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Amtsblatt für die Stadt Wildbad.

Oerkündigungsdlatt

d« Agl. ^srsiämter Vildbad, Meistern, Lnzklösterie rc. mit

amtlicher Hremdenliste.

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Montan, den 23 September

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Parteitag der sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

Essen, 17. Scpt.

Heute wird zunächst der parlamentarische Bericht er­stattet. Referent Südekum kommt auf die Block­politik zu sprechen: sie ist nicht der Ausfluß einer ele­mentaren politischen Strömung, sondern nur eine Ver­sicherungseinrichtung für den Fürsten Bülow, der sich um jeden Preis halten will. Der Block ist einer Augenblicks­eingebung entsprungen, der im Anfang ein gewisser Er­folg nicht versagt blieb. Aber von Dauer wird das nicht fein. Es fragt sich aber nun, ob diese Aenderung auch eine Aenderung ihrer Taktik erfordert. Darauf gibt es nur einNein". Unsere Aufgaben sind Propaganda des Sozialismus und praktische Arbeit. Diese Aufga­ben können wir auch weiter erfüllen und wir werden un­sere Funktionen als Kulturpartei umso intensiver ausüben können, ie mehr sich die anderen Parteien von der Re­gierung einsangen lassen. Der einzige Punkt, in dem die Fraktion (hier und da kritisiert wurde, ist unser An­trag auf Erhöhung der Soldatenlöhne. Darin erblicken manche eine Förderung des Militarismus. Da­von kann aber doch keine Rede sein. Es ist die wirt­schaftliche Notlage der Soldaten, die uns ver­komplizierter. Ich glaube nicht, daß der Block in seiner jetzigen Form bleiben wird. Dazu sind die Gegensätze in ihm doch zu groß. Die Gegensätze zwischen Indu­striellen und Agrariern und anderes, das läßt sich nicht durch Redensarten aus der Welt schassen. Der Block wird daher zerfallen und das vielleicht bald. Tann wird aber nicht ohne weiteres die alte Situation wieder her­gestellt sein. Es wird nicht wieder die alte Mehrheit und Minderheit geben. Insbesondere wird der Linkslibera- lismus nicht wieder die alte Stellung einnehmen. Ein französisches Sprichwort sagt: tzui munZs äu puxs 6v iveurt. Das heißt auf deutsch:Wer mit Bülow inNorderney diniert, wird nicht mehr, was er war." Die Sozialdemokratie wird künftig die einzige Oppositionspartei sein und ist sich dieser Aufgabe bewußt.

In der Diskussion verteidigt Genosse Noske seine Reichstagsreöc Zum Militärerat, die vielen Parteigenossen zu wenig prinzipienfest erschien und zu einem Antrag Sie Veranlassung gegeben hat, daß künftig nur Prinzipien-' feste Genossen zum Militäretat sprechen sollen. Im Grunde genommen hatte Noske damals in demselben Sinne

gesprochen wie Bebel, der, wie erinnerlich, sagte, daß er gegen Rußland selbst die Flinte auf den Buckel nehmen werde. Freilich, wenn zwei dasselbe tun . . .

Zu dem Antrag spricht zunächst David- Mainz. Er sagt: In der Fraktion und in der Parteipresse fand Noskes Rede keinen Widerspruch. Erst dieLeipziger Volks- zettung" hat ihnen allen ein Licht aufgesteckt. (Heiter­keit). Der Willkommensgruß derDortmunder Arbeiter­zeitung" spricht wenigstens offen von den schlimmen Re­den Bebels und Noskes. Auch Liebknecht hätte besser getan, Bebel mit anzugreifen, der sogar für die Abhalt­ung kriegsmäßiger Manöver und die militärische Jugend­erziehung eingetreten ist im Interesse der Wehrhaftigkeit Deutschlands (Hört, hört!), der immer wieder darauf hingewicsen hat, daß wir in unserem Parteiprogramm nicht die Enttvaffnung, sondern die Wehrhaftmachung des gan­zen deutschen Volkes verlangen. (Sehr gut!) Das ist wi­der mein Gefühl, daß man Noske angreist und Bebel in Ruhe läßt. Noske angreifen und Bebels Rede als Flug­blätter in ganz Deutschland verbreiten, das geht nicht an. Wir treten mit aller unserer Macht für den Frieden ein. Aber die nationale Selbständigkeit Deutschlands tverden wir gegen den, der sie frivol antasten sollte, stets verteidigen. (Beifall).

