habe» nunmehr folgende Stärke: Volkspartei 24 (bisher N>), Zentrum 25 (bisher 21), Sozialdemokratie 15 (bis­her 7), Deutsche Partei 13 (bisher 10), Konservative und Bauernbund 15 (bisher 9).

Für die Geschäftsordnung der 2. Kam,«er siiü> folgende provisorische Abänderungen vorgesehen: In ß 4 Abs. 1 soll die neue Fassung lauten:Der Vorstand der Kammer besteht aus einem Präsidenten, einem Vize­präsidenten und falls die Kammer dies beschließt, einem zweiten Vizepräsidenten." 8 11 Abs. 1 würde dann dahin geändert werden:Der Präsident, der Vizepräsident und falls die Kammer einen solchen gewählt hat, der zweite Vizepräsident bildet mit den Schriftführern zusammen den Gesamtvorstand." Ein 8 13a soll neu eingeschaltet wer­den:Die Verteilung der Sitzplätze unter die Mitglieder erfolgt bei Beginn je der Landtagsperiode im Wege der Verständigung, falls eine solche nicht zu erzielen ist, durch Beschluß der Kammer." In ß 14 Abs. 1 Satz 2 soll ge­sagt werden :Aus der rechten Seite sind die Plätze für die Mitglieder der Ersten Kammer, für das diplomatische Korps und die Staatsdiener in drei Säulenreihen, aus der linken Seite die für die Berichterstatter öffentlicher Blätter in 4 5 Säulenreihen, je nach dem Bedürfnis abgegrenzt. 8 55 Satz 1 soll folgende neue Fassung er­halten:Dasjenige Mitglied, welches bei der Wahl einer Kommission die meisten Stimmen erhalten hat, falls die Mitglieder gleichviel Stimmen haben oder falls dieselben im Wege des Zurufs gewählt sind, das dem Lebensalter nach älteste Mitglied beruft die erste Sitzung." In 8 81 wird folgender Absatz neu eingeschaltet:Der Namens­aufruf erfolgt nach dem Alphabet, wobei jedesmal mit dem nächstfolgenden Buchstaben begonnen wird; nach Be­endigung desselben ist den Mitgliedern noch Gelegenheit zu geben, nachträglich sich an der Abstimmung zu be­teiligen; hierauf erklärt der Präsident die Abstimmung für geschlossen." In 8 88 Ziffer 2 werden Wahlen durch Zuruf für zulässig erklärt, wenn kein Mitglied wider­spricht."

Die Präsidentenwahl. Zum Präsidenten der Z,Veiten Kammer wurde Payer mit 56 Stimmen gewählt. Weitere Stimmen erhielten v. Kiene 23, Balz 8, Li sching 1, Walter 1. Das Ergebnis der Wahl wurde mit lebhaf­tem Beifall ausgenommen. Die 8 Balzstimmcn stammten vom Bauernbund.

Die Fraktion der Deutschen Partei des Land tags hat den Abg. Hieber zum Vorsitzenden, den Abg. v. Balz zum stellvertr. Vorsitzenden, die Abg. Naumann und Böhm zn Schriftführern gewählt.

Die Fraktion des Bundes der Landwirte nnd der Konservativen ist, nachdem der Abg. Beiß- wanger ihr als Gast beigetreten ist, nunmehr 15 Mit­glieder stark, also ebenso stark wie die sozialdemokratische Psaktion. Zu ihrem Vorstand hat sie den Abg. Hang, Mm stellv. Vorstand den Abg. Kraut und zum Schrift­führer den Abg. Körner gewählt.

Die Wahl des Abg. Roth im 4. württ. Reichs­tagswahlkreis soll angefochten werden, weil seitens der Gipsfabrik in Korntal ihren Arbeitern versprochen wor­den sein soll, wenn Roth gewählt werde, erhalte jeder Arbeiter einen Taglohn nachbezahlt. Wenn diese Be­hauptung zutrifft, wäre damit allerdings eine so u n- ! erhörte Art von Wahlbeeinflussung erfolgt, wie sie in i Württemberg erfreulicherweise in den letzten Jahren nir­gends zu verzeichnen war. Man wird zunächst die Be­stätigung des behaupteten Anfechtungsgrundes abzuwar- ten haben. Zunächst können wir noch nicht recht daran glauben, daß man es wagen würde, in solch skrupelloser Weise sich gegen bekannte Paragraphen des Strafgesetz­buches zu vergehen.

