Württ LLNdtag.
Stuttgart, 1. Aussust. Zweite Kammer. Präsident v. Payer eröffnet die 71. Sitzung um 9^4 Uhr. Am Regierungstisch : Ministerpräs. v. Weizsäcker, Präsident v. Fuchs u. a.
Ans der Tagesordnung steht die Beratung des Eisenbahn- aukreditgesetzes, Art. 1 Zs. 4: Nebenbahn von Maulbronn nach Sternenfels erste Rate 500 000 Mk. Die Kommission beantragt, diese Ziffer zu streichen und die Regierung zu ersuchen, im nächsten Eisenbahnbaukreditgesetz die Mittel vorzusehen für eine normalspurige Nebenbahn von Bretten über Knittlin- gen nach Derdingen und für eine normalspurige Stichbahn vom Bahnhof Maulbronn nach der Stadt Maulbronn.
Berichterst. Betz betont die widerstreitenden Interessen bezügl. dieser Bahnen und bittet das Hans üm besondere Aufmerksamkeit. Die Kosten betragen 2320000 Mark. Der Betriebsüberschuß ist auf 7700 Mk. berechnet — 31/2 Proz. Verzinsung. Bahnlänge 13,64 Kilometer. Der Redner wirst den Kommissionsmitgliedern vor, daß sie ihre Objektivität politischen Rücksichten geopfert hätten. (Präsident v. Payer ruft den Redner zur Ordnung). Be tz: Er sei gewohnt zu reden, wie er denke. Er sei in der Kommission allein für die Bahn Mautbronn-Ster- nenfels gewesen.
Rösler (D. P.) tritt einigen Ausführungen des Vorredners entgegen und betont, daß die Bahn Bretten- Derdingen die Priorität verdiene, namentlich hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedeutung.
Dr. Eisele (Bp.) Der Kommissionsbeschluß habe nirgends ungemischte Freude erweckt. Die Kommission habe das Odium des Wankelmuts und der Unzuverlässigkeit auf sich genommen. (Präs. v. Payer rügt diesen Ausdruck.) Was habe sich denn ereignet, das diesen Umschwung recht- fertigen würde? Beide Bahnen seien als bauwürdig anerkannt. Der Abgeordnete Rösler bringe die Bahn des eigenen Bezirks zu Fall. Regierung und Kommission seien wie auf Kommando umgefallen. Die Regierung habe das Vertrauen verloren, ebenso hie Volksvertretung (Hört! Hört!), die wiederholt die Bahn Mäulbronn-Sternenfels der Regierung zur Berücksichtigung überwiesen habe. Die Priorität müsse ausscheiden. (Hanser: bei Ehingen war es anders!). Dringende Gründe für den Umfall fehlen vollständig. Die Bahn Knittlingen-Derdingen werde nur Baden zugutkommen, das, wie Minister v. Soden sagte, den Rahm abschöpfen werde. Auch werde diese Bahn parallel mit der bad. Bahn Bretten-Eppingen geführt werden, die sich miserabel rentiere. Maulbronn-Sternen- fels verdiene auch den Vorzug mit Rücksicht auf den Steinreichtum sowie auf seine sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse. Jedenfallsb sollte die Kommission sich mit der Frage nochmals beschäftigen.
Ministerpräs. v .Weizsäcker: Vom Standpunkt der Rentabilität hat keine der Bahnen eine große Zukunft; von einem Durchgangsverkehr kann nicht die Rede sein. Immerhin gebe ich zu, daß der Bezirk Maulbronn hinsichtlich seiner Eisenbahnwünsche zurückgeblieben ist. Die Regierung habe sich den Wünschen desj Hauses angeschlossen. Der Vorredner verdiene eigentlich gar keine Antwort, (Oho!) nach dem von ihm gebrauchten Ton. Erst nachdem die Kommission sich nicht für das Regierungsprojekt erklärt habe, wolle die Regierung daran nicht mehr sest- halten. Er plädiere nicht für den Kommissionsantrag, sondern warte den Beschluß dieses und des anderen Hauses ab. Wolle man eine Stichbahn nach der Stadt Maulbronn, so müßte diese Bahn bis zu den Steinbrüchen wei- tergehen. Für die Regierung seien keine politische, sondern Zweckmäßigkeitsgründe maßgebend.
