Karlsruhe« 16. Juli Nach dem Gang der Ver­handlungen der Steuerkommlssion der Ersten Kammer muß damit gerechnet werden, daß die Vermögen st euervor- lage in diesem Landtag nicht zustandekommt. Wie tve Bad. LandeSztg." meldet, ist die Kommission gerade in den entscheidenden Punkten, über die in der Zweiten Kammer durch beiderseitiges Entgegenkommen eine Verständiguni erzielt wurde, den Beschlüssen der Zweiten Kammer nicht beigetreten. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die Zweite Kammer der von der Ersten Kammer beabsichtigten steuerlichen Begünstigung des Großgrundbesitzes und des Großgewerbes die Hand nicht bieten wird.

München, 16. Juli. Heute wird offiziös folgendes Dementi autzgegeben: Durch die Tagespreise wurde in letzter Zeit wiederholt ein Mitglied des Kömgl. Hauses mit der Angelegenheit des Grasen Preysing in Verbindung gebracht. Hiezu wird von maßgebender Seite mitgeteilt, daß der Leutnant im 3. Chevauleger-Regiment in Dtenze, Herzog Ludwig Wilhelm in Bayern, in keiner Vervtndung zu den Vorgängen steht, die den Selbst­mordversuch des Grafen Prcysing veranlaßt haben. Richtig ist nur, daß der genannte Herzog sich hat bewegen lassen, mit einem größeren Geldbetrag für einen Regimentskame­raden, den Leutnant Mühe, Bürgschaft zu leisten. Dafür, daß letzterer spielte und dadurch in Schulden geriet, fehlt bis jetzt jeder Anhaltspunkt.

Aus der Pfalz, 16. Juli. In Göllheim wurde gestern Nachmittag eine K ant o nal - B e r s a m m lUng der Deutschen Volks Part ei abgehalten. Aus den Verhandlungen ging hervor, daß das Interesse für den Ausbau der Organisation^ erfreulicherweise znnimmt. In der nächsten Zeit werden noch mehrere demokratische Ortsvereine gegründet werden. Auch die jung demo­kratische Bewegung macht Fortschritte. So hat sich z. B. für einen jungdemokratischen Verein am T o n- nersberg bereits in verschiedenen Orten eine grö­ßere Anzahl Mitglieder gemeldet.

Dtgermuleu, 16. Juli. Der Kaiser ist an Bord derHamburg" heute früh vor Digermulen etngetroffen. Das Wetter ist regnerisch. An Bord alles wohl.

Paris, 16. Juli. Der Kriegs minister teilte im heutigen Minist er rat mit, daß er den Eskadron­chef Alfred Dreyfus dem 12. Artillerie-Regiment zu­gewiesen hat, dessen Garnison der Pariser Vorort Bin- cennes ist. Ueber die Zuweisung des Generals Pie- quart ist noch keine Bestimmung getroffen. Der Mini- sterrat verfügte auf Vorschlag des Ministers des In­nern mehrere wichtige Versetzungen und Neuernennun- gen von Präfekten.

Paris, 16. Juli. Ans Rom wird gemeldet, daß die außerordentliche Kongregation der kirchlichen Ange­legenheiten den Bericht des Monsignore Gasparri ge­billigt und dem Papste überreicht hat. Es heißt, daß die Kardinale der Kongregation zwar nicht die Ansicht geäußert haben, daß das Trennungsgesetz anzu- uehmen sei, daß sie aber entschieden den Gedanken ab­gelehnt haben, dem französischen Episkopat offene Auf­lehnung gegen des Gesetz zu empfehlen. Der Papst dürfte denselben Standpunkt einnehmen; er dürfte seinen Einspruch gegen das Gesetz nicht zurückziehen, aber auch Nicht zum direkten Kampfe gegen dasselbe treiben.

London, 16. Juli. Der Multimtll onär und bedeu­tende Finanzmami Alfted Beit ist heule früh auf seinem Landsitz in Heitsordshire gestorben. Beit, der aus Hamburg stammte, war einer der reichsten Männer Englands mit den größten Ideen, doch vermied er die Oeffemlichkcit ebenso wie alle Auszeichnungen. Den meisten war nur sein Name bekannt. Seine kleine und nervös bewegliche Gestalt hatten nur wenige gesehen. In England hatte er sich erst vor wenigen Jahren naturalisieren lasten.

