Uebertragen wurde: Je eine Lehrstelle au der kath. Volksschule in Gmünd dem Schullehrer Peter Werner in Bideroch a. R, i» Airchheim u T. dem Unterlehrer Wilhelm Wai, eqger in Rü- venSdurg, in Waldhauscu OA. Medlingen. de« Unterlehrcr Konrad Nester in Schramberg, OA. Oberndorf; dir Schulstelle in Brsßer- loch, Bez. Backnang, dem Uuterlehrcr Friedrich Siktuger i» Laich- inaeu. Bez. Münfingen; die 3. Schulstclle in Neueustei», Bez Baumerlenbach, Oehringen. dem Schullehrer Schultheiß in Grünbühl, drSs. BenrkS; die Schulstelle in Srsingen, Bez. Oberholzhetm Biberach, dem Schullehrer G-l ü ck in Oberhansen, Bez. Pfullingen; die Schul» stelle in Aach, Bq. Psalzgraienweiler, dem Schullehrer Ä» mer in Neu Hütten, Bez. Willsbach, WetnSberg; eine BolkSschulsfclle in Ludwig» urg, dem Schullehrer Zeihet in Barteustein, »ez. KünzelSau.
Der Württb. Weinbauverein hielt am Sonntag int Stadtgartensaal in Stuttgart seine 72. Generalversammlung. Als Vertreter der Zentralstelle war Landesökonomierat Ganger erschienen. Die zahlreich besuchte Versammlung wurde mit einer Begrüßungsansprache des Vorsitzenden, Stadtpfleger Warth eröffnet, worin er betonte, daß die Bestrebungen des Vereins in den Kreisen der Weingärtner immer mehr Anklang finden. Der Vorsitzende erstattete sodann den Rechenschaftsbericht, dem er wie üblich eine Uebersicht über das verflossene Jahr in seinen Beziehungen zum Weinbau vorausschickte. Das Ergebnis der Ernte 1906 sei das schlechteste seit Menschengedenken gewesen. Von der gesamten im Ertrag gestandenen Weinbaufläche mit 16 743 Hektar wurden im ganzen 34320 Hektoliter geerntet, das macht auf 1 Hektar 2,05 Hektoliter gegen 23,01 Hektoliter im Jahre 1005. Der Verkauf unter der Kelter war schleppend, es fehlte der Glauben an den Neuen. Im engeren Ausschuß wurde die Frage der Hagelversicherung der Weinberge eingehend erörtert. Der Ausschuß halte es für zweckmäßig, zunächst eine abwartende Haltung einzünehmen, nachdem ihm mitgeteilt worden sei, daß die Amtskörperschaft Weinsberg bei dem Ministerium des Innern zwecks Gewährung günstigerer Versicherungsbedingungen vorstellig geworden sei. Die durch das Auftreten der Reblaus notwendig gewordene Gründung einer Rebenveredlungsanstalt sei durch das Entgegenkommen von Regierung und Landständen in der Verwirklichung begriffen. Bei der im nächsten Jahr in Cannstatt stattfindenden Ausstellung der deutschen Land- writschaftsgesellschaft wird sich der Verein, da die Weinbauschule den württb. Weinbau in Theorie und Praxis zur Darstellung bringen werde auf eine Kollektivausstellung von Weinen aus den hervorragenderen Produktionsorten beschränken. Die Zahl der Mitglieder beträgt 1300 gegen 1068 bei der letzten Generalversammlung.
Anschließend an den Rechenschaftsbericht sprach Landesökonomierat Sch off er über die Bedeutung der Sorten wähl für den Weinbau. Redner wies auf die gefährliche Konkurrenz, die den württb. Vereinen durch die fremden Weine und die feineren Biere entstanden ist, sowie auf die geänderte Geschmacksrichtung und die vermehrten Ansprüche der Weinkonsumenten hin. Württemberg sei das sortenreichste Land, mancher Weinberg gleiche einer Farbenschachtel. Den besten Wein gebe es in den Weingegenden, wo man einen einheitlichen Satz in den Weinbergen habe, daher fort mit den vielen Sorten. Seine Ausführungen faßte Redner in folgende Punkte zusammen: 1. Mit Rücksicht auf die geänderte Geschmacksrichtung und die vermehrten Ansprüche der Weinkonsumenten muß auf eine bessere Sortenwahl größeres Gewicht gelegt werden. 2. Traubensorten, welche Massenerträgnisse und dabei geringwertigen Wein liefern, sind vom Anbau auszuschließen. 3. Die Zahl der zum Unbau ausgewählten Traubensorten ist möglichst zu beschränken. 4. Die schlechten zum Weinbau nicht geeigneten Lagen sind vom Weinbau .auszuschließen, dieselben schädigen den Weinbau und die guten Lagen. 5. Weine von guten Sorten und guten Weinberglagen sollten mehr Berücksichtigung und bessere Preise finden. 6. Zu frühe Weinlese hebt die Vorteile einer guten Sortenwahl wieder auf.
