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Amtsblatt für die Stadt wildbad.
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M. 152.
Dient tag, den 3. Juli
1906.
Die Sozialpolitik in der neuesten Kileriöasttttanf - Ktforrn
Die württ. Regierung hat die Einführung ver 4. Wagenklasse in Württemberg mit der kühnen Behauptung begründet: „Die sozialen Verhältnisse in Süddeutschland unterscheiden sich nicht wesentlich von denen in Norddeutschland." Diese Behauptung steht, wie der „Beobachter" in einen: sehr lesenswerten Artikel ausführt, in vollstem Widerspruch zu den Urteilen hervorragender deutscher Nationalökonomen und Sozialpolitiket, wie zu der nackten Wirklichkeit. Und es ist tatsächlich, höchst ^bedauerlich, daß eine Regierung die Zustände im eigenen Lande nicht besser kennt oder nicht besser wertet. Wer von Norddeutschland nach Süddeutschlnnd kommt, findet sofort den fundamentalen Unterschied in der verschiedenen gesellschaftlichen Schichtung. Droben im Norden ein zahlreiches besitzloses Proletariat und — in manchen Provinzen — ein starkes Zurücktreten des bäuerlichen und bürgerlichen Mittelstandes und daher eine schroffere Gliederung zwischen reich und arm und hoch und nieder. Zm Süden dagegen das Zurnarreren des Großgrundbesitzes und der Großindustrie, dagegen ein stärkeres Hervortreten des bürgerlichen Mittelstandes in ' Gewerbe und Landwirtschaft und eine noch enge Verknüpfung der Arbeiterschaft mit dem ländlichen Kleingrundbesitz. Gerade die letztere Tatsache ist ein charak--. teristisches Merkmal der süddeutschen und besonoeres der württembergischen Verhältnisse, und mehr als einmal schon wurde auch in der württembergischen Abgeordnetenkammer dieses Vorhandensein der Arbeiterschaft mst einem eigenen ländlichen Besitztum als außerordentlich wertvoll und segensreich bezeichnet. Denn gerade diese Bevölkerungsschichte, die nicht zum besitzlosen Proletarmi gerechnet werden will, besitzt noch bürgerliche Bodenständigkeit genug für sich und ihre Kinder. Eine Regierung, die dieses wichtige Moment übersieht, handelt ungmncin kurzsichtig und leichtfertig. Ersaßt sie ihre Ausgave richtig, muß sie alles tun, um diese süddeutsche und speziell württembergische Eigenart zu wahren, selbst unter vorübergehenden und vielleicht nur scheinbaren Opfern, die sich in der Erhaltung der gesunden Gesamtkonstrnktion des Volkskörpers mehr als bezahlt machen. Wer diese Erwägungen und die ganze Zukunft des Voltes ins Auge faßt, muß die fiskalischen Rücksichten gegenüber den sozialpolitischen zurücktretcn lassen.
Die württembergische Regierung geht andere, bequemere Wege. Sie verzichtet auf eigenes Denken Und Handeln und schließt sich einfach dem Berliner Willen an: Tie süddeutschen sozialen Verhältnisse sollen den norddeutschen vollends Meich gemacht werden. lind daun benützt man auch die staatliche Berkehrsanstalt der Eisen
bahn und hat dabei den äußerlichen Augenblickserfolg, behaupten zu können: Wir ersparen damit rund 14.H Million. Das zieht bei manchen Leuten, denen das finanzielle Ergebnis die Hauptsache isst und die den Zusam.- menhang der Berhchrseinrichtungen mit den sozialen Verhältnissen nicht erkennen oder geradezu leugnen. Ob freilich die Rechnung überhaupt richtig ist, wird erst die Zukunft lehren. Wir bezweifeln nämlich die Richtigkeit der Rechnung der Denkschrift sehr, was wir in einem besonderen Artikel nachzuweisen versuchen werden-
