Erzähler vom Schwarzwald.
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Amtsblatt für die Stadt Dildbad.
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belekon M. 41.
Nr. 14S.
Kegeu den Krieg.
Der bekannte Vorkämpfer für das „Kommen der kriegslosen Zeit", Stadtpfarrer Umfrid, untersucht im Türmer (Verlag von Greiner u. Pfeiffer in Stuttgart) die Gründe, warum sich die Menschen bekriegen. Er führt dabei aus: Die Gründe haben mit dem Fortschritt der Zeiten gewechselt. In der Urzeit taten sie .es, um einander ihre Jagdgründe streitig zu machen, um einander ihre Weiber zu rauben, um etwa auch die gefangenen Feinde aufzufressen, in dem naiven, mit dem Totemismus zusammenhängenden Glauben, als ob man die Kraft und List des Feindes damit, daß man ihn verzehrt, sich aneignen könne. Dann kam die Zeit, da man Kriege führte, um Sklaven zu machen. Die Menschheit hat sehr lange gebraucht, bis sie einsah, daß die Arbeit des freien Mannes wertvoller sei als die des Sklaven, und es ist ein sehr weiter Weg von dem biblischen: „Wenn du als Sklave geboren wirst, suche nicht frei zu werden", bis zu dem Schillerschen „Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei, und wär' er in Ketten geboren", und bis zu der Antisklavereikonferenz vom Schluß des vorigen Jahrhunderts. Es folgte die Periode der Weltreiche mit ihrem alle Grenzen überflutenden Ausdehnungsdrang, erklärlich nicht etwa bloß aus der Agrarverfassung der betreffenden Staaten, durch die sie sich gezwungen meinen konnten, für die nachgeborenen Geschlechter Neuland zu beschaffen, sondern aus der Macht irgend einer eigenartigen und mit Energie erfaßten Kulturidee, die ihrerseits auf Expansion hindrängte. Die Möglichkeit, Kulturideen ohne kriegerische Unternehmungen zu verbreiten, mußte sich übrigens früh genug aufdrängen. Und die Meinung, daß man die Grenzen um der Gewinnung neuer Ländereien willen verschieben müsse, gehört auch einer weit zurückliegenden Vergangenheit an. Wenn heutzutage ein Land erobert wird, so werden seine Einwohner — das gilt wenigstens von Europa — in der Regel weder von ihren Höfen noch von ihren Hufen verdrängt; der Eroberer gewinnt keinen Ackergrund für seine überschüssige Bevölkerung. — Nicht eben tief ist die Behauptung, daß man Kriege führen müsse um der Märkte willen; 'jedes politische Kind speiß, daß man Märkte nicht mit Kanonen, sondern mit Warenproben erobert. — Aber gleicht nicht die Menschheit den Rudeln hungriger Hirsche, die sich um die Futterplätze streiten, wenn das Gras alle zu werden droht? Hat nicht Malt- hus recht, wenn er behauptet, daß die Menschheit notwendigerweise von Zeit zu Zeit auf die Grenze der Existenzmöglichkeit stoßen müsse, sintemal sich die Menschen in geometrischer Progression vermehren, während die Nahrungsmittel nur in arithmetischer Progression zu-
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Are Komsdmntm.
Roman von Oswald Benkendorf. 3
„Ich war ja damals noch in Bentheim und hörte diese Einzelheiten erst später von meiner Freundin Ernestine Kind» ler. Dann, nachdem das Unheil schon geschehen, erzählte mir auch Erich manches anS seinem Eheleben. Die junge Frau hatte ihm den Vorschlag gemacht, Wilmenan zu verlassen und nach Berlin überznsiedeln, er dagegen ist, wie Sie wohl wissen, Herr Oberst, mit Leib und Seele Landwirt und das Stadileben war nie nach seinem Geschmack Von Verstimmungen und Streitigkeiten kam es bald zu ernsteren Konflikten zwischen den Eheleuten."
„Da kann ich denn meinen Freund nicht von aller Schuld frcisprcchen," fiel derOberst lebhaft ein, „denn anstatt einzulenken und ans die launenhafte Künstlernatur Hclmines etwas Rücksicht zu nehmen, glaubte Erich mit Strenge und Energie Vorgehen zu müssen, um die schlimmen Neigungen seines jungen Weibes im Keim zu ersticken, wie er mir sagte."
