WürIL. Landtag.
Stuttgart, 6. Juli.
Präs. Payer eröffnet die 51. Sitzung um 91/4 Uhr. Am Regierungstisch: Ministerpräsident v. Weizsäcker und Staatsrat v. Balz. Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der Beratung des
Etats der Eisenbahnen.
Zunächst werden an Stelle der Abgg. Kloß und v. Balz die Abgg. Baumann (D. P.) und Fischer (Soz.) in die Finanzkommission gewählt.
Berichterstatter Dr. v. Kiene beantragt, die Einnahmen aus dem Personen- und Gepäckverkehr auf Mark 25 000 000 (plus 800 000 Mark) bezw. 25 800 000 Mark (plus 750 000 Mark) festzusetzen und tritt für folgende Resolution ein:
Die K. Regierung zu ersuchen, die Benützung der Landeskarten in derselben Zeitdauer zuzulassen, in welcher in Baden die Benützung der Kilometerhefte zugelassen ist.
Ferner sollen sämtliche mit der Bitte um Erhaltung der Landeskarte eingekommenen Eingaben für erledigt erklärt werden.
Abg. Tauscher (Soz.) bringt einige Fahrplanwünsche vor.
Dr. Nübling (BK.) tritt im Interesse der mittleren und kleineren Geschäftsleute für die Erhaltung der Landeskarte ein. Ueber eine berechtigte Eigentümlichkeit des Landes sollte man nicht einfach zur Tagesordnung Wergehen. Die Monatskarten sollten auch für die 4. Klasse eingeführt werden. Auch der feldmarschmäßig ausgerüstete Soldat gehört wegen seines umfangreichen Gepäcks in die 4. Klasse.
Ministerpräsident v. Weizsäcker: Die Erhaltung der Landeskarte ist nur möglich, wenn wir die Personentarifreform nicht annehmen. Von Interesse ist, daß seit Einführung der 4. Klasse im Oktober v. Js. der Verkauf von Landeskarten in außerordentlichem Maße zurückgegangen ist, nämlich im Dez. um 250, Februar um 260, März 928 und Mai 392.
Hildenbrand (Soz.) wendet sich gegen Nübling. Die lästigen Passagiere seien nicht in der 3. Klasse gewesen, sondern in der 1. Klasse, die sich nie rentiert habe.
Ministerpräsident v. Weizsäcker bemerkt gegenüber dem Vorredner, der unsere Situation infolge der Personentarifreform als beschämend bezeichnet hatte, nach seiner objektiven Abwägung der verschiedenen Verhältnisse sei er der Ansicht, daß Preußen bei der Tarifreform auf mehr verzichtet habe als wir.
Graf (Ztr.) begründet den Antrag:
Die Kammer wolle beschließen: soweit dies vicht von Reichswegen geschieht, die K. Staatsregierung zu ersuchen, den zur Ernte beurlaubten Soldaten auf den württ. Staatsbahnen freieEisenbahn- fahrt zu gewähren.
Ministerpräsident v. Weizsäcker: Der Bundesrat habe sich aus finanziellen Gründen gegen eine solche Freifahrt erklärt. Die Militärverwaltung werde den Ausfall der Eisenbahnverwaltung nicht decken wollen.
Dr. Hieber (D. P.) bemängelt die Fassung des Antrags.
Gröber (Ztr.): Wenn der Bundesrat nicht darauf eingehe, müßten wir von uns aus Vorgehen. Württemberg sollte dem Reich mit gutem Beispiel vorangehen.
Speth (Ztr.) wünscht bessere Wagen für das Allgäu. Einen O-Zug-Wagen habe er oberhalb von Aulendorf noch nicht gesehen. (Heiterkeit).
Geheimrat v. Balz ist bereit zur Abhilfe, wenn wirklich ein Mißstand besteht.
Hildenbrand (Soz.) beantragt freie Fahrt nur von der Garnison und umgekehrt.
Die Kommissionsanträge werden angenommen, ebenso der Antrag des Zentrums mit der von Hildenbrand beantragten Einschaltung. Die Einnahmen aus dem Güterverkehr werden um 1370 000 Mk. bezw. um 1310 000 Mark erhöht.
Auf einen Antrag Keilbach (Ztr.), der Frachtermäßigung, wie sie für Saatgetreide rc. besteht, auch für Kunstdünger und Kraftfuttermittel wünscht, erwidert
Die Komödiantin.