Was über die neue „Reform" mit ihrer vierten Klasse sicher bringen wird, das ist eine weitergehende Ab- sch eidun g der Bevölkerung in ihren verschiedenen Schichten beim Eisenbahnverkehr. Während seither in unserer dritten Krasse Arbeiterschaft und Bürgertum bis weit heraus friedlich und einig sich zusammenfanden, was immerhin von nicht zu unterschätzendem Einfluß auf das Zusammengehörigkeitsgefühl war, reißt nun die Reform gerade diese Volksschichten bewußt auseinander. Tie Arbeiter werden ausschließlich in die vierte Klasse gesprochen, falls sie von ihrem Ausnahmetarif Gebrauch machen wollen; wer aber Monatskarten löst, kann nur in dritter Klasse fahren. Hierbei schein, wenig beachtet worden zu sein, daß zahlreichen Arbeitern, die über Mittag nach Hause zu fahren gewohnt sind, damit die Möglichkeit einer Verbilligung der Fahrt genommen wird. Was man geradezu fördern ;ollke, wird einfach ignoriert. Indem mau so absichtlich ver vierten Klasse den Stempel der proletarischen Qualität aufdrückt, was auch dadurch geschehen soll, daß man nur die ältesten, vor dem Aus rangieren stehenden Wagen für die vierte Klasse benützen will, hofft man in der dritten Klasse das „Bürgertum" festzuhalten, um mit ihm noch o,n Geschäft zu machen. Es wird mit aller Absicht, eines angeblichen Profites halber, der zersetzende Kastengeist, der uns im Süden gottlob nicht anhaftet wie dem Norden, von Regierungs wegen gepflegt, wenn nicht das Volt selbst dieser Absicht einen Strich durch die Rechnung macht und einfach insolchen Massen in die vierte Klasse übergeht, daß die Verwaltung geradezu genötigt ist, auch die leer mitl aasenden Reserve w a g e n 3. Klasse für diejenigen Reisenden zur Verfügung zu stellen, die sich ausnahmslos Billette vierter Klasse gelöst ha- b e n. Hoffentlich greift das württembergische Voll zu dieser Selbsthilfe, die wir in unserem Teile mit airen Mitteln zu unterstützen bestrebt sein werden. Und hoffentlich greift auch die Meinung in Württemberg nicht Plckß, die uns jüngst ein Vertreter des Mittelstandes gegenüver aussprach : „Man wird manchmal um der Konkurrenz, willen
dritter Klasse fahren müssen, auch wenn mcen lieber die vierte Klasse benützt hätte. Ter Kredit und das An-- sehen des. Geschäftes könnte sonst darunter notleiden." Wir begreifen,, daß die Geschäftsleute mitunter mit solchen Anschauungen zu rechnen haben. Wenn aber alle Passa-' giere der seitherigen dritten Klasse in die vierte Klasse der Personenzüge übergehen, dann trifft dieses Bedenken nicht mehr zu. Auch hier hat das schwäbische Volk es in der Hand, sich selbst zu helfen gegenüber den zersetzenden Tendenzen einer falschen Eisenbahntarifpol'itik seiner Regierung."
Mimdfcha«.
Strafklage gegen ein Zentruwsblatt. Die
Nordd. Mg Ztg. schreibt: „Das tm „Anzeiger vom Oberland" (dem Blatt des Reichstagsabg. Erzberger in Biberach) über die Zustände in Südwestafrika gegebene Bild gestattet keine Richtigstellung ia der Presse, fordert aber ein strafrechtliches Einschreiten gegen die Verbreiter dieses Angriffs gegen die Offiziere, Mannschaften und die Verwaltung der Schutztrupps. Der Strafantrag ist daher bereits gestellt."
