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bene Abg. Auer hat in den 90er Jahren eine Rede ge­halten, die gerade heute auch für die Kreise seiner Partei­genossen von Interesse ist. Er warf die Frage auf: Ist es möglich, daß die ganze Produktion geregelt werden kann ? Auch die Sozialdemokratie sagte: Das ist eine Illusion! Wo lesen wir jetzt das Wort: Regelung der Produktion? In der Denkschrift der Regierung. Was als Marxismus und als Angriff gegen die Gesellschaft angesehen wurde, das ist heute in der Verwirklichung begriffen und der Angriff geht von Händen aus, die feinere Handschuhe an- haben als die, welche es zuerst sagten. Dort entstehen die zentralen Machtstellen, deren Steuerfähjgkeit über die des Staates hinausgeht. Es wird dem Kohlenkartell ver­hältnismäßig leichter, 60 Millionen aufzubringen, als der deutschen Reichsverwaltung, und leichter, hochbegabte Beamte an sich zu ziehen, als der Staatsverwaltung. So entsteht der Konkurrenzbetrieb der industriellen Herrschaft neben dem Staatsbetrieb. Die Machtfrage rückt all­mählich zur Entscheidung heran. Es liegt im Staatsiuteresse, die Kräfte dieser zentralisierten Industrie- Herrschaft mindestens in gemessenen Grenzen zu halten und dem Staat muß daran gelegenMin, Hilfskräfte zu gewinnen, und das geschieht auf dem Weg, der vom Jndustrieunter- tanen zum Jndustriebürger führt. Die Mehrheit des Reichs­tags, ist für die elementaren Grmwforderungen, auf denen sich die Arbeitsverfafsnng der Großindustrie auch in Zu­kunft aufbaut. Nicht vorhanden ist die Mitwirkung des andern Faktors der Gesetzgebung. (Lebhafter Beifall).