London, 16. Juli. DieTimes" meldet aus Tanger, daß der Vertreter des Sultans sich bei dem russischen Ge­schäftsträger in offizieller Form entschuldigt hat, weil Raisult einen cingcborcnen Bedienten der russischen Ge­sandtschaft vor einigen Tagen auf dem Marktplatz von Tanger öffentlich auspeitschen ließ.

London, 16 Juli. DerDaily Telegraph" meldet aus Tokio: Japan beabsichtige, außer den bereits im Vau befindlichen Kriegsschiffen, großen Kreuzern und kleineren Fahrzeugen, ans Grund der im letzten Kriege ge­wonnenen Erfahrungen noch mehr Kriegsschiffe, große Kreuzer und Torpedoboote, alle mit schwerer Armierung, zu bauen. Im Budgetvoranschlag werde das Volk aufgefordert werden, große finanzielle Opfer zu bringen, damit die be­vorstehenden Rüstungen durchgeführt werden können.

New-Dork, 16. Juli. Ein Telegramm aus San Salvador vom 15. ds. meldet: Am Samstag abend griff die Armee von Salvador die von Guaie mala bet Platana an. Die Guatemalaner verloren an 2000 Mann an Toten, Verwundeten und Gefangenen. Die über Santa Fs eindringende guatemalarische Armee wurde rurückaeickrlaaen.

Tientsin, 16. Juli. Rußland zieht im Okiober die G esandschaftsschutzwache in Peking zurück und 25 Mann Ordonanzkosaken bleiben zurück.

Ter Schneidermeister Sünder in Pirmasens ist wegen Sittlichkeitsverbrechens, begangen an sei­nen eigenen drei erwachsenen Töchtern verhaftet worden.

Auf der Linie Wieblingen-Heidelberg am Plankstät- ter Uebergang wurde Sonntag Nachmittag einem Rei­senden aus Hambu rg von einem Eisenbahnzuge der Kopf vom R u mpse getr ennt. Wie berichtet wird, hatte der Reisende in Friedrichsfeld den Zug versäumt und darauf zu Fuß den Weg die Gleise entlang einge­schlagen.

Unter dem Verdacht, den Handwerksburschen Herzog bei Paunsdorf (Sachsen) ermordet zu haben, wurde der Steinbruchsarbeiter Max Reiche aus Potenz in Brandts verhaftet und unter starker Bedeckung ins Ge­fängnis zu Grimma gebracht.

In einem Düsseldorfer Bankhause sind größere Scheckfälschungen entdeckt worden. Sie wurden ver­übt ron zwei jüngeren Beamten. Einer derselben wurde verhaftet.

Gelegentlich des Radrennens auf dem Kölner Sportplatz ereignete sich bei dem 100 Kilometer-Rennen

um den Goldpokal von Köln, das Buttler-Cambridge, Tickentman-Amsterdam und Iwan Goor-Lüttich bestrit­ten, ein schwerer Unglücksfall. Als ungefähr 10 Kilometer angefahren waren und Buttler Dickentman in einer Kurve überholen wollte, verlor der Schrittmacher Mittlers, Pegny, anscheinend die Herrschaft über seinen Motor und drang in die Zuschanermenge hinein. Sechs Personen erlitten zum teil erhebliche Verwundungen. Ein Taglöhner wurde tätlich verletzt. Das Rennen gewann der Holländer Dickentman.

Eine Fenersbrnn st äscherte in dem Dorfe N e i d- h a u s e n bei Trier ßechs Wohnhäuser nebst Wirtschaftsge­bäuden ein.

Durch Wasserzuflnß ist aus dem Kaliwerk Asse bei Braunschweig die Vermauerung durchgebrochen. Tie Arbeiten sind eingestellt. Das Wasser steigt beständig. Der Schacht ist voraussichtlich verloren.

