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keleson Nr. 4 i.

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Amtsblatt für die Atadt Wildbad.

verkündigungsblatt

der Agl. Forstämter Vildbad, Meistern, Lnzklösterle rc. mit

amtlicher Fremdenliste.

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Der Aanaitunnek.

Die englische Regierung ist allen Ernstes dabei, den Kanal unter dem Meer zu durchbohren, um die britische Insel aus dem Schienenwege mit Frankreich zu verbinden. Ueber dieses Projekt plaudert recht nett ein Londoner Brief einer Berliner Zeitung:

Der Leser fürchte nicht von dieser Stelle aus eine historische Entwicklung der dem Unterhause in nächster Session zugedachten Vorlage über die Erbauung eines Kanaltunnels" hören, noch darf er erwarten, eine Wiedergabe der technischen, ökonomischen und militäri­schen Gründe und Gegengründe gegen dieses Projekt hier zu finden. Hierfür ist noch volle Zeit, wenn die An­gelegenheit im Parlament tatsächlich zur Vorlage kommt. Es sind vielmehr die Unterströmungen, die uns hier in dem Für und Wider mit dem Kanal beschäftigen sollen.

Durchschlagend natürlich, wenn ein Tunnel ge­baut wird, muß immer etwas durchschlagend sein für die Tunnelanlage ist vor allem hier der Gedanke, daß man von seiner Frau morgens einen etwas schleunigen Abschied nimmt, natürlich da die Arbeit in der City sehr drängt, mit dem ehelichen Kuß noch warm ans den Lippen aber znm Zuge eilt, um in Paris in einem der schicksten Restaurants mit wer weiß wem zu dejeunieren, und dennoch am Abend znm häuslichen, scheußlichen, aber keuschenDinner" zurück ist. Das Ganze spielt sich so schnell ab, daß man es, wie der Leser freundlich be­merken will, in einem kurzen Satze erzählen kann. Zu einem zweibändigen Romane erweitert sich die Geschichte erst, wenn die Gattin hinter diese Eskapaden kommt. Wir fürchten nicht so sehr, daß aus Anlaß eines Krieges der Tunnel dereinst gesprengt wird, sondern vielmehr durch das Dynamit der Eifersucht. Mit besonderem Ver­gnügen denken ferner alle die an einen llnterseetunnel, die bisher die Furcht vor der Seekrankheit davon zu­rückgehalten hat, dem unendlichen Londoner Sonntag durch einen Ausflug nach Paris aus dem Wege zu gehen. Man wird in der Folge am Samstag nachmittag die vermutlich in ununterbrochener Folge nach Paris lau­fenden Extrazüge voll und am Sonntag vormittag die Kirchen Londons leer finden. Obwohl sechs der gegen­wärtigen liberalen Minister schon einmal als Abgeord­nete für den Tunnel gestimmt haben, so sind wir nicht so sicher, daß es ihnen heute gelingen wird, nonkvu- sormistische wie streng staatskirchliche Deputierte unter dem Gesichtspunkte der sntsnts eoräiuls zum Projekt des Tunnels zu überreden. Wie weiland Odysseus werden diese sich an den Moralitätsmast binden lassen, um nicht dem Sirenengesänge korrumpierter Freunde des Projektes nachzugeben.

Ich'habe heute eine ältere hohe diplomatische Per-

Nrettag. den 18 . Januar

1907

sönlichkeit über ihre Ansicht interviewt, ob der Tunnel zustande kommen würde, und sie bejahte mit ungewohn­ter Entschiedenheit die Frage. In solchen Fällen muß man immer nach Motiven forschen, um die Energie der Antwort richtig einzuschätzen, und da teilte mir der Kammerdiener des Diplomaten mit, daß der Herr Graf schon seit längerer Zeit in Paris waschenlassen" und durch den Tunnel die Kommunikation mit der Wasch­frau ungleich leichter werden würde. Ein anderer Dip­lomat erbleichte, als ich ihm die zuversichtliche Aeußer- ung dieses Mitglieds der Botschaft einer Großmacht hin­sichtlich des Tunnelbaues erzählte. Er ist nämlich erst seit kurzer Zeit von Paris nach London versetzt worden und fürchtet bei der Stärkung des Verkehrsverhältnisses zwischen London und Paris unangenehme Ueberraschungen nicht politischer Natur, wie hier beruhigend bemerkt sein mag. Seine einzige Hoffnung ist, daß, wenn der Tun­nel fertig, er längst Gesandter im fernen Osten ist. Drei englischen Bekannten näherte ich mich, das Re­porternotizbuch in der Hand, im Gambrinus, wo sie wie echte Deutsche hinter Maßkrügen trefflichen ! Pschorr-Bieres saßen, und bat sie, um ihre Ansicht ! hinsichtlich des Tunnels. Sie protestierten sehr heftig » und gar nicht kordial-ententerlich gegen die französische 1 Neuerung.Wo bleibt", brach der eine los,die sit- senpolizeiliche Kontrolle in Paris, wo die Anwendung des Fremdengesetzes hier, wenn dank dem seekranklosen Verkehr die Boulevards unser Piccadilly überfallen kön­nen, wo es schon toll genug hergeht"?Und welchen 1 Kursschwankungen, fügte ein unverheirateter Spekulant k der City pikiert hinzu,werden wir ausgesetzt sein?" ! Ein ernster, älterer Ministerialbeamter strich ängstlich über k den etwas knapp mit Harr bedeckten Scheitel und murmelte:

>Was wird da aus dem Familienleben werden? Meine k Frau wird mindestens zweimal in der Woche nach Paris ! zum Anprobieren fahren!" Wobei ein hinzugetretener I Jurist freundschaftlich tröstete:Der gesteigerte Verkehr t wird ein beschleunigtes Prozeßverfahren und eine grö- r ßere Leichtigkeit für die Eintreibung der Forderungen her- ! beiführen."

z Ein eingefleischter Feinschmecker verspricht sich alles ! für die Hebung der englischen Kochkunst durch den größe- - ren Tunnelverkehr und die Bildung der englischen Ge- s schmacksorgane in den besseren Pariser Restaurants. Er i selbst schwelgt aber heute schon in dem Gedanken, den in j Argenteuil des Morgens frisch gestochenen Spargel abends E zumDinner" verzehren zu können. Sein kühner Phan-

> tasieflug geht sogar dahin, sich ganze Diners von Pail- lard öd"er Voisin kommen zu lassen.

Aber das ist das ja gerade, was die Insularen hier fürchten, daß durch derartige kleine Einflüsse sich eine Umbildung des englischen Charakters vollziehen wird, und

daß er viel von seiner Männlichkeit durch das französische Raffinement verlieren könnte. Diesen völkerpsvchologi- schen Einfluß zu verfolgen, das würde das Interessanteste an der Tunnelbaugeschichte sein.

Wundschak.

Schmidt kontra Noeren. Der frühere Bezirks­leiter von Togo, Ger.-A. Schmidt, hat jetzt die angekündigte Schrift im Verlage von C. A. Schwetschke in Berlin veröffentlicht, worin er auf Grund eines um­fangreichen Aktenmaterials den vom Zentrumsabgeord­neten Roren gegen ihn erhobenen Beschuldigungen ent­gegentritt. In dieser Broschüre, die erSchmidt ge­gen Roeren. Unter dem kandinischen Joch, ein Kampf um Ehre und Recht" betitelt, schildert er die Reib­ungen, die Jahre lang zwischen ihm und der katholi­schen Mission stattgefunden haben, die vielen gegenseiti­gen Klagen, und spricht die Ueberzeugung aus, daß nur persönliche Rache und Voreingenommenheit gegen ihn die katholische Mission zu der feindseligen Stellung veran­lassen, unter der er schwer gelitten habe. Schließlich sei er aus dem Kolvnialdienst ausgeschieden, weil er un­ter dem Druck persönlicher Schikanen eine ersprießliche Tätigkeit im Dienste des Reiches nicht mehr ausüben zu können glaubte:

Er habe manchen Wünschen der Mission nicht Folge geben können, wollte die Eingeborenen nicht zwingen, Schüler für die Schule zu stellen, und habe sich nicht dazu bewegen lassen, die Fetische der Eingeborenen zer­stören zu lassen und die Häuptlinge abzusetzcn, die der Mission nicht genehm waren. Oft hätten trotzdem die Missionare an seinem Tisch gesessen; sie hätten über die Gespräche, die sie mit ihm führten, Notizen gemacht, die nur dann verwendet werden sollten,wenn gegen die Mission etwas anhängig gemacht worden sei". Schmidt schildert dann im einzelnen die Konflikte. Unter den Gewährsmännern der Mission habe sich ein Lehrer befunden, der wegen wiederholter Sittlich­keitsvergehen mit den Katechumeninnen und den Schülerinnen von der Mission entlassen worden war, ferner ein Koch, der aus den englischen und den fran­zösischen Nachbargebieten wegen schwerer Verbrechen landesflüchtig geworden und in Togo vielfach wegen schwerer Verbrechen bestraft war; dann ein Händler, den die Missionare selbst mitSchweinehund" bezeich­net hätten, und der jetzt auch landesflüchtig geworden sei, und endlich eine Frau, die zugab, zu ihren unwah­ren Angaben durch jenen Händler gezwungen worden zu sein, der ihr den Tod durch denFetisch" der Mis- ! sion androhte. Schmidt bestreitet, über die zulässige ! Prügelstrafe hinausgegangen zu sein. Er bestreitet