Roman von Oswald Benkendorf. 17
Damals hatte sein Anblick sie tief erschreckt, leichenblaß mit sprühenden Ange», die Züge deS schönen Gesichts verzerrt vor zriinmer Wut, auf der linken Wange ein flammendes Mal, das lue Faust des Nebenbuhlers ihm aufgedrückt.
Doch mit der Zeit war dieser häßliche Eindruck verwischt worden, die Ereignisse hatten sich ja überstürzt; denn wenige Lage nach dieser peinlichen Szene war Graf Wilmenan nach Berlin gekommen und hatte die wieder gefundene Tochter sogleich mit sich genommen, die Schwester» Hagenbach hatten in ihrem eigenen Interesse über den ärgerlichen Auftritt geschlungen, ein Gleiches tat Konstanze, doch teilte sie dem Prinzen in einem längeren nach Rom gerichteten Briefe de» Umschwung in ihren Lebensverhältnisseu mit und bat ihn, ihr nach Venedig zu schreiben
In der Tat erhob Konstauze dort am Tage vor ihrer Ab- reise ein Schreiben Stesauis, es enthielt einen Glückwunsch und ein Lebewohl, er hatte sie also anfgegeben Nun, in ihrer jetzigen Lage konnte sie eher diesen Verlust verschmerzen.
Und jetzt nach Monaten, war ihr Klarheit geworden, die Gründe betreffend, welche Stefani zur Resignation gezwungen. Das Dunkel war schrecklich erhellt worden durch den roten Lichtschein der Todesfackel, armer Knabe, nnd ivie sehr hatte die Mutter ihn geliebt.
Es war Konstauze, als fühle sie auf ihrer Stirn, ihren Wangen, die brennenden Tränen dieser unglücklichen Frau, sie fuhr jäh empor und blickte scheu um sich, Torheit, die Fürstin Stefanie ahnte ja den Zusammenhang nicht, hatte nie von ihr gehört, kannte ihren Namen nicht und konnte sie auch nicht verwünschen. Erleichtert atmete sie auf; wie die meisten Italienerinnen war Konstauze abergläubisch, und Mutterfluch bringt ja schweres Unheil."
Gleich nach beendeter Mahlzeit, als die Herren sich ins Spielzimmer begaben, suchte Sidvnie Bentheim ihre Nichte auf.
Kurt erwartete voll Unruhe die Rückkunft der Mutter, sie brachte tröstlichen Bescheid. Jedenfalls erging eS Konstauze besser; denn sie war sanft eingeschlummert.
„Gottlob!" rief Kurt, leidenschaftlich bewegt, „ich habe mich schon in Unruhe und Sorge verzehrt! Meine Liebe zu Kon-
der Ministerpräsident, daß dieser Antrag gegenüber den bestehenden Verhältnissen eine Verschlechterung bringen würde.
Der Abg. Betz (Vp.) will in diesen Antrag auch die Mittel fürReblansbekämpfung eingeschaltet wissen und stellt einen entsprechenden Zusatzantrag.
Auf das Eintreten des Abg. Käß (Vp.) für Gratisbeförderung der Soldaten erklärt der Ministerpräsident, daß er die Sache untersuchen werde und auf eine Bemerkung des Abg. Keil (Soz.), daß die Eisenbahnverwaltung auf einen Streik abzielende Bestrebungen nicht dulden könne. Vom Bauernbund wird ein Antrag eingebracht, eine Frachtermäßigung für Kunstdünger, Kraftfutter und zur Bekünrpfung von Pflanzenkrankheiten geeignete Mittel in Erwägung zu ziehen.
Keilbach (Ztr.) sagt unter anderem, ein Sozialdemokrat habe ausgeführt, „wenn in zwei Jahren die ganze Landwirtschaft kaput sei, so könne ihn das nur freuen. (Erregte Zurufe). Dies sagte Kautsky auf dem Parteitag in Breslau. Redner wünscht in Abänderung seines Antrags nur noch Frachtermäßigung für Kunstdünger und Kraftfuttermittel. Von der Deutschen Partei wird die Zustimmung zu dem Antrag des Bauernbundes erklärt. Die Anträge Keilbach und Betz werden angenommen. Im weiteren Verlauf der Debatte muß der Präsident um Rücksicht auf die Geschäftslage bei den vielen Petitionen nachsuchen.
