Der kreis 5üiioarriiMer
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mit Erzähler vom Schwarzwald.
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Amtsblatt für die Stadt N)ildbad.
verkündigungsblatt
der Agl. Forstämter wildbad, Meistern, Lnzklösterle rc. mit
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Kr. 272.
Montag, den 20. Wovemöer
1905.
Ilnndscha«.
Die Marinevorlage. Der Bundesrat nahm die Marine-Vorlage für 1 9 o 6 an Die Vorlage (über die schon kurz berichtet wurde) zerfällt in zwei Teils, in die Novelle zum Flottengesetz und die Denkschrift zum Marine-Etat für 1906. Der einzige Paragraph der Novelle lautet: Der in Paragraph 1 des Gesetzes betreffend die deutsche Flotte vom 14. Juni 1900 festgesetzte Schiffsbestand wird vermehrt:
1) bei der Auslandsflotte um fünf große Kreuzer,
2) bei der Materialreserve um einen großen Kreuzer.
Die anschließende Begründung verweist auf die schon früher gestellte Mehrforderung der Regierung für Aurlanosfchiffe. Die damaligen Gründe bleiben bestehen. Als weiterer Grund tritt die Notwendigkeit hinzu, im Kriege außerhalb des Rahmens der Schlachflotte wenigstens noch ein Geschwader leistungsfähiger Panzerkreuzer zur Verfügung zu haben. Jährlich soll ein Kreuzer angesvrdert werden. Die Kosten pro Kreuzer betragen etwa 2 7 Mil- lionen Mark. Die Gesamtkosten von 165 Millionen verteilen sich auf die Jahre 1906 bis 1915. Der Mehrbedarf an Personal, den die Novelle fordert, beträgt 126 Seeoffiziere, 40 Marine-Ingenieure, 16 Sanitätsoffiziere, 8 Zahlmeister, 5643 Unteroffiziere und Mannschaften. Die durch die Vermehrung des Schiffsbestandes herbeigeführte Steigerung der fortdauernden Ausgaben wird auf etwa 20 Millionen geschätzt.
Die sich anschließende Denkschrift zum Marine- Etat für 1.906 erläutert a) die großen Etatsforderungen, welche durch das Flottengesetz überhaupt nicht geregelt sind, (Torpedoboote, Unterseeboote), b) Forderungen welche im Prinzip zwar durch das Floltengesetz geregelt sind (Zahl der Schiffe, Grundsätze für die Personqfberechnung), ihre Gestaltung aber erst durch den Jahres-Etat finden (Preis der Schiffe, Größe und Personalvermehrung).
Aus dem Etat für 1906 ist hervorzuheben: die bisher vorgesehenen 16 Torpedoboot s-D ivisionen sollen auf 2 4 vermehrt werden. Daher werden jährlich nicht 1, sondern 2 Divisionen gefordert. Für die Erprobung der Unterseeboote werden 5 Millionen jährlich angesetzt. Die G r ö ß e n a bm e s s un gen der Schiffe nnd der Torpedoboote müssen nach den Erfahrungen des japanischen Krieges gesteigert werden. Es entstehen daher für die Schiffe Mehrkosten gegen die früheren Anschläge. Ein L i- nienschiff kostet 36 Millionen, früher 25 Millionen. Der auf Grund des Flottengesetzes und der Novelle aufgestellte Schiffsbauplan sicht an Neubauten für 1906— 1912 jährlich 3 große Schiffe 2 kleine Kreuzer, 2 Torpedobootsdivisionen. für 1913— 1917 nur 2 große Schiffe und das übrige vor. Die durchschnittliche Gcsamt-Jahresver- mehrung an Personal beträgt 2340. Die fortdauern
den Ausgaben steigen infolge der vermehrten Jn- dienühaltungen von Auslandskreuzern, Torpedobooten und infolge der höheren Betriebskosten ^er größeren Schiffe jährlich um durchschnittlich 8 Millionen Der Marine- Etat steigt von 233 Millionen im Jahre 1905 auf 3 28 Millionen im Jahre 1917. (Wir
kommen in einer Besprechung auf die finanziell äußerst schwerwiegende Vorlage zurück. D. Red)
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Gesetzentwurf zur Entlastung -es Reichs-
Jn-ali-eufon-s. In der No r d d. Allg. Z.t g. wird mitgeteilt: Der Etat des allgemeinen Pensionsfonds weist an Ausgaben 82,137,702 (mehr 856,644) Mark nach. In den Mehrausggaben kommt die Ueber- nahnre eines Teils der dem Reichsinvalidenfonds abzunehmenden Ausgaben zum Ausdruck. Die verbündeten Regierungen beschlossen, dem Reichstag den Entwurf eines Gesetzes betr. die Entlastung des Reichsinvalidenfonds zngehen zu lassen. Der
Vorschlag, Ausgaben dieses Fonds auf diejenigen zu beschränken, welche sich aus seiner eigenen Zweckbestimmung bei der Gründung ergeben, bedeutet für den Fonds eine Entlastung von 22,599,183 Mk. bezw. unter Abrechnung der sogen. Veteranenbeihilfe eine weitere Entlastung von 8,599,185 Mk. Die Ausgaben des Retchs- invalidenfonds verteilen sich demgemäß unter Einrechnung kleinerer Steigerungen bei den ihm verbleibenden Ausgaben auf 35,316,748 Mk.