„In Vera Tvrnelli, der Freundin und Gesellschafterin Helmines, die Quelle des Nebels erkennend, wies er der Venezianerin mit Härte die Tür und als Heliuine, dadurch erbittert, ihm drohte, wieder zur Bühne znrnckznkehren. und ihn auf immer . zu verlassen, ging er soweit, sie wie eine Gefangene in Wilme- nau zu halten."
„Das war entschieden gefehlt und beschleunigte denn auch die Katastrophe."
„Ich selbst vermochte es zu beobachten, wie die Neigung der jungen Frau sich zuerst in Gleichgültigkeit und später in Haß verwandelte, bis zuletzt ihre fluchtartige Abreise den Konflikt beendete."
„Und ich lasse es mir nicht nehmen, daß Vera Tornelli die Hand im Spiele gehabt und Helmine geholfen hat, heimlich Wil- menau zu verlassen."
„Darin mögen Sie recht haben, Frau Gräfin, aber wenn ich nicht irre, ist das Freund Erich, der soeben festen Schrittes den Korridor passiert, in der Tat, da ist er schon."
Die Gräfin blickte gespannt auf, als die Tür jetzt geöffnet ward und die hohe Gestalt des Grasen Erich Wilmenau in deren Nahmen erschien, doch sie zuckte erschreckt zusammen, als sie
Sam lag, de» 22. Juni
nehmen? Muß nicht immer wieder der Proletarier das Wort vernehmen: Hinaus mit dir; für dich ist kein Platz am Tische der Natur gedeckt? Und sind wir nicht genötigt, Eroberungskriege zu führen, wenn wir unsere überschüssige Bevölkerung vor dem Hungertode bewahren wollen? Die Ansicht des Pfarrers Malthus ist nicht bloß roh, sie ist zum Glück auch falsch. Tatsächlich vermehren sich die Nahrungsmittel so schnell wie die Menschen, haben ja doch alle Gewächse der Erde die Tendenz, so gut wie die Menschheit, ins Unendliche zu wachsen. Natürlich ist dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Aber daß die Ausbeutung der Natur mit der Vermehrung der Menschen gleichen Schritt halten kann, sollte nicht geleugnet werden. Die Bevölkerung Amerikas hat sich in hundert Jahren versechsfacht, der Reichtum des Landes aber, d. h. die Subsistenzmittel, haben sich in derselben Zeit verzehnfacht. Immerhin mag zugegeben werden, daß die Subsistenzmittel heute noch der zu kurz und zu schmal geratenen Decke gleichen, an der die Menschen — wie weiland die drei gerechten Kammacher Gottfried Kellers — zerren. Es steht aber nirgends geschrieben, daß sich die Decke nicht vergrößern, d. h. daß die Produktivität der Erde sich nicht durch intensive Wirtschaft verzehnfachen, ja verhundertfachen ließe. In Wahrheit gilt noch heute Schillers Wort: „Raum für alle hat die Erde."
Oder sollte der Krieg unvermeidlich sein um des Rassengegensatzes willen? Sind die Menschen einander tatsächlich so verhaßt, daß sie immer wieder von Zeit zu Zeit ihre Hände in das Blut der Rassenfeinde tauchen müssen aus keinem anderen Grunde, als weil sie sich nach Haut oder Gesichtsbildung voneinander unterscheiden oder weil sie einander nicht riechen können? Aber wo sind denn die Amokläufer unter uns, die morgens mit dem Gedanken aufwachen, heute einen Chinesen zum Frühstück zu verspeisen oder einen Semiten am Spieß zu braten? Wenn nicht die skrupellose Hetze der Unverantwortlichen wäre, so würde niemand daran denken, aus dem Rassengegensatz einen Kriegsgrund zu machen.
Am schwersten scheint mir folgender Einwand ins Gewicht zu fallen. Die Menschen scheinen durch das Gesetz der Trägheit gelähmt und unfähig zu sein, sich aus eigener Initiative aus verrotteten Zuständen herauszuarbeiten; es muß von Zeit zu Zeit ein Sturm kommen, der den Moder äusfegt. Die Gegend von Mainz würde heute noch unter dem Krummstab stehen, wenn nicht die Revolutionskriege und die napoleonischen Kriege Auskehr gehalten hätten. So kommt die Entwicklung der Menschen immer wieder an gewisse Knoten — könnte man uns entgegenhalten —, die sich nicht lösen, sondern nur mit dem Schwert zerhauen lassen. Die Erdrinde hat sich
die Veränderung i» des Bruders ungewöhnlich bleichem Antlitz gewahrte und den düsteren Ausdruck der sonst so klaren Angen.
