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Nr. 301.

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Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

94. Jahrgang.

Esscheiriungs weise: 6 mal wüchentl. AnzeigepreiS : Die kkeinspaltige Zeile 2S Vsg. Rek amen 60 Pfg._Echlutz der Anzeigenannahme S Uhr vormittag-. Fernsprecher ö.

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Montag, den 29. Dezember 1919.

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ElMUM! Wer die MMÄtlge PMS.

(WTB.) Pari», 24. Dez. Die gestrige Kammersitzung sollte zu Ende gehen. Ministerpräsident Clemenceau war schon im Begriff, das Hau» zu verlassen, als der sozialistische Abg. Marcel Lach in fragte, ob der Präsident nicht dem Beispiele von Lloyd George und Nitti folgen wolle, um Er­klärungen über die auswärtige Politik abzugeben, namens lich über das Ergebnis seiner letzten Reise nach London, übe: die Ausführung des Friedensvertrages, sowie schließlich über gewisse Fragen der inneren Politik, die die Verteue­rung des Lebensunterhalts betreffen. Clemenceau ergriff so­fort das Wort und sagte, s sei ihm unmöglich, von militäri­schen Garantien zu spre n, denn er habe keine verlangt. Sie 'ein von Lloyd George und Wilson angcboten w 'den und er g'aube nicht, daß sie in Frage gestellt werden könnten. Wenn die Frage eines Tages wiederum zwischen Fra-kreich, Amerika und England aufgeworfen werde, dann werde er sicher keine Schwierigkeiten haben, der Kammer die Erläute­rungen zu geben, die sie wünsche. Er sei nach London ge­gangen, um die Allianzfrage zu besprechen, und er glaube feine Zeit nicht vergeudet zu haben. In England sei die Atmosphäre für Frankreich so freundschaftlich, wie man wün­schen könne. Lloyd George habe ihm gesagt, beide Länder mühten sich so eng miteinander verbunden halten, wie jemals. Er glaube nicht, gegen die Tradition zu verstoßen, wenn er sage, daß eine noch höher stehende Persönlichkeit als Lloyd George ihm das wiederholt habe. Lloyd George habe ihm ferner erkl-rt, kein Krieg in Europa sei mehr möglich, nenn Frankreich und England sich verständigten. Er habe darauf geantwortet, nach dieser Richtung könne man, was auch kommen möge, aus ganz Frankreich zählen, lieber die finanziellen Fragen wolle er sich jetzt nicht aussprechen, da die Verhandlungei noch nicht beendet seien. Was die Adriafrage anbelange, so habe man in London dem ita­lienischen Minister des Aeußcrn eine Note überreicht, worin die Ansichten Wilsons und Italiens gsgenübergestellt seien. Nach den letzten Nawriibten, die er erhalten habe, gla-ie er, daß aum Italien eine letzte Anstrengung machen werde, um in kürzester Frist zu einem Einverständnis zu ge'angen. Für Polen habe er in London die Anerkennung seines Rechtes auf Galizien, das man nur aus 25 Jahre habe bewilligen wollen, auernd erlangt. Lloyd George habe endlich ein­gesehen, daß ein besonderes Interesse bestehe, um Deutschland einen starken Ring zu legen. Er habe nunmehr der Friedens­konferenz in bezug auf Ostgalizicn eine, neue Formel unter breitet. Luch von Konstantinopel habe man gesprochen, aber hier sei noch nichts entschieden. Im Augenblick, werde darüber in London verhandelt. Er glaube, daß Lloyd George im Januar den Besuch, den er in London gemacht habe, in Paris erwidern werde. Barthou wünschte noch Aus­kunft über Rußland. Clemenceau antwortete, er habe von Rußland nichts gesagt, weil man in London nicht davon ge­sprochen habe. Man werde nicht nur keinen Frieden machen, sondern auch nicht mit der Sovjetregierung verhandeln. (Die Kammer klatscht Beifall.) Der Sozialist Varenne rief da­zwischen, man sei also im Krieg. Clemenceau antwortete, die Sovjetregierung sei die grausamste und barbarischste, die je­mals ein Gebiet der Welt verwüstete. Nach der Diktatur eines Einzelnen habe man jetzt dort die Diktatur der Räte, die sich selbst ernennen, und das nenne man die Diktatur des Volkes. , Diesen Grundsatz werde niemals eine französische Kammer an- nehmen. Der Sozialist Blanc rief dazMschen, Clemenceau Habs dem Zaren zugejubelt. Clemenceau, antwortete, das habe er nie getan. Er habe ihn sogar oft mit der Feder bekämpft. Rußland »,abe einen Separatfrieden geschloffen und Frankreich habe die Folgen davon tragen müssen. Dqzi" Frieden von Bukarest habe man wieder gutmachen können, sei aber ohnmächtig geblieben. Vor allen Dingen muffe man Deutsch­land verhindern, dieses unglückliche Land zu kolonisieren. An dieser Grenze halte Polen aufmerksame Wache. Frankreich helfe ihjp. Das polnische Heör zähle jetzt SOSKSV Kämpfer. Es gäbe a> ch 150 <M tschecho-flovakifche Soldaten. Frankreich zähle auch auf Rumänien und Südslavien. Um auf diese zu zählen, muffe man die Meinungsverschiedenheiten beseitigen, die die Südslaven und Italiener trennten. Clemenceau kündigte zum Schluß an, daß sein Ministerium noch drei W hen zu leben habe. Wenn die Wahlen beendet seien, werde er sein Mandat in die Hände des Präsidenten der Repu­blik legen Das werde aber diesmal seine endgültige De­mission sein.

