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Nr. 16.

Amts- und Anzeigeblatt für den OberamtsbezirL Calw.

95. Jahrgang.

Erscheinungsweise: S mal rvpchent!. Anzeigepreis: Die kkemspaltige Zeile 30 Psg. Reklamen 1 . Mk. Tchluh der Anzeigenannahme S Uhr vormittags. fternsprecherS.

Mittwoch, den 21. Januar 1928.

««,» a«pret«: In der Ltadtenitrrdqerlohn Mk. e.m »ierteliShrUch, Postb-zug«prel«

Mk. K.M mit Bestellgeld und Zuschlag.

Zn Werk» Lose.

Holland angeblich nicht auslieferungsberelt.

Amsterdam, 21. Jan. DerTelegraaf" meldet, daß an maß­gebenden niederländischen Stellen die Ansicht vorherrsche, daß die Auslieferung des vormaligen deutschen Kaisers nicht stattfinden dürfe. Nieuwe Rotterdamscher Courant" schreibt, man habe den Eindruck daß das Vorgehen gegen den Kaiser mehr auf Völkerhaß und auf den Einfluß von Geistern zurückzuführen sei, die man einst rief und jetzt nicht wieder loS werde, als auf Erwägungen über Menschenrechte, DaS Blatt weist darauf hin. daß der Prozeß auf die Menschheit eine äußerst verwerfliche Wirkung ausüben werde und daß eS vielleicht Monate, ja. Jahre dauern könne, wenn er gründlich geführt werde, daß dabei', die gesamte schmutzige Wäsche der europäischen Politik vor 1916 zum'Vorschein kommen werde und daß die Fluten des Haffes hochschlagen würden.. Und dies zu einer Zeit, in der vor allem an den Wiederaufbau gedacht werde und An­näherungen zwischen den Völkern gesucht werden müßten, wenn nicht das gesamte Zusammenleben in einem Eknos untergehen solle. Das Blatt kommt zu dem Schluß, daß Holland dem allgemeinen Zusam­menleben keinen größeren Dienst erweisen könne, als wenn eS sich weigere, den K.nftr auszuliefern.

Berlin, 21 Jan Nach einer Meldung desBerliner Tage- blvttS" aus Haag erfährtDaily Chronicke" von diplomatischer Seite, daß es als sicher gelte, daß Holland die Auslieferung ablehnen werde. Auf jeden Fall würden Verhandlungen statifmden. ES sei nicht unwahrscheinlich, daß man zur Lösung der Schwierigkeiten «in Ab­kommen treffen werde, nach dem der Kaiser unter Bedingungen inter­niert werde, die den Alliierten die Bürgschaft gäben, daß seine Be­wegungsfreiheit wesentlich eingeschränkt werde.

Die Ungarn vor dem Pariser Fehmgericht.

Budapest, 19 Jan. (Woifs) Das rr°rr-sp»d°nzL..r-au »neidet aus Neuilly: In dem am Freitag vor dem Fünferrat gehaltenen ^ Ervose führte der Präsident der ungariichen Friedensdelegation noch aus. er müsse erklären, daß er den Friedensvertragsentwurf ohne we­sentliche Acndenmqcn nicht annehmcn könne. Er sei sich bewußs. mit welch schweren Folgen dies verbünd«" sei, könne aber, wenn nur zn ftchen der unbedingten Annahme »der der Zurückweisung des Frie- dcnsvertraaes zu wählen sei, so ergebe sich für Ungarn nur die Frage, ob eS Selbstmord begehen solle, damit man eS nicht töte. Glück­licherweise sei man noch nicht so weit. Die ungarische Delegation sei in der Lage, Ihre Bemerkungen vorzubringen. was bedeute, daß

