AULdschW.
Rachklänge zum Petersprozetz. Die Peters- klique triumphiert. Sie hat es nicht unterlassen können, eine regelrechte Siegesfeier zu veranstalten, die sich in München in Form einer Abschiedsfeier vollzog. Dabei rühmte General v. Keller namentlich, was Dr. Peters für die Größe Deutschlands getan Habe, und daß der deutsche Patriotismus ihm Dank schulde. Dr. Peters beklagte in einer Besprechung seines Prozesses, daß einem Teil der deutschen Presse das Nationalbewußtsein fehle, was man in England nicht finde. Er sprach gegen Bebel und sagte, die geistigen Urheber des Tuckerbriefes seien ihm wohlbekannt. Er kenne die Leute, die den Tuckerbrief am 12. März 1896 in einem Berliner Kaffeehaus zusammengeschrieben haben und am nächsten Morgen zu Bebel gegangen seien, um ihm das Material zu geben; er kenne das alles. Aber unter Diskretion könne er auch Mitteilen, daß einer der beiden seine Kenntnisse der Sache für 10000 Mark verkaufen wollte. Er glaube, daß man in der nächsten Zeit viel über den Tuckerbrief zu hören bekommen werde und er habe das Gefühl, daß noch der eine oder der andere kompromittiert wird, der heute noch ganz ruhig zu Bette ging-
Merkwürdigerweise hat Dr. Peters derartige Bemerkungen während den Verhandlungen nicht gemacht, obschon sie ihm dort hätten nützlich sein können. Oder hat Oberst Gädke doch recht, der vor einigen Tagen im B. T. schrieb: „Unter den unerfreulichen Eigenschaften, die dem Dr. Peters anhaften, ist die Renommiersucht eine der unerfreulichsten." Im Uebrigen ist der „Teil der Presse", dem nach Peters das „Nationalbewußtsein" abgeht, auch heute noch so frei, seine Meinung über Herrn Dr. Peters zu sagen. In längeren Ausführungen kommt die Fr. Ztg. auf den Prozeß zurück und faßt am Schlüsse ihrer Darlegungen den Tatbestand dahin zusammen: Peters hatte, als er 1891 auf der Kilimandscharostation war, vom Häuptling Malamia einige Weiber „geschenkt" erhalten, von denen er eine an Pechmann weitergab. Bald danach waren einige Diebstähle in der Proviantkammer vorgekommen. Da der Dieb nicht entdeckt wurde und die schwarzen Diener ihn nicht angaben, wurden 15 Schwarze ausgepeitscht. Schließlich glaubte man in dem Diener Mabruk den Dieb einiger Zigaretten gefunden zu haben, und da er vorher nichts gestanden hatte, verurteilte man ihn zum Tode, wobei eingestandenermaßen der Umstand wesentlich mitsprach, daß er sich mit einem der Weiber eingelassen, den weißen Herren also geschlechtliche Konkurrenz gemacht hatte. Kurz nachher entliefen die geschenkten Weiber, sie wurden von Malamia mit Gewalt zurückgeholt und grausam gepeitscht. Die Jagodja, Peters Konkubine, erhielt wegen angeblicher Konspiration längere Kettenstrafe, wurde aufs grausamste behandelt, bis aufs Blut gepeitscht, und als sie schließlich floh und wieder ergriffen wurde, zum Tode verurteilt und aufgehängt. Sowohl für die „Konspiration" der Jagodja wie für den Diebstahl des Mabruk wurde ein schlüssiger Beweis nicht geführt. Und auf Grund dieser Taten, über die Peters dem Gouverneur einen zum Teil falschen Bericht sandte, erfolgte seine Dienstentlassung mit der Begründung: „Man könne nicht zugeben, daß Wider Recht und Anstand in Afrika andere Anschauungen als in Europa maßgebend werden dürften." Und das «wagte Peters in München unverfroren als naive Expektorationen zu kennzeichnen!