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Die Vorwärts-Krists.
fentlicht folgende Erklärung: Am Mittwoch abend haben die Berliner Parteifunktionäre und der Parteivorstand gemeinsam getagt, um eine Erklärung in Sachen des Vorwärtskonflikts zu beraten. Nach dreistündiger, lebhafter Debatte lehnt die große Mehrheit die Annahme irgend einer Erklärung ab. Eine Resolution des Genossen Aarons, die in ihrem ersten Satz den 6 Redakteuren einen Tadel aussprach, im zweiten und dritten Satz einen versteckten Angriff auf Parteivorstand und Preßkommission enthielt, im vierten Satz die Berliner Genossen ersuchte, den ersten drei Sätzen beizutreten und im fünften Satz den Vorwärts als Lokalblatt für die Berliner Genossen reklamieren wollte, wurde einstimmig abgelehnt. Der Versuch, in diesem Augenblick die Lokalisierung des Vorwärts aus sehr durchsichtigen Gründen auf die Tagesordnung zu bringen, ein Versuch, den der Genosse Heine unterstützte, wurde scharf zurückgewiesen. — Zu der Meldung, daß der Abgeordnete Gradnaue r, früher Redakteur vom Vorwärts, in die Redaktion der Sächsischen Arbeiterzeitung in Dresden eintreten werde, teilt Grad- nauer dem Vorwärts mit, „daß es ihm völlig unbekannt ß
sei, wie das Gerücht entstanden sei, und daß er keinerlei derartige Besprechungen mit den Dresdener Parteigenossen gehabt habe.
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Die Eisenacher Wahl.. Bei der Reich stagsstich wach l im Wahlkreis Eisenach-Dermbach wurden bis 11 Uhr abends gezählt: Für Leber (Soz.) 8321, Schack (Antis.) 9089 Stimmen. Die Ergebnisse aus 31 Orten fehlen noch, doch scheint Schacks Wahl gesichert. Vor dem antisemitischen Wahlbureau fanden große Volksansammlungen statt. Die Gendarmen aus Weimar und Eisenach sperrten mit Schutzleuten den Karlsplatz ab und Oberbürgermeister Schneider ließ die Aufruhrparagraphen anschlagen. Auf dem Karlsplatz wurde nachts die Feuerwehr alarmiert und gegen die Menschenansammlungen mit Spritzen vorgegangen, Die in anbe- tracht der Reichstags st ichwa hl unverständlich schroffen Maßregeln der Behörden erregen großes Aufsehen.
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Eine Folge -er Ju-enmetzeleien. In der großen jüdischen Protestversammlung, die in der vor. Woche unter dem Vorsitz des Lord Rothschuld in London stattfand, waren auch 'Frankreich, Deutschland und Amerika durch Delegierte vertreten. Es wurde beschlossen in Rußland authentisches Material über den Umfang der vorgekommenen Metzeleien zu sammeln. Gleichzeitig erklärten ! die anwesenden hervorragenden englischen Finanz- ! männer, daß für längere Zeit an die Unter- ! bringung einer russischen Anleihe nicht zu sei. Auch die anwesenden Vertreter aus Rußland, Frankreich und Deutschland stimmten darin überein, daß auf die russische Regierung ein Druck unbedingt dadurch ausgeübt werden müsse, daß, soweit jüdisches Kapital in Betracht kommt, ihr eine Anleihe in Zukunft unmöglich gemacht wird. Dieses Prinzip wurde unter stürmischem Beifall zum Beschluß erhoben. Zustimmungskundgebungen waren von den österreichischen, italienischen, amerikanischen Juden und anderen eingetroffen.