noch nicht das letzte Wort gesprochen sei, und daß die Dokumente, welche die -Friedensdelegation unterbreite, einer ernsten gewiffen- 'hasten Prüfung unterzogen werden würden. In diesem Falle, sagte er, hoffen wir, sie überzeugen zu können, umso mehr, als wir in unseren Argumenten nicht unsere Gefühle zur Schau stellen, sondern ein Terrain suchen, auf welchem wir mit ihnen gehen können. Ap- vcnyi erinnerte an das Grundprinzip der internationalen Gerech'ig- keit, die Freiheit der Völker, welches die Alliierten so hoch­gemut verkündeten, sowie die großen Interessen, welche sich an den dauernden Frieden und den Wiederaufbau Europas knüpften. Cle- menceau unterbrach hier den Redner mit der Bemerkung, daß dessen bisherige Ausführungen nunmehr in« Englische übersetzt werden würden Apponyi erwiderte, er möchte dies lieber selber tun. Ap- poiiyi erklärt-' sydann, daß vor allem die außerordentliche Schwere der'Bedingungen erschütternd wirke. Sicherlich seien auch Deutsch­land, Oesterreich und Bulgarien harte Bedingungen auferlegt wor­den, aber keiner dieser Staaten würde durch diese Bedingungen so schwer betroffen werden als Ungarn durch die vollkommene.Zerstücke­lung seines Gebietes und seiner Bevölkerung. Ungarn würde aber nicht ni«r vcMoimwm -crstückelt sondern eS würde, wie er durch un- bezweifelbare Daten beweisen könne, das Gebiet, das von Ungarn übrig bliebe, jeder Möglichkeit seines wirtschaftlichen Aufblühens be­raubt werden. Nie lasse sich dies mit den großen Prinzipien und Interessen vereinbaren, von welchen sich die Alliierten leiten lassen müßten. Apponyi besprach sodann die Angelegenheit der Kriegs­gefangenen und bat um Milderung der Bestimmung, daß die Ge­fangenen erst nach dem Inkrafttreten des FriedensvertrogcS heim­befördert werden könnten Apponyi sprach sodann über die geo­graphische und wirftchaftliche Einheit Ungarns und führte die Argu­mente an, welche beweisen sollten, daß Ungarn durch die Friedens­bedingungen vollkommen in eine unmögliche Lage gebracht werden würde, indem eS beispielsweise Holz und Eisen liefern solle, während eS doch selbst in diesen Artikeln auf die Einfuhr angewiesen sei.

Paris, 19 Jan. (Wolfs ) Graf Apponyi sprach gestern nach­mittag vor Clemencecn», Lloyd George und Nitti für Ungarn. DaS Ecke de Paris" sagt: Der Graf versetzte die Zuhörer durch die un glaubliche Gewandtheit, mit der er der Reihe nach französisch, eng­lisch und italienisch in reinem Accent mit vollkommener Vollendung 'wach, in Erstaunen. Er betont« die Notwendigkeit, daß Ungarn seine natürlichen Grenzen b-hatten. seine Landwirtschaft und Jndu- r!e blüden müßten. Nach Beendigung seine? Vortrages überreichte AN liiyt den drei Ministerpräsidenten zehn Noten. Eine Besprechung über'seine Ausführungen fand nicht statt.

Eine italienische Drohung an die Südslaven.

Paris 20. Jan. Havas meldet: DemEcho de Paris" zufolge hat Nitti gestern folgende wichtige Erklärung veröffent­licht: Wenn am 28. Januar bis zu der Stunde, da ich den Zug nach Rom besteige, d. h. bis zum Abend, die siidslavische Regierung sich nicht für die endgültige Annahme des Kompro- mihentivrrrfs erklärt, so ist die von Italien gegebene Zustim­mung als null und nichtig zu betrachten. Italien wird von Frankreich und England verlangen, einzig und allein den Londoner Vertrag von 1915 durchzuführen.Journal" glaubt annehmen zu müssen, daß die Antwort nicht zufriedenstellend ausfallen dürste.

Eine englische Flotte für das schwarze Meer.