Trotz dieser Vorkommnisse denken manche Leute in allem Ernste daran, Peters zu rehabilitieren. Sie feiern ihn förmlich als einen Heros, werden damit aber nur bewirken, daß man an das Gegenstück, den Herostratus, denkt. Sie entschuldigen alles mit den Zuständen in Afrika, mit der Grausamkeit und dem Kulturniveau der Neger. Alberne Ausreden! Wenn unsere Kolonialpolitik dahin führen sollte, daß unsere Kulturanschauungen mit Füßen getreten werden, dann wäre es besser, wir hätten sie gar- nicht erst begonnen. Bei den Vorgängen am Kilimandscharo reiht sich eine Schuld an die andere. Die ganze Gerichtsprozedur war nicht ernst zu nehmen, die Mittel zur Erpressung von Geständnissen waren strafbar, die gewaltsame Zurückbehaltung der Mädchen war rechtswidrig,
und ihre ganze Behandlung ist gleichbedeutend mit der Behandlung von Sklaven. Peters und seine Genossen haben sich gegen Recht und Kultur aufs schwerste vergangen. Ein Versuch, sie zu rehabilitieren u. Hern: Peters wieder für die Kolonialpolitik zu verwenden, würde die Enrpörung der gesamten gesitteten Welt Hervorrufen.
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Aus der Aera des Herrn v. Studt. Der Berliner Verein für Feuerbestattung ist dieser Tage in das Bereinsregister eingetragen worden. Das Organ der Feuerbestattungsvereine „Die Flamme" erinnert bei dieser Gelegenheit daran, daß der gewesene Kultusminister Dr. v. Studt sich, was ihm durchaus ähnlich sieht, seinerzeit in einem Erlaß an die Regierungspräsidenten sehr entschieden gegen die Eintragung von Feuerbestattungsvereinen in das Vereinsregister ausgesprochen hat. Das Oberverwaltungsgericht stellte sich im Gegensatz dazu auf den Standpunkt, daß anch Feuerbestattungsvereinen, wenn im übrigen dis gesetzlichen Vorbedingungen erfüllt find, die Eintragung in das Vereinsregister nicht versagt werden kann. In der Tat ist auch von keiner Seite aus nur der Versuch gemacht worden, gegen die Eintragung des Berliner Feuerbestattungsvereins Einspruch zu erheben. Das Blatt schließt daraus, daß der vielumstrittene Studtsche Erlaß in aller Stille zurückgezogen worden sein muß. Hoffentlich folgt der Bremserlaß bald nach. „Erhebungen" über dessen Wirkung hat der Nachfolger Studts bereits anstellen lassen.
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Ein demokratisches Aktionsprogramm. Der
Unlängst verstorbenes, ehemalige badisch Minister, Freiherr v. Roggenbach hat in einem Brief an einen jüngeren politischen Freund wahrhaft goldene Worte niedergelegt. Der Brief lautet: „Wir haben im Reiche drei Elemente, welche einer normalen politischen Entwicklung fast unüberwindliche Hindernisse in den Weg stellen. Diese sind in erster Reihe die Prätention des persönlichen Regiments der preußischen Krone, welche dieselben unter dem trügerischen Schleier einer Verfassung und eines gefälschten unwahren konstitutionellen Regierungsapparates festhält. Diese Prätention schließt die Verantwortung und damit die Charakterbildung politischer Minister von fester, eigener, mit mächtigen Parteien geteilter UeberzeUgung aus. Ist aber diese Betätigung einer ministeriellen UeberzeUgung nicht möglich, so fällt für die parlamentarischen Parteien, welche die gleiche UeberzeUgung teilen, und den verantwortlichen Minister mit ihrem Votum stützen, jede eigene Verantwortung weg, und deren parlamentarische Tätigkett sinkt auf das Niveau müßigen Geredes, -von «dem gesagt "werden muß, die Lust hat es erschüttert, sonst nichts gerichtet. Wer aber befreit uns von dieser Prätention des persönlichen Regiments in Preußen, welches verhängnisvoll in auswärtiger Politik auch ins sogenannte „Reich" übergreift?
Das zweite Element der H emmung einer gedeihlichen Nationalentwicklung ist das in Preußen übermächtige Vorherrschen der vstelbischen Junker, die keine Staats- und National-, sondern nur eigene Interessen kennen. Diese Partei könnte mit Hilfe eines intelligenten, selbstbewußten Bürgertums unter Mitwirkung einer weitsichtigen Regierung staatlichen Zielen dienstbar gemacht werden. Statt dessen ist es der dermaligen Staatsleitung gelungen, durch Anreizung ihrer Sonderinteressen die Massen der Industriellen und die Interessenten des Handels und der Schiffahrt in ein verhängnisvolles Bündnis mit den agrarischen Egoisten zu verstricken. Wer löst dieses auf das persönliche Regiment der Krone, durA den Rückhalt der militärischen Kreise gestützte Bündnis? Das dritte Element, welches drohend das deutsche Staatsleben und das Gedeihen des Reiches gefährdet, ist das durch den Kulturkampf gefestigte Zentrum, welches durch die gegenwärtige Staatsleitung immer neue Huldigungen erfährt. Wer befreit Deutslchand von dieser causa dirimens künftiger deutscher Größe und Sicherheit?