Geheimrat v. Balz: Die Kommissionsverhandlungen seien sehr friedlich und der Beschluß einstimmig gewesen. (Sehr richtig!) Er habe in der Kommission gesagt, die Regierung halte zunächst an ihrem Projekt fest und warte im übrigen die Beschlüsse ab (Sehr richtig!). Erst nach dem Kommissionsbeschluß habe er erklärt, die Regierung halte unter diesen Umständen an ihrem Projekt nicht ü tont prix fest — Zwei Bahnen zu bauen, sei unmöglich.
Dr. Eisele und Betz (Vp.) beantragen: Der Regierungsvorlage zuzustimmen und die Regierung zu ersu
chen, im nächsten Eisenbahnbaukreditgesetz die Mittel für eine Stichbahn von Breiten nach Knittlingen einzustellen. Dr. Eisele (Bp.) stellte ferner den Eventualantrag, diö . Entscheidung auszusetzen und die Projekte an die volkswirtschaftliche Kommission zur erneuten Prüfung zu verweisen.
Körner (BK.) tritt Betz entgegen. Dieser habe den Kommissionsantrag in der Kommission als den seinen ausgenommen (sehr richtig!). Man bekomme den Eindruck, als ob andere Herren parteipolitische Gründe über Zweckmäßigkeitsgründe gestellt hätten. (Präs. v. Peyer rügt diesen Ausdruck.) Der Redner betont dann die volkswirtschaftlich größere Bedeutung der Bahnlinie Bretten-Derdingen. Der Kommissionsantrag werde die Bedürfnisse des Bezirks Maulbronn befriedigen; er entspringe lediglichZweckmäßig- keitsgründen. Er bitte um Ablehnung des Antrags Eisele.
Häffner (D. P.) betont das Berantwortlichkeits- gefühl und die sachliche Haltung der Kommission unter näherer Darlegung der für den wohlerwogenen Kommissionsantrag sprechenden Gründe.
Betz (Vp.) wendet sich gegen Körner. Der Kom- missionsantrag sei auf eine Anregung des Herrn v. Balz zurückzuführen.
Geheimrat v. Balz bestätigt, daß die Formulierung er vorgenommen habe.
Hildenbrand (Soz.) bezeichnet den Bericht des Abg. Betz als merkwürdig. Wenn man von Wankelmütigkeit spreche, so möge man zunächst an die eigene denken. Die Wankelmüdigkeit einiger Mitglieder der Volkspartei sei auf eine inzwischen abgehaltene Jnteres- sentenversammlung zurückzuführen, der sie angewohnt hätten. (Präs. v. Payer rügt abermals den Ausdruck Wankelmütigkeit). Der Kommissionsantrag werde billiger zu stehen kommenn als der Regierungsvorschlag, das müsse für das Haus entscheidend sein.
Haußmann- Balingen (Bp.): Die Regierung schicke sich mit Zufriedenheit in die Ablehnung ihres Projekts, es sei fast so, als ob sie nicht aus sachlichen Gründen hinter ihrem Projekt stehe. Für eine Kontinuität und den Glauben an sie sei ein gewisses Bedürfnis vorhanden; dieses werde hier erschüttert. Die Regierung verzichte ohne Schwertstreich. 'Vor allem müsse man wissen, welche Bedingungen Baden stelle. Die Regierung möge sie Mitteilen. Die Bemerkung des Ministers, Eisele verdiene keine Antwort, war nicht so, daß — (Präs. v. Payer erhebt sich) daß sie notwendig gewesen wäre. (Heiterkeit). Wir haben gegen solche Wendungen ein Solidaritätsgefühl und verübeln die gefallenen Aeußerungen. Bei der eigentümlichen Lage und dem Zickzack der Entschließungen beantrage er Kommissionsberatung.
Minister v. Weizsäcker: Eisele habe der Regierung Wankelmütigkeit vorgeworfen; das seien keine Tatsachen, wie Haußmann meine, die die Regierung anerkennen könne. (Heiterkeit). Ich muß der Regierung das Recht wahren, gelegentlich einmal auf formale Vorwürfe, wie sie Eisele gebraucht hat, im Interesse der Sache selbst nicht zu erwidern. Durch gegenseitige formale Vorwürfe fördern wir die Geschäfte nicht. Ich will damit die Sache als erledigt ansehen. Der Minister geht dann auf die badischen Bedingungen ein. Der badische Minister habe erklärt, er wünsche in dieser Frage einen Beweis seines Entgegenkommens zu erbringen. Die Bedingungen machen nur einen Vorbehalt bezüglich der Betriebssicherheit bei der Bahneinmündung. Nachdem über diese Bahn so oft verhandelt worden sei, sollte von einer Kommissionsberatung abgesehen werden. Die Regierung sei an die Sache unvoreingenommen herangetreten und tue das bis auf den heutigen Tag. Fassen Sie das Interesse des ganzen Bezirks Maulbronn ins Auge, so wird das Ergebnis befriedigend sein.