Dr. Lensch - Leipzig wendet sich sehr entschieden ge­gen Noske. Wenn früher Sozialdemokraten wie Bebel gesagt haben, man wolle eventl. das Gewehr aus den Buckel nehmen, so hatte das seinen guten Grund. Denn man hatte als Feind Rußland im Auge. Inzwischen ist aber ein Ereignis eingeteeten, von dem Genosse Noske nichts bemerkt zu haben scheint, nämlich die russische Revolution. Durch sie ist Rußland als Todfeind ausgeschieden. (Un­ruhe.) Es liegt zerbrochen am Boden. (Oho!) Und da­rum ist es nicht dasselbe^ ob man heute so redet, wie es Noske beim Militäretat im Reichstag getan oder ob es vor Jahr und Tag geschah. Ein Standpunkt, der früher berechtigt war, ist jetzt absoluter Unsinn geworden.

In der Nachmittagssitzung wurde die Erörterung über die Haltung der Sozialdemokratie z,ur Mi­litär f/ a g e fortgesetzt.

Der erste Redner war Honrath- Aachen: Die vor- liegende Frage beschränke sich nicht aus Noske, sondern aus die gesamte Fraktion. Mit Recht werde von jedem Genossen verlangt, die Grundsätze der Partei voll auf­recht zu erhalten und überall offen und furchtlos zu ver­teidigen. Das sei aber auch von der sozialdemokratischen

Reichstagssraktion zu verlangen. Man müsse jede Ge­legenheit benützen, um den Soldaten das Kasernenleben zu verekeln. Nicht eine Kasernenagitation wollen wir be­treiben. Man nnisse der Jugend, noch che sie ins Mi­litär eintrete, sagen: Man raubt Euch Eure Menschen­würde. Und wenn alsdann den Soldaten das Kasernen­leben verekelt werde, dann sei nicht die Sozialdemokratie daran schuld, sondern diejenigen, die durch die menschen­unwürdige Behandlung den Soldaten das Kasernenleben verekelt haben.

Frau Klara Zetkin-Stuttgart: Es ist selbstver­ständlich, daß wir offen, ohne Ansehen der Person Kritik üben, andernfalls sinken unsere Parteitage auf den Stand der Katholikentage herab. (Rufe: Sehr richtig!) Es hätte im Reichstage gesagt werden müssen: unser Patriotis­mus unterscheidet sich von dem Patriotismus der herr­schenden Klassen nicht im Grade, sondern im Wesen. Die erweitern, um sich weiter bereichern und die Arbeiter ausbeuten zu können. Die Proletarier wollen sich das Va­terland erobern, um es wohnlich für sich zu gestalten. Jedenfalls ist beim Militäretat die Stellung der Sozial­demokratie nicht mit der früheren Frische und Schärfe zum Ausdruck gekommen. Ein alter General soll gesagt haben: Es ist gefährlich, einen Krieg zu unternehmen, da die Reservisten und die Landwehr bereits vollständig sozial­demokratisch durchseucht sind. Genossen und Genossinnen! Wir wollen dafür sorgen, daß auch die Jugend, wenn sie in die Kaserne kommt, schon sozialdemokratisch durchseucht ist. Dafür müssen die sozialdemokratischen Mütter Sorge tragen. (Stürmischer Beifall)

Abg. Stadthagen (Berlin): Es sei ihm nicht ein­gefallen, ein Wort gegen die Kritik zu sprechen. Er sei im Gegenteil für die weitgehendste Kritik. Wenn die Frak­tion eine Kritik nicht ertragen könnte, dann wäre es besser sie zum Teufel zu sagen. Er sei aber der Meinung, die Fraktion habe Kritik nicht zu scheuen. Er sei der Mein­ung, Gerrosse Liebknecht habe es mit der Bemerkung: Das Kasernenleben müsse den Soldtaen verekelt und die mili­tärische Disziplin gelockert werden, nicht sagen wollen: Das solle durch direkte Agitation geschehen, sondern es müsse in der proletarischen Jugend, ehe sie in die Ka­sernen kommen, die Menschenwürde geweckt werden. (Beifall).