Ein Großfeuer brach in Berlin in der Nacht zum Sonntag in der Krautstraße 54 in dem sogenannten Gewerbehaus aus, das fünf Höfe umfaßt und etwa 30 Fabrikbetriebe beherbergt. Das Feuer gewann bald gewaltige Ausdehnung, sodaß sechs Loschzüge mit fünf Dampfspritzen zur Bekämpfung des Brandes herbeige­zogen werben mußten. Dicht gedrängte Massen, unter denen sich auch viel Gesindel befand, hatten sich in den angrenzenden Straßen angesammelt und erschwerter« die Arbeit der Feuerwehr. Dadurch sah sich die Polizei veranlaßt, die bereits getroffeueu Absperrungen noch wei­ter auszudehnen, was aber erst gelang, nachdem grö­ßere Abteilungen von Schutzleuten zu Fuß und zu Pferde telegraphisch zur Verstärkung Herbetgerufen waren. Cs kam hierbei zu Tumulten. Mehrere Schutzleute und Polizeioffiziere mußten von der Waffe Gebrauch machen, wobei Verwundungen durch Säbelhiebe und Revolver- schüssc vorkamen.

In DÜppigheim bei Straßburg wurde der 30 Jahre alte Ackerer Jean Philipp Lübs von seinem 28 Jahre ulten Bruder Jerome im Verlaufe eines Wort­wechsels ermordet.

In Neapel ereignete sich am 15. eine Luft­ballon ka t a st r o p h e. Ter deutsche Luftschiffer Hal­liger, der mit einen: italienischen Ehepaar einen Aus­stieg unternahm, wurde bei Sorrent ins Meer getrieben. Tie mit den Wellen ringenden Insassen des Ballons wurden gerettet.

Das gestrige Fest der 50 Jahr-Feier der Eröffnung der Bahn Rom-Frascati wurde durch einen Zu­sammenstoß zweier Wagen der elektrischen Bahn ge­stört. Zwei Personen wurden getötet, 40 verwundet, da­runter einige schwer.

Stephanus Paul Krüge r, ein EnkelOhm Pauls" wurde in Rnstenburg wegen Verdacht des Mords an einen: Engländer verhaftet.

Ans N l s chn, in o w g o r o d wird gemeldet: Ein sechs Stunden lang in der Nähe der Messe wütendes Groß- fener äscherte 275 Häuser ein. Auf der Messe gerieten mehrere Depots sowie die armenische Kirche in Brand.

Zur Lage ia Wußtand

Eine unzulässige Verordnung.

Ter Mi«: ist er des Innern ordnete an, daß die Beamten des Gouvernements Charkow im Notfall mit­tels Repressivmaßregeln verhindern sollen, daß die Bau­ern mit Mitgliedern der Du «na in Verb ind- u n g stehen.

K o s ak en v er s a m mlu n ge n.

Aus Moskau lvird deinLokalanzeiger" vom 16. gemeldet, die Kosaken der Moskauer Garnison reranstalteten gestern eine Versammlnng, zu der 87 stimmberechtigte Delegierte der einzelnen Truppenteile er­schienen waren. Die Versammlung faßte zwei Resolu­tionen. In der ersten wird das Verhalten der Offi­ziere zu den Mannschaften als ungerecht und ver­werflich erklärt und die Wahl einer Kommission zur Un­tersuchung aller durch Vorgesetzte verursachten Miß­bräuche verlangt. In der zweiten Resolution treten die Kosaken für die Forderung des Volkes ein und verlangen unverzüglich Dekretiernng sämtlicher bürger­lichen Freiheiten und Einberufung einer konstituierenden Versammlnng. Beide Resolutionen wurden den linken Parteien der Reichsdnma übermittelt.

Anarchie in Baku.

Aus Baku «vird gemeldet: Die Anarchisten ver­breiten Proklamationen, welche die Arbeiter auffordern, die Sprache der Kugeln und Bomben zu reden. Die Proklamationen tragen die Unterschrift:Rotes Hündert". Die Stadt ist völlig terrorisiert. Die Polizei versagt den Dienst und verlangt Beihilfe von Mi­litärpatrouillen.

Aus Württemberg.

DIeustnachrichten. Uebertragen: Dem Obeipräzepwr Wölfflen om Gymnofium in Ravensburg die Oberreallehrers stelle an der mitilerm Abteilung des Gymnasiums in Ulm.

Ernannt: Auf die katholische, im charionat der Krone befind­liche Pfarrei Eglofs, Dekanais Wangen, der Pfarrer Funk in Kilch­berg a I, Dekanats Biberach.