Staatssekretär Graf Posadowskh: Ith glaube, Sie werden den Ausführungen des Vorredners mit dem glei­chen Interesse gefolgt sein wie ich. Es war eine philo­sophische Rede eine philosophische Betrachtung. Aber, wenn man in der Praxis des Lebens steht, sehen die Dinge nüchterner aus und müssen auch nüchtern behandelt wer­den. Wenn ein Ausländer die Rede gehört hätte, die uns der Vorredner gehalten hat, so müßte er zu dem Schluß kommen, daß Deutschland gegenüber den andern Staaten, die eine liberale Verfassung haben, weit zurückstehe. Dem­gegenüber will ich nur auf zwei Tatsachen Hinweisen, die der neuesten politischen Geschichte entnommen sind. In Frankreich bemüht man sich seit Jahrzehnten, eine Ein­kommensteuer einzuführen; über diesen Versuch sind eine Reihe von Ministerien gestürzt worden. In Preußen und in Deutschland betrachten wir eine Einkommensteuer, da­zu eine progressive Einkommensteuer, die erhoben wird, nach der Größe des Vermögens, als etwas selbstverständ­liches. (Zurufe bei den Soz.-Dem.: Nicht in allen Bun­desstaaten!) Aber doch in den meisten, und aus die weni­gen Ausnahmen will ich nicht eingehen. In England, dem liberalen Musterlande, will man eine Invalidenpen­sion für die Arbeiter einführen. Man will ferner das tun, was Stein und Hardenberg bereits vor hundert Jah­ren in Preußen getan haben: Man will die Entvölkerung durch die Ansiedelung von englischen Bauern verhindern. Da tritt ein liberaler Führer auf, der jetzige Minister­präsident, und erhebt den Vorwurf, daß diese Maßregel zur Revolution, zum Umsturz führt. Wenn Sie in die vergleichende Geschichte der europäischen Staaten hinein- seheu, dann werden Sie finden, daß Deutschland bei ei­nem Vergleich verhältnismäßig günstig abschneidet. Ich bin vielen und verschiedenen Angriffen ausgesetzt gewesen und ich habe mir das Vergnügen gemacht, diese Angriffe zusammenzustellen. So ist zunächst in einem Artikel der Hilfe", die von dem Abg. Naumann herausgegeben wird, gesagt: Ich triebe eine Sozialpolitik der Bevormundung. Ich bin gespannt, wie sich der Abg. Naumann eine Sozial­politik ohne Bevormundung denkt. Aus seiner Rede war das heute nicht heranszuhören. (Sehr richtig!) Wenn wir so edle Menschen hätten, wie sie die Sozialdemokratie für den Zukunstsstaat in Aussicht stellt, Menschen, die nichts Uebles tun, die nur aus Liebe zum Nächsten, zum Bruder handeln (Heiterkeit), die nur die Wohlfahrt des Nächsten iip Auge haben, dann brauchten wir keine Ge­setzgebung der Bevormundung und der Repression. Aber lesen Sie die Berichte der Gewerbeinspektoren und die Strafverzeichnisse wegen Uebertretung der Arbeitergesetze, dann wird sich auch Herr Naumann überzeugen, daß, wenn wir sozialpolitische Ziele verfolgen, es nur möglich ist bei einer kräftigen Hand des Staates, um die Ge­setze durchzusühren. In einem anderen Artikel heißt es, daß meine Sozialpolitik im Lande keine Gefühle der Er­leichterung und Freude ausgelöst hat. Ich stehe seit 20 Jahren im praktischen Verwaltungsleben, ich habe viele gesetzliche Maßregeln durchführen müssen. Ich habe aber nie dabei gefunden, selbst nicht bei der Veranlagung zur Einkommensteuer, daß sie ein Gefühl der Erleichterung und der Freude ausgelöst hätten. (Große Heiterkeit.) Man wird niemals gesetzlichen Maßnahmen gegenüber ein Ge­fühl der Freude und Erleichterung empfinden. Im Ver­ein der Steuer- und Wirtschaftsreformer hat ein Redner eine dritte Auffassung über meine Sozialpolitik zum Ausdruck gebracht. Darin wird gesagt, daß es meiner Sozialpolitik an Selbständigkeit und an dem Bestreben, die eigenen Produktionsmittel zu vermehren fehle. Er hat eine Entproletarisierung der Massen ge­fordert, indem eine nach seinem Geschmack betriebene So­zialpolitik jenen die Selbständigkeit verleihe und eigene Produktionsmittel in die Hand gäbe, was meiner An­sicht nach schon an Kollektivität grenzt. Zum Schlüsse be­dauert aber dann der Redner in derselben Rede, daß der Unterschied zwischen Knecht und Herr aufgehört habe. Das kann ich nicht verstehen. (Sehr richtig! links.) Gegen­über diesen verschiedenen Auffassungen glaube ich, die verbündeten Regierungen tun am besten, wenn sie Schritt für Schritt in der Gesetzgebung weiter vorwärts ge­hen. Man kann oft die Klage hören über das zu schnelle Tempo der sozialen Gesetzgebung. Das ist sicher nicht richtig. Es werden zu viel sozialpolitische Forderungen gleichzeitig erhoben. Daß seit der Durchführung der letz­ten großen sozialpolitischen Versicherungsgesetzgebung dem Volke große sozialpolitische Lasten auferlegt worden sind, ist durchaus falsch. Ich glaube, die große Anzahl der Wünsche, der Umstand, daß man zuviel auf einmal ansaßt, ist am Letzten Ende geradezu ein Hemmschuh zum Weiter kommen. Ich halte es deshalb für richtig, daß ich heute auf die einzelnen Fragen nicht weiter eingehe. Ich will das späte , einmal Punkt für Punkt tun, heute halte ich es für das beste, das Program m davon zu entwickeln.

