Nr. 19

Amts- und Anzeiqeblalt für den Oberamtsbezirk Calw.

65. Jahrgang.

Erscheinungsweise: 6 mal wstchentl. dlnzelgeprelS: Die klemspaltige Aeile 30 Pfg. Reklamen 1. Mk. Lchlutz der Anzeigenannahme S Uhr vormittags. srernsvrecherS.

Samstag, dm 24. Januar 1920

Kezrrg

Iw Prozeß ErBerger-Helsserich.

Berlin, 23. Jan. Helfferich fährt zusammcnfasiend fort: Herr Erzbcrger hat also trotz Juli Resolution für die Annexion von Briey gearbeitet. Erst nachdem Thyssen sich von ihm getrennt hatte, wurde Erzbcrger auch in Bezug auf Brieh das, was ich in der .Kreuz- zeltung" mit Vorbedacht den .schärfsten Gegner dcS Annexionismus" genannt habe. Unmittelbar nachdem ich das Reichsamt des Innern übernommen hatte, teilte Mir Unterstaatssekrelär Richter mit, Thyssen habe erneut einen Antrag auf Uebereignung der Briey Gruben ge­stellt. Herr Erzberger bedränge ihn in dieser Sache in sehr un­angenehmer Weise. Ich bat ihn, er möchte Erzberger das nächste Mal zu mir schicken Erzberger kam und wies darauf hin, daß Thyssen mit der Aufgabe seiner Erzgruben in der Normandie ernst­lich rechnen müsi«. Ich erklärte, daß.ich mich hu einer Eigentums­übertragung nicht entschließen könne, erstens aus Gründen des Völ­kerrechts^ zweitens kocil selbst im Falle eines dauernden Erwerbs des Briey Gebiets die Verwertung der Großindustrie ln einer Weise ge­schehen müsse, die den Interessen der gesamten deutschen Eisen­industrie Rechnung trage, und drittens weil die Gruben wertvolle Faustpfänder seien, welche später im Interesse der geschädigten Aus­ländsdeutschen verwendet werden könnten. In gleicher Weise trat Erzbcrger bei mir für die Liquidation des in Deutsch Lothringen ge­legenen Grubcnbesttzes der Gebrüder De Wendel ein Auch hier ver­trat er die speziell Thysscn'schcn Interessen bezüglich einer Eigen­tumsübertragung. Ich mußte auch hier Herrn Erzberger abschlägig bescheiden Im Frühjahr 1916 hatte ich ein Gesetz vorbereitet, das den Reichskanzler ermächtigen sollte, bei der Erteilung der Geneh­migung zur Ausfuhr bestimmter Waren, darunter Eisen und Kohlen. Abgaben zu erheben, um auf diese Weise den Unterschied zwischen Inlands- und Auslandspreis auszugleichen Hierfür trat zunächst auch Herr Erzberger, Mitglied des Thysscn'schen Aussichtsrats eia Nachdem er aber aus dem Tbygen a^ag.ireten war brachte

er einen Antrag ein. nicht nur für die Zukunft solche Abgaben zu erheben, sondern auch nachträglich die Differenzen zwischen Jnland- und Auslandspreis die er auf 664 Millionen berechnete, von der Industrie einzuziehen.

Hierauf wird Reichsfinanzminister Erzberger als, Zeuge vernom­men. der u a bekundet: Ich kenne Herrn August Thyssen seit un­gefähr 12 bis 13 Jahren. Er vertrat immer den Standpunkt, daß die. Interessen der Industrie Im Parlament ungenügend vertreten seien und bat mich darum, mir hin und wieder Wünsche der Industrie Mitteilen zu dürfen. Ich war damit einverstanden und Thyssen gab mir im Laufe der Jahre im Interesse der Volkswirtschaft sehr viel wichtiges Material mit der Bitte, für die Eisenindustrie einzutreten. Diese Beziehungen wurden im Laufe der Jahre immer freundschaft­licher. Irgendwelche pekuniäre Beziehungen habe ich zu Thyssen messt gehabt Aehnlicbe Beziehungen hatte ich auch zu einer,ganzen Reihe anderer Unternehmungen. Im Jahre 1915 schrieb mir Thyssen, er se- zu d--w W^chluß gekommen mich in den AufNchtsrnt keiner