AewsgLes Ksöen.

Roman von Max von Weißcnthnrn. 64

Damit dies möglich werde, wollte sie ihm sage», daß jene ihr Kind wirklich für tot gehalten, daß sie, die Mutter, es ge­best», welche der verhaßten Schwiegertochter das Kind ent­rissen und jene, dies ahnend, ihrerseits das Bild der Mutter im Herzen des Sohnes nicht habe verunglimpfen wollen und "chhalb das Märchen von der Krankheit erzählte, welche das i-ind hinweggerafft, während sie hatte annehmen müssen, es sei zu Grunde gegangen, weil die Mutter ihres Gatten es ihr ge­raubt und die zarte Menschenpflanze dann ohne der Liebe jenes Wesens, welches ihm das Leben geschenkt, zu Grunde gegangen sei.

Mit der Festigkeit, welche in der Natur der alten Frau lag, fügte sich die Fürstin, daß, nachdem sie diesen Entschluß einmal gefasst, auch jedes weitere Zögern unnütz sei und sie denselben Wbald und so glaubwürdig als nur irgend möglich zur Aus­führung bringen müsse. Wie es ihr gelingen solle, Eleonore von der Sachlage in Kenntnis zu setze», darüber zerbrach sie sich zu­nächst noch nicht den Kopf. Der Moment, dessen glanlue sie Überzeugt sein zu müssen, würde ihr schon die richtigen Worte enigeben. Vorerst galt es, sich zur Reise nach Wien zu rüsten, Was für die alte Frau, welche seit vielen Jahren ihr Heim nicht verlassen, ein ereignisvolles Unternehmen war.

Mit Ungeduld harrte sie der Wiederkehr Walters,welche dies­mal eine offizielle sein sollte, bei der er nicht mehr der Vermitte­lung des Direktors bedurfte und sich unter seinem wahren Na­men anmelden ließ

Den jungen Mann berührte es äußerst wohltätig, als er, ^ "orhalle des Schlosses betretend, Koffer und Kisten in der« stehen sah, welche darauf hinwiesen, daß die Abreise der Mrstin, wie er es zwar gehofft, aber kaum zu glauben gewagt HE, eine belchlossene Tatsache sei.

Als er in den altertümlich eingerichteten Salon trat, emp- W>g ihn Eleonore Trouve, welche ihm die Mitteilung machte, daß Durchwucht sie hisrhergesandt, nm ihn »ach den« Zimmer zu fuhren, in welchem, wie das junge Mädchen mit einem an- mutigcn Lächeln hinzusügte, mir diejenige» Einlaß erhalten, die Ihrer Durchlaucht wirklich nahestehen

An der Schwelle verließ Eleonore den jungen Mann, indem

sie ihn mit einer einladenden Bewegung anffvrderie, das Ge­mach zu betreten und seinen Namen mit lauter Stimme nannte.