Vizepräs. Dr. v. Kiene übernimmt den Vorsitz.
Nach weiteren Bemerkungen der Abg. Betz (Vp.), Rösler (T. P.) und Körner (BK.) wird der Kommissionsantrag angenommen gegen die Stimmen der Volkspartei mit Ausnahme der Abg. Storz und Betz.
Hier wird abgebrochen. Fortsetzung Samstag vorm.
9 Uhr. Schluß der Sitzung gegen halb 2 Uhr.
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Dis volkswirtschaftliche Komrrnssion hielt am Donnerstag vor Beginn der Beratungen tm Plenum eine
Sitzung ab, in der eine Eingabe der Sürgerl. Kollegien von Böblingen betreffend Erbauung eines Postqebäudes mehr in der Mitte der Stadt entgegen den Vorschlägen der Genera'- direktton der Posten und Telegraphen zur Verhandlung stand. Die Postverwaltung will aus Gründen technischer Art das neue Postgebäude beim Bahnhof erstellt wißen. Nach den Ausführungen des Präsidenten von Majer und des Ministers von Weizsäcker schloß sich die Kommission einstimmig dem Vorschlag der Regierung an. — Zum Berichterstatter für die Filderbahn wurde Abg. Lischmg bestellt.
Armdschrm.
Zur Kaiserbegetznuug betSwinemünde. Kaiser Wilhelm ist auf der „Hohenzollern" in Swine,nünde eingerroffen. Ferner sind eingelroffen der Reichskanzler. Admiral v. Tierpitz sowie der Chef des Avmiralstabs Büchse!. — Der russische Kaiser ist in KronsUdl abgefahren. Er wird drei Tage ln den Gewässern von Swinemünde weilen.
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Biilow klagt nicht. Der Reichskanzler Fürst Bü- low hat durch ein an den preußischen Minister des Innern gerichtetes Schreiben an alle Polizeiorgane des Reichesdie Mitteilung ergehen lassen, daß er esgrun d- sätzlich ablehne, Strafanträge wegen Beleidigung seiner Person zu stellen. Ter Reichskanzler wünscht zwar die Vorlage und Anzeige derartiger Fälle, verzichtet aber von vornherein auf deren Verfolgung. — Bravo!
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Der gefesselte Redakteur erhält Genugtuung. In einem Schreiben an den Redakteur Wicky bezeichnen der Land gerichtspräsident und der Erste Staatsanwalt das Vorgehen des Untersuchungsrichters, der Wicky gefesselt vorsühren ließ, als einen bedauerlichen und unbegreiflichen Mißgriff, für den ihm die gebührende Genugtuung ohne Zweifel zuteil werden wird.
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Die europäische Schuldenlast. Im Anschlüsse an die Begründung der englischen Resolution über die Rüstungseinschränkung auf dem Haager Kongresse, nämlich daß die militärischen Lasten in fast allen Ländern bedeutend aufs neue angewachsen seien, veröffentlicht der bekannte Volkswirt Alfred Ney-Mark in seinem Finanzblatte „Le Rentier" eine Studie über die europäische Schuldenlast, deren Angaben weiteres Interesse beanspruchen. Er führt sofort die Gesamtzifser vor, die in ihrer Größe mehr als die ausgeklügeltsten Darlegungen besagt, nämlich 148 Milliarden, die jährlich eine Verzinsung von 6 Milliarden erfordern. Die Militärlasten, die Vorbereitung auf den Krieg kosten Europa jährlich über 61/2 Milliarden Francs. Folglich muß Europa jedes Jahr nahezu 13 Milliarden für die Verzinsung seiner Schulden und für seine Militärlasten aufbringen. Schaut man nun zurück, so kann man feststellen, daß die europäische Schuldenlast 1866 66 Milliarden, 1870 76 Milliarden und 1887 117 Milliarden betrug, während in diesem letzteren Jahre die Militär- und Marinelasten sich auf 4Vs Milliarden beliefen und die Verzinsung der Staatsschulden 5 Milliarden beanspruchte. Damals war man schon über die Höhe dieser Ziffern sehr bestürzt; wie weit stehen sie aber gegen die heutigen zurück! Seit 1887 allein hat das Kapital der europäischen Schulden um 31 Milliarden zugenommen, wofür 1/2 Milliarde mehr an Zinsen aufzubringen ist, während die Militärlasten sogar jährlich um 2 Milliarden angewachsen sind. Heute ist das Verhältnis so geworden, daß die Vorbereitung zum Kriege Europa nahezu eine Milliarde jährlich mehr kostet als die Verzinsung seiner Schulden (6.7 zu 5.9 Milliarden). Neymark fährt dann fort: „So erklärt es sich, daß die Steuern d. h. die Lasten der Bürger in allen Ländern zunehmen; die schon so schweren alten Abgaben reichen nicht mehr aus. Man muß immer neue Steuergegenstände finden oder die alten Abgaben vermehren. Und dabei findet man bei allen Regierungen den gleichen Drang, die Lasten auf die schon so schwer betroffenen Mobiliarwerte zu legen. Ihnen dankt man indessen die Möglich-
Die KomödmnLin.