was in den nächsten Jahren geschehen soll. Ich dieses Reformprogramm ist so weitgehend, daß es aller Anstrengungen bedürfen wird, es durchzuführen. Mehrere Gesetze sind noch aus der vorigen Session im Rückstand: die Maß- und Gewichtsordnung, das Gesetz über den U nt er stü tz u n g s w o h nsitz ünd das Gesetz über die Hilfskassen. Der Verabschiedung harrt das Ge­setz über die Heimarbeit in der Z i g a r r e n i n du- strie. Tie Verhältnisse der Heimarbeit liegen so ver­schieden, daß wir hier nur durch Spezialgesetze Vorgehen können. Fertig ist das Gesetz über den kleinen Be­fähigungsnachweis, ebenso das Gesetz über die Un­terdrückung von Viehseuchen. Mit der Ausarbeit­ung des Vereins- und B e r s a m m l u n g s g e s e tz e s bin ich jetzt beschäftigt. Man hat gesagt, ein solches Ge­setz hätte mau vor Einbringung des Berufsvereinsgesetzes machen sollen. In den letzter! Jahren ist aber immer nach dem Berufsvereinsgesetz verlangt worden. Man hatte an diesem Gesetz viel auszusetzen, aber ich bin sicher, daß das Gesetz zu Stande gekommen wäre, wenn der Reichs­tag nicht aufgelöst worden wäre. Jetzt bin ich auch der Ansicht, zunächst das Vereins- und Versammlungswesen zu ordnen. Dann wird die privatrechtliche Ordnung der An­gelegenheit keine Schwierigkeit mehr machen. Uns haftet noch zu sehr die Erinnerung an den alten Polizeistaat an. Seinerzeit hat uns der Reichskanzler Fürst Hohen­lohe die Aufhebung des Berbindungsverbots für politische Vereine in Aussicht gestellt. Ich habe mich nicht pflicht­gemäß für die Verwirklichung dieses Versprechens einge­setzt. Welchen Angriffen bin ich deshalb nicht in der Pressest m Reichstag und auch noch au anderen Stellen aus­gesetzt gewesen! (Heiterkeit. Rufe: Wo denn?) Das ist eine sehr neugierige Frage. Welche Gefahren sah man nicht in diesem Gesetze und was hat sich weiter seitdem geändert. Die Vereine standen schon lange durch Tele­phon, Telegraph und ans andere Weise miteinander in Verbindung. (Sehr richtig! Heiterkeit.) Es handelt sich nur uni die Beseitigung eines alten Dekorationsstückes. (Sehr richtig! links.) Und so ist es auch mit unserem Be- eins- und Bersammlungsrecht. Es enthält eine Reihe überlebter Bestimmungen, die der modernen Entwicklung nicht mehr entsprechen (sehr rich­tig! links), keinen politischen Zweck haben (sehr rich­tig! links) und das Publikum nur ärgern. Ich halte mich trotz aller Angriffe immer noch für einen Konservativen. (Widerspruch rechts.) Mün soll aber nicht glauben, daß man gewisse Volksstimmungen unterdrücken kann, durch polizeiliche Vorschriften des Ver­eins- und Bersammlnngsrechtes. Der Vorredner empfiehlt die Uebertragung des württembergischen Gesetzes auf das Reich. Das wird aber nicht angehen. Im Reiche lie­gen die Verhältnisse doch so verschieden, daß, hier ganz an­dere Gesichtspunkte in Frage kommen, wie in einem Einzel­staat. Tie äußere Grenze für ein Vereins- und Bersamm- lungsgesetz liegt darin, daß erstens das Vereinsgesetz so beschaffen ist, daß unter allen Umständen und zu allen Zeiten die bürgerliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit auf­recht erhalten wird. (Lachen links. Zurufe bei den So­zialdemokraten.) Ja, Sie wollen doch Ihre Ziele aus friedlichem Wege erreichen. Wie können Sie sich dann gegen ein Gesetz wehren, das die Ordnung aufrecht erhal- , ten will! Zweitens darf das Vereinsgesetz nicht verbre­cherischen Handlungen Vorschub leisten. Man spricht jetzt ! viel von der Zusammenlegung der sozialpolitischen Gesetz- j gebung. Wir müssen uns aber hüten vor einer schematischen j Regelung, die alles über einen Leisten schlägt. Man hat ? vorgeschlagen, idste kleinen Renten zu beseitigen und im j Abgeordnetenhaus- ist der Abg. Schröder dafür eingetre­ten. Dieser Herr hat sich aber überzeugt, daß das un­möglich ist und er hat das offen ausgesprochen. Ich danke ihm dafür, denn kluge Leute scheuen sich nicht, ihre Ansicht zu ändern. Not tut weiter bessere und schärfere Un- § sallver Hütungsvorschriften bei den land- f wirtschaftlichen Berufsgenossenschaste n. l Der Kernpunkt der Versicherung ist die Kranken» er- ^ sicher ung. Hier muß die Unterinstanz verbessert und s die Schiedsgerichte müssen anders gestaltet werden. Zu- s gleich müssen die Heimarbeiter und die landwirtschaftlichen s Arbeiter in die Versicherungen einbezogen werden. Sollte H es möglich sein, damit eine Kodifikation der gesamten so- H zialpolitischen Gesetze herbeizuführen, so wird das nütz- i lich sein. Dann muß die Witwen- undWaisenver- « z sicher ung gleich mitberücksichtigt werden. Ich glaube, Z ' diese Arbeit in einem Jahre leisten zu können. Es wird f weiter Vvrgelegt werden ein Gesetz über den Arbeiter- j schütz der Hausarbeit, über die Nachtruhe der Frauen, den zehnstündigen Arbeitstag der Frauen, die Arbeitsverhältnisse der W erkmeister und Techniker, die mit den Handlungsgehilfen gleichgestellt werden sollen. Das Gesetz über die Arbeitskam­mern soll im Herbst kommen, ferner ein Gesetz über die Unfallfürsorge für die im öffentlichen Dien­ste verunglückten Personen, eine Revision der Sonntagsruhe, die mit einigen Ausnahmebestimm­ungen aufräumen wird. Ich hoffe auch, ein Gesetz über den unlauteren Wettbewerb vorlegen zu können. Werden diese Gesetze in der nächsten Session vorgelegt, so wird es mich außerordentlich freuen, wenn es der Mit­arbeit aller gelingen wird, diese Gesetze zu erledigen. Ich würde es für nützlich halten, wenn man sich bei diesem Programm beruhigen und von weiteren Anträgen absehen wollte, bis diese dringendste Arbeit erledigt ist.