Unter diesen Umständen ist auch die plötzliche Energie verständlich, mit der Ministerpräsident v. Witte gegen die schuldigen Gouverneure und Beamten vorging. Leider kam diese Aktion etwas zu spät. Mit den Aussichten für die nächste große russische Anleihe sieht es nun sehr trüb aus, Gras Witte kann sich dafür bei den Schlächtern
von Odessa bedanken.
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Die japanischen Verluste im Kriege. Wie der
„Times" aus Tokio vom 14. ds. Mts. telegraphiert wird, hat der Krtegsministe r auf einem Bankett von Vertretern des Sanitätsdienstes erklärt, daß Japan zu
Der Vorwärts veröf- j denken
An weiter Wett.
Roman von Reinhard Büchner. 4
Doch der Morgen kam und zeigte ihr nur noch deutlicher, tvie wenig ihre jetzige Heimat dem Bilde glich, das sie sich davon entworfen. Die an peinliche Ordnung und Sauber» keit gewöhnte Tochter aus dem reichen Hamburger Patrizierhause fand sich unangenehm berührt durch den Mangel an Reinlichkeit und Akkuratesse, der ihr hier überall entgegentrat.
Beim Durchgehen durch die Zimmer, welche alle mehr das Gepräge von Gesellschaftsräumen, denn von Wohngemächern trugen, gewahrte Hildegard zahlreiche Risse in den gestickten Fenstervorhängen, an den seidenen, sehr verblichenen Ueber- -ugen der Sessel und Sofas abgetrennte, herunterhängende Fransen und an den Spiegeln und Bilderrahmen Spinngeweben.
„Das muß mit der Zeit anders werden," sagte sie zu ihrer Kmnmerjungfer, einer jungen Hamburgerin, welche ihr aus der Heimat hierher gefolgt war, „wir müssen uns mit Frau Janutsch in gutes Einvernehmen setzen und mit ihrer Hilfe den Zimmern ein anderes Aussehen geben."
„Ach, Frau Gräfin, das wird schwer sein,"meinteschüchtern die junge Zofe, „Frau Janutsch steht mich immer mit bösen Blicken von der Seite an, wenn ich nur ein wenig warm Wasser oder einen Plättstahl aus der Küche holen will, und verstehen können wir uns gar nicht."
„Beruhige Dich, Luise," antwortete die Gräfin gütig, „das bürd sich nach und nach ändern, Frau Janutsch ist hier Allein- herrscherin gewesen, so lange mein Gemahl unverheiratet svar, sie wird sich in die neuen Verhältnisse erst finden müssen, lch werde aber nicht eher ruhen, bis ich hier diejenige bin, die anzuordnen und zu gebieten hat!"
Die arme Hildegard hatte ihre Kräfte in dieser Beziehung überschätzt. Sie hatte sich vorgenommen, mit ihrem Gatten zu reden, ihn zu bitten, sie in ihrem Vorhaben zu unterstützen, üon nun an selbst die Pflichten der Hausfrau zu übernehmen, und an Stelle von Frau Janutsch eine andere Person zu. engagieren, falls die bisherige Machthaberin sich nicht in die untergeordnete Rolle finden sollte. Aber sie fand keine Zeit zu einem ruhigen Gespräche mit dem Grasen.
Dieser war vormittags in den Wald geritten, hatte allerlei mit seinen Beamten zu tun gehabt, Vorbereitungen zu einer Fuchshetze getroffen, die er in nächster Zeit zu veranstalten gedachte und nach dem Diner, welches in Mislowice um fünf Uhr eingenommen wurde, fuhren verschiedene Equipagen vor und brachten Gäste aus der Nachbarschaft.
Da waren die Grafen Konsky und Potschoreck, die Herren von Jablonowitsch, Gurakowsky und andere mehr, auch die Damen waren erschienen. Man hatte sich verabredet, nicht erst den Besuch des Grafen Orlowsky, der früher viel in den befreundeten Häusern verkehrt hatte, abzuwarten, son- dern ihn und seine junge Gattin gleich nach ihrer Ankunft zu überfallen und willkommen zu heißen.
