KLN-fchrrn.

Der Erzbischof von Bamberg und der Bischof von Regensbnrg nehmen den Tadel der diensttuenden Jesuiten des Vatikans wegen ihrer Unterzeichnung des Aufrufs zugunsten eines Grabdenkmals für Schell nicht schweigend hin. Sie suchen ihren Schritt durch folgende gemeinsame Erklärung zu entschuldigen und zu erklären:

Um Mißverständnissen und Verdächtigungen zu be­gegnen, sehen sich die Unterzeichneten veranlaßt, zu er- Nüren:

1. daß sie die theologischen Irtümer Schells in dem Sinne und in der Ausdehnung, in wel­cher dieselben von der Kirche verworfen wurden, gleich­falls verwerfen und bedauern, und sie allzeit ver­worfen und bedauert haben: hieraus haben sie auch nie und niemandem ein Hehl gemacht, ebensowenig darüber, daß die Kirche guten Grund hatte, gegen verschiedene theo­logische Anschauungen Schells vorzugehen und sie zu ver­urteilen ;

2. wenn sie trotzdem ihre Unterschrift zu einer Samm­lung für ein Grabdenkmal Schells gaben und nur von einem Grabdenkmal spricht der Aufruf so taten sie dies in der Ueberzeuguneg und in dem Bewußt­sein, daß dieser Akt der Pietät gegen den zudem in nahe­zu dürftigen Verhältnissen dahingeschiede­nen Freund und Kollegen nach keiner Seite hin Anstoß erregen könne, nachdem ja der Verstorbene seiner­zeit sich dem kirchlichen Urteil unterworfen hatte und im Frieden mit seiner Kirche aus dem Leben geschieden war; in dieser Ueberzeugung bestärkte sie die beim Tode Schells aus den weitesten katholi- schenKreisen bekundete tiefe und aufrichtige Teilnahme, welche in dem Verstorbenen nicht nur den begeisterten Leh­rer und Redner und den edlen, allzeit hilfsbereiten Mann, sondern gerade auch und vor allem den seiner Kirche treu­gebliebenen Katholiken ehren wollte;

3. sie müssen deshalb jeden Versuch, diesem Pietätsakt, an welchem sie sich in diesem Falle selbstverständlich nie beteiligt haben würden, den Sinn und die Bedeutung ir­gendwelchen Demonstrationsaktes gegen die Kirche und ihr Verfahren gegen Schell zu geben, mit aller Ent­schiedenheit zurückweisen.

Bamberg und Regensburg, 23. Juli 1907.

Der Erzbischof von Bamberg.

Der Bischof von Regensburg.

Man muß sich immer wieder gegenwärtig halten, daß der Papst in seinem Commerbriefe diejenigen der Unkenntnis in katholischen Dingen" bezichtigt hatte, die den Aufruf für das Schell-Denkmal unterschrieben hatten. * * *

Wie ist's mit demSchandfleck" ? An die Meld­ung von der Abbitte des Abgeordneten v. Liebert knüpft die MünchenerAllg. Ztg." folgende Bemerkungen:

Wenn der Widerruf des Generals v. Liebert sämt­lichen noch lebenden Mitgliedern der beiden Disziplinar­gerichte gegen Dr. Peters amtlich mitgeteilt worden ist, so geschah dies offenbar zu dem Zwecke von den Be­teiligten zu hören, ob ihnen der Widerruf des Generals v. Liebert genüge. Es muß abgewartet werden, ob die Beteiligten die Erklärung des Generals als eine ausreichende Genugtuung ansehen. Eine Frage für sich dürfte es sein, welcheStellung die Regierung selbst einzunehmen hat, nachdem die noch lebenden damaligen Disziplinarrichter ihrer­seits zu dem Schreiben des Generals sich erklärt haben.

Es ist bemerkenswert, daß selbst ein für Peters höchst begeistertes Blatt die Erklärung des Herrn v. Liebert als eine Sühne für die schwere Beleidigung der beiden Dis- ziplinarhöfe nicht anerkennt. Die noch lebenden Mit­glieder haben sich bisher noch nicht geäußert.