Vorlagen. Dem Landtag wird in aller Bälde eine Vorlage für Neubauten und Erweiterungsbauten von Oberamtsgcbäuden, die infolge der neuen Bezirksordnung notwendig werden, zugehen. Die beträchtlichen Mittel, die hiefür erforderlich sind,, können nachträglich auf den Etat von 1906 übernommen werden.

Der neue Finanzetat, Der nun dem Landtag zugegangene Etat sieht für das Jahr 1907 einen Staats­bedarf von Mk. 90519 511, für 1908 von Mk. 91581 280 vor, d. i. verglichen mit 1906, für das erste Jahr ein Mehrbedarf von Mk. 6 916 104, für das zweite von Mk.

7 906 873. Als Decknngsmittel sind vorgesehen für 1907: Einnahmen aus dem Kammergut in Höhe von Mk. 39 058 454, Landessteuer Mk. 42 720 088, Ueber- weisungen vom Reich und Anteil an der Erbschaftssteuer Mk. 8 793 864, zusammen Mk. 90 572 406, sodaß sich ein Fehlbetrag von Mk. 18 105 ergibt. Für 1908 sind als Deckungsmittel vorgesehen: Einnahmen aus dem Kammer­gut Mk. 39 341 785, Landessteuer Mk. 43 423 388, Ueber- weisungen vom Reich und Anteil an der Erbschaftssteuer Mk. 8 818 564, zusammen Mk. 91583 737, sodaß sich ein Ueberschuß von Mk. 2457, für beide Jahre zusammen ein Fehlbetrag von Mk. 15648 ergibt. Zur Aus­gleichung der Einnahmen und Ausgaben in der ganzen Finanzperiode ist daher für das Etatsjochr 1907 ein Zu­schuß aus der Restverwaltung in dieser Höhe eingestellt.

Der Begleitvortrag des Finanzministers zum Etat hebt hervor, daß die Finanzlage dank der fortlau­fenden günstigen Gestaltung der wirtschaftlichen Verhält­nisse befriedigend ist. Die bei der laufenden Verwalt­ung zur Besserstellung der Beamten usw. aus­gesetzten Mittel konnten ohne Ueberanspannung des Etats gewonnen werden, sodaß, wenn die Zeiten günstige blei­ben und Württemberg durch Mehrbelastungen seitens des Reiches verschont wird, die Einhaltung des Gleichgewichts in unserem Finanzetat gesichert erscheine. Als weiterer günstiger Umstand wird hervorgehoben, daß es für die Finanzperiode 190708 wieder gelungen ist, die außer­ordentlichen Bedürfnisse der allgemeinen Staatsverwalt­ung für Hochbauten usw. ganz aus Mitteln der Restver­waltung zu bestreiten und damit die Inanspruchnahme des Staatskredits auf die außerordentlichen Aus­gaben für Zwecke der Verkehrsanstalten zu beschränken.

Zur Förderung von Gewerbe und Handel Kat die Regierung in den nächsten Jahren vorgesehen neue Forderungen für die Fachschule für Edelmetallindu­strie in Gmünd, für die Harmonikaindustrie in Trossin-

ge», für eine Bauhandwerkerschule in Biberach, und für die Veranstaltung von Wettbewerben um Preise für Ent­würfe zu einfach bürgerlichen kunstgewerblichen Gegen­ständen, ferner für die Sammlungen des Landesgewerbe- museums, für das Technikum für Textilindustrie in Reut­lingen, für die Erweiterung der Aufgaben der Beratungs­stelle für das Baugewerbe, zu Vermehrung und Erweiter­ung der Meister- und Gesellenkurse nnd für Gewcrbe- ausstcllungen.

In einem Hause der Seidenstraße in Stuttgart machte Donnerstag nachmittag ein verheirateter Bäcker­meister den Versuch, sich durch Leuchtgas zu vergiften. Hieran verhindert, brachte er sich mit einem Rasiermesser Verletzungen am Halse und linken Handgelenk bei, sodaß er ins Katharinenhospital verbracht werden mußte.

In Birkenseld OA. Neuenbürg hat sich der Gold- arbeitcr Roth, der einen Ehescheidungsprozeß führte, er­hängt. Er wurde rasch abgeschnitten, doch waren die Versuche, ihn wieder ins Leben znrückzurufen, vergeblich.