drei größten Unternehmungen zu nehmen. Er bitte mich, den be­kannten Familienstreit einer Verständigung entgegenzuführen und. fer­ner, fein Testamentsvollstrecker zu sein. Thyssen kam dann nach Berlin und wiederholte seine Wünsche. Ich kam zu der Ueberzeu- gi ng. daß keinerlei moralische oder auch sonstige Bedenken Vorlagen. Ich kann hier unter Eid erklären, daß mir die Firma Thyssen nie eine eirzige Zumutung gemacht Hot. die»nicht das Allgemein-Jnter- esse, sondern ihre eigenen geschäftlichen Interessen betraf Es sollte mir niemand Nachsätzen können, daß ich meine politische Stellung irgendwie zu persönlichen materiellen Dingen ausnütze. Ich habe deshalb die Beteiligung an den Dividenden re. abgelehnt. Thyssen bot mir einen festen Jahresbezug von 40000 an. Es ist dann nie wieder von der finanziellen Frage die Rede gewesen. Ich war u. a Berichterstatter des Militäretats. Nachdem ich den AufsichtS- ratsposten ang-nommen'hatte, legte ich sofort dieses Amt nieder, da­mit niemand auf den Gedanken einer Verbindung -der Firma mit Heereslieferungen kommen könnte. Was ich dann weiter zu Gunsten der Firma Thyssen getan hatte, habe ich lediglich im Rahmen dcS allgemeinen volkswirtschaftlichen Interesses getan und ich kann das in scdcr Beziehung verantworten. Erzberger geht sodann auf sein« Beziehungen zu dem Hause Bourbon-Parma näher ein. Er Hab« allmählich im Laufe des Krieges die feste Meinung erlangt, daß wir froh sein müßten, wenn Deutschland ohne territoriale Verluste aus diesem Krieg hervorgehe. Der Zeuge fährt dann fort: Es war zu jener Zeit den deutschen Volksvertretern unmöglich, an den Kaiser beronzukommen, um ein deutl'ches Wort zu reden. Ich war der An­sicht. und mit mir viele andere daß Dr. Helfferich durch seine Art und Weise, wie er den Kaiser informierte, ein Unglück für das deutsche Volk darstellte. Als ich endlich mit'dem Kaiser sprechen konnte, war ich überrascht, welche Auffassung er hatte. Nun zu der Angelegenheit der Gruben >m Briey Gebiet. Es war zuerst August Tbyffen, der nach Luxemburg ins Hauptquartier fuhr und dort offen erklärte, Deutschland müsse den Krieg verlieren, wenn wir kein Erz bekämen. Alle Länder halten Ibr« Stahlproduktion gesteigert; d'e deutsche war gesunken und die Front schrie nach Material. Da« war der Grund, weshalb ich für die Liquidation der Erzgruben ini Briey Gebiet, die im deutschen Interesse lag, eintrat. Man folgt« mir nicht, sondern bezog aus Schweden Erz und die deutsche Indu­strie kam in Abhängigkeit. Es trat eine Verschuldung ein. Diese Suppe habe ich heute als Finanz,minister auSzuessen. Außerdem hatten die Feinde deutsche Firmen liquidieren lassen und als Gegen- maßregel wollte ich für die Liquidation der französischen Erzgruben «inkreten Auf eine-Frage des Vorsitzenden über die Ihm vorge­worfene Wandlung in seinen politischen Anschauungen erwiderte Erz­berger: Als Berichterstatter über den Militäretat habe er weiteste Kenntnis des Schlieffen'schen Planes gehabt, der dahin ging, daß nur etwas zu machen sei, wenn Frankreich in sechs Wochen nicdcr- gerungen werden könne. Nachdem er aber gesehen habe, daß dftse Hoffnung im Westen sich nicht erfüllt habe, habe notgedrungen in seiner Ileberzeugung eine Wandlung eintreten müssen.

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Wk. S.I0 nikr Beste»geld und Zulkblag.