Schultheiß Maulik machte sodann Mitteilungen über die Bekämpfung des Sauerwurms auf der Markung Mundelsheim. Innerhalb acht Tage seien von 40—50 Schulknaben 22465 Motten und Schmetterlinge gefangen worden. Nun folgten die Berichte der Vertrauensmänner über den Stand der Weinberge in den verschiedenen Weinbaugegenden des Landes. Nach denselben ist ein schwacher Mittelherbst zu erwarten. An die Verhandlungen schloß sich ein gemeinsames Mittagsmahl.
WanderversaMMtUNg der La«dw,rte« Auf der 47. Wanderoersammlung der wüttt. Luidwirke, welche am Samsiag vormittag im großen RalhauLsaai in Reulti.-' gen stattsand, war das Minister,uni des Innern durch Miaisterral- direktor v. Haag, die Kreis-egnrung des Schwarzwald- kreisiS druck» Präsident v. Hosinanu, das Oberarm Remlingen durch Reg.-Rat Zu rer und die Swdt Remlingen durch Oberbürgermeister Hepp vertreten. Der Versammlung wohnten ferner der Präsident der Ersten Kammer Graf v. Recht» erg, Kammerpräsident v Payer, sowie eine größere Anzahl Abgemstnerer bet. T»e Verhandlungen
ungerechtfertigt. — Den Schl, ßvortrag hielt Professor Dr. Gmeltn - Stuttgart über »Erstrebtes und Erreichtes in der württemb. Pferdezucht." Zum Ort der nächsten Wanderversammlung, die i. I. 1909 stattfindet, wurde Ravensburg bestimmt. Zum 1. Vorsitzenden wurde Fürst v. Wolf egg und zu dessen Stellvertreter Freiherr v. Süßkind. Schwer» dt gewählt. An die Verhandlungen schloß sich et« gemeinsame« Mittagsmahl im Kronprinzen mit den üblichen Tischreden.
Fahrpreisermäßigung für landwirtschaftliche Arbeiter. Personen, die nach vorübergehender Beschäftigung in landwirtschaftlichen Betrieben an ihren früheren Aufenthaltsort zurückkehren, werden auf der Rückreise gegen Vorlage eines Ausweises der nach vorgeschrtedenem Muster von der Ortsbehörde für die Arbetterversicherung oder vom Schultheißenamt des Arbeitsorts auszustellen ist, in der vierten Wagenklasse zum halben Preise (neuer Personentarif) befö dert. _
Stuttgart, 1. Juni. In ihrer gestrigen gemeinschaftlichen Sitzung haben sich die bürgerlichen Kollegien mit der Frage des Zuschusses der Stadt Stuttgart zum Stuttgarter Bahnhofumbau beschäftigt. Dem Vernehmen nach ist eine Summe von 1600000 Mark einschließlich der in Cannstatt notwendigen Bauten bewilligt worden. Eine besondere Bedingung für die Bewilligung bezieht sich auf den vor dem Bahnhof zu schaffenden freien Platz.
Ludwigsburg, 3. Juni. Der von den bürgerli- lichen Kollegien in ihrer letzten Sitzung beratene Hans- haltplan der Stadtverwaltung für 1907/08 schließt bei 595086,52 Mk. Einnahmen und 820 086,52 Mark Ausgaben mit einem Abmangel von 225 000 Mk. ab, dessen Deckung durch eine Umlage auf Grundeigentum, Gefälle, Gebäude, Und Gewerbe in Höhe von 6,4 Proz. der Kataster geschieht, die Einkommensteuer ist auf 44 Prozent festgesetzt. Trotz außergewöhnlicher Steigerung der Kataster von 1905 auf 1906 ist auch Heuer tvieder eine Zunahme zu verzeichnen, insbesondere des Gebäudekatasters. Der Schuldenstand erhöhte sich üm 117 000 M., die aber bis auf 54 000 Mk. sofort wieder getilgt wurden. Die Schuldentilgung der Stadt geschieht mit 4,2 Proz. Für besondere Zwecke wird ein Betrag von 10000 Mk. bereitgehalten, man denkt u. a.' an die Einrichtung elektrischer Beleuchtung auf dem Bahnhofvorplatz. — Die Firma G. Schnizer in Stuttgart hat von der Stadt ein größeres Areal an der Franzosenstraße zum Preis von 300 Mk. pro Ar erworben und errichtet darauf noch in diesem Sommer eine Kassenschrankfabrik; der ganze Betrieb wird von Stuttgart hieher verlegt.