Am 3. ds. Mts. morgens nach 6 Uhr, wurde von einem Bäckerjungen in der Nähe von Schliehenweiler OA. Backnang unter einem Baum ein älterer Manu in halberfrorenem Zustande angetroffen; derselbe wurde aus erstattete Anzeige alsbald in das BezirkskrankenhauS nach Backnang überführt. Dort ist er noch am gleichen Tag verstorben. Es ist der 67 Jahre alte Friedrich Ott «ms Ziegelhütte, OA. Welzheim, der offenbar bei der in der Nacht herrschenden Kälte erfroren ist.

Zn unserer Notiz über den in einem Anfall von Ver­folgungswahn erfolgten Selbstmord des Stationsmeisters Breithaupt in Ulm wird uns berichtigend mitgeteilt, daß sich Breithaupt nicht von seinem Vorgesetzten, sondern viel­mehr von einigen seiner Kollegen verfolgt glaubte.

Zur ,Ha§r« i« Archkand.

M ord.

Aus Pana wird gemeldet: Der Gouverneur Ale- xandrowalei, Generalbevollmächtigter im russ.-japani- schen Krieg wurde Donnerstag Abend beim Austritt aus dem Theater erschossen. Der Mörder feuerte auf den Gehilfen des Polizeimeisters, sowie auf einen Theaterredak­teur, die ihn verfolgten. Schließlich wurde er selbst schwer verwundet.

Gerichts!««?.

Ulm, 7. Febr. (Strafkammer.) Von dem Aus­steuer- und Manufakturwarengeschäft von Karl Doll hier kamen in den letzten Jahren bedeutende Ladendiebstähle vor, die im September v. Js. ans Tageslicht- kamen und zahlreiche Verhaftungen zur Folge hatten. Gestern wur- den gegen 8 ehemalige Verkäuferinnen des Geschäfts wegen Diebstahls.' bezw. Beihilfe, Betrugs Und Unterschlagung Und gegen 3 anderweitige Angeklagte wegen Hehlerei ver­handelt. Die bis tief in die Nacht während der Verhand­lung, erbrachte den Beweis, daß die beschuldigten Ver­käuferinnen Waren für rund 2000 Mk. und Rabattmar­ken im Betrag von ungefähr 55 Mk. sich ängeeignet oder sich gegenseitig teils zu niedrigem Preis oder ohne Preis­berechnung ausgehändigt hatten. Die Mutter einer der Beteiligten nnd eine Nähterin wurden der Hehlerei schul­dig gesprochen Und zu 2 bezw. 3 Wochen Gefängnis verur­teilt, die Mutter einer anderen und eine Verkäuferin wur­den freigesprochen, die übrigen Verkäuferinnen erhielten Gefängnisstrafen von 10 Tagen bis 2 Monaten.

Der auSaetansckt- Gatte.

Ein Prozeß, der in den Annalen der europäischste Justiz nicht seinesgleichen haben dürste, kam dieser Tag« vor einem Londoner Richter zur Verhandlung. W handelte sich um die Klage, die eine Ehefrau erhoben hatte, weil ihr, wie sie behauptete, von bösen Geistern oder bösen Menschen der Gatte vertauscht worden war. Di« Klägerin machte vor Gericht die sensationelle Mitteilung, daß sie vor etwa vierzehn Tagen gemerkt habe, daß de» Mann, mit dem sie zusammenlebte, nicht mehr ihr rich­tiger Gatte war, sondern diesem nur in allerdings gerads- auffallender Weise ähnlich sah.Der mysteriöse Mensch", schluchzte die Klägerin,sieht genau so aus wie mein Mann, nur daß er etwas stärker ist: er hat auch dieselben üblen Angewohnheiten und prügelt mich ebenso wieMeiner", nur etwas roher. Glücklicherweise haben meine sützf Kinder noch nicht von dem Austausch gemerkt und nennen auch den neuen Kerl Papa." Nachdem dev Richter sich von seinem Staunen erholt hatte, fragte er: Sind Sie denn ganz sicher, daß Sie nicht das Opfer einer Sinnestäuschung sind?"Ich könnte für das, was ich sage, meine Hand ins Feuer legen," wiederholte die Frau. Da die moderne Justiz aber die Feuerprobe nicht kennt, vertagte der Richter den Prozeß und forderte die Iran aUf, zum nächsten Verhandlungstermin den Mann, der sich für ihren Gatten ausgibt, mitzubringen. Einstweilen ist cs noch ganz unklar, wie der Richter hs- rausbringen will, ob der Gatte echt oder falsch ist.