'Lyon, 18. Jan. (Funkspruch ) Aus Malta wird gemeldet, daß alle verfügbaren britischen Kriegsschiffe nach dem Schwarzen Meer abgefahren find, Aus Toulan wird berichtet, daß die Hospital- schiffe Befehl erhalten haben, nach dem Schwarzen Meer abzufahren. Die Engländer befürchten wohl einen Einmarsch der Bolsche­wisten in Persien und Indien,

^ MIM.

Der neue französische Ministerpräsident.

Alexander Millerand, der erste Friedensministerpräfident, hat wie sein kluger Amtsbruder, der Rechtsanwalt Aristide Brisnd, den Sozialismus zum Sprungbrett seincr politischen Laufbahn gemacht. Geschäftig, fleißig, guter Redner, nicht allzu empfindlich, wußte er es auf der einen Seite seinen sozialistischen Wählern recht zu machen, andererseits es mit »er radikal-nationalistischen Strömung nicht zu verderben. 1899 wurde Millerand, 48 Jahre alt, Handelsminister im Kabinett Maldeck Rousseau, zehn Jahre später nahm ihn Briand als Postminister auf. Damals verteidigte er noch das Etrcikrecht der Staatsangestellten und setzte sich damit in Gegensatz zu dem Oberhaupt des Kabinetts, was ihm seinen Ministerposten kostet«. Bis dahin war Millerand Opportunitätspolitiker. Sein Eintritt in das Ministerium Poincare vollendete den Um­schwung. Als ziviler Kriegsministcr geriet er ganz ins chauvi­nistische Fahrwasser. Er war es, der es wagen tonnte, den' militärischen Zapfenstreich wieder einzuführen, jene Musik- umzüge in den Straßen von Paris, die dazu bestimmt waren, die militaristische Stimmung in der französischen Hauptstadt künstlich zu heben. In der Tat datiert von jener Zeit ein gewisser kriegerischer Geist, der zwei Jahre später die Nnnabme

Vas Wrack.

18) Erzählung von Friedrich E e r st ä ck e r.

Aber etwas anderes fesselte die Aufmerksamkeit der Leute jetzt, denn aus dem unte'rn Raum scholl ein wildes, inarkdurchdringendcs Angstgeheul zu ihnen herauf.

Das ist der Schuft, der uns das Pulver angezündet hat," rief da der Steuermann und sprang mit einem Satz aus das Quarterdeck hinauf, wo er mit dem ersten besten, was ihm in die Hand fiel die Glasscheiben des Skylight zusammenschlug um dem Qualm wenigstens Abzug aus der Kajüte zu geben das half auch durch die Lücke, die sich das Pulver selber gerissen, durch die obere Öffnung und die Tür strömte der Dampf hinaus ins Freie aber es war nicht allein das Pulver, das ihn erzeugt hatte, denn das aus den Weinkisten umhergestrente Stroh da unten hatte wahrscheinlich ebenfalls Feuer gefangen, und dicker, schwarzer Rauch folgte dem weißen Pulverdampf.

Und markdurcksschneidender wurde das Geheul des da unten jetzt von seinem Geschick Ereilten, und der Steuer­mann. als er fand, daß er nicht von oben eindringen wenigstens nichts in dem i"nern Raum erkennen könne, während er selber fürchten mußte, in der Dunkelheit hin­abzustürzen, dachte an die Planken, die sie -vorhin im Zwischendeck losoeschlagen, und rief zweien seiner Leute, «hm dahin zu folgen.

Der Rauch war hier nicht so arg, da ihn der Luft­zug mehr nach oben sagte, und von dem wilden Schreien des dort-zurückgchaltenen Menschen geleitet, drangen sie mit ihren Laternen in das Innere vor. Aber sie kamen nicht weit, nur das konnten sie noch erkennen, daß dort unten durch die Explosion die Kisten durcheinandergewor- sen und auch ein paar der Deckbalken eingestürzt waren

da brach eine Helle lodernde Flaumre empor noch ein wilder Aufschrei dann Totenstille in dem unheimlichen Raum, und nur das Knistern der Flamme in dem Stroh und Holz.