Kottweil, 1 . Junt. Die Stadtgemeinde hat die Gehalte der Schutzmannschaft, der Straßenwärter und Wildschützen ausgebeffert. — Nach dem Vorgang anderer Städte soll auch hier der infolge des Automobilverkehrs lästig wirkenden Staubplage entgegengetreten werden. Zwei Hauptstraßen werden zu diesem Zweck mit „Westrumtt", einer teerähnlichen Flüssigkeit, besprengt, deren Anwendung eine Staubentwicklung auf der Straße verhindert.
Hachtel O. A. Mergentheim, 3. Juni. Bei der am 1. Juni vorgenommenen Ortjvorsteherwcchl wurde der seitherige Gemeindepfleger Rupp mit 60 Stimmen zum Ortsvorsteher gewählt. _
Am Samstag wurde in Backnang ein zehnjähriger Knabe beerdigt, der sogenannte Storchenschenkel (Ziegenbart) gegessen hatte, der auf einer mit Kunstdünger gedüngten Wiese gewachsen war. Der Knabe bekam nach dem Genuß heftige Leibschmerzen und starb bald darauf unter Vergiftungserscheinungen.
Bet dem in der Nacht zum 1. Juni stattgehabten schweren Gewitter äscherte der Blitz dis Scheuer des Bauern Vogel in Mittebrot OA. Gaildorf ein. Das Vieh konnte gerettet werden.
Aus Horb wird geschrieben: Tie gecichilkche Sektion der Leich' des vor wenigen Tagen wir seinem Fahrrad tot arttgcfundemn Josef Walz von Obertalheim ergab, daß losem beim H-rabfcchren der Steige bei Illingen durch fein eigenes Fahrrad die bedeutende Schnittwunde auf der Brust beigeb:acht wurde und daß Walz infolge Verblutung gestorben ist.
Genf, 31. Mai. Vor dem Polizeirichter erschienen am Monjag etwa fünfzig Militärsteuerpflichtige ,die ihre Schuld nicht entrichtet hätten oder überhaupt nicht entrichten wollten. Einige Fälle würden erledigt, andere verschoben. Zu den letzteren gehört aürff ein merkwürdiger Zoll, über den der „Bund" das Folgende berichtet: Zwischen Richter und Angeklagtem entspann sich' folgender Dialog: Richter: „Warum haben Sie Ihre Militärtaxe nicht bezahlt?" >— Angeklagter: „Entschuldigen Sie, Herr Richter, muß denn ein Mädchen Militärpflichtersatz bezahlen?" Tableau Ms Seiten des Richters, der an dem 'Angeklagten mit dem besten Willen nichts Weibliches zu entdecken vermag. „Vollkommen," antwortete der Angeklagte auf seine zweifelnde Frage, „allein auf dem Zivilstandesamt nennt man mich Christine L., und als ich MW mit meiner Braut verheiraten wollte, hat Mr der Zivilstandsbeamte erklärt, daraus werde nichts. Solange ich nicht heiraten darf, bezahle ich keinen Militärpflichtersatz!" Nachdem im Gerichtssaal, wo diese kategorische Erklärung allgemeine Heiterkeit erregt hatte, der Ernst wiedergekehrt war, bemerkte der Richter dem Angeklagten, daß seither eine Berichtigung des Zivilstandes stattgefunden habe. „Ja freilich," antwortete der Angeklagte, „aber da ich gewisse Kosten dem Advokaten nicht bezahlen konnte, gab er mir die Papiere nicht heraus, und so heiße ich noch immer Christine!" Hoffentlich verwandelt sich diese männliche Christine bald in einen wackeren Christian, der sein Mädchen heiratet und die Militärtaxe bezahlt.
Mine Kindermörderin.