Roma» vo» Oswald Benkendvrf. 38
Die Fieberröte, welche Konstanze den täuschenden Schimmer vo» Gesundheit verliehen, war schon seit Tagen gewichen, wachsgelb war die Ham, die Züge verfallen, die Angen dunkel um- rändert, der Mund halb geöffnet, ließ die kleinen, spitzen Zähne sehen, ans der Stirn, die leicht gefaltet war, als Hütte der Schmelz sie zusammcngezogen, schimmerte es feucht, Bera berührte sie und rief entsetzt: „Sie ist kalt. . mein Kind stirbt!!"
„Sn schweigen Sie, um des Himmels willen! Welche Verruchtheit, in solcher Stunde noch den frechen Mut zn haben, eine Lüge zu sagen!"
„Ich habe diesmal die Wahrheit gesprochen, Graf Wilinenau, ich schwöre es bei dem ewigen Heil meiner sterbenden Tochter. Was liegt mir noch an der Bewahrung des Geheimnisses? Ihr Geld will ich nicht, wenn Konstanze tot ist, brauch ich nichts mehr für mich Aber Sie sollen die Mutter nicht vertreiben voin Sterbelager. Gott wird mir vergeben, was ich gefehlt, um meiner Reue willen, Ihnen nahm ich nichts; denn die Tochter, welche Wilhelinine Ihnen geboren, starb noch am selben Tage. Ein Sarg umschließt die Leichen von Mutter und Tochter, forschen Sie nach auf der Toteninsel San Michele in Venezia. Ich habe mich nach meiner Freundin Tode nicht weit von Treviso auf ein Dorf begeben, wo mir eine Verwandte wohnte, dort wurde Konstanze geboren »nd auf den Namen ihres Vaters getauft. Jetzt wissen Sie alles, lassen Sie mich in Frieden, ich bin so müde . . ach, könnte ich sterben mit meinem Kinde!" Ganz er- schöpft sank sie vor dem Lager nieder und barg, krampfhaft ans- schluchzend, ihr Antlitz in die seidene Decke.
Düster starrte der Graf ans beide nieder, er preßte de» Mund fest zusammen, als wollte er verhindern, daß noch eine Frage, eine Bitte über seine Lippen käme. Wie hatte er die ihm so spät geschenkte schöne Tochter geliebt und jetzt überkam es ihn bei ihrem Anblick wie heftiger Widerwille, er suchte in dem Antlitz nach Spuren von Aehnlichkcit mit dem verhaßten Weibe dort und fand keine. Hatte Vera dennoch gelogen, um ihren Platz bei der Kranken zu behaupten? Aber in ihren letzten Worten hatte etivas überzeugend Wahres gelegen, sie hatte noch einmal den Sieg über ihn davongetragen.
Und wie ein Besiegter schwankte er hinaus, gebeugten Hanp-
tes. Wenn nun auch dcr Tod seine Knvchenhand auSstreckte nach der bewegungslosen Gestalt dort, was tat ihm das, er hatte die Tochter schon vorher verloren.
Ein dumpfer Schrei, wie der eines verfolgten Tieres, weckte Kurt ans dem betäubenden Schlummer, in den der gänzlich Erschöpfte gesunken war.
Jäh auffahrend ans den Polstern des Ruhebettes, wo er gelegen, blickte er anfangs ganz verständnislos um sich, dann war er mit einem Satze an der Tür, riß die Portiere zurück und eilte zum Lager der Kranken, an dem Vera noch immer kniete, aber sie hatte die Arme mit den gefalteten Händen erhoben und betete und jammerte in italienischer Sprache, die heilige Jungfrau um Hilfe anrufend.