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Die Bewässerung der Kolonien stellt sich zu­nächst nur als eine Studie dar. Der Lokalanz. schreibt nämlich gegenüber den verschiedenartigen Meldungen: Weder handelt es sich um Südostafrika, noch um Teutsch- ostafrika, vielmehr kommt bei dem Unternehmen Deutsch- Südwestasrika, nicht aber die Berliner Handelsge­sellschaft, sondern ein Unternehmen der Allgemeine^ Elektrizitätsgesellschaft in Betracht. Und zwar

soll das neue Unternehmen einstweilen nur eine Stu­diengesellschaft sein. Der Zweck der Studienreise ist die Begutachtung der Frage, ob am Limesfluß, der bei Nauthe eine starke Krümmung nach Süden macht, eine Talsperre eingelegt werden kann. Wäre eine ent­sprechende Eindämmung des Wassers möglich, so ließe sich Land von 10000 Hektar unter Wasser setzen, und für die Landwirtschaft ausnutzen. Industrielle Zwecke stehen nicht in Frage.

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Unruhen in Kamerun. Nach einem Telegramm des stellvertretenden Gouverneurs von Kamerun sind im Bezirk der Residentnr Adamana Unruhen, anschei­nend lokaler Natur, aus geh rochen. Ein Angriff Füllah-Mahdi auf den Residenten von Kamerun, Hauptmann Zimmer mann, welchem eine Kompag­nie der Schutz truppe zur Verfügung steht, wurde er­folgreich abgeschlagen. Hauptmann Zimmer­mann hat sich mit dem Residenten der Tschdaseelände- reien, Oberleutnant Strümpel, zum Zweck gemeinsa­men Vorgehens .in Verbindung gesetzt.

Hages-KyroniL.

Berlin, 27. Jult. Das Berl. Tgbl. bestätigt, daß die Zusammenkunft desZarenmttdem Kaiser am 4. Aug. statifinden wird. Das lenkbare Luft­schiff har heute einen neuen erfolgreichen Ausstieg nach Spandau und zurück unternommen.

Karlsruhe, 29. Juli.. In versch iedenen Blättern ist zu lesen: der Vertreter Haus, Rechtsanwalt Dr. Dietz, forderte wegen Beleidigung im Prozeß den Staatsan­walt Dr. Bleicher zum Zweikamps. Dr. Bleicher soll das Duell abgelehnt haben. Wie dieVolksstimme" er­fährt, ist diese Nachricht falsch. Tatsache sei allerdings, daß Dr. Dietz sich durch die Bemerkung des Staatsanwalts über diesaloppe Verteidigung" verletzt fühlte. Er habe deswegen jedoch nicht zu dem Mittel einer Duellforderung gegriffen, sondern den Fall zunächst dem Ehrenrat der Heidelberger BurschenschaftFranconia" unterbreitet, de­ren alter Herr Dr. Dietz ist.

Bozen, 37. Juli. 33 deutsche Touristen, unter ihnen 5 Damen und 6 Reichsdtutsche, welche einen gemein­samen Ausflug in die deutsche Sprachinsel in Welschtirol unternahmen, wurden von mehreren hun­dert Jrredentisten angegriffen. 17 Männer erlitten Verletzungen, die Damen wurden an gespien. Ein älterer Herr aus Berlin, der wegen Müdigkeit auf einem Maultier ritt, wurde von diesem herabgeriffen und blutig geschlagen. Alle Fenster des Eisenbahnzugs in die sich die Angegriffenen flüchteten, wurden von den Jrredentisten durch Steinwürfe und Revolverschüsse zertrümmert.

Bergen, 27. Juli. Das Wetter wird immer schlechter. Die Reise des deutschen Kaisers nach dem Hardanger Fjord ist ausge geben. D:e Abreise von hwr nach Stagen ist auf heute abend 11 Uhr festgesetzt, von wo sie je nach den Wetterverhälrniffsn direkt nach der Ostsee erfolgt. An Bord ist alles wohl.

Bergen, 28. Juli. Der Kaiser wachte heute der Kaiserin Eugenie einen mehrstündigen Besuch auf ihrer DachtThiostle".

Plozevet, 29. Juli. Hier kam es zu schweren Ausschreitungen, bei heuen der konservative Sena­tor Chanmillard und seine Freunde, die ihn be­gleiteten, verletzt jvnrden. Der Wagen Chanmillards würde zertrümmert. Abends wurden Barrikaden errichtet.

Breftowatz (Serbien), 28. Juli. Während eines Morgenniles des Königs Peter glitt das Pferd beim Passieren einer Brücke aus und stürzte. Der König wurde im Gesicht leutn verletzt, kehne aber zu Pferd ins Schloß zurück. Sem Befinden ist befriedigend.

Madrid, 27.Jult. Der Hauptmann Kindelan, der mtt dem BallonMarra Theresia' einen Ausstieg unternommen hatte, telegraphierte h«we an den äronauttscheu Klub in Madrid, daß er auf hoher See von einem englischen Schiss aufgesischi worden sei und sich wohl befinde.