Freiberg, i. S-, 31. Mai. Vor dem hiesigen Schwurgericht hatte sich die 29jährige, verwitwete Arbeiterin Jda Berndt aus Hainichen unter der Anklage des Kindesmordes zu verantworten. Me Angeklagte brachte, als sie im Jahre 1902 heiratete, zwei uneheliche Mädchen in die Ehe mit. Als ihr Ehemann im Dezember 1906 an Bleivergiftung starb, hatte sie bereits 5 Kinder. Zwei Wochen später brächte sie das sechste, einen Knaben zur Welt. Sechs Kinder glaubte die Angeklagte, die seit dem Tode ihres Mannes stets mit Nahrungssorgen zu kämpfen hatte, nicht ernähren zu können. Sie faßte daher den Plan, den Säugling zu töten, weil er sie an der Arbeit hinderte. Am 11. Februar d. I. mischte sie darum als sie mit dem Kinde allein war grüne ! Farbe und die Köpfe von Phosphorstreichhölzern in üie i Milch des Kindes. Als das älteste Mädchen der Ange- z klagten aus der Schule kam und an das Bett des Säng- t lings trat, machte sie die Mutter darauf aufmerksam, daß k das Kind sich furchtbar erbrochen habe. Die Angeklagte E kümmerte sich'jedoch nicht darum, auch als das'Erbrechen t sich noch mehrfach wiederholte. Am Abend starb das r Kind. Mitbewohner des Hauses schöpften Verdacht und E machten Anzeige. Die Angeklagte war geständig, die Verhandlung nahm daher nur kurze Zeit in Anspruch. — Die Geschworenen verneinten die Frage, ob die vorsätzliche Tötung mit Ueberlegung ausgesührt sei. Sie versagten ten der Angeklagten aber auch mildernde Umstände. — Nach längerer Beratung erkannte das Gericht gegen die Angeklagte auf 12 Jahre Zuchthaus und 8 Jahre Ehrverlust. — Als die Angettagte das Urteil vernahm, brach sie mit lautem Aufschrei zusammen.
Stuttgart, 1. Juni. Ein mit der letzten Rejchs- tagswahl zusammenhängender Vorgang beschäftigte kürzlich den Verwaltungsgerichtshof in letzter Instanz. Bor der Reichstagswahl hatte der Vorstand der Göppinger Ortskrankenkasse beschlossen, den im 10. Wahlkreis auftretenden Kandidaten bestimmte Fragen über ihre Sicklung zu der Aufrechterhaltung der Verwaltungsselbstän- digkejt der Ortskrankenkassen usw. vorzülegen. Dieser Beschluß wurde zunächst dem Gemeinderat als Aufsichts- _ . . . , behörde unterbreitet. Dieser untersagte dem Krankenkas-
wurden mit den Wichen Begrüßungsansprachen eingelemr, ^ senvorstand diese Fragestellung, weil sie in das politische
worauf Otirrrecherungsral B eißwänger uver die Schweine- seuchen, ihre Erkennung und B kämpjung, sich v-rbreuete. lieber die geplanien Wandermbensstärien sprach Oberamtmann B ü r n e r - Blaubeuren. Der Redner schilderte die geplanten Einrichtungen der Wandcrarbeilssläiten und besprach die Schwterigteilen, die der erfolqreichen Dmchsüyr- ung dieser Neuerung cntgegisüHehen. Eine Resolution des Reserehten, die dahin ging, die Versammlung möge jm Grundsatz sür die Wanderarbettsßätten sich aussprechen, hierbei aber die Regierung ersuchen, dasür besorgt zu sein, daß in strasrechiUchrr Hinsicht, besonders aus dem G vier der Strafvollzugs Vorkehrungen ge.'rcsfen werde», welche die wirksame Durchlührung des Systems gewährleisten, wurde von dem Reserewen wieder zurückgezoge'', raLdern verschiedene Renner dagegen sich a Kgesprochen Hallen. Van dem Referemen wurde u. u. gebend gemacht, daß in daftn Wanderarbeiisstä'ien auf st enge Ordnung gesehen werden Müßte. Auch dürften die Wanderarbeiispätten in Fällen von Streiks unier keinen U »ständen in einseitiger Weise zu Ungunsten der Arbeitgeber auögenützk werden. Aus der Müte der Versammlung wurde berom, daß durch derarltge Wanderarbetii statten da» Siromerlum erst recht groß gezogen werde und angesichts der Leutenol in der Landwirtschaft sei die Schaffung derartiger Einrichtungen gänzlich