„Sie stirbt!" schrie jetzt auch Kurt, die starre Gestalt umschlingend, kalte Schweißtropfen, die von Konstanzes Stirn perlten, netzten seine Lippen. Schaudernd fuhr er zurück . . da öffnete die Sterbende noch einmal die Augen, groß und glanzlos, der schrille Klang eines Glöckchens machte die andern erbeben, Schritte, dumpfes Gemurmel ward vernehmbar, die Flügeltüren wurden weit geöffnet, aus der Schwelle erschien der Priester, Chorknaben, den Weihrauchkessel schwingend, folgten, dahinter Franziska, bleich aber gefaßt und die Schlvßdieiierschaft, welche in der Nähe der Tür niederkniete.
Kurt blickte in die Augen der Braut, jetzt hätte er die Frage an Konstanze richten können, die ihm all die Zeit her auf dem Herzen gebrannt, doch der Klang des kleinen Glöckchens mahnte ihn, daß es Frevel sei, jetzt noch an irdisches Lieben zu denken.
Und da schlossen sich auch schon die Augen wieder, die er >0 oft seine Sterne genannt, schlummerten müde, kalt und gleichgültig für sein unendliches Leid.
Kein Hauch ging mehr über die erkalteten Lippen, das Herz hatte aufgehört zn schlagen.
„Tot!" murmelte Kurt und sank mit vorgebeugtem Haupte neben der Leiche Konstanzes nieder, fast ebenso starr und unbe- wcglich wie diese.
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Seil mehr als Jahresfrist ruhte sie in der Ahnengrnft der Wilmenau, im Brantgewande, Kranz und Schleierauf dem goldigen Lockenhaar, das ihr von all ihrer Schönheit geblieben war .. der liebreizenden Konstanze.
Gras Erich hatte der Tochter nicht das letzte Geleite gegeben, es hieß, daß er schwer leidend sei und deshalb wunderte man sich darüber, daß er bald nach dem Begräbnis eine weite Reise antrat, die Aerzte schickten ihn nach dem Süden.
In Wirklichkeit begab er sich auch nach Venedig und stellte daselbst, mit gebotener Vorsicht, umfassendsNachsorschungen an, die leider zu keinem Resultat führten.
Die Leiche der Wilhelinine Ost, dcr deutschen Schauspielerin, welche den Namen ihres Gatten nie genannt, war vor zehn Jahren exhumiert worden, wie üblich, und die Vorgefundenen irdischen Rests hatte man zusammen mit denen anderer in einem Schachtgrabe beigeictzt. Man erinnerte sich nicht, eine Kindesleiche in einem der Särge gefunden zn haben, nur ein alter Gehilfe des Totengräbers behauptete, daß vor ungefähr zehn Jahren eine solche Entdeckung gemacht worden sei, der inan jedoch keinerlei Bedeutung üeigelegt habe.
Dieser Mann, der alte Nino, zur Zeit im Versorgmigshanss untergebracht, galt aber für halb blödsinnig. Aehnlicu erging es dem Grafen mit seinen Nachforschungen, die Geburt der angeblichen Tochter Vera Tornellis betreffend. In der Nähe uon Treviso gab es der Dörfer viele, und da ihm Bera nicht den Namen des Vaters genannt, zu der angegebenen Zeit aber viele Mädchen geboren waren, konnte auch in diesem Falle nicht die so heiß ersehnte Klarheit in die Sache gebracht werden und Gras Erich gab es aus, dies Rätsel zn lösen.
Wäre wenigstens Vera Tornelli auizufinden gewesen, doch sie war spurlos nach den Begräbnis-Feierlichkeiten verschwunden. Der Inspektor der nahen Eisenbahnstation wollte wissen, daß eine Frau, ans welche die ihm gegebenen Schilderungen paßten, eine Fahrkarte für den Breslauer Zug gelöst habe. In Breslau wiederum, wo allerhand Nachforschungen angestellt wurden, erfuhr man aus der Polizei, daß eine alte Frau unlängst vor dem Nikolaitvre auf der Straße znsammengebrochen sei. Man hatte die Schwerkranke in das Merheiligenhospital gebracht und dort war sie in der nächsten Nacht verschieden, nachdem sie in italienischer Sprache einige Gebete gemurmelt ihren Namen zu nennen, hacke die Frau verweigert. War es Vera Tornelli gewesen, die so geendet?
Zum Winter stellte sich eines Tages Verdi Tornelli auf dem Schlosse ein lSS.2ü