bemerkbar machen). — Me Weiterberatung des Etats des Innern wurde alsdann auf Mittwoch vormittag vertagt.
AuMchM.
Die Betriebsmitlelgemeiuschast auf Umwege«.
In Verkehrssrage« scheint Preußen jetzt stets die Taktik einzuschlagen, auf Umwegen seine Ziele zu erreichen. Bei den Schiffahrtsabgaben ist es bei der Arbeit, einen Bundesstaat nach dem andern zu gewinnen, und bei der Betriebsmittel- gemeinschafr wählt es offenbar einen ähnlichen Weg. Der preußische Eisenbahnmintster v. Breitenbach war dieser Tage in München, und dieser Besuch soll von recht erheblicher Bedeutung sein. Nach der „Münch. Allg. Ztg." hantelte es sich um die Fragen der SchtffahrtSabgaben, der Personentarifreform und namentlich der Betriebsmittelge- meinschaft. Diese letztere soll nun, obwohl noch nicht definitiv und generell vereinbart, aus dem Wege der Einzelvereinbarungen dem erstrebten Ziele immer näher kommen. Die Personenwagen verkehren in der ausgedehntesten Freizügig- » keit, und über den Güterwagenverkehr sind Vereinbarungen s im Gange, die den Leerlauf möglichst ausschließen und da- durch dem Verkehr ein größeres Angebot von Wagen zur Verfügung stellen. Da auch in untergeordneten Fragen, wie Gleichartigkeit der Bremsen, größere Freizügigkeit der Maschinen u. a. m, einheiiliche Abkomme» getroffen worden sind, erscheint der Abschluß der Betriebsmittelgemeinschaft nur noch als eine Frage der Zeit. Herr v. Breitenbach würde sich ein großes Verdienst erworben haben, wenn es ihm gelungen sein würde, den Bayern die Angst vor der „Veipreußung" auszutreiben.
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Die Haager Friedenskonferenz. Deutschland hatte zu der Genfer Konvention eine Reihe von Verbesserungsanträgen eingebracht, die in der Kommissionssitzung am Dienstag erörtert wurden. Der erste Delegierte der Türkei Turkhan Pascha erklärte, daß die Türkei anstelle des Roten Kreuz es. den Halbmond beibehalten wolle, daß die Türkei jedoch sich verpflichte, das Rote Kreuz in jeder Hinsicht der bestehenden Konvention entsprechend zu respektieren und die Truppenkommandanten demgemäß im konkreten Fall zu instruieren. Turkhan Pascha behält sich vor, einen Antrag zur Abänderung der Konvention in dem Sinne zu stellen, daß die Anerkennung des Halbmondes ssstgelegt werde. Der erste deutsche De- gierte, Baron von Marsch all bemerkte hierauf: Nachdem von türkischer Seite diese Erklärungen abgegeben worden sind, besteht kein Zweifel darüber, daß die deutsche Regierung gegebenenfalls den Halbmond anerkennen und ihm denselben Schutz gewähren werde, wie er nach der Genfer Konvention dem Roten Kreuz zukommt. Dagegen möchte er der türkischen Delegation anheim geben, von Anträgen zur Abänderung der Genfer Konvention Abstand zu neh- z men, da solche Anträge aus Schwierigkeiten stoßen könnten und eine Abstimmung hierüber kaum im Interesse der hohen Pforte liege.
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Die Garibaldifeier in Nizza. Der Gemeinderat von Nizza, wo Garibaldi vor hundert Jahren zur Welt kam, hat soeben 10 000 Fr. votiert, um den Geburtstag des Helden zu feiern. Einer der besten Journalisten und Redner Nizzas, Viktor Emanuel, wird im Festsaale der Mairie eine Rede halten, dann werden Deputationen und die noch hier lebenden Garibaldianer einen Kranz uns Goldbronze am Denkmal und etliche frische Kränze auf den Gräbern der Mutter und der ersten Frau Garibaldis niederlegen. Außerdem wird Anita, der ersten Frau, -ein Monument (Obelisk) errichtet, das die Züge dieser vielgeliebten Dulderin in einem Medaillon verewigt. Abends findet iVolks'ball und Feuerwerk auf dem Garibaldi- Platz statt, der silch w-ahe an jener Gusse befindet, wo einst Garibaldis Wiege stand. Das Haus selbst wurde vor zwölf Jahren wegen der Hafen-Erweiterung niedergerissen. Von den Söhnen Garibaldis kann keiner zur Feier nach Nizza kommen, weil sie der großen Feier in Rom beiwohnen.