Gebiet falle, auf dem sich die Krankenkassen nach den gesetzlichen Vorschriften nicht zu betätigen haben. Gegen diese Entscheidung legte der Vorstand Beschwerde bei dem Oberamt ein. Auch dieses kam zu einem ablehnenden Bescheid. Es wies die Beschwerde mit der Begründung zurück, daß die Zulassung der vom Vorstand der Ortskrankenkasse beabsichtigten Fragestellung eins 'unzulässige Beeinflussung der Reichstagsabgeordneten" bedeuten würde, die nach der Verfassung weder an Aufträge noch an Instruktionen gebunden sind. Das Oberam't wie auch der GeMeiudcrat wende nichts dagegen ein, wenn die beschlossenen Fragen von einzelnen Mitgliedern des Kassenvor- standcs in ihrer Eigenschaft als Reichstagswähler an die Kandidaten gestellt werden, der Kassenvorstand als solcher sei aber dazu nicht befugt. Gegen diese Entscheidung legte da.nn der Vorstand Beschwerde beim Verwaltung s g er i ch ts h o f ein. Nunmehr ist auch hier diese Beschwerde als unbegründet z nrü ck g e w i es e n worden. Der Verwaltungsgerichtshof hat die geplant gewesene Fragestellung ebenfalls als unzulässig erklärt. Mit dieser Entscheidung ist endgültig ausgesprochen, daß die Krankenkassenvertretungen als solche nicht berechtigt sind, Kandidaten bestimmte, auf die Organisation oder die Verwaltung der Kassen bezügliche Fragen vorzulegen.
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Wien, 3. Juni. Generalmusikdirektor Mottl ist von den Wiener Philharmonikern mit überwiegender Majorität zum Dirigenten gewählt worden.
WennijchLes.
Ei» alter Acht»»-vierziger
Aus London kommt die Kunde von dem Ableben Karl Blinds, der im 81. Lebensjahre stehend nun ein bedeutsames Lcbenswirken abgeschlossen hat. Karl Blind war am 4. September 1826 inMannheim geboren, er- l hielt am dortigen Lyceum und später am Karlsruher f Gymnasium seine Erziehung und studierte in Bon n und j Heidelberg, wo er sich bereits an der politischen Be- E wegung beteiligte. Die Revolution des Jahres 1848 fand ihn in der vordersten Reihe der Freiheitskämpfer. Als Hecker im Mai 1848 in Baden die Fahne des Aufstandes erhob, trat Blind in die Reihen der Freischärler und kämpfte tapfer mit der kleinen Schar, die schließlich von der Uebermacht über den Rhein nach dem Elsaß gedrängt wurde. In Straßburg trat er an die Spitze des Alüchtlingsausschusses, der sich dort organisiert hatte, wurde aber auf Befehl Cavaignacs, der damals, an der Spitze der französischen Republik stand, verhaftet und an die Schweizer Grenze gebracht, wo er seine Freiheit wiedererhielt. Ter ebenfalls von Blind mit Struwe organisierte Aufstand in Baden wurde nach Erstürmung der' Stadt Sinussen schnell unterdrückt. Struwe nird Blind wurden gefangen nach Rastatt gebracht Und entgingen mit genauer Not der standrechtlichen Erschießung. Ter Ra- statter Soldatenaufstand vom Mai 1849 befreite BlW aus dem Kerker. Als dann in Offenburg von einer großen Volksversammlung ein Landesausschuß als eine Art provisorische Regierung eingesetzt wurde, ging Blind als dessen Bevollmächtigter nach Paris, wurde aber dort wegen angeblicher Teilnahme am Ledrn-Rollins Putsch am 13. Juni 1849 verhaftet und entging nur mit Mühe der Auflieferung an Baden, wo die preußischen Truppen unter dem Prinzen von Preußen inzwischen den Aufstand Niedergeschlagen hatten. Dolch; würde er Dom Präsidenten Louis Napoleon für immer aus Frankreich ausge- w lesen. Auch in Belgien, wohin Blind sich zunächst wandte, war seines Bleibens nicht, und so verlegte er 1852 seinen Wohnsitz mich London. Hier hat er seitdem uninlterbrvchen gelebt. Er blieb noch lange mit den Leitern der republikanischen Bewegung in Europa, Maz- zini, Garibaldi, Kossuth, Herzen, Louis Blanc u. a. in Beziehungen, trat aber aktiv in der Politik nicht selbst hervor, sondern lebte als Korrespondent deutscher Zeitungen. Bekanntlich hat ein Stiefsohn Blind's der Student Ferdinand Cohen, 1866 in Berlin Unter den Linden ein Attentat auf Bismarck verübt und sich darauf selbst entleibt.