Hierauf erstattet Dr. v. Kieste den Kommissionsbericht. Nach längeren Erörterungen wird der Einreihung der Kanzlei sekretäre unter die Ka- tegoriederEisenbahnsekretäre zugestimmt. Eine Bitte der Beamten vom niederen Dienst um Verbesserung der Gehaltsverhältnisse wird der Regierung zur Berücksichtigung, der übrige Teil der Petition zur Erwägung übergeben. Die Schaffung einer Gehaltsstufe von 2800 Mark für Kanzleiassistenten soll tzur Berücksichtigung, die Bitte der Stationskassierer rc. betr. Mietzinsentschädigung zur Kenntnisnahme überwiesen werden. Im weiteren Verlaufe der Sitzung wird beschlossen, Berücksichtigung der Bitte der Zugführer betr. einheitliche Regelung des Besoldungsdienstalters, der Lokomotivführer um Kürzung des Gehaltsaufsteigetarifs, der Hilfsbremser um Vermehrung der etatmäßigen Bremserstellen, der Güterschaffner rc. um Erhöhung des Endgehalts, der Hilsslokomotivsührer um Pensionsberechtigung ihrer Zulage, der Lokomotivheizer 2. Klasse um Erhöhung des Höchstgehalts, Erwägung wird beschlossen zur Bitte der Schaffner um Verbesserung der Gehaltsverhältnisse, der Hilfsschafsner, um Verbesserung ihrer Anstellungsverhältnisse, der Lokomotivheizer 1. Klasse und der -Anwärter um Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage. Es wird weiter beschlossen: Erwägung zur Bitte der Oberbahnwärter um Verbesserung ihrer Verhältnisse; Berücksichtigung zur Bitte der Weichen- und Stationswärter um Erhöhung des Endgehalts; Berücksichtigung zur Bitte der Bahnwärter um Schaffung einer Höchstgehaltsstufe von 1100 Mark; Berücksichtigung zur Bitte der Stationsdiener um Erhöhung des Endgehalts; Erwägung zur Bitte der Güterboden-, Bauamts- und Stationsarbeiter um Einführung der 9stündigen Arbeitszeit und sonstige Verbesserung der Arbeitsverhältnisse; Genehmigung der durch die neue Bahnordnung für Eisenbahnarbeiter sich ergebenden Ueberschreitung des Etatsatzes.
Keil (Soz.) beantragt bezüglich der Güterbodenarbeiter Berücksichtigung.
Ministerpräsident v. Weizsäcker betont gegenüber dem Vorredner: -wir können ein Streikunternehmen in unserem ' Arbeiterpersonal nicht vertragen. Dem widerspricht das öffentliche Wohl. (Sehr richtig!) Ich habe die Pflicht, die Vorschriften des Beamtengesetzes aufrechtzuerhalten und werde diese Pflicht erfüllen, solange ich die Ehre habe, an dieser Stelle zu stehen. Wenn der südd. Eisenbahnerverband an einen Streik nicht denke, so könne er das nur begrüßen. (Bravo!)
Die Wg. Hieber und Schrempf erklären sich mit der Erklärung des Ministers einverstanden.
s Der Antrag Keil wird abgelehnt.
' Ein Antrag betr. Umwandlung des als ersparnis
stanze ist so stark und mächtig, daß schon der Gedanke, sie leidend zu wissen, mich foltert. . ihr Verlust würde mich töten!"
Erblassend trat die Gräfin zurück, dann sagte sie mit sanftem Vorwurf: „Nie hätte ich erwartet, so törichte Worte aus dem Munde meines ernsten, verständigen Sohnes zu vernehmen. Hat die Fremde uns ganz Dein Herz geraubt, sind wir Dir nichts mehr?"
Kurt lehnte seine heiße Stirn an der Mutter Schulter, wie er stets als Knabe getan und flüsterte zärtlich: „Verzeihemir, Mutter, verzeihe Du, Edle, Gute, aber ich liebe Konstanze so sehr!"
* *
*
Am nächsten Morgen hatte Konstanze, trotzdem sie eine unruhige Nacht verbracht, sich doch schon so weit gefaßt, daß sie den Besuch ihres Vaters empfange» und ihm mit erkünstelter Heiterkeit eiitgegenzntrxten vermochte.
Graf Erich, den die plötzliche Erkrankung der Tochter erschreckt, gab dem Gefühl der Baterliebe offener Ausdruck als gewöhnlich und war voll zärtlicher Sorge.