Schnell erhob sie sich und reichte dem Nähertretenden stumm die Hand, die er krampshaft in der seinen drückte, dann trat er zu dem Obersten, welcher sich gleichfalls erhoben und sagte mit gepreßter Stimme: „Ich habe Euch eine große inhaltsschwere Neuigkeit zu verkünden!"
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Einige Stunden vorher war ein Mann in das Häuschen des Parkwächters von Wilmenau getreten, mit dem höflichen Begehren, ihm Auskunft darüber erteilen zu wolle», wann wohl geeignete Zeit sei, von dem gebietenden Herrn auf Wilmenau, dem Grafen Erich, empfangen zu werden.
Es hätte für Heinrich Mertens, den alten Parkwärter, nicht deS fremdländischen Akzents gebraucht, um den Bittsteller sofort für einen Welschen zu halten; denn schon das Aeußcre des ungefähr fünfzigjährigen Mannes kennzeichnete denselben als einen Südländer.
Obgleich Verdi Tornelli, so nannte er sich bei dem Parkwärter, mit augenfälliger Sorgfalt bemüht gewesen war, kleine Mängel an seinem Anzuge zu verberge», trug doch seine ganze Erscheinung den Stempel des Herabgekommenseins.
Da er jedoch behauptete, daß er dem Grafen wichtige Neuigkeiten zu überbriügen habe, wies Heinrich ihn an den alten Kammerdiener Jean im Schlosse und gestattete ihm, den Weg dahin durch den Park zu nehmen.
Bald darauf empfing denn auch Graf Erich dieMeldung von dem befremdlichen Besuche.
„Verdi Tornelli," war mit sehr verschnörkelter Schrift auf eine große, weiße Visitenkarte geschrieben, und diese zwei Worte genügten, um den hochgrwachsenen, herkulisch gebauten Mann, der daS Blatt in der Hand haltend starr darauf niedersah, tief zu erregen.
„Laßen Sie den Menschen im Vorzimmer warten, bis ich das Glockenzeichen gebe, Jean," sprach dann der Gras gefaßt und ließ sich schwer in einen Sessel gleiten.
Wieder und wieder betrachtete er den verschlungenen Na- menSzug auf der Karte, während er vor sich hinmurmelte: „Tor- nelli. Ueber zwanzig Jahre sind eS wohl, daß der Klang dieses
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auch nicht bloß durch lauter sanftmütige Anschwemmungen gebildet; es ist durch Eruptionen und Zusammenbrüche hindurchgegangen. Die Zusammenbrüche im Gebiete der Menschheitsgeschichte aber heißen — Krieg. Der Krieg allein, könnte einer sagen, bewahrt die Welt vor dem Schicksal des Verfaulens; er ist das notwendige Korrektiv, das die Weltgeschichte braucht, um unhaltbar gewordene Zustände zu beseitigen. Ich gestehe: diese Entwürfe sind nicht leicht zu nehmen. Nichtsdestoweniger ist zu hoffen, daß die friedliche Form des Fortschritts allmählich zur Regel werden wird, so gewiß als bei der Erdentwicklung die Eruptionen und Zusammenbrüche zurückgetreten sind hinter den langsamen Ansammlungen der anorganischen Stoffe. Die Art, wie sich Norwegen von Schweden loslöste, muß zur Regel werden; die Art, wie die Brasilianer mit Dom Pedro fertig geworden sind, muß sich durchsetzen gegenüber der gewaltsamen Art, welche die Mexikaner gegen Maximilian angewendet haben. Das wird so kommen, weil die Menschheit aus der Barbarei der Gesittung entgegenstrebt, weil der Abscheu vor der Gewaltanwendung ihr immer tiefer eingeprägt werden wird.