Söul, 28. Juli. Im ganzen Lande sind längs der Etsenbah'ren Wachen ausgestellt woroen. In allen Teilen von Söul patroullieren Truppen. Unter oe» koreanischen Soldaten sind Unruhen vorgekommen. Poliznbeamte wurden

gestern wieder angegriffen und siebenjapanischeWohn- Häuser wurden zerstört. Sechs Japaner wurden dabei verletz! und eine Anzahl anderer wurde genötigt, in Booten Zuflucht zu nehmen. Der Minister des kaiserlichen Haushaltes und der Siegelbewahrer, die soeben vom Mar­quis Jto ernannt und angewiesen worden sind, eine Reform des Hofes in die Wege zu letten, sind darauf auimerksarn gemacht worden, daß ihre Erner,nungen wtederrufen werden, wer a die Reformen nicht innerhalb 3 Monaten beendet sind.

Tanger, 28. Juli. Die Gerichte von einem zwischen den MahaÜa und den feindlichen Stämmen stattgehabren Kampfe sind richtig. Kriegsminister Gebbas hat Nachrichten erhallen, daß die Mahalla Gefangene machte und daß der Feind beträchtliche Verluste erlitt, doch habe man weder von Raisuli noch von Mae'ean irgend eine Nachricht.

Das jungeMädchen, das in der Nähe von Holz- kirchen aus die Gattin eines Münchner Privatiers ei­nen Mordversuch ausführte, konnte in Miesbach verhaftet werden. Die Täterin ist eine Näherin aus München. Ob es sich um einen Raubmord oder Racheakt handelt, steht noch nicht fest.

In München feuerte ein Maurer durch eine of­fenstehende Türe eines, Cafes mehrere Schüsse auf die anwesenden Gäste, durch welche einer der Gäste ge­tötet wurde. Der Täter entleibte sich darauf selbst.

In Pforzheim stürzte sich ein Staatsbeamter aus Karlsruhe, der in eine Irrenanstalt überführt werden sollte, aus dem Fenster des zweiten Stockwerks. Schwer verletzt wurde er ins Krankenhaus überführt.

In Pforzheim unterschlug der 16 Jahre alte Kontorlehrling Theodor Schleich, der in der Scheide­anstalt von Schäfer angestellt ist, 15 300 Mark und ging dann in Begleitung des Lehrlings Fritz Tumulka flüchtig.

Aus Leipzig wird vom 27. berichtet: Als heute Mittag gegen 12 Uhr die Frau des Direktors des 01er- mania-Bades, Wenzel, in Begleitung ihrer drei Kin­der im Connewitz er Holz promenierte, trat ihr in der Nähe der großen Wiese ein Mann mit vorgehaltenem Revolver entgegen und verlangte Geld. Auf ihn Erklärung, daß sie nichts bei sich habe, verlangte er die Uhr. Die 12jährige Tochter der Frau Wenzel war da­vongelaufen, um Hilfe zu holen, und als ein Herr erschien, bedrohte der Mann auch diesen mit dem Revolver, ergriff aber schließlich die Flucht, ohne jemanden zu verletzen. Im Osten der Stadt wurde er gegen 2 Uhr ergriffen. Es ist der 18 Jahre alte Stallschweizer A. W. Bnster aus Groß-Ottersleben. Der Vorgang ist um so auffälliger, als das Connewitzer Holz eine viel begangene Anlage ist.

Die Nachforschungen nach dem offenbar geistes­kranken Menschen in Berlin, der ein kleines Mäd­chen getötet und zwei schwer verwundet hat, haben, trotz­dem sie die ganze Nacht durch ununterbrochen fortgesetzt würden, leider bis jetzt keinen Erfolg gehabt. Man hatte zwar mehrere Personen verhaftet, mußte sie aber wieder freilassen, da sie nach den Aussagen der Kinder nicht das Aussehen des Mörders hatten.

Der Berliner Kinderjäger hat sich ein neues Opfer ausgesucht. Nachmittags wurde die 14jährige Tochter eines Friseurs in die Blumenstraße geschickt, wo sie ihre Großmutter besuchen sollte; sie wurde aus der Treppe des Hauses von einem Unbekannten durch Stiche verletzt. Ter Täter entfloh auf das Geschrei des Kindes hin.