Die Antwort auf diese drei Fragen kann nur lauten: „Die liberale Partei der Zukunft!" Danach allein kann sich deren Programm bestimmen. Es muß enthalten: 1. Kampf gegen das persönliche Regiment und die darauf gerichtete Prätention der Krone. 2. Rück
führung der Wirtschaftspolitik von dem Hochschutzzollsystem zu möglichster Annäherung an sinkende Zölle mit Aus- nahtne weniger Fiskalzölle, dabei Ungleich wirksamere Maßregeln auf dem sozialen Gebiete. 3. Ausschaltung der konfessionellen Konflikte aus dem Staatsleben durch möglichst weitgehende Trennung der Gebiete, zu beginnen mit der Schule. Nur auf solcher Grundlage kann es gelingen, die liberale Partei zu rekonstruieren und Massen dafür zu erwärmen. Die Anziehung der revisionistischen Partei der Sozialdemokratie verzieht sich dann von selbst. Nicht minder ist es keineswegs aussichtslos, daß nicht ein starker Prozentsatz des Zentrums allmählich einer derartig fundierten liberalen Partei wieder zugeführt wird, wie es vor 1870 war, als die katholische Fraktion des preußischen Abgeordnetenhauses nur 25 Mitglieder zählte.
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Das deutsche Kaiserpaar ist zu einem Besuch der
dänischen Königsfamilie am Mittwoch in Kopenhagen eingetroffen. Der König und die Königin sowie oas Kronprinzenpaar begäben sich zur Begrüßung an Bord der „Hohenzollern". Nach erfolgter Landung fuhren die Herrschaften mittels Wagen nach. Fredensborg. — Tie dänischen Blätter bringen herzliche Begrüßungsartikel, in denen die freundschaftlichen Gefühle hervorgehoben werden, welche Kaiser Wilhelm immer für das dänische Königshaus und das dänische Volk gezeigt habe.
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Das Mädchen für Alles. Daß der Soldat, wenn er Bursche ist, zu Hause die Kinder hüten oder auf dem Markt Rettig und Gurken einkaufen muß, ist schon oft unwiderlegt behauptet worden. Neuerdings hat man auch davon gehört, daß sogar die Herren Offiziere des vielgeplagten Militärstandes zum — Tanzen befohlen werden können und nun kommt eine Nachricht — natürlich aus Berlin — na'ch welcher die Herren Unteroffiziere zum — Couponschneiden herangezogen werden- Gewiß ist dieses Geschäft ein sehr angenehmes, aber doch weit weniger, wenn die Coupons dem Schnipfler nicht gehören, und das ist hier der Fall. Da nämlich die Reichsbank zur Zeit ungefähr 3hs Milliarden Wertpapiere zum verwalten hat, so werden an den QUartalsabfchnitten Unteroffiziere als Hilfskräfte zum Abschneiden der Coupons herangezogen. Der Unteroffiziermangel scheint also nicht so groß zu sein, als er in der Regel hingestellt wird. Hoffentlich leidet unter der neuen militärischen Beschäftigungsart der Parademarsch uicht not!
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Der Nationalverein im Norden. Die Voss. Ztg. schreibt: Die Ueb ertrag nng des National- Vereins auf Norddeutschland dürfte als gescheitert angesehen werden. Voraussetzung dafür war, daß die Führer der drei freisinnigen Gruppen in den Vorstand des National-Bereins eintreten sollten. Nachdem jedoch von seiten der Deutschen Volkspartei der Eintritt ihrer parlamentarischen Vertrauensmänner in den Vorstand des National-Vereins abgelehnt worden ist, dürften die Organisationen der beiden anderen Freisinnigen Gruppen ebenfalls schwerlich geneigt sein, ihre führenden Parlamentarier in den Vorstand des Vereins zu delegieren.