Einen Augenblick war Konstanze versucht, ihm alles zu bekennen und seinen Schutz zu begehren, Ernst Kindler betreffend. Jedenfalls wäre dies das einzig Richtige in ihrer Lage gewesen, doch ihrem Stolze erschien eine solche Demütigung unerträglich. Der Hang zur Jntrigue, das Versteckte in ihrem Charakter, ließ sie zudem den graben Weg meiden.
Wenn sie Kindler zeigte, daß seine Drohungen sie nicht einzuschüchtern vermochten, würde er sich zuletzt zurückziehen. Was konnte er ihr denn auch schaden?
Eine Indiskretion, Kurt gegenüber, märe eines Ehrenmannes unwürdig und müßte den Hanptmaun Kindler in der Gesellschaft unmöglich machen. Im übrigen hatte Ernst wohl mehr Grund, über jenen Auftritt im Theatersaal Schweigen zu bewahren ; denn das Geheimnis des amerikanischen Duells wäre alsdann unschwer erraten worden.
So war denn auch das Bemühen der Gräfin Sidonie, von der Nichte zu erfahren, mit wem dieselbe im Korridor gesprochen, vereitelt worden; denn Konstanze gab ausweichende Antworten.
Dies bestärkte übrigens Sidonie noch mehr in ihrem Verdacht und sie richtete noch an demselben Tage ein Schreiben an Dietrich Möllenhard, in welchem sieden bewährten Freund
. fähig betrachteten Teils der Fahrgebühren in feste Be- n züge wird angenommen. Die Eingabe des Bürgervereins Ebingen in Sachen der Erweiterung des Güterbahnhofs daselbst wird der Regierung zur Kenntnisnahme mitgeteilt.
Ein Antrag v. Kiene betr. vollständige oder teilweise Aufhebung der Beiträge der Arbeiter zur Zuschußkasse der Invalidenversicherung der Angehörigen der Verkehrsanstalten werden der Regierung zur Erwägung übergeben. Angenommen wird ferner ein Antrag des Berichterstatters, wonach die Ausgaben sich erhöhen insgesamt von 52 569110 auf 54 269 210 Mark bezw. von 54 324 850 Mark auf 56 014 850 Mark. Da die Einnahmen 73 815 000 Mark bezw. 75 730 000 Mark betragen, verbleibt ein Ueberschuß von 19 545 790 Mark bezw. 19 715150 Mark. Davon entfallen zur laufenden Verwaltung je 18 380 000 Mark, zum Eisenbahnreservefonds 1165 790 Mark bezw. 1335150 Mark. Desgleichen wird nach kurzen Bemerkungen des Abg. Betz (Vp.) der Kommissionsantrag zu Tit. 32, nach dem die Einnahmen pro 1907 auf 53 969 000 Mark nnd Pro 1908 auf 55 714 850 Mark erhöht werden, sodaß sich ein Einnahmeüberschuß ergibt für 1907 von 19 845 790 Mark und für 1908 von 20 651550 Mark und dem Reservefonds zugeführt werden können pr. 1907 1 765 790 Mark und pro 1908 1735150 Mark, angenommen. Zu Tit. 33 wird der Kommissionsantrag angenommen.
Da sich niemand mehr zum Wort gemeldet hat, wird die Sitzung, die 9.15 Morgens begonnen hatte, nach halb 5 Uhr geschlossen.
Die nächste Sitzung wird auf Dienstag den 9. Juli nachmittags 3 Uhr anberaumt mit der Tagesordnung: Anträge der Finanzkommission zum Hauptfinanzetat für 1907—08.
WurrdsÄan.
Wahlrechtsänderuug i« Preuße». Im Gegensatz zu verschiedenen anderen Meldungen schreibt dje Vosst- sche Zeitung: Die preußische Regierung ist zu der vernünftigen Ansicht gelangt, daß das Dretklassen- wahlrecht zu so schweren Mtßständen geführt hat und eine solche Ungerechtigkeit enthält, daß sich eine durchgreifende Aenderung nicht länger vermeiden läßt. Die Vorarbeiten für ein neues Landtagswahlgesetz sind bereits im Gange, wenn sich auch noch nicht absehen läßt, ob der Entwurf schon in der nächsten oder erst in der folgenden Session an das Abgeordnetenhaus gelangt. Schon das grundsätzliche Zugeständnis zur Reform ist ein erfreulicher Erfolg des Liberalismus. — Nach unserer Meinung wird man von einem Erfolg oder Nichterfolg des Liberalismus erst reden können, wenn der Entwurf der Oeffenrlichkeit übergeben ist B'S dahin aber, ist von den Vorarbeiten, „die bereits im Gange sind" in einem Bureaukratenstaat meist ein weiter Weg.