In den Ruhestand versetzt: Der Piof.ssor Baisch an der Oberrealschule in Heilbronn unter Verleihung des Ritterkreuzes des Ordens der Württembeigischen Krone, die Reallehrer Kneile an der Obeircalschule in Hellbronn und B-Hringer an der Kklafsigen Real­schule in Heilbronn unter Verleihung des Veidienstkreuzes, der ordentl. Professor Dr Lueger an der Technischen Hochschule in Stuttgart unter Verleihung des Ritterkreuzes des Oidens der Würtiembergischen Kione, der evangelische Stadlpsarrer Faust in Jngelfingen, Dekanats Künzelsau, unter Verleihung des Ritterkreuz l. Klasse des Frtedrichs- ordens. _

Der Landesverband der Jungen Bottspartei Württembergs hielt am Sonntag in Eßlingen bei Parteifreund Brodbeck zuinDeutschen Haus" seine Generalversammlung ab. Anwesend waren die Vertreter der Vereine Ebingen, Göppingen, Heilbronn, Reutlingen, Stuttgart, Tailfingen, Ulm und Zuffenhau­sen. Als Vorsitzender wurde wiedergewählt Robert K er- cher-Stuttgart. Die Tagesordnung lautete: Die

kommenden Landtagswahlen",Die Per­sonen- und Portotarifreform,Das neue Kommunalprogramm der Volkspartei". Die­

selbe wird genehmigt. Ueber den ersten Punkt der Tages­ordnung wird nach längerer Debatte beschlossen, eine Re­solution folgenden Inhalts an die Fraktion der Volkspar­tei abgehen zu lassen:Die Generalversammlung der Jungen Volkspartei gibt ihrer Befriedigung Ausdruck, daß es nach langen harten Kümpfen gelungen ist, die Verfas­sungsreform zustande zu bringen. Wenn diese Reform auch nicht alle ihre Forderungen erfüllt, so erblickt sie in dem Erreichten doch eine geeignete Grundlage für den weiteren fortschrittlichen Allsban der Gesetzgebung. Ter Landesverband der Jungen Volkspartei spricht derLand- tagsfraktion der Volkspart.n und vor allem ihren Füh­rern den Dank aus für die mühevolle, aufopfernde Arbeit im Dienst der Freiheit." Die Generalversammlung der Jungen Volkspartei wählt zur Aufstellung eines Pro­gramms für die nächsten Landtagswahlen eine Kommis- sion, welcher von den einzelnen Vereinen Anträge zuge- hen und dem engeren Landcsausschuß der Volkspartei vor­gelegt werden sollen. Die Kommission hat dieselben zu be­arbeiten und dort zu vertreten. Die Tarifreform wurde sehr lebhaft behandelt und der Meinung Ausdruck gegeben, daß wir fertige Tatsachen vor uns haben, daß aber doch noch bezüglich einiger Fragen Gepäcktanj und besonders bezüglich der Landeskarten erreicht wer­den könnte, daß letztere beibehalten und die Gepäcktarife dahin geändert werden könnten, daß der Nahverkehr be­züglich des Fernverkehrs nicht so sehr verteuert, d. h. daß der Kleinfabrikant gegenüber dem Großfabrikanten mehr berücksichtigt würde. Allseitig wurde die Einführ­ung der 4. Klasse mißbilligt, aus all den Gründen, die schon seit Jahren von der Volkspartei besonders in der Denkschrift Konr. Hanßmann's von 1901 angeführt wur­den. Mit allen gegen 2 Stimmen wurde darauf folgende Resolution angenommen:

Tie Generalversammlung der Jungen Volks­partei verurteilt aufs schärfste die verkehrsfeindliche Steuerpolitik der Reichstagsmehrheit unter Führung des Zentrums und der Nationalliberalen. Sie hätte angesichts der dadurch verursachten Verkehrserschwer­ung eine fühlbare Verbilligung der Eisenbahntarife ohne Vermehrung der Wagenklassen gewünscht und be­dauert deshalb lebhaft den Beschluß der württ. Ab­geordnetenkammer über die Eisenbahntarife und Wa­genklassen, dem leider auch eine Minderheit der Partei im Widerspruch mit der ganzen bisherigen Haltung der Partei zngestimmt hat. Sie fordert die Vertreter der Pgrtei ans, wenigstens noch energisch dafür ein- zutreten, daß die Landeskarte erhalten bleibt, keine Verteuerung des Gepäckportos erfolgt und in sämtlichen Eilzügen die 4. Wagenklasse eingestellt wird, ebenso daß das bisherige billige Ortsporto beibehalteu wird."