Aus Vorhaltung Dr. Alsbergs, daß er doch gewissermaßen der Vater der Friedensresolution gewesen fei, jetzt mit einem Mal den Ausspruch getan habe, wir sollten Briey-Longwy haben, erklärte er: Ich habe auch zu anderen Anncxions- plänen keine Stellung genommen. Der Erwerb von Briey und Longwy im Wege eines Ausgleichs lag im Rahmen der Friedensresolution. Auf Befragen des Oberstaatsanwalts erklärte Erzberger, daß es sich lediglich um Inbetriebnahme und Ausbeutung, keinesfalls um eine Eigentumsübertragung an die Firma Thyssen gehandelt habe. Helfferich betont ausdrücklich, daß diese Auffassung damals im Reichsamt des Innern nicht bekannt gewesen sei. Der-Vorsitzende erklärte, daß er zunächst den Eindruck gehabt habe, daß Thyssen nach Friedensschluß Eigentumsrecht auf die Gruben geltend machen wollte, dagegen weist Oberstaatsanwalt o. Clausewitz darauf hin, daß in den Eingaben nirgends eine Eigentumsübertragung verlangt, werde. Helfferich erklärt nochmals, daß ieine ganzen Unterhaltungen mit dem damaligen Abgeordneten Erz­berger sich nur darum gedreht haben, diesem den Gedanken auszurcden, daß das Reich einer Eigentumsübertragung an Thyssen zustiwmen könne. Erzbcrger bestreitet dies und er­klärt: Ich kann jedenfalls unter meinem Eid bekunden, daß ich nie Helfferich angegangen bin wegen einer Eigentums- Übertragung, sondern nur wegen einer Ueberweisung zur Aus­beutung unter staatlicher Kontrolle. Auf weitere'Fragen des Vorsitzenden, wann Erzberger aus dem Thyssen-Konzern aus- geschieden sei, erklärte dieser: Ich bin Mitte 1917 nach der Friedensresolution aus dem Aussickstsrat ausge^cbieden. Die Bezüge wurden bis 1. Januar bezahlt. Ich habe im ganzen etwa 100 000 Mark bezogen. Ich bin ausgeschiedcn, weil meine Ansichten, die in der Friedensresolution ausgedriickt waren, nicht mit denen des Thyssen-Konzerns iibcroinstimmen. Mein Austritt aus dem Konzern Ist jedenfalls von mir ausgegangen und nicht von Herrn Thyssen. Im weiteren Verlaus der Sitzung erklärt Dr. Helf'eri^: Ich frage Herrn Erzberger unter seinem Eid: Hätten Sie diele Vorwürfe bezüglich der Riescngewinne der Industrie auch erhoben, wenn Sie im Jahre 1918 noch dem Thyssen-Konzern angehört hätten? Zeuge Erzberger: Es ist damals öfter im Hauptausschuß von den Rreftygcwinncn der Industrie gesprochen worden. Dr. Helfferich: Auch von Herrn Erzbergcr? Zeuge Erzberger: Das weiß ich nicht mehr. (LebhafteAha" Rufe im Zu­hörerraum. Der Vorsitzende droht, er werde im Wieder­holungsfall den Zuhörerraum räumen lassen). Ein langes Hin und Her zwischen Dr. Alsberg und Minist^ Erzberger beendet der Vorsitzende mit den Worten: Der Grundgedanke dieser ganzen Erörterung ist doch der: Solange Sie, Herr Minister, Mitglied der Schwerindustrie waren, haben Sie nicht an Ausfuhrzölle, welche die Industrie belasten, gedacht und erst als Sie aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden waren, kamen Sie auf den Gedanken, solche Zölle cinzufiihren. Dr. Alsberg: Gerade Sie mußten doch auf Gru^d skbrer Ke^utni^e der

Sonntagsbetrachtung.

Hab Sonne .. .

Hab Sonne Im Herzen, ob s stürmt oder schneit, ob der Himmel voll Wolken, die Erde voll Streit . .

Hab Sonne im Herzen, dann komme, was mag: das leuchtet voll Licht dir den dunkelsten Tag!

Hab ein Lied aus den Lippen

mit fröhlichem Klang

und macht auch des Alltags

Gedränge dich bang . . *

Hab ein Lied auf den Lippen, dann komme, was mag: das Hilst dir verwinden den einsamsten Tag!