T ageZ-sKrouiL
Mannheim, 3. Juli. Eine Versammlung von Vertretern her Nationalliberalen, Jungliberalen, Freisinnigen, Nationalfozialen und Demokraten entwarf gestern die sich an das Frankfurter Mindestprogramm anlehnenden programmatischen Richtlinien für die im Reichstagswahlkreis Mannheim zu gründenden interfraktionellen gemeinschaftlich- liberalen Volksvereine. Die endgültige redaktionelle Fassung wurde einer weiteren Sitzung Vorbehalten.
München, 3. Juli. Der demokratische Gemeinoebe- vollmächtigte Rechtsanwalt Dr .Henrich hat einen Ruf des Allgemeinen deutschen Versicherungsvereins als juristischer Berater erhalten und wird am 8. Juli nach Stuttgart übersiedeln.
Aie Komödiantin.
Roman von Oswald Benkendorf. 14
„Ein paar Lumpen hatten wir noch aus dem Brande gerettet, die Buben sind eine Razza tüchtiger Akrobaten, dabei verspricht die Sibylla eine Schönheit zu werden. So haben wir eine ganz respektable Gesellschaft bei einander, zudem der gelehrte Esel davongekommen ist und die beiden magere» Mähren, die Zugpferde.
Just heute früh sind wir mit dem grünen Wagen in Mestre angekominen und ich habe nur einen Satz herüber nach Venezia gemacht, urn Dich zu sehen."
„Gut, gut, ich danke Dir; denn da Du weißt, daß ich kein Geld mehr habe, kannst Du den Weg uicht aus Spekulation gemacht haben."
„Sicher nicht, obgleich eS dumm genug von Dir gewesen ist, daß Du das Geld von dem deutschen Grafen ansgeschlagen."
Veras Wangen färbten sich. „Wie, ich hätte das Gnadengeschenk dieses stolzen Deutschen annehmen sollen, das er mir Hin- Warf, wie dem Bettler ein Almosen!"
„Na, nur keinen Größenwahn!" meinte Verdi, die zweite Sardelle in den Mund schiebend und ein Stück des kalten Mais- knchens dazu verspeisend, „das bringt keinen Ruhm, überlegen Wir lieber recht vernünftig, was nun zu tun ist»"'
„Geld muß unbedingt geschasst werden. Du brauchst eS zum Leben und ich zu unserer Künstlerfnhrt; denn Du mußt wißen, Vera, daß ich der Signore Direktor unseres Zirkus geworden bin."
Die Frau zuckte spöttisch die Achseln,aber schwieg. Verdi goß ein GlaS voll und leerte eS auf einen Zug, dann rief er, sich den Mund wischend, plötzlich wie begeistert: „Du mußt Kon- stanze Mitteilung von dem Unglück machen, das uns betroffen, sie kennt ja die Künstlerfamilie Rndini, den Onkel Guido, wie sie ihn genannt, sie wird uns eine Hand voll Goldstücke zuwer- feu und uns ist geholfen "
„Nach der Ehre fragst Du nicht!" Ein Zug von Verachtung legte sich um die schmalen, blutlosen Lippen der Frau und als der Bruder unbewegt den Rest der frugalen Mahlzeit verzehrte, setzte sie hinzu: „UebrigenS wäre das eine nutzlose Demütigung, Konstanze wird vielleicht unsere Briefe unerbrochen zurück- schicken, wie das einst ihr stolzer Vater getan. Nach der Art,
wie sie von mir geschieden ist, steht nichts Besseres zu erwarten."
Verdi bog sich über den Tisch, auf dem Vera die dreiarmige Florentiner Lampe gestellt und der Schwester fest ins Gesicht blickend, fragte er, mit gedämpfter Stimme sprechend: „Verhielt sich die Geschichte denn wirklich so, wie wir dem Deutschen es glauben gemacht haben, ist Konstanze seine Tochter? Mir könntest Du schon die Wahrheit sagen, «Schwester."
Ein Blitz zuckte aus den schwarzen Augen der Signora Vera, und flammende Röte färbte sekundenlang die fahlgelben Wangen. „Maledetto!" schrie sie zornig, „schon wieder diese infamen Verdächtigungen. Glaubst Du, ich werde dem Deutschen mein eigen Fleisch und Blut verschachern? Und solch ein Handel hätte mir anch was Schönes eingebracht. Hab' ich denn sein Geld genommen oder Du?"