Nach dem Souper, welches unter Frau JanutschS Leitung auffallend schnell hergestellt wurde, schlugen die jungen Herren ein Tänzchen vor, einer von ihnen setzte sich an den Flügel und paukte auf dem sehr verstimmten Instrumente einen rauschenden Galopp, während alles in rasendem Tempo über das Parkett dahinflog.
- Auch Hildegard konnte sich von diesem Vergnügen nicht ausschließen, sie tanzte gern und leicht, ihre Wangen röteten sich, ihre Augen glänzten, der Bann, der auf ihr gelastet, schien gebrochen, man fand sie entzückend, schön und liebenswürdig.
Graf Orlowsky war nahe daran, eine Anwandlung von Eifersucht zu fühlen, doch als ihm Hildegard, nachdem die Gäste spät in der Nacht von dannen gefahren waren, mit dem Ausruf um den Hals fiel: „Ach, Paul, wie glücklich bin ich, daß wir wieder allein sind!", da mußte er über seine Torheit lachen. Ans seine Hildegard konnte er sich verlassen, sie liebte ihn, nur ihn allein, und fast überkmn ihn ein Gefühl der eigenen Unwürdigkeit ihr gegenüber.
Hinterging er sie nicht? Hatte er nicht bei ihr nnd ihrem Vater den Glauben erweckt, daß er reich sei, und wußte er nicht selbst am beste», wie verschuldet seine Besitzungen waren und wie der in Hamburg allgemein bekannte Reichtum des Herrn Römer bei seiner Werbung um die schöne Hildegard sehr in die Wagschale gefallen war?
Doch er vertrieb diese unangenehmen Gedanken mit dem guten Vorsatze, als glücklicher Gatte einer so reizenden Frau solider und sparsamer zu werden, und ganz im Hintergründe sah er Papa Römer als letzten Rettungsanker.
Am andern Morgen, als das junge Ehepaar das Frühstück gemeinsam eingenommen und noch plaudernd beisammen saß, wandte sich Hildegard mit den Worten an ihren Gatten: „Nicht wahr, Paul, Du machst mir die Freude, recht bald einmal mit mir nach Warschau zu fahren?"
„Hat meine kleine Frau schon wieder Reisegelüste? Ich glaubte,' Du wärest froh, jetzt endlich daheim zu sein!" sagje er. sie freundlich anblickend.
„Da hast Du mich ganz richtig beurteilt," erwiderte sie etwas verlegen, „ich fühle mich glücklich, daheim zu sein, aber ich möchte mir mein Heim nun so recht nach meinem eigenen Geschmacke einrichten."
Verwundert blickte er auf, sie fuhr fort: „Ich habe mir gestern die Zimmer oben angesehen und wollte Dich bitten, mir erlauben, den kleinen, gelben Salon und das daran grenzende Kabinett mit der Aussicht nach dem Walde für mich speziell in Benutzung zu nehmen und einzurichten."
„Aber es ist ja alles eingerichtet!" ries der Graf.
Hildegard stand auf, legte ihren Arm um den Hals des Gatten und sagte schmeichelnd: „Schilt mich nicht töricht, Paul, aber ich habe jetzt den Wunsch, mir mein kleines Reich dort oben so recht lauschig und wie ich's zu Hause gewohnt war, mit meinen eigenen Sachen einzurichten, und zu dem Zwecke möchte ich mit Dir nach Warschau fahren. Du weißt, der Vater gab mir vor unserer Hochzeit eine größere Summe Geldes zur Anschaffung von Möbeln nach eigenem Ermessen an Ort und Stelle, ich bat Dich, diese Summe während der Reise für mich in Verwahrung zu nehmen, und jetzt, Geliebter, bitte ich Dich, rücke heraus damit und begleite mich in die Stadt. Ich freue mich wie ein Kind darauf, mit Dir zusammen die Möbelmagazine zu durchwandern."
Der junge Graf antwortete nicht sogleich, er zog die Brauen finster zusammen und warf die Zigarette ungeduldig aus der Hand. „Ich hätte geglaubt," begann er endlich, „die Zimmer oben wären wohl noch gut genug, und wir könnten uns die große Ausgabe einer neuen Einrichtung sparen."
„Du sollst auch keine Ausgaben dadurch haben, lieber Paul," meinte Hildegard kleinlaut, „ich bin überzeugt, das Geld von meinem Vater reicht vollkommen aus, all meine Wünsche zu be-- friedigen!" 124.20