Der kreis 5lliiosrMZIüer

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mit Erzähler vom Hchwarzwald.

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celekon Nr. 41 .

Amtsblatt für die Ltadt lvildbad.

verkündigungsblatt

der Ugl. Forstämter wildbad, Meistern, Lnzklösterle rc. mit

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Ar. 73.

Mittwoch, den 28. März

1806.

Preußen in der Reaktion voran!

6. Die schöne tönende Redensart des preußischen Ministerpräsidenten und deutschen Reichskanzlers Fürsten von Bülow:Preußen in Deutschland voran!" ist in ihrer ganzen Lächerlichkeit durch die Freitagsverhandlung des preußischen Abgeordnetenhauses beleuchtet worden. Man beriet dort nämlich über jenes elende Flick- und Stückwerk, das sich preußische Wahlreform-Vorlage nennt. Dabei lernte das preußische Volk zum erstenmal seinen neuen Minister des Innern, Herrn von Hammer­steins Nachfolger, kennen. Das Debüt dieses Mannes hat ziemliche Klarheit über ihn erbracht, er ist aus der- lowschen Schule. Was sein Vorgänger mit der derben Ehrlichkeit eines pommerschen Landjunkers herausbrachte, umkleidete Herr von Bethmann-Hollweg mit dem Män­telchen der Philosophie, der geschmeidige Protege und Studiengenosse des Kaisers hielt eine in der Form sehr schöne, im Inhalt vom Geist finsterster Reaktion durch­tränkte Rede. Das Reichstagswahlrecht ist für den preu­ßischen Minister unannehmbar, er hält an den Grund­zügen des elendesten aller Wahlsysteme fest. Herr von Bethmann verflieg sich sogar zu dem Satz, das Reichs­tagswahlrecht wecke niedere Instinkte im Volk. Darauf gab der demokratische Abgeordnete Oeser die einzig richtige Gegenfrage, ob die Steuerleistung beim Drei- klassenwahlrecht etwa mit dem ethischen Wert zusämmen- hänge.

Diese Redensart des Ministers ist tatsächlich eine Umwertung aller Werte. Es giebt nichts, was mehr an die niederen Instinkte appelliert als gerade das preu­ßische Wahlrecht, das der Gesinnungsheuchelei, der poli­tischen Bevormundung und der Mundtotmach ung wirt­schaftlich abhängiger Elemente Tür und Tor öffnet. Von freisinniger Seite wurde ganz richtig bemerkt, alle Ener­gie, die in Preußen gewaltsam unterdrückt wird, wendet sich dem Reiche zu. Die freisinnigen Redner und der Sprecher der Polen, der Abg. Dziembowski, waren die einzigen, die den Entwurf rundweg ablehnten.

Nun zu den anderen Parteien. Ueber die Haltung der konservativen Fraktionen war man von vornherein nicht im Zweifel. Wohl aber war die Möglichkeit vor­handen, falls die Nationalliberalen und das Zentrum ablehnten, das ganze Gesetz zu Fall zu bringen. Die preußischen Nationalliberalen hätten die schönste Gelegen­heit gehabt, sich diesmal auf das Wörtchen liberal in ihrem Namen zu besinnen. Was taten sie? Ihr Red­ner Dr. Krause bewies wieder einmal, daß die Partei nicht Fisch und nicht Fleisch ist. Er verurteilte die Vorlage zwar in Grund und Boden, hält sie aber doch für einen kleinen Fortschritt und behält sich deshalb die Abstimmung feiner Partei für später vor. Der frei­konservative Herr "von Zedlitz stellte daraufhin ironisch fest, daß die Herren unter einigem Vorbehalt schließlich die Vorlage annehmen werden. Echt nationalliberal!