Hoch (Soz.) wünscht zunächst freiheitlichere Gestalt­ung der Verwaltungsbehörden und empfiehlt dann die Resolutionen seiner Partei.

Staatssekretär Graf PosaDorvsky bestreitet gegen­über dem Vo.redner, daß die Rentenentziehung allge- gemein erfolge. Gegenüber der Rentenerschl ichung müsse vorgebe werden, daß das Unfallversicherungsgesetz sich nicht gccaeezu zur Volkskrankheit entwickle.

Morgen Weiterberatung; Schluß 61/4 Uhr.

AundsÄm,.

Wer wird der Nachfolger Aner's. Aus S a ch-

s e n wird der Fr. Zt. geschrieben: Die Reichstagser- sa tzwahl, die infolge Ablebens des sozialdemokratischen Abgeordneten Ignaz Auer im l7. sächsischen Reichstags-

wählkrcisd (G laü chau-M ee r a n e) nötig ist, wird st- denfalls zu einem harten Wahlkampfe führen. In s^ zialdemokratisrchen Kreisen hatte man schon mit einer Mandatsniederlegung des schwerkranken Abg. Auer ge­rechnet und aus dem Wahlkreise wurde auch berichtet, daß der bei den letzten allgenreinen Wahlen in Dresden-M- stadt unterlegene frühere Reichstagsabgeordnete, Redak­teur Tr. Gradnauer, als Nachfolger Auers ausersthen sei. Aller Voraussicht nach wird Dr. Gradnauer nun auch als sozialdemokratischer Kandidat ausgestellt weroen. Der verstorbeue Abg. Auer vertrat seinen Wahlkreis seit 1884, mit alleiniger Ausnahme der Wahlperiode 1887 bis 1890. An dem letzten Wahlkampf konnte er sich wegen seiner Erkrankung nicht mehr persönlich beteiligen und da rauf ist es mit zurückzuführen, daß. eine Stimmenzahl von 18 349 im Jahre 1903 bei der letzten Wahl auf 1668z zurückging. Tie Tatsache, daß die Zahl der bürgerlichen Stimmen, die 1903 nur 7392 betrug, am 25. Iänciar ds. Is. aus 13 452 emporschnellte, wird aber zweifellos auch die bürgerlichen Parteien veranlassen, bei der Nach­wahl alle Kraft daranzusetzen, um auch diesen Wahlkreis von der Sozialdemokratie zurückzuerobern. Wahrschein­lich wird der nationalliberale Stadtrat a. D., Dr. Claus, der bei der letzten allgemeinen Wahl Kandidat der bür­gerlichen Parteien war, auch für die bevorstehende Er­satzwahl erneut als Reichstagskandivat aufgestellt werden, -t 4- *

