Wlllvsüer üllLkiger unü Isgeblstt
mit Erzähler vom Schwarzwald.
Lrrcheint an allen Werktagen.
Abonnement
in «leeStrclt viertrljädrl.M.l.ro
monstl. 40 ?t.
bei allen «llrtt. poitsnrtslten um! Loten im Ortr- u. Nach-
darortrverlrebr Viertels. M.l.
»utterdald ärrreldrn M. i.
dirru Lertellgelck 30 ptg.
^ telekon Nr. 41. ^
Amtsblatt für die Ltadt Wildbad.
verkündigungsblatt
der Kgl. Lorstämter wildbad, Meistern, Lnzklösterle rc. mit
amtlicher ^remdenliste.
Znrrratr nur S ptg. Kuruärtige IO psg. ckir klrin- epsltige Srrmomireile.
Reklamen IS pfg. ckir prtitreile.
Lei Aieärrkolungen entrpr. lladstt. Kbonnementr nach lleberrinkunt«
r«legrsmm.llllrez5e: Z^vrrrwsl 'er Mläbaä.
1 .
T.
ii
l'-.' -
Ar. 123
Wie die 209 Missionen aufffekracht werde».
Leider hat es die patriotische Minderheit des Deutschen Reichstages, obwohl sie die Mehrheit des deutschen Volkes hinter sich hat, nicht verhindern können, daß die sogenannte Reichssinanzreforin von der reaktionärenMehr- heit angenommen worden ist. Dadurch sind unter möglichster Schonung der verhätschelten agrarischen Kreise den erwerbstätigen Schichten des Mittelstandes und der Ar- beiterbevölkernng neue Lasten im Beilage von etwa 200 Millionen auferlegt worden. Jetzt, nachdem das unglückselige Werk von reaktionärer Seite vollendet ist, rechtfertigt sich ein Ueberblick über die Art, wie diese 200 Millionen den deutschen Steuerzahlern abgenommen werden sollen.
Die Biersteuer ist die erste Blume im Steuerbukett. Sie wurde mit 100 gegen 106 Stimmen angenommen . Sie baut sich nach süddeutschem Vorbilde auf einem Staffeltarif auf, der eine Steigerung der Belastung mit dem Wachsen des Malzverbrauches vorsieht. Die Mehrbelastung pro Hektoliter beträgt bei den kleinsten Betrieben etwa 5 Pfennig pro Hektoliter, sie steigert sich bei den Riesenbetrieben bis auf etwas über 1 Mark. Wenn danach die Brauereiverbände beschlossen haben, den Preis für den Hektoliter Bier um 2—2,50 Mk. herauf- zusetzeu, so ist dies ein Versuch der Vergewaltigung des Konsumenten, gegen den energisch Front gemacht werden muß.
Die von der Regierung vorgeschlagene Tabaksteuer ist gefallen. Dagegen wurde die Zigarettensteuer mit 156 gegen 96 Stimmen angenommen. Die gewählte Form ist die Banderolensteuer, das heißt, jedes Päckchen Zigaretten oder Zigarettentabak unterliegt dem bestimmten Verpackungszwang und muß mit der Steuermarke versehen sein, ehe sie aus der Werkstatt kommt. Ohne solche Steuermarke darf bei schwerer Strafe keine Zigarette beziehungsweise kein Tabak verkauft werden. Damit gelangt die schon unter Friedrich dem Großen verhaßte „Steuerriecherei", die damals den Kaffee betraf, aufs neue zur Auferstehung. 1500 Zigarettenfabriken, 316 Rauchtabak, abrikm, 16 000 Zigarrenhandlungen, 200.000 Gastwirte, 250 000 Kolonialwarenhandlungen werden unter Aufsicht gestellt. Wegen der Voransleg- Ung der Steuer wird diese ruinös für viele kleine Fabrikanten wirken, dagegen die Vertrustung in der heimischen Industrie, die Invasion ausländischer Unternehmungen begünstigen.
^ Die Fahrkartensteuer ist das übelste Produkt der Reichssinanzreform. Im Zeitalter des Verkehrs ist sie eine eminente Verkchrsbehinderung. Zn der bevorstehenden Verteuerung durch die Personentarisreform tritt eine weitere durch die Steuerreform. Während die Rc-
Auf Irrwegen.