H'rges-ßhromL.
Berlin, 2. Juli. Graf Pückler - Klein - Tschirne hat noch! gestern eine Versammlung einbernfen.
Es wurde jedoch ihm und dem Vorsitzenden schon vorher, mitgeteilt, daß er nicht das Wort erhalten dürfe. Darauf hielt ein anderer einen Vortrag. Ein Flugblatt, durch das Graf Pückler den Polizeipräsidenten, die Staatsanwälte, Gerichts- und Irrenärzte ans das heftigste angreift, wurde polizeilich, beschlagnahmt und die Verteilung Untersagt.
Berlin, 2. Juli. Der „Staatsanzeiger" veröffentlicht die Versetzung des Oberpräsidenten der Provinz Hessen- NassaN v. Wind heim in Kassel als Oberpräsident der Provinz Ostpreußen naichs Königsberg, sowie die Ernennung des Unterstiaatssekretärs des Staatsministeriums Hengstenberg zum Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau und des Vortragenden Rats der Reichskanzlei v. Günther zum Unterstaatssekretär des Staatsmim- ! steriums.
LamSdorf, b. Oppeln, 2. Juli. Nach der „Neißec ! Ztg." wurde in der katholischen Kirchenkasse ein Defizit von 20 000 Mark entdeckt, die der Pfarrer Weniger nach eigenem Geständnis Unterschlagen hat.
Leipzig» 2. Juli. Im Krtstallpalast fand die internationale Ringkampfkonkurrenz um die Meisterschaft von Europa ihr Ende, an der 25 der lnkanntesten Ringkämpfer teilgrnommen haben. Den 1. Preis, aen goldenen Pokal des Kristallpalastes und den Titel „Master- - schaftsringer von Europa" für 1907/08 erhielt Heinrich ! Eberle, den 2. Preis der Bulgare N. Petroff, den 3. s Preis der Serbe Antorützsch, den 4. der Deutschs Heinrich i Weber.
Karlsruhe, 1. Juli. Tie verantwortliche Leitung der „Badischen Landeszeitung" hat der Generalsekretär der nationalliberalen Partei Badens, Heinrich Heinz, übernommen.
Kolmae, 2. Juli. Dis Witwe des bekannten, vor , einiger Zeit verstorbenen Bildhauers BarthoIdtaus Kolwar ^ (Elsaß) hat der Stadt ibr ganzes umfangreiches Anwesen i mit Liegenschaften, Möbeln und allen Kunstgegsnstän >en i sowie sämtliche Möbel, Gemälde und Kunstgegenstände ihres > Hauses in Paris testamentarisch vermacht, zudem noch eine Summe von 246 300 FrZ. von der sie sich jedoch die Nutznießung bis an ihr Lebensende Vorbehalten hat Die Stadt gedenkt, das Haus in Kolmar als „B a rt h o l d i - M ns e n m" einzurichtcn,
Dieppe, 2. Juli. Bst dem heutigen Auiomobilrennen um den Grand Prix wurde der Fiaifahrer Nazzarv mit , 6 Stunden 45 Minuten erster Sieger; Zwerier wurde Sisj, der einen Renauitwagen steuerte. Dritter Lanzia aus Fiat.
Paris- 2. Juli. Der frühere Kriegsminister Etienne hatte heute Vormittag am Quai d'O-say eine lange Besprechung mit dem Minister des Neußern Pichon.
Montpellier, 3. Juli. Die Anklagekammer hat den Antrag auf vorläufige Jnfreiheitsetzung Ferronls und Alberts, sowie der Mitglieder des Komitees von Argelliers abgelehnt. -
Petersburg, 1. Juli. Das sozialdemokratische Zentralkomitee richtete an die Organisationen der Provinz die Mitteilung, daß es sich gegen den Boykott der dritten D n m a entschieden habe.
Petersburg, 2. Juli. Der Synoo verbot den früheren Abgeordneten, den Priestern Bcillüw.tom und Tichwucski uie Amt handluugeii für ein Jahr; Koickolw-kow, Arä-ipow dnd Grinewilsch wurden zu drei Monaten Bußübnrgeu im Kloster verurteilt, weil sie der» Befehl des Syaod, aus den sozial,st scheu Parteien in eine der r,chtLst.hinden üder- jutcet.n nicht bcfolgten; auch aus der Provinz werden ähnliche Bestra-nvgen politisch unzuverlässiger Priester geweidet.