Bleibt noch das Zentrum. Wer etwa gedacht hatte, diese Partei würde wenigstens einmal die demokratischen Redewendungen, die sie vor Wahlen gewöhnlich braucht, in die Tat umsetzen, sah sich bitter enttäuscht. Das Zen­trum stimmt der Vorlage zu, fügt allerdings die spitz­findige Erklärung hinzu, daß die Vorlage eine Reform des Wahlrechts,wie wir sie unter schärfster Kritik des Dreiklassenwahlrechts gefordert haben", nicht bringt. So saldiert das Zentrum sein demokratisches Gewissen. Um einen wirksamen Agitationsstoff gegen Zentrum und Na­tionalliberale brauchen jetzt aber die wirklichen Libera­len in Preußen nicht verlegen zu fein.

Nach diesem Stand der Dinge ist es leider allzu gewiß, daß Herrn von Bethmanns Reformtorso Gesetz werden wird. In gut 3 Stunden war die ganze Ge­schichte erledigt. Jetzt ist der Entwurf in der Kommis­sion auch schon angenommen und wenn in einigen Wo­chen noch die erlauchten und edlen Herren der preußi­schen ersten Kammer, ihren Segen gegeben haben, dann wird Berlin bei den nächsten Landtagswahlen 12 Re­nommiersozialisten in das preußische Parlament schicken Und die vereinigte borussische Reaktion wird sich schmun­zelnd die Hände reiben und sagen:Seid ihr denn im­mer noch nicht zufrieden, wenn sogar unter dem Drei­klassenwahlrecht Sozialdemokraten gewählt werden kön­nen?" Man könnte über die ganze Sachlage lachen, wenn die Geschichte nicht so furchtbar ernste Folgen hätte. Die Junkerherrschaft in Preußen wird fortbestehen, dank der Unterstützung durch die Regierung, aber die Erbitter­ung gegen dieses System wächst von Tag zu Tag. Und fossile Ueberbleibsel einer längst entschwundenen Epoche, wie das Dreiklassenwahlrecht, lassen sich wohl einige Zeit lang künstlich stützen, aber nicht aufrecht erhalten.

Rundschau.

Zur Personentarifreform. Halbamtlich wird mitgeteilt: Die Nachrichten verschiedener Blätter, daß die Personentarifreform ins Stocken gekommen sei, entbehren durchaus der Begründung. Die deutschen Regier­ungen, welche Eisenbahnen besitzen, sind zum 2. April ds. Js. zu einer Konferenz eingeladen worden. Schwie­rigkeiten dürfte allein die allseitige Einführung der vier­ten Wagen kl asse machen, gegen die in einzelnen Staaten Süddeutschlands eine lebhafte Abneigung vor­herrscht. Es wird vielleicht ein Ausweg derart gefun­den, daß jene Staaten den 2 Pfg.-Satz für die dritte Klasse der Lokalzüge und auf diese Weise eine Klasse 3 a und 3 b einführen werden. Diese Unbequemlichkeit wird indessen voraussichtlich das Zustandekommen einer allsei­tigen Einigung über die Ausführungsmodalitäten im Laufe des nächsten Monats nicht verhindern. Auf alle Fälle ist, wie auch noch jüngst in der Finanzkommission des preußischen Herrenhauses bei der Beratung des nächstjäh­rigen Etats von der Regierung hervorgehoben wurde, Preußen fest entschlossen, die Reform auch allein für die preußisch-hessische Eisenbahngemeinschast durchzuführen.

«- * *

Die ungarische Krisis. Dem Berl. Tagebl. wird aus Budapest vom 26. gemeldet: Kaiser Franz Josef hat den Vorschlag des Ministerpräsidenten von Fejervary, die Mitglieder des Kabinetts einzeln über ihre Ansicht bezüglich der politischen Lage anzu­hören, speziell über die Frage der Ausschreibung der Neuwahlen, angenommen. Infolgedessen werden morgen sämtliche Minister vom Kaiser in Au­dienz empfangen werden.

Tages-ßyrontk.

Berlin, 26. März. Die nationalliberale Fraktion des Reichstags hat beantragt, die Regierungsvorlage wegen Errichtung eines selbständigen Kolonialamts mit einem Staatssekretär an der Spitze wieder herzustellen.