Roman von Klara Rheinau. 74
So hatte sich denn zwischen ihm und dem einfachen Landmädchen eine große Kluft anfgetan, die sich mit jedem Tage vertiefte. Ohne Zweifel wünschte der Gutsherr, daß sein Enkel min bald eine ebenbürtige Gemahlin wähle, und es fehlte nicht an schönen, vornehme», jungen Damen in der Nachbarschaft! Wie konnte Ottilie cs ertrage», seine Liebe für eine andere zu sehen, sie, die ihn so namenlos liebte? Sie versuchte selbstlos zu sein und dem Brautpaar, das ihre selbstquälerische Phantasie geschaffen, alles Gute zu wünschen, aber sie vermochte es nicht, während ihr blutendes, zerrissenes Herz nach deni Glücke rief, das sie für immer verloren glaubte.
Ihr trostloser Blick schweifte durch da» einst so gemütliche Zimmer, das heute einen besonders düster» Eindruck machte. Der Herbst hatte sich frühzeitig eingestellt, und das Wetter war trüb und frostig, trotzdem brannte kein Feuer in dem Kamin. Ottilie fühlte sich schwach und müde, sie sehnte sich, an einem gütigen Herzen ihr Leid answeinen zu können.
Aber sie durfte ihrem Schmerz nicht nachgeben, sie mußte stark und tapfer sein, jetzt, wo sie ganz allein und verlassen in der Welt stand. Traurig nahm sie die durch Herrn Clif- sords Besuch unterbrochene Beschäftigung wieder auf. Sie hatte bereits einige altertümliche Porzellangegenstände, die sie in ihre neue Heimat begleiten sollten, in Seidenpapier eingehüllt und hielt gerade eine feine Tasse in der Hand, als plötzlich die Tür geöffnet wurde und Esther Adams mit mürrischer Stimme meldete: „Der junge Gutsherr!"
Eine» Augenblick später trat Paul ein, und in derselben Sekunde entfiel die Tasse Ottilies zitternder Hand und lag in Scherben zu ihren Füßen.
„Ich habe Sie erschreckt/ sagte er sehr sanft, .verzeihen Sie mir.*
Er bot die Hand zum Gruße, aber sie nahm sie nicht an, denn sie mußte sich fest auf den Tisch stützen, um nicht umzn- sinken.
„Ich hoffe, der Schade» ist nicht sehr groß," fuhr Paul fort. „S, ich sehe, eS war die liebe, alte Meißener Taste! Es tut mir so leid, Fräulein Ottilie!" Erblickte sich und hob oie Scher- bei, vom Boden auf. .Ich fürchte, sie läßt sich nicht mehr
Himstag, de« 29. Mai
gieruugsvorlage mir 12 Millionen Einnahmen vorsah, hat die Reichstagsmehrheit sie auf 50 Millionen emporgeschraubt. Alle Fahrkarten, die-mehr als 60 Pfennig kosten, unterliegen der Besteuerung. Diese steigert sich mit dem Fahrkartenpreis und beträgt bei einer Fahrkarte dritter Klasse hm Preise von 50 Mark 2 Mark. Gegen die Fahrkartensteuer erhebt sich in den weitesten Kreisen der Bevölkerung lebhafter Widerspruch. Sie ist außerdem ein Verstoß gegen die Reichsverfassung, die das Reich in Artikel 45 verpflichtet, auf Gleichmäßigkeit und Herabsetzung der Eisenbahn!arife hinzuwirken.
Die gleichfalls eine Verkehrssteuer darstellende Best e u e r u n g d e r F r a ch t u r k u n d e n ist im wesentlichen in der Form der Regierungsvvrschläge angenommen worden.
Einer der schlimmsten Auswüchse der Verkehrsbc- steuerung ist das Attentat auf die Orts- und Nachbarortstarife für Postkarten, Drucksachen, Warenproben usw. Tie Verbilligungen des Ortsverkehrs, Zwei- pfennigpostkarte und Fünfpfennigtarif, werden dadurch vernichtet. Mit Sicherheit ist anzunehmen, daß die Reichspostverwaltung der von der Mehrheit angenommenen Resolution, zu der ein Gesetz nicht erforderlich.ist, Folge geben wird.
Allein unverändert blieb die Erbschaftssteuer. Dir reaktionäre Mehrheit, bewilligungsfreudig bis zum groben Unfug, wenn es sich um eine höhere Belastung des Massenkonsums handelte, blieb kühl und ablehnend gegen eine stärkere Belastung der leistungsfähigeren Schultern, gegen die Ausdehnung der Erbschaftssteuer auf die direkten Nachkommen. Durch diese Ausdehnung hätte die ganze Verk.hrserschwerung vermieden werden körnten. Ebenso glatt ließ sie die Anregungen der Linken ans Schaffung einer Reichsvermögenssteuer, auf eine Revision der Branntweinsteuer, das heißt die Beseitigung der Liebesgabe für die Agrarier, unter den Tisch fallen.
