Türkei und Griechenland. Der fortgesetzte Ein­fall der griechischen Banden hat die Türkei zu einer ern­sten Aktion gegen die griechische Regierung veranlaßt. Sie richtete folgende Depesche an den türkischen Gesandten in Athen:Entgegen den Verträgen und den Versicherungeg,l des Ministers des Auswärtigen und des Ministerpräsiden­ten steigt täglich die Zahl der griechischen Ban­den, lind beträgt bereits mehr als hundert, wovon eine große Zahl unter Kommando von griechischen Offi- z ie re n, die falsche Namen führen, steht.Wir müssen an die Weisheit und die Voraussicht der griechischen Mini­ster appellieren und ihn energisch an den Respekt vor den abgeschlossenen Verträgen erinnern, damit alle den Ban­den angehörenden griechischen Offiziere sofort zurückbern- fen werden, und seitens des Athener Komitees den Ban­den kein Beistand mehr geleistet werde." Diese Depesche wurde an den türkischen Botschafter gesandt, um sie den Großmächten zur Kenntnis zu bringen und die Groß­mächte Um Unterstützung bei der griechischen Regier­ung zu ersuchen.

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Heber die neue Verschwörung in Rußland

werdendem neuen Tagblatt aus St. Petersburg bemerkens­werte Einzelheiten mitgeteilt: Eine Gruppe Sozial- Revolutionärer, unter ihnen eine gewisse Nina, und der Rechtsamvalt Feodoßjeff, hatten eine Reihe politischer Morde beschlossen ü. a. sollten der Oberst P a w- loff, der Stadtkommandant v.. d. La u nitz, D ur n o w o, die Großfürsten Wladimir und Nikolai getötet wer­den, den Abschluß sollte dann die Ermordung des Z are bilden. Die Verschwörer hatten einen sorgfältigen lie­ber w a chungsdi enst eingeführt und suchten auf alle Weise sich Eingang in die Wohngebäude der Zarenfamilie zu verschaffen. Zu diesem Zweck versuchten sie A n st e ll- ungen zu bekommen; so versuchte einer, in die Hof- skngerkapelle ausgenommen zu werden, jedoch vergeblich. Die Polizei hielt die ganze Zeit die Verschwörer streng im Auge und schritt erst nach der ersten Mordtat aktiv ein. Bei einer Haussuchung wurden Waffen, Dynamit und Pläne von Peterhof und Zarskoje-Selo gefunden, so­wie genaue Zeichnungen der Gartenwege, auf denen die Zarenfamilie Spazierfahrten zu unternehmen pflegt. Aus anderen Papieren ersah man, daß auch militärische Personen Teilnehmer gn der Verschwörung gewesen waren, und außerdem zwei weitere Rechtsanwälte. 23 Personen sind verhaftet.

T' ües-KHroniL.

Berlin, 29. Juli. Das lenkbare Militär- Luftschiff erschien heute über Berlin. Es verfolgte den Zug der Siegesallee, der Charlottenburger Chaussee, und Unter den Linden bis zum Schloß. Der Ballon umkreiste das Schloß mehrmals und fuhr mit mäßiger Geschwindig­keit gegen den Wind. Alsdann kehrte das Luftschiff nach seinem Ausgangspunkt zurück. Zu dem Fluge, den der lenkbare Militärballon heute über Berlin unternommen hat, erfährt dieMorgenp." noch: Das Luftschiff war zum Wilhelmsplatz hinübergefahren und hielt seinen Kurs auf das Kriegsministerium. Es fuhr in der Leipziger- und Wilhelmstraße zunächst die Fronten des Gebäudes ab, machte dann Kehrt, kam noch einmal vorüber und nachdem es hierauf etwa 200 Meter vom Giebel entfernt mehrere Wendungen vollführt hatte, schwang es sich hoch in die Lüste und verschwand in der Richtung nach Westen. Berlin, 29. Juli. Eine 2 t u d i en ko m m i s si o n