Berlin, 26. März. Die Kommission des Abgeord­netenhauses für die Wahlrechtsvorlagen hat die Entwürfe der Regierung unverändert angenommen. Morgen sollen noch einige freisinnige Resolutionen beraten werden.

Berlin, 26. März. Der Freien deutsche« Presse zu­folge hat der Zentralausschuß der freisinnigen Volkspartei einmütig beschlossen, die einleitenden Schritte zur Er­richtung eines Denkmals für Eugen Richter zu tun.

Berlin, 26. März. Die Nat.-Ztg. meldet aus Güt­tingen: Sämtliche Professoren und Dozenten der Universität Göttingen Unterzeichneten die Protesteingabe der Hochschulen gegen die konfes­sionellen Zwangsbtstimmungen der preußischen Schulvorlage.

Posen, 26. März. Der Etsenbahnminister verfügte, um die Rückwanderung Deutscher aus Rußland zu erleichtern, daß ihnen sämtliche Fahrgelder zu stunden seien.

Magdeburg, 26. März. Die gesamten organisierten Lohnfuhrangestellten und* b elp a cker, rund 2000, sind zur Erzielung eines Lohntartfs in den Aus­stand getreten.

Halle«. S. 26. März. Zahlreiche B :rg arb eit er- Versammlungen des mitteldeutschen Braunkohlenrevters beschlossen gestern Abend den Ausstand. Heute früh fuhr auf vielen Gruben nur ein Teil der Belegschaften an. Im Braunkohlenreoter Meus elwttz-Lucken au-Zeitz sind heute früh 4000 Bergleute, das ist die Hälfte der Belegschaften, in den Aus stand getreten. Neun Werke stehen still.

Dresden, 26. März. Gegen die Stimmen der Frei­sinnigen und des Sozialdemokraten lehnte die Zweite Kammer die Aushebung der Prügelstrafe in den Schulen ab, desgleichen die Bewilligung von Staats­preisen im Beirage von Mk. 50 000 für die Pferde­rennen in Dresden und Leipzig.

München, 26. März Ferdinand Frhr. v. Stumm in Neunktrchen hat, laut Meldung der Pfalz. Presse, aus Anlaß des loojährtgen Jubiläums der Niederlassung der Srummschen Familie in Neunkirchen eine Summe von 100,000 Mk. gestiftet, deren Zinsen zur Prämierung von Schulzeugnissen von Knaben und Mädchen der Hüttenange- stelllen verwendet werden sollen; ferner stiftete er eine Ge- metndeturnhalle.

Bern, 26. März. Der Ständerat genehmigte in Ueberiinstimmung mit dem Nationalist die Vorlage betr. die Neuorganisation der Gebirgsartillerie und die Neu­bewaffnung derselben mit einem Kruppschen 7,8 Ctm. Rohr.rücklaufgeschütz.

Bukarest, 26. März. Rumänien begeht heute das 25 jährige Jubiläum feiner Erhebung zum Königreich.

Jekaterinoslaw, 27. März. 5 Individuen oran­gen in das Postbureau ein und forderten den an­wesenden Beamten auf, das Geld aufzuzählen. Der Be­amte feuerte mit seinem Revolver, ohne zu treffen. Die Räuber entkamen, nachdem sie den Beamten schwer ver­letzt hatten.

Neivyork, 27. März. Großes Aussehen erregt die Ansammlung einer bedeutenden amerikani- scheu Kriegsflotte vor Shanghai. Bis jetzt sind 8 Kriegsschiffe versammelt. Weitere folgen.

In Mannheim verfolgte nachts eine aufdring­liche Straßendirne einen Matrosen bis an sein Schiff, das im Neckarhafen ankert. Obwohl der Matrose ihr sagte, daß sein Schiffsführer nicht dulde, daß sie an Bord komme, wollte sie Kirfs Schiff klettern, fiel aber durch das Schwanken des Nachens, auf dem sie stand, ins Wasser und ertrank. Die Leiche konnte noch nicht gefunden werden.