MnndsrSrr«
Die Haager Friedenskonferenz. Nach einem an die Presse gegebenen Kommunique hat der Vorsitzende der Friedenskonferenz, Botschafter Nelidow, den^ Antrag gestellt, die Vermittelung des holländischen Ministers des Auswärtigen nachzusuchen, um bei der Königin die Gewährung einer Audienz für die Delegierten zu erwirken. Der Vorsitzende teilte unter Beifallskundgebungen mit, daß die auf der gegenwärtig tagenden! Friedenskonferenz vertretenen Staaten, die nicht an der ersten beteiligt gewesen waren, ihren Beitritt zu den Resultaten dieser letzteren erklären. Um die Dauer der Arbeiten der Konferenz so viel wie möglich äbzukürzen, beantragte der Vorsitzende unter allgemeiner Zustimmung die Zeit für jede Rede aus Höchstens zehn Minuten festzusetzen. Das Bureau für den Nachrichtendienst an die Presse hat bezüglich der Bestimmung der Geschäftsordnung, nach welcher die O öffentlich keit zu den Plenarsitzungen Zutritt hat, die Einrichtung getroffen, daß eine dem verfügbaren Raume entsprechende Zahl von Sitzen für die Vertreter der Presse reservat wird. — Bon beflun- terrichteter amerikanischer Seite verlautet, daß General Porter, Delegierte der Vereinigten Staaten, in der Mittwoch-Sitzung der Konferenz sich ausdrücklich Vorbehalten habe, einen Antrag betreffend die Begrenzung der Rüstungen einzubringen. Durch diese Vorbehalte wollten die Vereinigten Staaten sich lediglich das Recht sichern, eventuell gu'ch diese Frage vorzubringen, falls
Namens nicht mehr an mein Ohr gedrungen ist, und damals ward er nie zum Guten ausgesprochen. Denn Vera Tornelli war eS, die das eitle Herz meines unglückliche» Weibes bestrickt und unser Eheglück zerstört hat. Und später, als ich sie ans dein Hause gewiesen, da soll sie einen hohen Schwur geleistet haben, sich au mir zu rächen, was der schleichenden Schlange auch gelungen ist; denn sie und keine andere bahnte Helmine den Weg zur Flucht und bestimmte sie dazu, dem trügerischen Schimmer flüchtigen KünstlcrrnhmeS aufs neue nachznjagen. Armes Weib! Der Name Helmine Ost ist nicht bewundernd von Alt und Jung genannt worden, wie Du geträumt, und hat kein Echo gefunden in den Metropolen der Neuen Welt, nach VeraS Meinung, sondern ist erloschen gleich einem fallenden Sterni» Finsternis und Schweigen."
Graf Erich erhob sich, eS war, als wolle er seine wehmütige Stimmung verscheuchen, indem er hastig das saalartige Gemach durchmaß, dann schüttelte er unmntig das ergrauende Haupt und sagte: „Was soll mir das jetzt, wo ich längst abgeschlossen habe mit der Vergangenheit? Wer wagt es keck den Finger an die verharschte Wunde zu legen? Verdi Tornelli, jedenfalls ein Abgesandter der Venezianerin, ein Verwandter VeraS, vielleicht ihr Bruder. Es wäre besser, den Mann abweisen zu lassen, doch nein, ich will ihn sprechen, will wissen, was er begehrt. Wahrscheinlich wird eS sich um ein Anliegen handeln und Signora Vera, die einst gar stolzen Sinnes die Unterstützung znrückwieS, welche ich ihr als Ersatz anbot, findet es jetzt nicht unter ihrer Würde, sich zu einer Bitte herabzulassen."
Dabei setzte der Graf den Glockenzng in Bewegung, und bald darauf schlüpfte die schlanke Gestalt Verdi TornelliS durch die braune Sammetportiere in das Gemach.
Graf Erich erwiderte die tiefe, respektvolle Verbeugung de» Italieners durch ein flüchtiges Neigen des Hauptes und sagte kühl: „Sie haben mich in einer dringenden Angelegenheit zu sprechen gewünscht. WaS haben Sie mir mitzuteile» ?"
„Ich bin der Ueberbringer einer, wie ich hoffe, freudigen Nachricht, Herr Graf, und komme im Aufträge meiner Schwester Vera."
„Die Signora Tornelli sollte für mich eine frohe Nachricht haben, das ist mir neu!" erwiderte der Graf nicht ohne Bitterkeit. 139.20