wird sich Anfang nächster Woche unter Führung des De­zernenten für die Einführung des elektrischen Bahnbetriebes, Geh. Baurats Wittfeld, Vortragen­den Rates im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, nach den Vereinigten Staaten begeben, um dort über die wichtigsten amerikanischen Vollbahnen und die mit dem elektrischen Betrieb bisher gemachten Erfahrungen Infor­mationen zu sammeln. Man wird nicht fehlgehen, wenn man diese Studienreise mit der bevorstehenden Elektrisier­ung der Berliner Stadt- und Vorortbahnen in Verbind­ung bringt, für welche die kgl. Eisenbahndirektion Berlin, infolge eines Erlasses des Ministers Breitenbach, demnächst Spezialpläne ausarbeiten wird. Dem Vernehmen nach

soll zu dem Besuche in allernächster Zeit ein besonderes Bureau gebildet werden.

Breslau, 39. Juli. DerBresl. Ztg." zufolge trafen Samstag und Sonntag auf den Breslauer Bahn­höfen 150,000 Fahrgäste ein. Auf dem Sang er fest - platz wurden bisher 2 9 2 Unfälle, darunter ein Todes- fall infolge Herzschlags verzeichnet; außerdem beim gestrigen Festzug 175 leichtere Unfälle.

Worms, 29. Juli. Der hier tagende deutsche Turnertag wurde heute geschloffen. Vom Kaiser uns dem Großherzog von Hessen sind Danktelegramme singe, gangen.

Marienbad, 29. Juli. Wie verlautet, wird König Eduard am 15. August in Ischl zu einem eintägigen Besuche des Kaisers eintreffen und von dort am 16. August abends hier zum Kurgebrauch ankommen.

Tt. Gallen, 29. Juli. Die Schulgemeinde der Stadt St. Gallen beschloß eine bedeutende allgemeine Erhöhung der Lehrerbesoldungen und die Kommunali­sierung des Handfertigkeits-Unterrichts. Die Orts bürger­st emetnde erhöhte die Subvention an die Bovensee- Toggendurg-Bahn auf 900,000 FrS. und beschloß 380,000 Frs. für den Bau einer Männerversorgungs-Anstalt

Rotterdam, 29. Juli. Nach einem Telegramm des Nieuwe Rolterdamfche Courant" griff dir Bevölkerung der Ortschaft Matandar auf Celebes eine aus 8 Mann bestehende Infanterie-Abteilung an und machte ne nieder. Eine Ab­teilung Polizeitruppen ist nach Matandar abgegangen.

Brügge, 29. Juli. Die Mitglieder der Haager Friedenskonferenz besichtigten heute auf Einladung der belgischen Regierung die Hafenanlagen von Zee- brügge. Sie wurden im Rathause von Brügge durch den Bürgermeister begrüßt, der den Arbeiten der Konferenz guten Erfolg wünschte. Der erste deutsche Delegierte, Frhr. v. Marschall, brachte ein Hoch auf den König der Belgier, die Stadt Brügge und Belgien aus. Im Na­men der belgischen Regierung dankte der Minister des Aeußern, D'Avigere. Die Delegierten besichtigten die Ausstellung des Goldenen Vließes.

Paris, 29. Juli. Von den Generalratswah- len waren bis 4 Uhr morgens 620 Resultate bekannt. V wurden gewählt 107 Konservative und Mitglieder der Ak­tion liberale, 93 gemäßigte Progressisten, 378 Republi­kaner der Linken, Radikale und radikale Sozialisten und 15 Sozialisten. Es finden Stichwahlen statt. Die Koü- servativen verlieren 11 und die Progressisten 25 Sitze. Die Republikaner und Radikalen gewinnen 45, die So­zialdemokraten 5 Sitze. Unter den Gewählten befinden sich Rouvier, Berthou und Deschanel.