* * *
Etwas vom Gewissenszwang. Tie schöne Geschichte, daß der Besuch der Nürnberger Ausstell» ung durch die Unterprima des Münchener Real-- gymnasiums aufgegeben werden mußte, weil der den Ausflug leitende Professor keine Bürgschaft für den Besuch des F rüh g o t t es d i e nstes am Sonntag und dem vorausgehenden Bennotag (dem Feste des Münchener Diö- zesanheiligen) übernehmen könnte, veranlaßt Ludwig Qnidde, in der „Frkf. Ztg." eine ernste Betrachtung anzustellen. Darin schreibt er u. a.:
„Es ist nicht zu viel gesagt, wenn wir es als ungeheuerlich bezeichnen — religiös ein Sakrilegium und pädagogisch ein Verbrechen an Menschenleben — au> junge Leute in den kritischen Jahren stärkster innerer Gärung und fast völliger äußerer Abhängigkeit einen Druck auszuüben, um sie zum äußeren Bekenntnis religiöser Dogmen und zum Kirchenbesuch zu nötigen. In diesen Tagen lasen wir, für die Reifeprüfung an den ynmani- stischen Gymnasien Bayerns sei in der Religion folgende Aufgabe gestellt worden: „Die Pflicht des Glauoens an eine übernatürliche göttliche Offenbarung soll näher begründet werden. Wir stehen hiermit in Widerspruch Ver- nunstreligion, Unglaube und Zndifferentismus? - Ich fragte einen früheren bayerischen Schulmann, ob es auf das Ergebnis des Examens von Einfluß sei, wenn ein Schüler die kürchliche Begründung für die Pflicht (U) dos Glaubens an eine übernatürliche Offenbarung objektiv richtig darstelle und dann im Gegensatz dazu diese Pflicht be-
Hefahroolle ZNege.
Roman von Ewald August König. 28
„Sie sind meiner Frau begegnet, Sie wissen, wo sie ist!" Die Hand Westens legte sich bei diesen Worten schwer ans den Ärm des alten Herrn, der sofort an die Nachteile dachte, die ihm aus einer Bejahung dieser Frage erwachsen mußten.
„Wie kommen Sie zu dieser Vermutung?" erwiderte er mit gelassener Ruhe.
„Weil nur meine Frau diese Nachricht verbreitet haben kann."
„Sind Sie von ihr getrennt?"
„Bah, Sie wissen das alles so genau, wie ich."
„Keine Silbe weiß ich davon; es würde mich unendlich freuen, Wenn ich noch einmal das Vergnügen hätte, Ihrer Frau Ge- wahln, zu begegnen. Sie brauchen darum nicht gleich eifersüchtig zn werden, ich bin ein alter Mann . . ."
Zl»d sie ist ein leichtsinniges Weib!" knirschte Weilen. „Sagen Sie mir die Wahrheit, Sie wissen nicht, wo steift?"
„Nein."
„Ich suche sie hier, wie ich schon in mancher Stadt sie gesucht habe; ich vermute, daß sie bei einer Schwester ein Unter- kvinnien gefunden hat, leider weiß ich nicht, wo diese Schwester wohnt."
„So wenig haben Sie sich um die Familie Ihrer Gemahlin gekümmert?" fragte Onkel Heinrich scherzend.
. „Was ging mich die Familie an? Ich wußte ja, daß sie kei- vcn Huwr besaß. Wir hatten in unserer kurzen Ehe an andere Dinge zu denken, als an Famstienverhältnisse, die in der Regel nicht sehr erquicklich sind. Uebrigens besitzt sie auch außer dieser Schwester keine weitere Familie."
„Aber ich begreife immer noch nicht . .
. »Daß sie mich verlassen hat? Ich hatte Unglück und mußte chwlge dessen mich für einige Zeit von meiner Frau trennen. Air schst-den von einander wie die zärtlichsten Eheleute, ich hatte nicht die leiseste Ahnung von dem Verrat, den meine Frau beabsichtigte. Bei meiner Rückkehr fand ich unsere Wohnung anderweitig vermietet, und man sagte mir, meine Frau habe alles verkauft und sei abgereist. Sie hatte auch drüben in England das Gerücht verbreitet, ich ici im Duell gefallen; eS war ihr sogar gelungen, durch diese Lüge eine uawhafte Unterstützung
von einigen reichen Damen zn erhalten; sie kennt das Geschäft, das dürfen Sie mir glauben."
„Ich habe nie daran gezweifelt;" erwiderte Heinrich Wallen- dors mit einem sarkastischen Lächeln. „Ich erinnere mich noch sehr gut, daß ich bei meiner letzten Anwesenheit in London in Ihrem Hause einen großen Test meiner Barschaft znrückgelassen habe; Madame wußte die Karten für den Herrn Gemahl vortrefflich zu mischen, wenn er Bankhalter war!"
„Wenn Sie das wußten, hätten Sie sich nicht am Spiel beteiligen sollen!" spottete Weilen.
„Dazu verleitete mich ja auch wieder die Liebenswürdigkeit der schonen Frau!"