Das Gesamtergebnis der „Finauzreform" ist jedenfalls, daß die 200 Millionen Mehrertrag in erster Linie durch eine Erschwerung des Verkehrs sind durch eine Mehrbelastung des M assenkonsums aufgebracht werden sollen. Die patriotischen Männer,im Reichstage, die Heu Versuch gemacht haben, diese unseligen Steuern dem deutschen Volke sernzuhalten, verdienen den Dank des deutschen Volkes!
KnnSschrtu
Eine stürmische Reichstagssitzung. Eine große Ueberraschung ergab am Samstag die dritte Beratung des Etats im Reichstage. Beim Etat des Kolonialamts wurde in namentlicher Abstimmung der Titel „Staatssekretär", der die Forderung der Umwandlung des
kitten," sagteer bedauernd; aber jetzt hatte auch Ottilie ihre Stimme wiedergejnnden.
„Ich danke Ihnen," sprach sie bebend. „Es ist nicht viel daran gelegen, es war sehr ungeschickt von mir."
„Ich hatte Sie erschreckt," sagte Paul sanft, „Sie zittern noch immer. Bitte, setzen Sie sich," fügte er bei, einen der hoch- lehnigen, geschnitzten Stühle hcrbeiziehend, auf welchen Ottilie kraftlos niedersank. „Sie fühlen sich wieder wohler?" fragte er nach einer kurzen Pause, während welcher er mit liebevoll forschenden Blicken das niedergebeugte Gesichtchen betrachtet hatte.
„Ich bin ganz wohl," antwortete sie, bemüht, ihrer Stimme einen kalten Klang zu geben, was ihr aber gänzlich mißlang.
„Bis jetzt noch nicht, glaube ich, aber Doktor Nuland sagte, daß Sie sehr bald wieder Ihrer früheren Gesundheit sich er- freuen würden."
„Ich hoffe eS, ich habe Mühe genug verursacht. Aber die Veränderung wird mir gut tun."
„Gewiß, eine Luftveränderung ist stets von Vorteil," bemerkte Paul gelassen und Ottilie fühlte einen plötzlichen, stechenden Schmerz am Herze», als sie ihn so gleichgültig von ihrem Weggehen sprechen hörte.
Eine kleine Panse trat ei», dann fuhr Paul fort: „Mein Großvater beauftragte mich, Sie herzlich von ihm zu grüßen und Ihnen zu sagen, daß er Sie gern schon früher besucht haben würde.
„Aber, wie Sie vielleicht wissen, litt er wieder an heftigen, rheumatischen Schmerzen in dem verletzten Bein; es sind noch lästige Nachwehen seines Unfalles in Chamounix. Dazu quälte ihn auch noch anderes in der letzten Zeit; aber einer Sorge ist er, gottlob, für den Augenblick überhoben," fügte er etwa» zögernd bei; „mein Cousin ist glücklich in Amerika angekommen und wird einigeZeit dort verweilen."
Wieder trat eine Pause ein, denn beide fanden es nicht leicht, eine gleichgültige Unterhaltung zu beginnen.
„Ich habe Ihnen noch nicht gratuliert," begann Ottilie endlich mit einem erzwungenen Lächeln, „aber ich freu»e mich sehr, von Ihrem Glück zu hören. Auch Herr Esmond muß sehr glücklich sein."
„Ja, ich glaube, wir sind es alle," sagte Paul sanft; dann trat er eine» Schritt näher zu ihr hin und fügte ernsthaft
1906.
Amtes des bisherigen Kolonialdirektors in das eines Staatssekretärs enthielt, mit 142 gegen 119 Stimmen bei neun Stimmenthaltungen abgelehnt.
Ein von dem Abgeordneten Gröber aus der Kommission wieder aufgenommencr Antrag, jetzt den „Titel eines Unterstaatssekretärs" zu bewilligen, wurde vom Antragsteller zurückgezogen, da dieser nicht die erwartete Unterstützung fand. Da hiermit nach Ansicht des Präsidenten, die vom Haus gebilligt wurde, ein „Vakuum" entstand, konnte die dritte Beratung des Etats nicht zu Ende geführt werden, und die Sitzung wurde auf Montag vertagt.
Schon die letzten Debatten über die Ergänzungsetats sowohl im Plenum als auch in der Kommission ließen erkennen, daß die Mehrheit des Hauses auf das äußerste ungehalten ist über die heillose Wirtschaft, die in der Kolonialverwaltung herrscht. Die Finanzen des Reiches befinden sich in der schlechtesten Verfassung, trotzdem kommt die Kolonialverwaltung mit immer neuen Forderungen von Millionen über Millionen. Und dabei läßt es sich noch nicht absehen, welche ungeheuren. Kosten noch die ziel- und planlose Wirtschaft in Deuts ch- S ü d w esta fr i k a verursachen wird. Die Ablehnung der im zweiten Ergänzungsetat geforderten Bahn Kubub— Keetmannshoop und der Forderungen zur Entschädigung der Farmer ließen erkennen, wie sehr die Mehrheit des Reichstages mit dem gegenwärtig in der Kolonialverwaltung herrschenden unhaltbaren System unzufrieden ist.