In der Nähe von Spittel (Elsaß), fand man auf den Eisenbahnschienen den zerstückelten Leichnam des Markenkontrolleurs Stadtseld auf. Tie Obduktion der Leiche ergab, daß Stadtfeld einen tödlichen S ch u ß in die linke Hüfte erhalten hatte. Es ist mit Sicherheit ein Verbrechen anzunehmen.

Aus Schaffhausen berichten die Blätter: Ein junger Mann bestellte ein Mädchen, mit dem er Be­kanntschaft hatte. Zu einem Stelldichein auf die Rhein­fallbrücke. Das Mädchen traute der Sache nicht recht und nahm, Unheil ahnend, eine Freundin mit ans die Brücke, wo Auseinandersetzungen erfolgten. Der Bursche versuchte das ihn ^abweisende Mädchen über h§s Gelän­der in den Rheinsturz zu werfen. Dieses aber wehrte sich tapfer und hielt mit Unterstützung der Freundin stand,

Die Komödiantin.

Roman von Oswald Benkendorf. 34

Wahrscheinlich hatte Konstanze die letzten Worte Vera» nicht gehört, denn ohne die alte Frau auch nur eines Blickes zu würdigen, eilte sie an ihr vorbei, dem Ausgange zu und rief, die Tür aufstoßend, der draußen harrenden Thea zu:Komm schnell, zeige mir den nächsten Weg nach dem Schlosse."

Der Mond, dessen fast gefüllte Scheibe sich hinter dichtem Gewölk verborgen, begann sich frei zu machen von den schwärz­lichen Hüllen, trotzdem war es unter den hohen Bäumen recht dunkel. Thea, die auf der Türschwelle gekauert, war erschreckt aufgesprungen und fragte nun ganz verblüfft, ob die Herrin nicht wollt, ob ihr etwas Unangenehmes zugestoßen sei.

Ungeduldig winkte Koustanze mit der Haud:Geh voran, ich folge!"

Aber die Laterne, sie ist brennend in der Krähenhütte zu­rückgeblieben."

Jene . . jene Frau wird sie an sich nehmen."

Schweigend gehorchte Thea nun, doch machte sie sich Gedan­ken über das Worthalten großer Damen, wie egoistisch, sie würde nun heilte abend nicht erfahren, ob der junge Förster Heirats­absichten hege, wie schade.

Und dabei hätte sie seeleuSgern gewußt, was die Alte der Komtesse prophezeit. Gutes schien es eben nicht gewesen zu sein, auch hatten beide so laut mit einander gesprochen, natürlich hatte Thea gehorcht, aber leider nichts zu verstehen vermocht.

Verdrossen schritt sie voran, Konstanze folgte ihr auf dem Fuße, da fühlte sie Plötzlich, wie eine Haud sich auf ihren Arm legte, sie stieß einen leichten Schrei aus, eine Stimme dicht an ihrem Ohr flüsterte:Still, Konstanze, furchten Sie nichts, ich bin es!"

Sie hatte die Stimme erkannt und schauerte fröstelnd zu­sammen.

Thea hatte sich blitzschnell umgewendet.Komtesse, was ist's ?" Verstummend blickte sie nach der hohen Gestalt des Hauptmanns hin, auch sie erkannte nun Ernst Kindler.

Dieser wandte sich zu ihr und sagte in befehlendem Tone: Gehen Sie voran und warten Sie im Garten an den Stu­fe» der Terrasse, ich werde die Komtesse selbst dahin geleiten."

Zögernd blickte Thea nach der Herrin, die gleichfalls in be­fehlendem Tone, kurz zu ihr sagte:Du bleibst!"

Doch Ernst neigte sich zu Konstanze und sagte in italienischer Sprache, scheinbar ganz ruhig und höflich:Sie werden sich meinen Anordnungen fügen und das Mädchen entlassen; denn ich habe über Wichtiges mit Ihnen zu reden, da ich unfreiwilli­ger Zeuge Ihrer Unterredung mit.. Ihrer Mutter war."

Was Konstanze bei der Eröffnung, die ihr übrigens nicht ganz unerwartet kam, seit der Begegnung mit Kindler empfand, kam nicht zum Ausdruck, nur ihre zuweilen so melodische Stimme klang heiser, als sie zu Thea gewendet, sprach:Ja, es ist besser, daß Du voran gehst, man könnte die Tür des Gartensaals schlie­ßen, sorge dafür, daß ich sie offen finde."

Konstanze," begann nun Ernst als Thea nicht mehr inHör- weite war, mit vor Erregung bebender Stimme,das Schick­sal, welches mir so lange feindlich mein Glück verweigert, hat Erbarmen mit mir gehabt. Im Augenblick, wo ich alles ver­loren gewähnt, läßt es mich zum Mitwisser eines Geheimnisses werden, das mich zumHerrn der Situation macht."