RA. Liebknecht (Berlin): Ich glaube, ich bin nicht verstanden worden. Ich habe selbstverständlich niemals eine Kasernenagitation befürwortet, ich will, daß die pro­

Die blaue Dame.

Knmi«al-Roman von Äugnste Groner.

4v) (Nachdruck verboten)

(Fortsetzung.)

Ta erfuhr er, daß einige Tage vor ihrem Tode der Briefträger einen Brief gebracht habe, den die Lehmann,, die eben im Garten war, selber übernahm. Der Brief war von ihr auch sogleich gelesen worden. Er mußte für sie Peinliches enthalten haben, denn sie weinte über seinen Inhalt und zerriß das Schreiben.

Wo geschah dies?" erkundigte sich Müller, sehr in­teressiert von dieser Mitteilung.

Daraus wußte die Deisler keine Antwort. Daß die Lehmann den Brief zerriß, das hatte nur Büchner ge­sehen und es der Deisler mitgetcilt.

Müller s chien nun genug zu wissen.

Er erhob sich.

Also, liebe Frau", sagte er gemütlichkünftighin brauchen Sie sich vor diesem Haus nicht zu fürchten. Es geistert da nichts. Was sie damals abends gehört haben, ist mir jetzt gar nicht mehr unerklärlich. Es ist der Todesschrei Elise Lehmanns gewesen."

Das sagte Müller, dann ging er aus dem Zimmer.

Die alte Frau starrte ihm nach.

Schauer gingen über ihren Leib, während seine Schritte aus der Treppe verhallten.

* ->- *

Es dunkelte schon ein wenig. In den beiden Gän­gen, vor deren Fenstern dicht belaubte Bäume standen, war es sogar schon wirklich dunkel, als Müller sich das Erker­zimmer wieder erschloß.

In der Wohnung der Lehmann angelangt, war Mül­lers Aufmerksamkeit' zuerst auf die verschiedenen Tische und kas Nachtkästchen gerichtet. Er fand nicht wonach er aussah. Weder auf einem der Tische, noch auf dem Waschtische und dem Nachtkästchen befand sich ein Gefäß mit Trinkwasser. Es gab in den beiden Zimmern über­haupt kein Gefäß, darin sich Trinkwasser befunden haben konnte. Ein solches mußte also entweder während die. Kommission oder Thorn hier war, weggeschafft worden j sein pdkx Ke Zofe MW gM ÄKhdzüglich KlpM- .

Es war ihr nach der Herkunft aus dem Theater, wäh­rend sie sich bei der Deisler befand, nicht geläutet worden, damit sie Wasser bringen solle.

Dieses auch von der Deisler gehörte Läuten bewies Müller eines, bewies ihm, daß der Mörder der Lehmann damals, nach 11 Uhr, noch im Hause gewesen war.

Das Läuten mochte seiner Mitschuldigen, der Toni angezeigt haben, daß er ihrer bedürfe; vielleicht Hatto er sich damals aus dem Hause entfernt und die Zofe hatte ihm aus- und hinter ihm zusverren müssen. Das nahm ja nicht viel Zeit in Anspruch. In der slußwärts gelegenen Haustür stak ja der Schlüssel und derjenige zu der wenige Schritte davon entfernten Gitterpforte hing ja neben jener Haustüre. Die ganze Sache konnte in drei Minuten abgetan sein. Und wie kurz auch das Mädchen sortge- blieben war sicher war sie länger als drei Minuten fort gewesen. Sie hatte also auch noch Zeit gehabt, sich von der neuerlichen Aufregung ein wenig zu erholen.