Dazu kam ein Zwischenfall, der sich bei der Beratung der Position für den Bau der Bahn von Ku- bnb nach Keetmannshoop ereignete, und der dem Fasse den Boden ausgeschlagen zu haben scheint. Hier legte der als Regierungskommissär in den Reichstag abkommandierte Oberst v. Deimling geradezu prätoria- nische Allüren an den Tag. Ter schneidige Oberst, der demnächst nach Teutsch-Südwestasrika abgehen soll, um das Kommando über die Truppen zu übernehmen, erklärte gegenüber' der mehrfach erhobenen Forderung, den Süden der Kolonie auszugeben: „Solange er draußen das Kommando führen werde, werde der Süden nicht ausgegeben werden,, es sei denn, daß sein Kaiser es ihm befehle, der allein darüber zu bestimmen habe und sonst niemand." Diese Erklärung rief im Hause große Unruhe und Entrüstung hervor. Die Redner der Linken wiesen sofort aus das Ungehörige einer derartigen Redeweise hin; der Äbg. Lede- bour verglich den Obersten v. Deimling mit Boulanger. Ter Direktor der Kolonialabteilung, Erbprinz v. Hohenlohe, versuchte zwar, die ungünstige Wirkung der Äen- ßerung des Obersten v. Deimling aus das Haus abzuschwächen, seine Bemühungen hatten aber nicht den
bei: „Nur eines fehlt noch, um unser Glück vollkommen zu machen, Fränlein Ottilie, und dies ist . . das Ihrige."
Ottilie schrak zurück, als ob er sie rauh mit seiner Hand berührt. „Mein Glück!" sagte sie ein wenig bitter. „O, mit der Zeit wird vielleicht auch dieses kommen, aber nicht jetzt, nicht jetzt!"
„Ja, ich weiß, Sie habe» eine schreckliche Erfahrung gemacht," sprach er weich. „Wollen Sie mir nicht erlauben, Fränlein Ottilie, Ihnen näherzutreten? Sie wissen, wie mir Ihr Glück am Herzen liegt! Sie wissen, Ivie mein Großvater sich nach Ihrem Kommen sehnte! Kann sein Wunsch nicht in Erfüllung gehen, Ottilie?" Die Worte kamen etwas zögernd und verlegen; Paul war viel zu sehr erregt, nm ruhig zu sprechen, und der Zwang, den er sich auferlegte, ließ ihn fast kalt erscheinen.
Ottilie hatte das Gefühl, als ob ihr Herz in der Brust zu EiS erstarre.
„Sie wissen," fuhr Paul etwas gezwungen fort, „daß meine Lage sich geändert hat und daß ich Ihnen ein Heim, eine Stellung zu bieten habe. Wie innig mein Großvater Sie als Familienglied willkommen heißen wird, brauche ich nicht erst zn sagen; meine Mutter muß Sie nur kennen lernen, um Sie ebenfalls wann ins Herz zu schließen, und was mich betrifft, was könnte ich noch sagen, das Sie nicht längst erraten hätten? Ottilie, kommen Sie zu uns, Geliebte, und wenn Ihre Trau- rigkeit vorüber ist, machen Sie u»S alle glücklich, werden Sie die Meine!"
Vor Ottilies Augen wurde es dunkel, alle Gegenstände ini Zimmer schienen in ein wirres Durcheinander zerflossen, in ihren Ohren war ein Singen und Rauschen, wie das wilde Brausen der Wogen. Also in dieser Weise dachte er an sie! Jedes seiner Worte schien sich einzubrenue» in ihr schmerzendes Gehirn. 130,20
Er hatte nichts von seiner Liebe zn ihr gesprochen, dachte sie voll Bitterkeit, diese war ja auch längst erloschen, und er war zu ehrlich, um Gefühle zu heucheln. Und doch war er gekommen! Seinem Großvater zn Liebe, als eine Art Entschädigung für die Schmach, welche sein Cousin ihr bereitet, ans Mitleid für ihre bedrängte Lage hatte er ihr seine Hand ange- boten . . sie fühlte sich bis ins Innerste dadurch verletzt!
/ ! ' ^
st',!
1
4
1''
-r
-s
: 0! ' ß - ^
' i !
:j r