erste Friedensbruch, geschehe er mit Italien, Belgien oder Deutschland, würde mit Sicherheit und zu derselben Zeit ein Bruch mit uns allen sein, und wir würden mit all der Macht, die uns Gott verliehen hat, Frankreich zur See und zu Lande fühlen lassen, wie in den Jahren 13, 14, 15, was unsere Einigkeit bedeutet.
Daß ich Euer Majestät und Old Englands getreuesten nrd ergebenster Bruder und Gefährte bin wissen Sie, und ich gedenke es zu beweisen. Kniefällig beschwöre ich Sie, setzen Sie ein, zum Wohle Europas, „Engellands England".
Mit diesen Worten falle ich Euer Majestät der'huldreichsten Königin zu Fü ßen und verbleibe Euer Majestät getrenlichst ergebener und zugetawer Diener nn8 Bruder
Friedrich Wilhelm."
*
Nachschrift, den 28., abend s.
„Ich erlaube mir, den Brief wieder zu öffnen, denn der heutige Tag hat uns Neuigkeiten ans Frankreich gebracht, die man nur als schreckhaft bezeichnen kann. Nach dem, was wir hören, gibt es keinen König mehr in Frankreich. Eine Regentschaft, eine Regierung und die vollständigste Anarchie ist üntep dem Namen der Republik eingesetzt — eine Sachlage, bei der es zunächst keine Möglichkeit gibt, sich mit dem vor Verbrechen rasenden Volke in Verbindung zu setzen. Sollte sich eine richtige Regierung ans diesem Chaos entwickeln, so bin ich gewissenhaft der Meinung, daß das „einmütige Wort" der Großmächte, wie ich es in den vorhergehenden Seiten gekennzeichnet habe, den neuen Machthabern ohne jede Einschränkung bekannt gemacht werden sollte.
überantwortet. Wir haben die großmütigen Spenden der bewußten Vereinsleitung bereits Angeführt."
Ossip legte das Blatt mit einem Lächeln der Befriedigung weg, dann glättete er ein anderes Stück Zeitungspapier, das er gerade vorhin der Tasche seines Rockes entnommen hatte.
„Daß ich so ganz darauf vergessen konnte!" sagte er dabei zu sich selber und dann: „Nun, ich habe eben noch viel zu lernen."
Das Stück Zeitung, das er jetzt vor sich liegen hatte, ist der äußerste Bogen des „Linzer Tagblattes" vom 2. Juni.
„Eine Linzer Zeitung ist es", überlegt Ossip. „Hat diese Toni, von der man nicht weiß, wohin sie abgereist ist, Interesse für Linz gehabt? Hat sie sich deshalb diese Zeitungsnummer gekauft. Oder ist das Blatt, vdep dieser Teil des Blattes nur zufällig in ihren Besitz gelangt ?"
All dies fragt sich Ossip, aber er hat natürlich keine Antwort darauf.
Lange sitzt er so und sinnt und sinnt.
Dann schaut er aus.
Wieder ist die Deisler von einem Ausgang nach Hause gekommen und wieder bringt sie, das sieht Jewljeff ihr an, eine Neuigkeit mit.
„Nun? Was gibt es denn diesmal?" fragt er, immerhin angeregt von ihrem erhitzten Aussehen. „Ich habe soeben intensiv an Ihren Liebling, die Toni gedacht. Haben Sie vielleicht inzwischen eruiert, daß sie heilig gesprochen worden ist?"
„Spotten Sie nur, Herr Ossip", sagt die alte Frau gut gelaunt, „spotten Sie nur, das ist immerhin ein Zeichen, daß es Ihnen nicht schlecht geht. Nein, nein, von der Toni habe ich weiter nichts gehört, aber jetzt weiß ich, wer die Dame ist, die gestern hier war. Die Zeitungen haben ja nur die Anfangsbuchstaben von ihrem Namen bringen dürfen, wie sie von dem Unglück berichtet haben. Wenn ein armes Weib ihr Kind hätte ins Wasser fallen lassen, hätten die Zeitungen natürlich den ganzen Namen gusgedrnckt, aber bei so seinen Leuten muß mau selbstverständlich delikat sein. Aber der Zufall bringt halt manchesmal doch etwas an den Tag." (Forts, folgt.)