Nordstetten, OA. Horb, 8. Febr. Hier wurde heute vormittag aus Anlaß des Währ. Todestags von Ber- thold Auerbach im Beisein einer stattlichen Teilnsh- merschaft aus nah und fern am Geburtshaus des Dich­ters eine Erinnerungstafel enthüllt. Die Ueber- gabe an die Gemeinde Nordstetten vollzog Geh. Prof. Otto Güntter. Der Feier am Geburtshaus war ein schlich­ter Gedächtnisakt am Grabe Auerbachs vorausgegangen.

Di? russische K,hnmpot z''i.

Die russische Geheimpolizei ist die größte und wirk samste, aber auch die verhaßteste Organisation ihrer Art, die es gegenwärtig gibt; in ihrem Dienst stehen über 30 000 Männer und Frauen, die bei der fortdauernden Unruhe der russischen Verhältnisse alle Pläne und Maß­nahmen der Revolutionäre zu erkunden suchen. In der amerikanischen MonatsschriftCosmopolitan" entwirft Ro­bert Crozier Long ein Bild dieser weitverzweigten In­stitution. Die Zahl von 30 000 Angestellten kann eine nur

ganz ungefähre sein, da die Mitglieder derOkhrana" oder politischen Geheimpolizei beständig vermehrt, aber in den offiziellen Veröffentlichungen mit keiner Silbe er­wähnt werden. Die ganze Einrichtung der Geheimpolizei existiert überhaupt vor dem russischen (besetz nicht; sie erscheint auch nicht in dem kaiserlichen Budget, sondern führt ein heimliches Leben im dunklen Schatten der großen Ereignisse; von ihr wird nur flüsternd gesprochen, und sie stellt sich dar als eine ungeheure unfaßbare Macht, die in tausend Erscheinungen hier nnd da plötzlich anftaucht, durch das ganze weite Land hin iihr unheimliches Wesen treibt und doch keinen Mittelpunkt, keine irgendwie sichrbare und erkennbare Form besitzt. Die Geheimpolizei gehört durchaus nicht zn dem regelmäßigen Sicherheitsdienst oder den Gendarmerietruppen, die vom Ministerium des In­nern unterstellt, aber in Wirklichkeit von den verschieden­sten Orten aus gelenkt, bald zu dieser, bald zu jener Ausgabe verwandt. Ueberall, wo Unruhen entstehen und Gewalttätigkeiten Vorkommen, da stellen sich die Männer der Geheimpolizei ein, und dann wird über den Ort der Zustand desverstärkten Schutzes" oder desaußerordent­lichen Schutzes" verhängt, während dessen die Geheimpo­lizei ihre furchtbare Macht und Wirksamkeit entwickelt. Da werden Hunderte, ja Tausende von verdächtigen Perso­nen verhaftet, Haussuchungen vorgenommen, die Drucke­reien geschlossen usw. Die gewöhnlichsten Obliegenheiten der Geheimpolizei bestehen darin, in allerlei Verkleidun­gen verdächtige Personen auszukundschaften, oder auch aig die Volksmassen im Sinne der Regierung einzuwirken. Speziellere Aufgaben derOkhrana" sind die Beschrift­ung des Zaren, der Großfürsten und der Minister. Der Palast des Zaren ist immer von einem Netz von Geheim piKizisten umsponnen, die als Reisende, Arbeiter oder unter einer anderen Maske ans den Eisenbahnstationen, aus den zum Palast führenden Wegen nnd Gängen, im Park und an den Eingangstüren ausgestellt sind. Plehwe, o:n ver­haßte Minister des Innern, war stets von einer S-char von mehreren hundert Detektivs umgeben und wurde doch durch ein Bombeuattentat am hellenlichten Tage getötet; bei dem Attentat in Stolypins Sommcrvilla waren 35 Geheimpolizisten als Portiers, Lakaien und Bittsteller an­wesend; dennoch drangen die Revolutionäre unbemerkt bis zu der Tür vor des Ministers Arbeitszimmer vor. Die zahlreichen Attentate beweisen überhaupt, daß die Geheim­polizei trotz ihrer großartigen Organisation gar häufig ge­gen den Todesmnt und die Kühnheit der Terroristen macht­los ist. Denn die höhere Intelligenz ist auf Seiten der Revolutionäre, während sich für die Dienste der Geheim­polizei meistens mir mäßig gebildete Individuen finden, die mit einem Gehalt von 70 bis 100 Rubel im Monat zufrie­den sind und die schweren verantwortungsreichen Ausga­ben nur ungern übernehmen. Sehr groß ist die Zahl der nicht direkt chngestellten, sondern nur zeitweiligen Spione und Detektivs, die der Polizei gelegentliche Mit­teilungen machen. Diese Angeber, die sich aus allen Kreisen der russischen Gesellschaft rekrutieren, sind mit dem dichtesten Schleier der Anonymität umgeben, werden nur als Nummern geführt und nie genannt; denn ein Spion, dessen Name bekannt ist, verliert nicht nur seinen Wert, sondern ist auch dem sicheren Tode durch die Verschwö­rer verfallen. Der Oberst Gerasuimowitsch, der gegen­wärtige Leiter der St. Petersburger Geheimpolizei, ist der einzige lebende Mensch, der Namen und Geschichte der Tausenden von Spionen kennt, durch die er seine Mit­teilungen erhält. Selbst die Geheimpolizisten kennen ei­nander nicht. In dem St. Petersburger Geheimbureau in dem die fähigsten Detektivs ihre Instruktionen erhalten, sind getrennte kleine Vorzimmer eingerichtet, in das im­mer nur ein Mann hineingelassen wird, bevor er das Zim­mer des Chefs betritt, und er verläßt diesen Raum durch , eine andere Tür, die ihn wieder ungesehen ins Freie führt.