Die Fürstin, sein Herankvmmen hörend, bot ihin die Hand und sprach, nachdem sich die Tür hinter Eleonore geschlossen: Seit Sie zuletzt bei mir gewesen, bin ich zur Klarheit dessen gekommen, was ich zu tun habe. Mein Weg ist mir genau vor- gezeichnet und Sie mögen die Beruhigung mit sich nehmen, daß dein Fürsten nicht nur das Kind wiedergegeben wird, sondern auch, daß das Andenken jener Frau nicht getrübt werden soll, welche zwar schwer gefehlt hat, der ich aber um ihrer Kinder willen verzeihe." Ein Lächeln verklärte die sonst so strengen Züge der alten Dame und verlieh denselben etwas unendlich Anzie­hendes.Wir reisen morgen," fügte sie hinzu,Eleonore weiß noch von gar nichts. Es ist noch Zeit genug, ihr das mitzutei- len, was sie zu wisse» braucht, »»mittelbar bevor sie des Glückes teilhaftig wird, den Vater zu ««marinen. Ich uncerschätze kei­nen Allgenblick die Tatsache, daß Sie fürchterlich gelitten ba- ben müssen, junger Mann, bevor Sie den Entschluß gefaßt ha­ben, den Weg zu mir zu finden. Dieser Entschluß an sich lie­fert den Beweis, daß Sie ein großes, edles Herz besitzen, das Lohn und Anerkennung verdient. Nicht allein die Rücksicht für meinen Sohn wird mich veranlasse», das Vergehen Ihrer Mut­ter zu verschweigen, sondern auch lene Rücksicht, welche Sie verdienen, schließt mir den Mund. Seien Sie überzeugt, daß es mir trotz jahrelanger Tremmng von meinem Sohne, jetzt, wo der feste Wille zur Versöhnung erstanden ist, auch gelingen wird, dieselbe zu erreichen Den« leidende» Kinde gegenüber ist kein Opfer für die Mutter zu groß und ich werde mich nicht nur so weit demütige», um seine Verzeihung zu erbitten, weil ich zi« viel Härte gegen ihn «md die Anserwählie seines Her­zens an den Tag legte, sondern werde auch, um ihm seine Illu­sionen zu wahren, eine Schuld auf mich nehmen, die ich nicht be­gangen."

Sie sind groß, Fürstin; man schilderte Sie mir als unver­söhnlich in Ihrem Haß, ich sehe aber, daß die Saat der Liebe denselben zu nuterdrücken vermag, daß Ihr Denken und Fühlen jenes einer wahrhaft vornehmen Natur ist."

Halten Sie mich nicht für besser als ich bin," entgegnete die Fürstin tiefbewegt.Vielleichtwürde ich mich niclst selbst so weit übcrwnndcü haben, verzeihen zu könne«, «venu Sic mir nicht

geschildert haben würden, wie tief unglücklich mein Kind ist, wenn ich nicht nebstbei die Empsiudnng halte, daß jetzt, wo er jene verloren, die mich aus seine«'« Herzen verdrängt, es mir allein gelingen kann, ihn dem Leben i'.nd den« Glücke wieder znzu- führen und ich mir ihn dadurch znrnckerobere. Mag man mir sagen, ivas man will, die Mutterliebe ist doch die stärkste aller Empfindlingen in« Menschenherzen und sie dringt früher oder- später durch, selbst wenn sie, durch Vorteil und Haß überwu­chert, sich in den verborgensten Winkel nnseres Jchs znrückge- zogen hat. Selbst an Ihrer Mutter haben wir einen Beweis der Richtigkeit dieser meiner Behauptung, denn die Mutterliebe ist es gewesen, welche die Rene in ihrer Seele erweckte und den Wunsch in ihr wachrief, begangenes Unrecht zu sühnen. Nun «aber gehen Sie, ich muß Ruhr und Kräfte sammeln Wir rei­sen morgen mit dem Frühzug und steigen in« Hotel ab, denn ich habe meine Wohnung im Pala:S seit vielen Jahren nicht be­treten und scheue mich davor, sie jetzt zu beziehen. Lebe» Sie wohl niid, so Gott will, auf Wiedersehen im Hause Ihres Stief­vaters!"

Walter ging. Ihm war ein Alp von der Seele genommen, er fühlte, daß das Schicksal Eleonores den besten Hmiden anver­trant und auch des Fürsten Zukunft gesichert je«, seine Mission war erfüllt.

*

Im Palais Lichtenfels herrschte jene lautlose Stille, welche dasselbe nach dem Tode der Fürstin kennzeichnete.

Schrill und laut erscholl eines Abends die Hausglocke und es rief dieser Klang ein gewisses Befremden hervor.

Man fragte sich verwundert, wer zu so ungewohnter Stunde in das Haus Einlaß begehre, welches sonst kam» je ein fremder Fuß betrat, und Jakob, das «alte, ehrwürdige Faktotum de» Hauser, ging selbst, nm die Tür zu öffnen.

Eine tief verschleierte, gebeugte Franengestalt, gesnhrt von einem schlanken, jungen Mädchen, trat über die Schwelle und blieb einen Augenblick tief anfatmend in der hell erleuchte««:» Vor­halle stehen.

Ist der Fürst zn Hanse?" fragte sie dann mit leise vibrie­render Stimme.

Beim Klange derselben starrte der alte Jakob sie an, als sehe er plötzlich ein Gespenst. 131,20