Bezüglich des Kommnnalprogramms wurde beschlos­sen, Hrn. S t e t t n e r--Heilbronn zu beauftragen, An­träge zu formulieren und sie dem Vorstand zur Behand- lung an die einzelnen Vereine weiter zu geben

Das Deutsche Volksblatt hat unzweifelhaft ei­nen großen Fehler gemacht. Anstatt zu warten, bis sich die infolge der grandiosen Blamage des Zentrums ge­legentlich der Durchführung der Verfassungsrevision an­gesammelte Erregung gelegt hatte, macht es seinen ver­wirrten inneren Gefühlen in clvwnhaften Aeußerungen Lust, die für den, dem über den letzten politischen Kämpfen der Sinn für Humor und unfreiwilligen Witz noch nicht verloren gegangen ist, immerhin von einigem Interesse sind. Um seinen Leuten die Versicherung des politi­schen Einflusses zu Gunsten des mobilen Großkapitals nach Annahme der Verfassungsrevision in schwarzen Zukunftsäußerungeil anzüdeuten, braucht das Blatt einen halben Quadratmeter Papier pro Nummer und ein verhältnismäßiges Quantum Druck- und Gehirn­schwärze. Der garnierte mit U gezeichnete Artikel, dem die oben stehenden gesperrt gedruckten Worte voraiilte- hen, meint, das württemb. Volk werde sich in den neuen Herren, gemeint sind die Demokraten und die Mitglie­der der ersten Kammer, soweit sie nicht Standesherr» sind, täuschen. Die berufständischen Vertreter würden si­cher nicht ans den kleinen Kreisen ihres Berufszlveiges stammen, und bezüglich der übrigen nicht standesherrlichen Mitglieder werde der V ertv a nd ts ch a fts hinrmel i«n Laufe der Zeit seine unfehlbare Wirkung tun. Daraus konstruiert der Artikelschreiber einen Rückgang des Ein­flusses der Standesherren, denen das Mittel fehlt, das heute vor allem im Staate Württemberg, finanziellen und politischen Einfluß sichert: die Anknüpfung von Bezieh­ungen zu andern potenten Kreisen durch Heiraten: sie würden zu einer Dekoration der Ersten Kammer herab- sinken.

Das wäre nach unserer Meinung für Württemberg noch lange nicht das Schlimmste! Die hohen Beamten usw. in der ersten Kammer nämlich würden sich ihre Frauen nicht aus der Landwirt schaft holen und auch ihre Töchter nicht dorthin verheiraten. Ans diesem Grunde wird befürchtet, daß die Stützen, welche Großgrundbe­sitz ünd damit die Landwirtsch aft in der Erst» Kammer besitzen schwankend werden können. Was über die zweite Kammer gesagt wird, ist so köstlich, daß wir wenigstens einige Proben daraus unseren Lesern bu­ten wollen. Das deutsche Volksblatt behauptet nämlich die Kreuzzeitung habe von den Führern der Volkspartci einen schlechten Begriff, wenn sie von Schreibstu- benadvokaten spreche. Man finde die Demokraten in einflußreichen Rechtsr-ats!, Direktor st eilen! usw., auch mit der Großindustrie sei die Volksparlei liiert, was die Namen Mayser, Käß, Leibfried, Henning, Sturz! und Betz! beweisen sollen. Storz ist Sekretär der Heidenheimer Handelskammer, und daß Betz nicht M den Großindustriellen gehört, weiß man in Heilbronn besser als das Deutsche Volksblatt es zu wissen vorgibt Daraus resümiert das Blatt mit Kaplanenweisheit den mathematischen Beweis, daß in Zukunft Württemberg nicht bloß durch den politischen, sondern auch durch den wirtschaftlichen Einfluß der Stuttgarter Rechtsanwalts- Partei regiert werden wird. Dann geht es weiter:

Die Deutsche Partei wird dabei Teilhabers, sie, die in der Zweiten Kammer ja für immer un­bedeutend bleiben wird, wird in der Ersten Kammer unter den neuert Mitgliedern derselben hinreichend ent­schädigt sein. Und die Sozialdemokratie wirv

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