New Uork, 2. Juli. Die Bundesregierung entsendet alln.onallich ein Schlachtschiff oder einen Kreuzer in dm Stillen Ozean bis 18 weitere dort sind. Halbamtlich wird erklärt, dch Maßregel sei schon beschossen gewesen, large bevor ilgensw-lchs Schwierigkeit wir Japan Mstond
Mexiko, 3. Juli. (Reuter). Aus Guatemala traf die Nachricht ein, daß Präsident Cabrera dadurch Aussehen erregte, haß er 160 Personen habe verhaften
Württ. Landtag-
Stuttgart, 2. Juli. Die Erste Kammer hat in ihrer heutigen Sitzung zunächst über folgende Resolution beraten: Die Erste Kammer wolle der Regierung gegenüber den Wunsch aussprechen, daß dieselbe im Bun- desrat 1) für eine Beschleunigung der Revision des Strafverfahrens und hierbei insbesondere für die Einführung der Berufung gegen die Urteile der Strafkammern, für die Zuziehung der Schöffen zu den Strafkammern und die Verminderung der Fälle notwendiger Eidesleistungen, weiterhin für die Gewährung von Taggeldern neben der Reisekostenentschädigung der Geschworenen und Schöffen eintrete, 2) einer zu weitgehenden Ausdehnung der Zuständigkeit der Amtsgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten entgegentrete, 3) dafür eintrete, daß die Haftung des Automobilunternehmers für den bei dem Betrieb von Automobilen entstehenden Personen- und Sachschaden durch besondere über die Haftungsgrnndsätze des bürgerlichen Gesetzbuches hinausgehenden Vorschriften geregelt werde."
Berichterstatter Präsident v. Länderer begründete namens der Kommission die vorliegende Resolution, wobei er ausführte, haß es im Hinblick auf die Wichtigkeit der Revision des Strafverfahrens und den weiten Weg, welchen diese Revision zurückzulegen habe, angezeigt erscheine, auch seitens des hohen Hauses zu den hier in Betracht kommenden Fragen Stellung zu nehmen. — Minister v. Sch midi in betonte, daß er sich Zurückhaltung auferlegen müsse, da die gesetzgebenden Faktoren sich zurzeit mit dien hier angeregten Fragen befassen. Im gegenwärtigen Stadium dieser Sache habe die Regierung Veranlassung, der Oefsentlichkeit gegenüber vorsichtig zu sein, lieber die Reform der Zivilprozeßordnung habe die württ. Negierung sich noch nicht schlüssig gemacht. Zwischen der Justizverwaltung und dem Reichsjustizamt haben hierüber Verhandlungen stattgefunden. — Berichterstatter v. Länderer verbreitete sich sodann über die Ziffer 3 der Resolution. Es empfehle sich hierbei nicht, im heutigen Stadium auf die zivilrechtliche Seite der Frage einzugehen. — Geh. Hofrat Dr. v. Jobst verweist auf die Vorzüge des elektrischen Automobils. Die Belästigung durch den Staub sei bei den Automobilen gefährlicher als die Unfälle. Die bestehenden gesetzlichen Vorschriften über den Automobilverkehr würden leider nicht immer richtig eingehalten. Mit einer Verschärfung der Haftpflicht wäre nicht viel geholfen. — Nach kurzer Weiterberatung, an der Frhr. v. Seckendorf und Rektor Dr. v. Rümelin sich beteiligen, gelangt die Resolution zur Annahme.