Zur Weren Lage.

Vom Obersten Rat.

Paris, 27. Dez. Der Fünferrat hat den Vorschlag der deut­schen Regierung, alliierte Sachverständigen Kommissionen zu entsen­den, um die deutschen Angaben über das verfügbare Hafemuaterial nachzuprvfen, der Interalliierten Kommission für Schiffahrtsfragen in London übermittelt. General Heygand. Generalstabschef des Marschalls Fach, berichtete alsdann über den Transport der alliierten Truppen in die deutschen Gebiete, wo Volksabstimmungen stattsinden sollen. Die Alliierten scheinen mit den deutschen Vorschlägen über den Transport nicht zufrieden zu sein. Sie verlangen 6 Züge für jeden Tag, während Deutschland nur 4 angeboien hat. Schließlich nahm der Fünfcrrat Kenntnis von dem Memorandum der schweize­rischen Regierung, worin der französischen Regierung die Bedingun­gen ausrinandergesetzt werden, unter denen die Schweiz bereit ist, dem Völkerbund beizutreten.

Mündliche Verhandlungen?

Paris, 27. Dez. .Petit Paristen" glaubt, daß die Deutschen noch eine Abänderung des Protokolls verlangen werden. Das Blatt ist der Meinung, daß sie, da. sie durch keine bestimmte Frist gedrückt werden, wahrscheinlich eine Aenderung des Textes bezüglich der Ablieferung der 40V 000 Tonnen Hafenmaterial und die Beifügung der mündlichen Versprechungen Dutastas zu den Klauseln hinsichtlich der Möglichkeit der Herabsetzung der festgesetzten Ton­nenzahl verlangen werden. Der Oberste Rat werde dje Frage ohne Zweifel in seiner heutigen Sitzung prüfen.

Berlin, 27. Dez. Zu den Beratungen von Simsons über die Ausführungsvestunmungcn zum Arjcdensvertrag, die späiestenS am Montag beginnen werden, schreibt die .Deutsche Mg. Zeitung", daß cs sich hier um die in der Verbandsnote vom 3 November besonders erwähnten Folgen des Friedensvertrags handelt, die noch vor dessen Inkrafttreten näher festgelegt werden muffen. So um di« Ueber- nahme der Geschäfte durch die hohe interalliierte Kommission des Rhemgcbietcs, die Funktionen der Militär-, See- und Lufikommis- 'flonen, die gegenwärtig bereits als Kontrollkommissionen in Deutsch­land sind, die Wiedergutmachungskommission, Uebertragung der Oberhoheit in Memel und Danzig, die Zurückziehung der dortigen deutschen Truppen und deutschen Behörden und die Inbesitznahme dieser Gebiete durch die interalliierten Truppen, die Uebergabe der Regierung im Saarbecken und die zeitweilige Regierung in den Gebieten Obcrschlesiens. Schleswigs und Ostpreußens, in denen Volksabstimmungen stattfinden werden. Ein Teil der deutschen Presse befürchtet eine B-rschleppmig d-r Verhandlungen durch eine angebl'ch von deutscher Seite versuchte Verquickung der gegenwär­tigen Beratungen mit der AuslieferunAfrage. So sehr die Reichs­regierung bestrebt war und ist, den Obersten Rat auf die nahezu unüberwindlichen Schwierigkeiten und katastrophalen Folgen hinzu­weisen. die das Unternehmen der Auslieferung verursachen und nach sich ziehen könnten, so wenig wird die Auslieferung, die nach dem Wortlaut des Friedensvertroas eine unumstrittene Ver­pflichtung für Deutschland darstcllt, mit den gegenwärtigen Be­ratungen verknüpft. Wenn jene Verpflichtung auch unter Zwang eingegangen wurde, so ist doch keine rechtliche Handhab« geboten, um eine Abänderung durch Verquickung von Vertragsverpflichtungen durchzusetzen.