„Wenn Sie das alles zn würdigen wissen, dann werden Sie auch ermessen können, was ich verloren habe."
„Gewiß, gewiß," nickte der alte Herr, während er aus seinen! Etui eine Zigarre nahm, und sie anzündete; „aber wie kommen Sie anfdie Idee,Ihre Frau hier zu suchen?"
„Weil diese Stadt ihre Heimat ist."
„Gerade deshalb wird sie es vermeiden, in diese Stadt zu- rückznkehren."
„Das habe ich mir auch schon gesagt, aber diese Stadt ist groß, und man keimt mich hier nicht," erwiderte Westen, dessen Blick lauernd ans dem Freunde ruhte.
„Ich habe schon daran gedacht, ob ich hier nicht auf einige Zeit meinen Wohnsitz nehmen könne.
„Tun Sie es nicht, Sie finden hier nicht, was Sie suchen."
„Bah, Dnmmköpfe gibt es überall, und ich darf auch Wohl darauf vertrauen, daß Sie sich mit mir verbünde» werden."
„Was flößt Ihnen dieses Vertrauen ein?"
„Das Ende Ihres Bruders; man hat vvrhin noch davon gesprochen."
„War dabei auch von mir die Rede?" fragte Onkel Heinrich besorgt.
„Allerdings," antwortete Weilen, und eine boshafte Schadenfreude klang ans seinem Ton.
„Man wollte wissen, daß Sie im» Ihr bequemes Leben nicht weiterführen könnten und einiqe behaupteten, Sie trügen auch Schuld an dem Bankerott des Hauses."
„Geschwätz!" sagte der alte Herr mit einem verächtlichen Achselzucken.
„Ich habe von meinem Bruder nichts gehabt, im übrigen
sollen die Leute sich um ihre eigenen Angelegenheiten bekümmern. Werden Sie trotz meines Abratens hier bleiben?"
„Wenigstens noch einige Zeit, ich glaube zuversichtlich, hier eine Spur zu finden, die meine pflichtvergessene Frau in meine Arme zurückführt."
„Und wenn sie dann sich weigert,Ihnen zufolge»? Zwingen können Sie die Frau nicht."
„Ah, bah, wenn ich sie nur habe, das übrige wird sich dann finden," spottete Weilen. „Erschwert werden meine Nachforschungen dadurch, daß ich die Hilfe der Polizei nicht in Anspruch nehmen darf; aber ich lasse nicht nach, bis ich sie gefunden habe, und müßte ich auch bis znm Nordpol reisen."
Onkel Heinrich schüttelte mit bedenklicher Miene das graue Haupt.
„Wollen Sie mich benachrichtigen, wenn Sie ihr begegnen, oder Kunde von ihr erhalten?"
„Weshalb nicht?" sagte Onkel Heinrich ruhig. „Ich bin einem Freunde gern gefällig."
„Wohnen Sie in einem Hotel?"
„In den drei Kronen," nickte Weilen, sich erhebend, „Sie treffen mich vormittags immer zu Hause." Er drückte dem alten Herrn die Hand und ging von dannen.
Spöttisch schaute Heinrich Wallendorf ihm nach. „Mit meinem Willen wirst Du sie sobald nicht wiedersinden," murmelte er. Er lachte leise vor sich hin und holte seine Börse aus der Tasche, dann winkte er dem Kellner, um seine Zeche zu berichtigen. „War der Herr früher schon einmal hier?" fragte er.
„Gestern und vorgestern," lautete die Antwort.
„Er sitzt wohl immer allein?"
„O nein, er spielt mit den anderen Herren Domino; mit unseren Stammgästen hat er sich gleich am ersten Tage bekannt gemacht."
„So, so, bekannt ist noch nicht beliebt!"
„Beliebt ist er auch schon," erwiderte der Kellner, „die Herren lachen über seine schnurrigen Geschichten, er scheint iu der Welt weit herum gewesen zu sein."
Wallendors, der inzwischen bezahlt hatte, nickte zustimmend und nahm seine» Hut.
„Ich werde morgen wieder zur gewohnten Stunde kommen," sagte er, dann verließ er mit sehr ernster Miene daö Haus.: ' " . * 125,20