Jahres über die Montagninipastiere. Ae

Wirkung der M 0 n t g ni n i - P ap i er e faßt der Abg. Ianrcs in folgendem Artikel derHumanitee" zusam­men: Die Veröffentlichung der Montagnim-Papiere ist ein schwerer Schlag für die Kirche. Die Frage der Tren­nung war bereits nahezu beendet, und es wäre den Kleri­kalen schwer geworden, sie für die Generalrats- und die Gemeinderatswahlen wieder aufzuwerfen. Jetzt ergreif man selbst in den Dörfern, in denen der katholische Fa­natismus, aufgeregt von den Politikern der Reaktion und den Priestern, am heftigsten entfesselt war, die Offensive. Will das etwa heißen/ daß die Montagnim-Papiere wirk­lich etwas Neues enthalten? Man wußte bereits, daß die Kirche sich in Unserem Lande mit allen reaktionären Kräf­ten, mit allen Feinden der Republik und der Demokratie verbündet hatte. Man wußte bereits, daß sie nicht mehr von der Triebkraft .des Glaubens die Unterwerfung de» Volkes erwartet und dieses deshalb durch autoritäre Re­gierungen unterjochen wollte. Man wußte das bereits, aber nur in großen Zügen. Die Montagnini-Papiere zei­gen die Kirche mitten in der politischen Arbeit, in einer gleichzeitig bestimmten und kläglichen Kleinarbeit, und daS gerade macht einen tiefen Eindruck. Die Reaktionäre ver­suchen kaum die Wucht des Hiebes abzuschwächen, so sehr scheinen sie durch diesen entmutigt. DieLibre Parole" s beklagt sich über ihre Schlaffheit, wie sie ehedem sich über k das Zögern der Klerikalen, die Fälschungen Henrys zu ß. verherrlichen beklagt hat. »Die Reaktion weiß noch nicht,ob E sie den Monsignore verleugnen oder preisen soll. Und ? wenn dieLibre Parole" glaubt, daß dieMontagnini-Pa- ? Piere, statt die politiktreibende Kirche zu erdrücken, ihr ? Mittel zu einer kräftigen Offensive geben werde, so fragt ? man sich, warum sie nicht selbst das Beispiel zu dem k kühnen Manöver gegeben hat. Die Klerikalen sind darauf angewiesen, an einigen Einzelheiten herumzunörgeln. Es ^ ist gewiß natürlich, daß die Kirche sich mit der politischen f Bewegung Frankreichs befaßt, da die Politik alles be- ? herrscht. Aber für das französische Gewissen ist der Ge- ) gensatz Zwischen her mystischen Höhe, die Pius X. zm ) Schau trägt, und den Wahlmachenschaften seines Mini- t sters und feines Delegierten recht unangenehm. Es lag f für den Papst eine gewisse Größe darin, zu verkündigen, l daß er stber den Parteien stehe, daß er das Heil der t Kirche nicht von dieser oder jener menschlichen Kombination,

) sondern von der Prüfung selbst erwarte, die den tätigen f Glauben sogar m .jenen Gewissen wecken ivürde, die aus x Schwäche oder Unwissenheit zum Feinde übergegangen wa- » reu. Ja, dann hätte man aber als Werkzeug dieser rein ? göttlichen Befreiung nicht jeneAktion Liberale" amieh- ^ men dürfen, die nicht ein Glaubensbekenntnis, sondern eine Partei, die Sammlung aller Männer und aller Kräfte ist, die die Republik und die Demokratie vor sich zu treffen gewohnt find. Das merkt das Volk in den Montaguini- Papieren sehr genau.

Es sei, heißt es zum Schlüsse, ein unanslöschbarer Ein­druck von Komödie und Lüge, der alle Streitigkeiten über­leben werde, und für die Kirche eine starke Verminderung ihrer moralischen Autorität.

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Ein neuer russischer ALotLenLauplan. Die rüs- ^ fische Regierung, die selbst den Anstoß zur zweiten Haa- E ger Friedenskonferenz gegeben hatte, erweist dje- H ser durch die Aufstellung eines neuen Flottenplanes eine s besondere Aufmerksamkeit. Aus Petersburg wird s über diesen Plan offiziös berichtet: Unter dem persönlichen E Vorsitz des Marineministers Dikow wird ein Flottenplan ^ für den Beginn des Baues einer Schlachtflotte iin s lausenden Jahre ausgearbeitet, der nicht auf den Bau einer ; kleinen VerteidigUngsflotille und von Torpedobooten be- j schränkt wird. Die Schisse sollen auf russischen Wersten s gebaut werden. Das Marineministerium hat einen ver- l besserten Typ eines SchlachtschiffesModell Dreadnought ausgearbeitet, das 22800 Tonnen Deplazement erhalten und eine Geschwindigkeit von 21 Knoten zu erzielen m stände sein soll. Als schwere Artillerie sind zehn zwölf- zöllige Geschütze vorgesehen. Die Baukosten des Schiffes, das mit Turbinenmaschinen ausgerüstet werden soll, sol­len sich auf 21800000 Rubel belaufen.

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Gefährliche Reisen macht man bekanntlich in Rußland, besonders wenn man ein Polizeigouverneur oder gar ein Großfürst ist. So wird dem Berl. Lok.-Anz. vorn Donnerstag aus Petersburg gemeldet: Als der Groß­fürst Nikolai Nikolajewitsch und sein Bruder Peter gestern nacht mit einem Extrazug aus Zarskost Selo nach Petersburg zurückkehrten, bemerkte ein Wacht­posten 18 Werst von Petersburg entfernt auf dem Schu- nenstrang vier unbekannte Männer, die^ dem Zug entgegeneilten. Dem Zuruf des Postens, stillzustehen, lei­steten sie keine Folge. Der Posten gab Feuer, das aber im