Paris, 29. Juli. Als Prinz Orlosf von Fon­tainebleau im Auiomobil nach Paris zuiückkam, schleuderte ein Mann emen großen Stein nach dem Auwwob l, der den Prinzen ins Gesicht traf und ihm einige Zähne einschluz.

Lyon, 28. Juli Hier sind 13 Antimtltiartsten verhaft et worden, weil sie Hochrufe auf das 17. Regi­ment und Schwähruse auf die Armee ausgebracht hutm und ein Manifest umeizeichnet harten, in welchem die Meuterer bet dem 17. Regimente verherrlich; wcrd.

Raoo-UEtape. 29. Juli. Nach einer genauen Fest­stellung bedäzt die Zahl der be: den Ruhestörungen ver­wundeten Miltlärperivnen 3 Oifiziere und 21 Soldaren bezw. Gendarmen. Bon den Ausständigen sollen 2 ihren Wunden erlegen sein. Der Zustand eines Gerrvar.mm ist bedenklich. Augenblicklich herrsch: Ruhe.

Odessa, 29. Juli. Bei der Beerdigung des gestern ermordeten Schutzmannes begannen die Mitglieder des russischen Bundes ans vorübergehende Juden zu schießenundoermun deren mehrere Personen. Die hinzukommenoeu Soldaten mußten zur Herstellung der Ruhe von ih^en Waffen Gebrauch wachen. Die Mitglieder des russischen Bundes schossen »hrerseüS aus das Militär, verwunderen erneu Soldaten and lasen davon.

Madrid, 29. Juli. Heute überschritt hier das Ther­mometer 4 0 Grad Celsius.

St. Jago de Ouajaquil, 30. Juli. Wegen Kom­plotts gegen den Präsidenten wurden 15 Soldaten zum Tode, 5 zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt.

Tanger, 29. Juli. Bucht« Ben Bagdad: ist

MurrdsELN.

Italienische Demonstrationen in Welschtirol.

Anläßlich einer Türnfahrt deutscher Turner nach den deutschen Sprachinseln Südtirols kam es irr Persen und Calliano wieder zu Demonstrationen der Italiener ge­gen die Deutschen. Drei reich s deutsche Turner wur­den verwundet, ebenso Professor Edgar Meyer und der intervenierende Bezirkshauptmann Spengler. Der Konsul des Deutschen Reiches begab sich heute zur Statt­halterei und ersuchte um Schutz rerchs deutscher Untertanen.