Aber daß sic, im Bewußtsein dessen, was geschehen war, sich doch so hatte benehmen können, daß der Deisler während des Teetrinkens nichts Besonderes ausgefallen war!

Freilich gegen einhalb sieben Uhr war die Tat ge­schehen, so hatte sie sich also fünf Stunden laug für ihr Verhalten vorbereiten können.

Dennoch das Frauenzimmer mußte eine ganz un­gewöhnliche Energie besitzen.

Josef Müller, der gewiegte Menschenkenner, gehörte ob er nun wollte oder nicht, auch schon zu den stillen Bewunderern dieser rätselhaften Persönlichkeit.

Eine ganze, grauenvolle Nacht hindurch ruhigen Schlaf markieren dazu gehört ein ungewöhnlich starker Wille und auch dieses Weibes späteres Tun und Lassen bezeugte es, daß sie ein kraftvoller Charakter sein müsse.

Nur über ihr- Aussehen hatte sie nicht gebieten können.

Elend hat sie ausgesehen. Na, das glaube ich", sagte Müller, sich der Bemerkungen erinnernd, welche dies­bezüglich gefallen waren.

Er hatte jetzt denjenigen Teil des Garderobeschran­kes geöffnet, in welchem M die Umhüllen der Lehmann befanden.

Jetzt schloß er jenen wieder.

MeL Ichäoarzm Mantel hätte n hcxgusgenoMßen, Lp

legte ihn aus den großen Tisch, der im Erkerzimmer vor! dem Sopha stand, dann zündete er die Hängelampe an, welche über diesem Tisch hing

Beim Lichte dieser Lampe untersuchte er den Saurtt des Mantels. Dieser war sehr lang, er hatte seiner Trä- gerin vielleicht auch bis zum Boden gereicht.

Aber dieser Saum war rein.

Nicht ein bißchen Erde klebte an ihm.

,-Vielleicht weil 'der, der ihn zuletzt und nach dentz Regen trug, größer ivar, als die Lehmann," dachte Müller, der jetzt schon ganz fest davon überzeugt war, daß da eine Maskerade stattgefunden hatte.

Schon wollte er den Mantel wieder nach dem Ka­sten tragen, da ließ er ihn auf den Tisch zurücksinken und seine Augen, wie gebannt darauf ruhen.

Sein Mund hatte sich fest geschlossen.

Eine güte Weile berührten nur seine Blicke das seine, glänzende Tuch, dann aber strich seine Hand über dis Stelle hin, die ihn jetzt ganz besonders interessierte.

Diese Stelle ivar zerrissen gewesen und gestopft wor­den nicht gar sorgsam gestopft, nur so etwas ausge­bessert, wie eine zitternde Hand dies hatte tun können.

Auffallend wäre diese Stelle jedenfalls- niemals ge­wesen, gar beim Tragen des Mantels hätte man sie nun dann gewahren können, wenn allenfalls der Wind die Spitzen aufgeboben hätte, die sonst darüber lagen, diese schöngemusterten, schweren Spitzen, welche soeben Mül­lers Hand ganz zufällig verschoben hatten.

Wäre der flüchtig zugestopfte Riß an einer anderen Stelle des Mantels gewesen, so hätte es den Detektiv nicht interessiert.

Aber er befand sich an der linken Seite des Man­tels, in Brusthöhe.

Unter ihm hatte das Herz der nun Toten dereinst geschlagen und Müller zweifelte nimmermehr daran zu schlagen ausgehört.

Ja, sie ist im Mantel getötet worden", murmelte er vor sieb hin,Und das Blut, das der zurückgezogene Dolch an dieser Stelle zurückließ, das hat die, welche die­sen Riß vernähte, weggewaschen und wo sie wusch, da glänzt das Tuch nicht mehr und auch nicht das graue Seiden­futter." '

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