Hab ein Wort auch für andre in Sorg und in Pein und sag. was dich selber so frohgemut' läßt sein:

Hab ein Lied auf den Lippcil, verlier nie den Mut, - Hab Sonne im Herzen,

und alles wird gutl Cäsar Flalschlen.

Wie froh und befreit hat doch jedermann in den letzten Tagen aufgeatmet, als nach den stürmischen, naßkalten Regentagen der ersten Januarwochen zum erstenmal wieder'ein Heller, warmer Son­nenstrahl die düster grauen Wolken durchbrach^ und die liebe Sonne mit freundlichem Gesichte in die so wärmearmen Wohnungen der frierenden Menschenkinder hineinblinkte. Endlich wieder ein Sonnen­strahl. so hat wohl manches Herz dabei empfunden, und mit plötzlich rascherem Pochen dem fröstelnden Körper neues Leben zugeführt. Und diese stisch pulsierende Lebenskraft, sie teilte sich nicht nur dem Körper mit, auch Geist und Seele empfingen ihren Anteil daran, und brachten das in neuem Lebensmut und gehobener Stinimung zum Ausdruck. ^

Ja. so ein bischen Sonne . . . kann Wunder wirken, und wie bitter notwendig haben wir »doch alle heute diese Sonne, nicht nur die wärme- und lebenspendende am Firmament, sondern viel­leicht noch mehr die Sonne im Herzen. Wie häßlich frostig und sreudeleer sieht es doch gegenwärtig in den meisten Menschenherzen aus. Die Sucht nach äußeren Vergnügungen und Zerstreuungen, die nach der militärischen Beendigung deS^Krieges als Sinnentaumel Plötzlich über uns hercingebrochen ist, was ist sie anderes als ein Ersatzmittel, dessen Wertlosigkeit sich dadurch am klarsten offenbart, daß man zur Betäubung der Unbesriedlgtheit der Seele und deS Geistes immer stärkere Dosen davon gebrauchen muß und-dabei doch nicht zu innerer Ruhe und Ausgeglichenheit kommt. Lebensfreude, zu der auch Frohsinn und gelegentlich überichäumendcr Uedermut ge­hören. darauf hat niemand mehr als die Jugend ein natürliches

Recht, und echter Frohsinn, mit Sang und Tanz und cmmuHgem Spiel verbunden, sie sollen unfern Jungen über die Trübial der Gegenwart Hinweghelsen, und Ihnen Kraft für die Zukunst spenden. Es soll hier nur im allgemeinen vor der Veräußerlichung gewarnt sein, die eben die wirkliche Herzenswä-me nicht auf- kommen läßt, weil sie nur immer neue Ansprüche stellt, und damit stetige Unzufriedenheit schosst. Woher kommt denn letzten Endes all unser Elend? Doch nur davon, daß wir uns nicht befreien können, von der unersättlichen Gier nach Genuß und Besitz, die den Kainpf aller gegen alle verursacht,,und die uns alle In den Abqrund zu führen droht. Vor diesem Letzten kann uns aber nur die Ver­innerlichung retten, jene wahre wärmespendende und aus strahlende Sonne im Herzen die nicht wie Strohfeuer aufflamm! und ebenso schnell wieder erlischt, oder wie ein verwehter Rausch die Kälte nachher umso empfindlicher spüren läßt. Wanne, sonnige Herzen brauchen wir heute, damit der Innere Sturm und die innere Frostigkeit verdrängt werden und wir dem äußeren Sturm Trotz 'zu bieten vermögen. Jene sonnigen Herzen, wie sie der D'chter wünscht, die müssen frei sein von Habgier, Genußsucht. Haß und allen niedrigen Leidenschaften, wie sie uns heute auf Schritt und Tritt begegnen, und wenn wir uns davon wieder frei machen kön­nen, wenn wir wieder bescheidener werden allen unfern äußeren Ansprüchen, und uns auch deS Gebotes Christi erinnern: Du sollst Deinen Nächst?» lieben wie Dich selbst, dann wird die Sonne im Herzen wieder aufgehcn, und ihre Frühlingswärme wird unser» Seele zu frohem, zukunftoerheißendem Liede begeistern.