Ueber die Ausschreitungen, die am 26. und 27. Juli in der Umgebung von Trient von fanatischen Jrredentisten gegen deutsche Touristen begangen wurden, werden der Fr. Ztg. noch folgende Einzelheiten gemeldet: Die Deut­schen wurden wie wilde Tiere gehetzt, die Männer ver­wundet, die Frauen angespien, und das alles ohne die geringste Provokation, bloß weil die Deutschen sich unter­standen hatten, einen Massenausflug in die deutschen Sprachinseln zn unternehmen; übrigens nahmen an diesemMassenausflug" nur 28 Herren und 5 Danken teil. Aber die Trienter Jrredentisten leugnen die Existenz deutscher Sprachinseln und so war ihnen eben deren Besuch durch deutsche Touristen ein Greuel. Das HetzblattBIto veröffentlichte einen Aufruf, der unverblümt zu Gewalttätigkeiten gegen die 33 Deutschen aufforderte. Diese begaben (such von Bozen aus über das Gebirge in die Sprachinsel Fersental, wo sie begeistert empfangen wurden. Ms sie aber dann nach Persen abstiegen, sa­hen sie sich einer 200-köpfigen Jrredentistenschar gegen­über, welche sich sofort auf die Deutschen stürzte mit einer Flut von Verwünschungen und einem Gebrüll, wel­ches einer Zulukaffernhorde Ehre gemacht hätte. Von 20 Gendarmen begleitet, retteten sich die Deutschen unter ei­nen: Steinhagel in die Burg Persen. Hier wurde die Nacht züm 27. verbracht. Draußen heulte die Rotte und forderte die Auslieferung des Führers der deutschen Ge­sellschaft, !d,es Professors Edgar Meyer, der in Tirol als Gegner der irredentistischen Bestrebungen bekannt ist. Am nächsten Morgen begaben sich 15 Deutsche, darunter sämtliche Damen, auf der Eisenbahn heimwärts, während die ändern 18 sich den Drohungen der Italiener nicht fü­gen wollten und die Tour fortsetzten. Sie stiegen nach Viel gereut hinaus, wo die Bewohner ihnen in der herzlichsten Weise entgegenkamen und verbrachten oben den ganzen Tag. Gegen Abend fand sich der Bezirkshauptmann Spengler mit zwei Gendarmen bei ihnen ein und be­nachrichtigte sie davon, daß Hunderte von Jrredentisten aus Trient Und Rovereto im Anzuge seien; falls aber dieDent- schen sofort mit ihm abreisen wollten, bürge er für ihre Sicherheit. Die Deutschen ließen sich überreden und wur­den von dem Bezirkshauptmann rrach Calliano ge­führt, wo sie den nach Norden abgehenden Zug besteigen sollten. Hier hatten sich aber gegen 1000 Jrredentisteu (sämtlich Städter) eingesunden und nun begann eine wahre Orgie der Brutalität. Unter einem Höllenlärm wurden die Deutschen mit allen möglichen Gegenständen geschlagen und beworfen, daß ihnen das Blut über die Kleider rann- Die Niederstürzenden wurden mit Anilinfarben und an­dern ekelhaften Flüssigkeiten überschüttet. Die fünf Gen­darmen waren natürlich machtlos und der Bezirkshaupt­mann dachte nicht daran, Militär zu requirieren, obwohl sich solches in nächster Nähe befand. Der Zug, in den die deutschen Touristen einsteigen sollten, wurde gestürmt und die erschreckten Bahnbediensteten setzten ihn so rasch in Bewegung, daß einer der Deutschen zurückblieb. Seine Gefährten bemerkten dies erst später. Ueber sein Schick­sal ist nchh nichts bekannt. Ju Trient erfolgten neue An­griffe auf den Zug, dessen Fenster sämtlich in Scherben gingen; dabei wurden auch fremde, unbeteiligte Reisende verletzt. Unter einem ohrenzerreißenden Gejohle, Stein- Würfen und Revolverschüssen gelangte der Zug endlich aus dem Bahnhof. Als die 17 deutschen Touristen, welche das alles mitgemacht hatten, Bozen erreichten, sahen sie ent­setzlich aus. Alle waren mehr!oder weniger verletzt und mit Schmutz und Blut bedeckt. Die Kunde von den greu­lichen Ausschreitungen der Italiener gegen harmlose Tou­risten verbreitete sich schnell in Bozen und Umgebung uno ruft unter den Deutschen eine unbeschreibliche Erbitterung - hervor.

Ars Komödiantin.

Roman von Oswald Benkendvrj. 35

Tn wirst mich lieben lernen; denn ich werde Deinen Trotz zn bändigen wissen, und es liegt in der Natur, daß das Weid den Mann liebt, in welchem es seinen Herrn erkannt hat." Da­bei erfaßte er sie mit kräftigem Arme und drängte sie znm Ufer- Lai, de hin, in dem feuchten Wiesengrunde sanken ihre Füße ein, sie kam nur schwer vorwärts, an Flucht war hier nicht zu den­ken.

Dennoch trachtete sie, sich von ihm loszumachen, bei dem w eder durch leichtes Gewölk getrübten Mondlicht in den wallen­den Nebeln, die vom Wasser her zn schweben schienen, konnten sie einander nur undeutlich erkennen, und doch fühlte er, daß Konstanze sich mit einer Gebärde des Widerwillens von ihm wandte, das erbitterte ihn und er sagte, ihr feines Handgelenk fester umspannend:Ich werde Dich übersetzen und im Dorfe Wird sich ein Fuhrwerk finden, das uns zur Eisenbahn fährt."