Man geht sodann über zur Beratung des Etats des Innern. Hier wurde unter anderem beschlossen, dem Ersuchen der Abg.-Kammer an die Regierung betr. Gesundheitszeugnisse für Händlervieh beizutreten. — Minister v. Pischek äußerte hierbei wiederum die Bedenken, welche er gegen den Wert dieser Zeugnisse bereits im anderen Hause geltend gemacht hatte. Beigetreten wurde sodann auch dem Beschluß des anderen Hauses betv. Aufstellung berittener Landjäger in, Jagstkreis. Hier wurde betont, daß man der Aufstellung berittener Landjäger in den an der Grenze gelegenen Oberamtsbezirken zustimme. — Eine kurze Debatte entspann sich sodann hinsichtlich des Beschlusses der Abg.-Kammer auf Festsetzung des Berpflegungsgeldes der in Privatirrenanstalten untergebrachten Staatspfleglinge auf 600 Mk. und Bereitwilligkeit der Bewilligung der hierfür erforderlichen Mittel. Hier hat die Kommission beantragt, diesem Beschluß nicht znzustimmen. Malermeister Schindler und Frhr. v. Ow traten für Erhöhung der Verpflegungssätze ein, Geh. Rat v. Schall befürwortete den Kommissionsantrag. Frhr. v. Wöllwarth meinte, es liege kein praktischer Grund vor, dem anderen Hause hier nicht zuzustimmen. Schließlich wurde aus Antrag de^ Frhrn. v. Ow beschlossen, dem Beschluß des anderen Hauses beizutreten. (Es ist in der früheren Ersten Kammer selten vorgekommen, daß ein Komm.-Beschluß abgelehnt wurde und zwar mit so großer Mehrheit, wie es bei dieser Abstimmung der Fall „Die neuen Kräfte" der Ersten Kammer üben bereits ihre Wirkung aus und es wird dies zweifellos auch bei Fragen von prinzipieller Bedeutung
Aie Aornödiantin.
Roman von Oswald Benkendorf. IS
Ich möchte wieder am Molo stehen, den Blick über die bewegte Flut der Lagune schweifen lasten, hinüber nach der Zy- pressen-Jnsel, zu Andrea Palladios Tempelsäulen, ostwärts, wo die mächtigen Baumkronen der Giardini publici, vom Seewinde bewegt, mir zu winken scheinen!"
„Dein Herz hängt noch mit allen Fibern an der alten Heimat?"
„Machst Du mir einen Vorwurf daraus, Kurt?"
„Nein, aber eS betrübt mich."
„Ist es betrübend, wenn eines WeibeS Empfinden sich treu bleibt?"
„Gewiß nicht, aber es fragt sich, ob in dem Herzen noch Raum bliev für ein neues Lieben, wenn es geteilt ist zwischen Erinnerung und Sehnsucht?" Kurts Stimme bebte leicht bei dieser Frage und seine Blicke ruhten dabei ängstlich forschend auf den schönen Zügen Konstnnzes.
Das Mädchen schwieg beharrlich.
„Antworte mir," flehte er, sich zu ihren Füßen auf einen kleinen Schemel niederkauernd, „Du abnst nicht, welches Gewicht ich darauf lege."
„Du verwirrst mich, Kurt. . ."
„Jetzt hast Du mich verstanden, Konstanze, Geliebte! Ans Deiner Hand laß mich Glück oder Unglück, Leben oder Tod empfangen."
„Und wenn ich Dir nun," erwiderte Konstanze, sich zur Ruhe zwingend, „kein» von beiden zu geben vermöchte?" .
„Was willst Du damit sagen?"
„Daß es nicht in meiner Macht liegt, Dich überschwenglich glücklich zu machen, aber daß ich weniger noch Dein Unglück verursachen möchte."
„Du liebst mich nicht, Konstanze," sprach der lunge Mann traurig.
„Du irrst," sie stockte plötzlich, vor dein Auge ihres Geistes stieg ein Bild herauf aus der Vergangenheit, wie eine schreckensvolle Mahnung, sie öffnete weit die Augen, die Kehle war ihr wie zngeschuürt.
„Sprich weiter, aus Barmherzigkeit!" rief Kurt in bittendem Tone.
DaS führte sie »nieder in die Wirklichkeit, in die Gegenwart zurück, sie atinete tief aus und sagte, mit erzwungener Fassung: „Ich bin ein ganz natürliches Menschenkind, sogar etwas prosaisch, und weiß nicht, ob ich je Deine Gefühle in dergleichen, leidenschaftlichen Art erwidern könnte."
„Bist Du so arm, Konstanze, oder kargst Du nur mir gegenüber mit Deiner Liebe? Willst Du mir ein Almosen, kühle Freundschaft, geben, wo vielleicht ein Glücklicherer Deine Liebe .. ."
„Vollende!" gebot sie flammenden Auges.
Er beugte sich über ihre Hand und küßte dieselbe, dann sagte er deinütig: „Verzeihe mir diese Regung der Eifersucht, aber ich könnte eine Teilung Deines Gefühls nicht ertragen!"