I Ein Geheimpolizist darf sich nicht photographieren lassen außer zu offiziellen Zwecken, er darf sich nur zu erkennen geben, wenn er verhaftet wird, und es kommt nicht selten vor, daß Geheimpolizisten einen Kollegen gefangen neh­men. Die fähigsten Elemente der russischen Geheimpolizei kommen aus dem Lager, der Revolutionäre, unter denen es viele begeisterkngstrunkene junge Burschen gibt, die, wenn der Rausch verflogen ist, ihre Gesinnung ändern nnd die nützlichsten Mitglieder der Körperschaft werden, die ihre früheren Genossen verfolgt. Auch Frauen finden sich in großer Anzahl unter den Spionen, die gelegentlich der Okhrana dienen. Besonders Trepow sicherte sich mit Vorliebe die Hilfe der Frauen, die ihm beim Auskundschaf- teu von Geheimnissen die wirksamste Hilfe leisteten. Nicht selten kommt es vor, daß solche Spioninnen, ohne daß sie es wissen, den Geliebten verraten und dem Tode ausliefern. Die Geheimpolizei hat auch eine Anzahl Ausländer in ih­ren Diensten, die besonders in Paris, London und der Schweiz mit russischen Geheimpolizisten zusammen arbei­ten. Selten freilich findet sich unter den russischen De­tektivs ein solches Genie wie Gabriel Kabanow, der drei­ßig Jahre hindurch die Polizei an die Verschwörer und die Verschwörer an die Polizei verriet. Er war ein vorzüg­licher Sprachkenner, der die wichtigsten europäischen Spra­chen so glänzend handhabte, daß ihn niemand für einen Ausländer gehalten hätte, und sich russisch in zwölf ver­schiedenen Dialekten ausdrücken konnte; er war ein Philo­soph, ein Maler, ein Sportsmann, kurz alles, was er wollte. Aber seine Verschwendungssucht, seine Vorliebe für aufregende und gefährliche Abenteuer verlockten ihn, mit den Revolutionären und der Regierung zugleich Ge­schäfte zu machen und in tollkühnen verwickelten Jntri- guen beide Parteien an der Nase herumzusührcn und beiden zugleich zu nützen. In allen europäischen Großstädten tauchte er in den verschiedensten Masken und unter im­mer neuen Namen auf, war ein Vertrauter der nihilisti­schen Pläne und zugleich in alle Unternehmungen der Re­gierung eingeweiht. Für diese Kenntnisse ließ er sich denn auch von beiden Teilen bezahlen, weil er beiden Teilen j zu nützen wußte.

Heiteres

Ganz einfach.Die Nameuwahl für das Kind war wohl eine schwierige Sache?"Durchaus nicht. Es hat nur einen reichen Onkel."