Die Unterschlagungen des Rendanten Heinzer­ling in Butzbach (Hessen) betragen nach nunmehri­ger Feststellung bei der Sparkasse 40 bis 45 000 Mark, dieser Betrag wird durch die Revisoren der Kasse usw. vollkommen gedeckt, sodaß die Sparer nichts verlieren. Die Angabe, daß ein Gießener Bankhaus an Heinzer­ling 30 000 Mark verliere, entspricht ebenfalls nicht den Tatsachen. Die Forderung der Firma ist erstens nicht so hoch, und zweitens ist sie für ihr Guthaben Volk gedeckt.

Unter dem Verdacht des Gatten Mordes steht, dem Wiesbadener Tagblatt" zufolge der Dienstmann Heß. Seine Frau wurde am Samstag bei Griesheim aus einem Wassergraben als Leiche geländet. Heß gab an, mit der Frau, von der er in letzter Zeir getrennt gelebt hatte, nach Höchst gefahren zu sein, wo beide beschlossen hätten, ge­meinsam in den Tod zu gehen. Er selbst ist nachgewiese­nermaßen nur bis zum Leib im Wasser gewesen und am Freitag Abend hierher zurückgekehrt. Am Samstag Vor­mittag lief er, nur mit einem Hemde bekleidet, von sei­ner Wohnung zuin nächsten Polizeirevier. Seiner konfu­sen Reden wegen wurde er zunächst dem Krankenhause überwiesen. Es ist aber festgestellt worden, daß er nicht geisteskrank ist.

Ueber einen Raubmord in dem Oertchen Gränert bei Magdeburg berichtet die Magdeb. Ztg.: Freitag Nach­mittag betrat ein Bahnarbeiter das in der Nähe der Ei­senbahn-Haltestelle belegene kleine Restaurant des al­ten pensionierten Bahnwärters Henuig, um sich eine Flasche Bier zu kaufen. Ihm bot sich ein grauenvoller Anblick. Im Gastzimmer lag der 72jährige Hennig tot in einer Blutlache und am Tisch saß fest schlafend der Mörder des Greises. Der Arbeiter ging wieder hinaus, schloß die Türe ab und holte schleunigst von der Station zwei Männer herbei, mit deren Hilfe der noch immer schlafende. Mörder überwältigt und gefesselt wurde. Dieser gestand, daß er dem Greise, indem er sich bückte, um ihm eine Flasche Bier zu verabfolgen, mit einem Ham­mer den Schädel zertrümmert und sich dann am Schenktisch niedergelassen und noch mehrere Flaschen Bier getrunken habe. Dabei sei er eingeschlafen. Der Mörder ist ein 32jähriger Steindrucker namens Ernst Wilde aus Merz­dorf in Schlesien.-

Durch einen Erdrutsch in Mühlheim bei Urmig sind 50 Häuser gefährdet. 100 Familien sind obdachlos. Die Ursache beruht auf Unterspülung durch unterirdische Wasser.

Dem Oberrechnungshof fiel der übermäßeige Ver­brauch der Oberpostdirektion Metz an Schreib­materialien auf und er verlangte Auskunft darüber. Die angestellten Nachforschungen ergaben, daß ein als Steindrucker bei der Oberpostdirektion beschäftigter Ober­postschaffner seit Jahren einen schwunghaften Handel in Schreibpapier mit Händlern und Privaten betrieb. Der Steindrucker wurde verhaftet. DieMetzer Ztg." stellt einen Sensationsprozeß in Aussicht.

Am Samstag Vormittag kenterte plötzlich das Schiff Fanny" in der Eidermündung bei Toenning. Fünf Insassen des Schiffes ertranken^ Das Schiff war mit Auslegen von Tonnen beschäftigt. Taucher sind bemüht, das Schiff zu heben.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 26. März. Am Bundesratstisch ist er­schienen: Erbprinz zu Hohenlohe. Präsident Graf Ballestrem eröffnet die Sitzung und teilt mit, daß der zweite Vizepräsident Paasche erkrankt sei, es sei deshalb die Wahl eines Aushilfspräsidenten nötig, und