Konstanze hatte ihre ruhige Haltung wiedergewonnen. „Mein Herz ist nicht geteilt; denn noch hat es keiner besessen, »nein Empfinden für Dich aber gleicht nicht dem lohenden Feuer, sondern einer stillen, reinen Flamme."
„Und ich will es bitten, dieses Feuer! Glaube mir, es wird unS beide wohlig erwärmen »ud läutern! Du gibst mir ein Recht, um Deine Liebe zu werben und die Glut der meinen wird auch Dich erfassen und beseligen."
Sie reichte ihm die Hand und ließ eS geschehen, daß Kurt außer stände, seine Gefühle länger zu bemeisteru, sie stürmisch in die Arme schloß, den Brautkuß auf ihre Lippen pressend.
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Der Abend dämmert. Vera Tornelli war soeben aus derKirche gekommen, sie hatte das Gebetbuch fortgelegt und faltete das fadenscheinige, schwarze Wolltuch zusammen, als an der Haustür geläutet ward.
Sehr erstaunt näherte sie sich dem Fenster, um nach dem späten Besucher auszuschauen, und als auf die Frage, wer Einlaß begehre, die Antwort ertönte: „Freunde," glitt ein mürrischer Zug über ihr faltiges, früh gealtertes Gesicht und sie öffnete die Tür durch einen kräftigen Ruck am Aufzug, ohne dem Besucher entgegenzugehen, in welchem sie ihren Bruder erkannt.
Verdi Tornelli sprang die schmale, ausgetretene Holztreppe mit einigen kühnen Sätzen hinan und stand gleich darauf vor der Schwester. „Guten Abend, Vera!"
Sie bruminte etwas vor sich hin, das eben nicht wie ein Segenswunsch klang, und wendete ihm den Rücken zu.
Das war ihm doch zu stark. Erbost rief er: „Ist da» ein
Empfang von der leiblichen Schwester! Nach dem Unglück, das ich gehabt, meine ich, daß die Familie mirmindestens hätte Trost geben sollen."
Heftig fuhr sie herum. „Unglück.. Du .. habe ich nicht auch mein bißchen Geld bei dem Brande EuresZirkuS verloren? Wer ersetzt mir das ? Aber eS geschieht mir schon recht, warum war ich so schwach, Deinem Drängen nachzugeben. Wenn Du mir gefolgt wärst und hättest das Geschäft übernommen mit den Südfrüchten, wären wir beide mit der Zeit wohlhabende Leute geworden, anstatt völlig ins Unglück zu kommen."
„Ich bin Künstler und tauge nicht zum Handelsmann!" erwiderte, sich in die Brust werfend, Tornelli.
„Ein Saltimbanko bist Du!" entgegnete sie wegwerfend.
„Macht liichts, auch die Saltimbauchi sind Künstler."
„Ja .. Bettler . . Hungerleider!" grollte sie.
Er lächelte ironisch. „Wie mir scheint, bist Du auch auf dem Trockenen; denn sonst hättest Du Deinem einzigen Bruder schon einen Imbiß vorgesetzr."
Schweigend wendete sich Vera einem Eckschrank zu und entnahm demselben einen Teller, den sie vor Verdi auf den Tuch setzte, ^vo schon ailsgedeckt war. Dann stellte sie noch eine Strohflasche mit Wein und ein Glas dazu und jagte kurz: „Da iß mein Abendbrot, das ist alles, was ich im Hause habe, viel ist es freilich nicht."
Der Künstler fuhr mit der Hand durch sein dichtes Gelock und blickte dann gerührt wieder aus das Stück kalten Maiskuchen und die drei gerosteten Sardellen, düs war die Mahlzeit oer- armen Vera.
Er seufzte tief und schob den Teller fort. „Laß gut sein, Schwester, hernach gehst Da mit mir in die Osteria, da trinken Wir einen Liter Chianti und essen Fleisch."
Mit bitterem Lächeln erwidecte Bcra: „Du scheinst doch noch aus dem Brande des Zirkus etwas gerettet zu haben, obgleich Du mir gesthriebeu hast, daß Ihr nicht versichert gewesen seid."
Tornelli. derinzwischen eine der gerösteten Sardellen in seinem großen Munde hatte verschwinden lassen, antwortete kauend: „Das ist es eben, als echce Künstler haben wir uns zn Helsen gewußt. Geht's nicht zu Pferde, geht's zu Esel, habe ich dem Guido gesagt und die Melitta, seine Frau, hat mir recht gegeben." 139,20