Wie soll ich das verstehen?"

Ganz einfach so, daß Du die Meine wirst und Dein Ver­löbnis mit jenem Halbnarren lösest."

Das wagen Sie mir vorzuschlagen?"

Rege Dich nicht unnütz auf Kind, auch ich will die Sache und unsere Lage ganz ruhig klarstellen Ich könnte Dir eine recht artige Rührkomödie Vorspielen, vielleicht wäre das nicht einmal Lüge; denn ich liebe Dich Mädchen!

Aber lassen wir die persönlichen Gefühle beiseite. Ich bin im Besitze Deines Geheimnisses und das gibt mir Macht über Dich. Welch' ein Tor wäre ich, die günstige Wendung nicht aus­zunützen ! Morgen wirst Du Deinem Pseudo-Bater Mitteilung davoumachen,daßDuDich außer stände fühlst, Deinen Vetter Kurt zu heiraten, weil Du zufällig erfahren, daß der Mannes« stamm der Bentheims die unangenehme Eigenart besitzt, nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres überzuschnappen, re­spektive in diesem Zustande physischer und moralischer Unzurech- nnngsfähigkeit der jeweiligen besseren Hälfte nach dem Leben zu trachten. Wenn Du noch hinzufügst, daß Du mich, Ernst Kind- ler, leidenschaftlich geliebt hast und diese Neigung bisher heroisch unterdrücktest, wird Graf Wilmenan es ganz in der Ordnung finden, daß sein Goldtöchterchen mit besagtem Ernst Kindler vorläufig den Schauplatz der ersten Hochzeitsfeier verlassen hat, um..

Sie wollen mich mit Gewalt von hier fortführen?" brachte Konstanze zitternd hervor, dann riß sie ihren Arm los, den der Hauptmann unter den seinen gezogen, ehe er es zu hindern ver­mochte, und floh, einem gescheuchten Reh gleich, von ihm fort, in ihrer Erregung nicht darauf achtend, daß sie einen falschen Weg eingeschlagen und in entgegengesetzter Richtung vom Schlosse dem Teiche zueilte.

Kindler hatte das sofort bemerkt und sein Opfer fest im Auge behaltend, welches ihm das jetzt klare Mondlicht ermög­lichte, folgte er der Flüchtigen mit gleichmäßig schnellen Schrit­ten und hatte sie fast erreicht, als Konstanze sich, mit keuchen­der Brust ganz erschöpft an den Stamm einer breitästigen Ka­stanie lehnte und erschreckt auf den Wasserspiegel starrte, den das Gebüsch ihr bisher verborgen. Jetzt wußte auch sie, daß sie irre gegangen, doch trotzig erhob sie das Haupt, von dem das verhüllende Tuch geglitten, und blickte so zu dem sich nähern­den Manne ans, der wie in ihr Anschauen vertieft, ruhig ihr ge­genüber stehen geblieben ivar.

Endlich sagte er mit tiefer, vor Erregung bebender Stimme: Koustanze, ich liebe Dich, seimein!"

Sie schüttelte heftig verneinend das Haupt.

So liebst Du Kurt?"

Ich achte ihn, er ist mir sympathisch, ich weiß, daß ich glück­lich mit ihm sein werde"

Nie wirst Du das, ich würde es verhindern, indem ich die Wahrheit enthüllte, und wahrlich, Kurt denkt nicht groß genug, um Vera Tornelli, um der Tochter des in Boston gehängten Diebes die Treue zu halten."

Das sind Erfindungen jenes habsüchtigen Weibes."

Belüge nicht mich und Dich selbst, Konstanze, im inneren Herzen glaubst Du, daß Deine Mutter die Wahrheit gesprochen. Sieh, wir drei, die wir um das Geheimnis wissen, müssen zu­sammenstehen, leuchtet Dir das nicht ein?"

Lieber stürbe ich," rief Konstanze außer sich,oder tötete Dich und jene, ehe ich in so schmachvoller Unterwürfigkeit, einer Gefangenen gleich, inein Leben verbrächte. Abhängig von dem guten Willen der Mitwisser eines entehrenden Geheimnisses,-selbst eine Betrügerin . . mit Betrügern im Bunde! Nein, Ernst Kmd- ler, ich verachte Sie nur um so tiefer, weil Ihnen auch das ver­werflichste Mittel recht ist, Ihr Ziel zu erreichen." 139.20