* * *
Novelle zum Viehseuchengesetz. Zu den ersten Vorlagen, welche der neuen Staatssekretär des Reichsamts des Innern dem Reichstage im Herbste zugehen lassen wird, gehört eine Novelle zum Viehseuchengesetz. Sie ist noch unter dem Grafen Posadowsky ausgearbeitet und vom Bundesrat angenommen. Das wesentlich Nene und Charakteristische der Novelle besteht in Bestimmung est, die sich ans die Rindertuberkulose beziehen. Diese ist in dem geltenden Viehseuchengesetz gar nicht berücksichtigt. Außerdem erfährt die Entschädigungspflicht durch die Novelle eine anderweitige Umschreibung. Um dieses Punktes wegen dürfte es, wie dies bereits im Bundesrat der Fall gewesen ist, außer im Reichstage auch noch in verschiedenen Einzellandtagen zu besonderen Auseinandersetzungen kommen.
* * *
Kundgebung der Freimaurer zur Annäherung zwischen Frankreich und Deutschland. Der
Heilbronner Zeitung wird aus Schlucht im Elsaß, telegraphiert: Um die seit 1870 unterbrochene Verb indun gzwischen Fra nkreichundDeutschland wieder aufzunehmen, versammelten sich am Sonntag in Schlucht an der deutsch-französischen Grenze 400 Mit-
ersnchte, wenn irgend möglich, in den Weihnachtsferien nach Wil- menan zu konunen, sie habe Wichtiges mit ihm zu beraten und sei in großer Sorge um Kurt.
Inzwischen schlichen die Tage einförmig nnd langsam dahin. Das Wetter mar schlimm, Schnee, frühe Kälte, wilde Stürme hielten die Besucher fern von Schloß Wilmenan.
Doch auch mit dessen Bewohnern war eine Veränderung vorgegangen Konstanze schien sich seit ihrem Ohnmachtsanfall nicht mehr erhole» zu können, ihre Nerven waren angegriffen, sie hatte schlaflose Nächte, sah bleich ans, aß ohne Appetit und begann zu husten.
Graf Erich und Kurt waren im hohen Grade besorgt um Konstanzes Gesundheit, während Sidonie weniger Gewicht darauf legte, nnd die Nichte voll Mißtrauen beobachtete, da sie ganz richtig schloß, daß deren körperliches Uebelbefinden nur eine Folge der seelischen Verstimmung sei.
DaS Weihnachtsfest stand nahe bevor, in all der Zeit war Hauptmann Kindler, der sonst sehr häufig Gast in Wilmenan gewesen, erst zweimal daselbst erschienen, und Konstanze hatte beide Male unter dem Vorgeben eines Unwohlseins es vermieden, mit Ernst znsammenzntreffen.
Dieser Umstand, weit entfernt, Gräfin Bentheim zu beruht- en, bestätigte sie nur in ihrem Verdachte, daß geheime Bezwungen zwischen Konstanze und dem Hauptmann bestanden
Der Weihnachtsabend solltediesmal ganz besonders festlich gefeiert werden und die Damen des Hauses, mit Ausnahme Konstanzes, waren äußerst beschäftigt.
Franziska hatte eine Anzahl reizender Nadelarbeit-n verfer- tigt, und dann lag es ihr noch ob, die große Tanne, welche der Förster gesandt, aufznpntzen.
In dem Billardzimmer, daS an die Bücherei stieß und im Seitenflügel des Schlosses gelegen war, hatte man, wie alljährlich, den Tannenbaum ausgestellt nnd auch viele der Gaben, noch in den Postkisten verpackt, so wie sie angelangt, waren gleichfalls hier anfbewahrt worden. Da gab es Schachteln mit Königs- berger Marzipan, mit Nürnberger Lebkuchen nnd ans Berlin war eine hohe Banmtorte, wunderhübsch verziert, angekommen
Den Schlüssel zu all diesen Herrlichkeiten hatte Franziska in Verwahrung 139.20