Mit dem Frübznge fahren wir nach Breslau, eine Stief­schwester meines Vaters ist Oberin der Ursulinerinnen, zn ihr bringe ich Dich, sie wird Dir ihren Schutz angedeihen lagen."

Bin ich eine Sache, eine leblose Pappe," fragte Konstanze blitzenden Auges,daß inan mich da und dorthin bringen kann, ohne daß ich dagegen protestiere, die Leute um Hilfe anrufe, oder glauben Sie, daß ich mich schweigend zur Gefangenen ma­chen lassen werde?"

Merke wvlil auf, was ich Dir sage. Gesetzt den Fall, daß Du, drüben im Dorfe angelangt, dem Schulzen, bei dem ich Wa­gen und Pferde bestellen will, Dein Leid klagst und seine Hilfe anrufst, was wird die Folge davvn sein? Glaubt er Deiner An­klage, wird er es jedenfalls seltsam finden, daß Komtesse Wil- menan kurz vvr ihrer Hochzeit sich in Gesellschaft ihres Entfüh­rers nachts im Park ergeht. Andererseits wird Thea von Graf Wilmenau und Kurt streng befragt, die Wahrheit gestehen, daß ich Dich im Parke getroffen und darauf wir beide, hörst Du, wir beide, sie heimgeschickt haben, um ganz ungestört zu sein .. Kurt ahnt, daß ich Dich liebe, daß Beziehungen zwischen uns bestanden haben; kannst Du Dir vorstellen, daß er die Sache harmlos nuf- sassen werde, etwa als eine freundschaftliche Aussprache im nächt­lichen Parke, eine kleine Mondscheinpromenade?"

Ein Gefühl der Erstarrung kam über Konstanze. wie sie es

nur einmal übermannt; a» jenem verhängnisvollen Abend im Theatersaal, sie fühlte das Herz in der Brust ihr schwer und schwerer werden, eiskalt überrieselte es sie. Er hatte die Wahr­heit gesprochen, der Mann neben ihr, und blieb sie rein wie ein Engel, diese Nachtstunde», verbracht in der Gesellschaft von Ernst Kindler, warfen einen unauslöschlichen Makel auf ihren Ruf.

Diese Betrachtung wirkte förmlich lähmend ans Geist und Körper des unglücklichen Mädchens. Fast willenlos ließ sie sich vorwärts ziehen, jetzt standen sie am Wasser, da wo eine der Fijcherbarken angepflvckt war und sich leise hin- und herschau­kelte auf der leichtbemegteu Flut.

Starken Armes hob Ernst die Gestalt des Mädchens in das Boot, während er selbst noch im nassen Ufersande stehend, sich niederbeugte, um den Strick zu lösen, mit welchem das kleine Fahrzeug an dem Pfahl befestigt worden war.

Kaum jedoch hatte des Mädchens Fuß das Boot betreten, als es über Konstanze kam wie eine Befreiung. Der Bann war gebrochen, den jener über sie verhängt, die Tochter VeneziaS fühlt das wohlbekannte, das befreundete Element sich so nahe, der schwanke Bvden unter ihren Füßen erinnerte sie daran, daß sie eine treffliche Schwimmerin und tüchtig in der Führung des Ruders sei, jetzt galt es, ihre Kunst zu zeigen, sie sollte ihr Rettung bringen, kam sie allein drüben an, hilfesuchend, be­drängt von einem Verfolger, dann blieb ihr Ruf makellos und die Schmach, ein schwaches Mädchen in Angst versetzt, eine Ent­führung geplant zu haben, rraf Ernst Kindler.