Die Seeleute konnten kaum rasch genug zurück damit sie nicht selber von Eint und Rauch gebalten und erstickt würden, und jetzt war auch ihres Bleibens nicht länger an Bord.

Der Bootsmann hatte indessen schon nach der Launch gesehen, ob nicht hincingeworfcne Holzstücke sie vielleicht zertrümmert oder so arg beschädigt Hütten, daß sie nicht wagen dürsten, damit in See zu gehen. Aber glücklicher­weise lag sie an ber Landseite zu' Larbord, während die Explosion an der Ctarbordwike des Schiffes nur diese Seite auseinandergerissen und dorthin die Bruchstücke ge­schleudert hatte.

Kaum an Deck, griffen alle setzt zu. um den Verwun­deten in das Boot zu heben, und dann von den Gütern, die sie glücklicherweise schon hinausgeschasst, noch zu bergen, was möglich war. Zwei der Leute holten dazu die Launch weiter nach vorn, wo sie noch nicht von dem Feuer be­lästigt wurden, und das Einladen ging jetzt rasch und ungesäumt vor sich.

Das Feuer machte auch in der Tat nicht gleich so rasche Fortschritte, da es noch immer von dem Qüalm des vielen dort unten liegenden Strohes erstickt wurde, und ebenso­wenig brauchten sie zu fürchten, daß das auf den Korallen festsitzende Schiss mit ihnen wegsank. Rücksicht auf das Schiff selber durften sie auch nicht nehmen, depn das ließ sich nicht mehr retten. Im Nu war deshalb dort, wo die Launch lag. die obere Schanzkleidung die sogenannte Mo.nkeyrailing und eine der Negelingsstützen weg­geschlagen, und damit das offene Deck des tief liegenden Schisses säst dicht über ihr Boot gebracht, daß sie die Kisten

und sonstigen Gegenstände nur hineinzuschieben brauchten, und die Leute warfen dann noch von' den Brassen und sonstigem Tauwerk los. was sie erreichen und rasch in Sicherheit bringen konnten.

Aber nicht lange ließ ihnen das Element, das setzt van dem Schiss Besitz ergriffen. Zeit dazu. Die Flamme, die ihnen zu ihrer Arbeit leuchtete, hatte das geteerte Takelwerk ergriffen und schoß nach dem Beianmast hinüber an den Hauptmast, lief an den Wanten und Pardunen wie das Teer flüssig wurde, mit Blitzesschnelle hinaus und glitt auch bis nacb dem Vormast hinüber. Die oben zuerst durchaebrnnnten Pardunen schlugen dann aui Deck nieder, dass die Funken weit umhersprühten und nicht allein an der Bak sing dort auspekoiltcs Tauwerk schon zu glimmen an. sondern auch aus dem Porcustle quoll der Rauch, da sich das Feuer im Zwischendeck unten fortgepslanzt hatte.

Es war die höchste Zeit, daß die Leute von der ..Betsy Ann" das brennende Schiff verließen wenn sie nickt der Gefahr ausgesetzt sein wollten, dass selbst das Deck auf dem sie standen, von unten verkohlte und mit ihnen zu- sawmenbrach. Ebenso standen jetzt die drei Mollen in vollen Flammen, und stürzte einer von diesen über ihr Boot, so war ihnen selbst der Rückzug abgeschnitten.

.Der Steuermann gab dadurch selber das Zeichen zur Abfahrt, daß er in die Launch hineinsprang und den Steuerriemen aurariff Bob fehlte noch, aber er kam schon angesetzt und hatte sich nur ein vorher cheiseite ge­schobenes Kistchen mit Zigarren, das aber auch schon an der o-" 7 n Ecke glimmte, mitaebracht.

Die Ruder wurden gegen die Schifsswand gesetzt, und rasch trieb die Launch an dem brennenden Mrock vorbei wieder in den schmalen Kanal h'nein der sie aus den Korallen hinaus un^ rn die offene See bringen sollte.

(Fortsetzung folgt.)