„Na, man kann doch fragen," brummte Verdi Tornelli ganz verschüchtert vor sich hm, während Vera das kleine Gemach heftigen Schrittes durchmaß.
Eine schwüle Pause folgte, die erst unterbrochen wurde, als Verdi in schmeichelndem Tone sagte: „Meine Schwester sei gut, ich Hab' ja wenig genug von Dir gewußt, trieb mich immer auf Knnstreisen in der Welt herum, und als ich mal heim kam, warst Du mit der deutschen Komödiantin sortgezogen, die Dich ins Herz geschlossen. Dann haben wir uns wieder jahrelang nicht gesehen, keins wußte von dem anderen, und als ich auf einer Kunstreise nach Venezia kam, war unsere Mutter längst begraben und Dich fand ich mit dem kleinen Mädel nach langem Suchen auf. Ich Hab' Konstanze immer für Deine Tochter gehalten."
„Sie war mir auch teuer wie eine solche," warf Vera düster ein, „nun, ich habe ja auch großen Dank geerntet, für meine jahrelangen Mühen und Sorgen," setzte sie bitter hinzu
„Deine Schuld, Schwester, Du hättest eben das Geld von dem Deutschen annehmen sollen, mag ein nettesSümmchen gewesen sein."
„So, nach all' den Vorwürfen, die er mir gemacht, hätte ich auch noch den Schimpf erdulden sollen, Zahlung für Kost und Kleidung deS Mädchens zu nehme»! Damit die Komtesse Wilmenau nicht zu erröten braucht, daß sie unter dem niederen Dache der Vera Tornelli geschlafen und deren bißchen Ar
mut geteilt, deshalb warf der Graf mir das Geld hin, nicht aus Dankbarkeit, daß ich ihm einsichöues, gesundes und gut erzogenes Mädchen als seine Tochter übergeben. Er hätte Wohl eine andere Weise finden können, mir seine Dankbarkeit zu bezeigen."
„Na, Du solltest doch wissen, daß die großen Herren ihre eigene Art haben, die unsereiner ertragen mnß, voraus gesetzt, daß sie gut zahlen. Aber daS wird sich noch alles nachhvleu lassen, wenn Du nur vernünftig sein willst, Schwester, ich habe da einen vortrefflichen Plan ..."
„Laß hören," sagte Vera, den Bruder mißtrauisch betrachtend.
„Du kannst ganz recht haben, wenn Du meinst, daß Briefe, von Dir an Konstanze oder deren Vater gerichtet, nicht beantwortet würden, die Leute sind stolz und mögen nicht an die Vergangenheit erinnert werden. Man muß ihnen nur zeigen, daß diese Vergangenheit nicht abgetan ist, wie ein altes Gewandstück. Unerwartet muß man ihnen entgegentreten, ihnen angst machen, daß ein Geklätsch entsteht über die Beziehungen der Kontessina zu den Saltimbanchi, das wird ziehen, und deshalb will ich mit »reiner Gesellschaft eine Kunstreise unternehmen nach Deutschland, Hab' das schon lange gewollt In Wilmenau und Umgegend wird auch Rast gehalten, dann wird sich's zeigen, ob der deutsche Graf den Säckel nicht weit anfmachen wird, um die welschen Künstler los zu werden, meiner Treu."
Verdi Tornelli hatte eine heftige Entgegnung erwartet und war daher erstaunt, daß die Schwester in Gedanken versunken, still vor sich hinblickie.
Endlich erhob sie den Kopf: „Darüber ließe sich reden," sagte sie bedächtig.
Lebhaft erhob sich der Bruder: „So läßt Du mir doch einmal Gerechtigkeit widerfahre», nicht wahr, ein feines Plänchen?"
„Vielleicht begleite ich Euch," warf sie hin.
„Bei Bacchus," rief er verblüfft.
„Noch ist nichts ansgemacht," sprach sie,, sogleich wieder in ihrer gewöhnlichen, verschlossenen Weise, „es war nur so ein Einfall. Hier nage ich am Hnngertnche, habe den bösen Winter vor mir, wo die Stuben leer stehen, wenn ich mit Euch ziehe, kann ich nur mindestens mein Brot mit Kartenlegen verdienen. Meinetwegen kannst Du mich auch für eine Zigeunerin ausgeben, mir ist schon alles eins," setzte sie finster hinzu. 139,20