Einen leichten Fluch ausstoßend, bemühte Ernst sich immer noch, den dicht verknoteten Strick zu lösen, Konstanze hatte die Blicke scharf ans sein Tun gerichtet; jetzt endlich war es ihm gelungen, das Boot war frei, er erhob sich ans seiner knien­den Stellung, da stieß Konstanze das hastig erfaßte Ruder kräf­tig ein und das leichte Fahrzeug schnellte vvin Ufer fort, trotz­dem Ernst, sich vorbeugend, es zn erfassen und festznhalten strebte.

Doch blitzschnell hatte er des Mädchens Plan durchschaut und den schweren Mantel abwersend, sprang er ohne Besinnen in das Wasser, das er mit kräftigen Armen teilte. Mehr und mehr näherte er sich dem von Konstanze geruderten Boote, sie stand aufrecht in demselben, der Schweiß rann ihr von der Stirn und feuchtete das wirre Haar in dem der Nachtwind spielte, brennenden Auges blickte sie nach dem Manne, dessen keuchen­

den Atem sie zu vernehmen meinte, sie wußte, das war ein Kampf aus Lebe» und Tvd, iver würde siegen ?

Noch hoffte sie den Sieg für sich; denn die Bewegungen des Schwimmers verlangsamten sich, doch nein, er hatte nur einen Moment Atem geschöpft, da war er schon in unmittelbarer Nähe, sie hob das Ruder, wie, wenn sie es auf Eriists uubeschützteS Haupt mit aller Kraft niedersausen ließ? Schaudernd wendete sie das Antlitz, das wäre Mord gewesen, und nicht berechtigte Notwehr, nein, lieber um Hilfe rufen, der Kahnführer Jonas konnte nicht weit sein, vielleicht ward ihre Stimme auch von dem Parkwärter gehört.

Hilfe! Hilfe!"

Weithin vernehmlich tönte der Ruf durch die Nachtstille.

Wieder setzte Konstanze das Ruder ein, da fühlte sie das­selbe von kräftiger Faust erfaßt, ein Ringen begann...

Hilfe . . zn Hilfe!"

Hohoi, Hohoi!" antwortete ein langgezogener Ruf.

Mit Ernsts Körperkraft konnte Konstanze sich nicht messen, er riß ihr das Ruder aus den Händen, sie beugte sich vor, es aufs neue zu fassen und ihr Zorn über Ernsts rohe Gewalttat war so wild entflammt, daß sie der Versuchung, sich des Ruders als Waffe gegen ihn zu bedienen, diesmal erlegen wäre, dabei versäumte Konstanze die gebotene Vorsicht, indem sie sich zu sehr nach links neigte und das Boot in leichtes Schwanken brachte.

Diesen Augenblick mußte Ernst für günstig gehalten haben, sich in das Fahrzeug zu schwingen; denn es war die höchste Zeit, Konstanze. deren Histernf schon ein Echo erweckt, zu ver­hindern, Zeugen dieses Verzweiflungskampfes herbeizuziehen, sie mußte um jeden Preis zum Schweigen gebracht werden.

Mit der Linken das erbeutete Ruder festhaltend, klammerte sich Ernst mit der Rechten am Rande des Fahrzeuges fest und wollte eben, kühnen Schwunges, den Versuch machen, hinein zu gelangen, als Unvorhergesehenes geschah: das Boot schlug um und Konstanze ward kopfüber ins Wasser geschlendert.

Doch der Mann, welcher dies Unglück verschuldet, sah nichts mehr davon, die scharfe Kante der rechten Bootsseite hatte beim UeberschlagendesFahrzeugesStirn imdrechteSchläfe desSchwim- merS getroffen . . lautlos sank Ernst Kindler unter.

Hohoi! Hohoi!" Der alte Fährmann stand hvchaufgerich- tet in seinem Kahn und ruderte aus Leibeskräften der Stelle zu, wo das Boot umgeschlagen war. 139.20