Die italienische Presse über Clemeneeau's Rede.

Bern, 28. Dez. Die gesamte italienische Presse weist die Aus­führungen Clemenccaus in seiner letzten Kammerrede über die Frage von Fiume und das Verhältnis Italiens zu den Südslaven mit großer Heftigkeit zurück. .Secolo" schließt seinen Leitartikel mit den Worten: Vielleicht glaubt man jetzt in Frankreich den Augenblick für gekommen wo es sich erübrigt, auf Italien noch irgendwelche Rücksicht zu nehmen. Die Artikel der übrigen Blät­ter sind auf denselben Ton gestimmt.

Die Auslieserungslisten.

* Paris, 27. Dez. Der llnterstaatssekretär Jgnace er­klärte imPetit Journal", daß er über seine Reise nach Lon­don sehr befriedigt sei. Er versicherte, daß alle Schuldigen, wo und wer sie auch seien, rasch zur Sühne gezogen würden. In London 'drehten sich die Verhandlungen um die Vertei­lung derselben auch auf die verschiedenen Mächte. Der Fall des Kaisers wurde nicht berührt. Nach Unterzeich­nung des Friedensvertrags werden die Listen unverzüglich abgesandt werden. Die Urheber der Verwüstungen und Ge- waltätigkeiten werden auf diejenigen Nationen verteilt, die von liefen Verbrechen betroffen wurden. Für diejenigen, die gegenüber verschiedenen Ländern etwas begingen, werden ge­

mischte Gerichte eingerichtet. In Frankreich existiert seit 1916 eine Kommission, die die Fälle alle zusammenstellt. Es sind bereits eine Reihe von Verhaftungen vorgenommen worden. Die Kriegsgerichte von Lille und Amiens müßten ihre Mitgliederzahl verdreifachen.

Bevorstehende Veröffentlichung von Briefen Kaiser Wilhelms an Zar Nikolaus durch ei« französisches Blatt.

Paris, 28. Dez. Das .Journal" kündigt heute an, daß es vom 1. Januar an Privatbriefe, die Kaiser Wilhelm II. an Zar Nikolaus II. in den Jahren 1894 bis 1914 gerichtet hat, veröffent­lichen werde. Es erklärt, durch die Veröffentlichung dieser Kor­respondenz werde die ganze persönliche Politik Kaiser Wilhelms während der 20-Jahre, in denen er den Krieg vorbereitet habe, gekennzeichnet.

Auch die Wissenschaft wird von den Franzosen nationalisiert und alliiert.

Paris, 25. Dez. (Agence Havas.) Der Sekretär der Akademie der Wissenschaften, Henri Picard, erklärte einem Vertreter des .Matin" über die Beziehungen zwischen den alliierten Gelehrten und den deutschen Wissenschaftlern, solange die Gelehrten in den bisher feindlichen Ländern nicht eine andere Geistesverfassung kund- gebcn, so lange sie sich nicht von den Tatsachen losgesagt haben, die die Entrüstung der Welt hervorriefen und deren abstoßendste die Kundgebung der 93 war, werde es den französischen Gelehrten un­möglich sein, mit ihnen wieder persönliche Beziehungen anzüknüpfen. Es.sei eine neue Organisation der Gelehrten geschaffen worden, der auch die neutralen Gelehrten beitreten könnten Allo wenn die deutschen Gelehrten die Schuld Deutschlands am Kriege zugcben, und jeden Anspruch des deutschen. Volkes auf Lebenslust und -Licht fallen lassen, dann sollen sie in Paris willkommen sein.

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Der irische Freiheitskampf.

Dublin, 29. Dez. (Havas.) Es ist nicht richtig, daß daS Palais des Vizekönigs von Irland angegriffen wurde. Vor­gestern Morgen gegen 2 Uhr hörte man tm WSnixpark Schüsse. Die Nebengebäude des Palais wurden sofort besetzt. Ein Offizier und eine Anzahl Wachtsoldaten des Palastes unternahmen eine Pa­trouille, um zu sehen, was vorging. Wenn man den Angaben gewisser Personen Glauben schenken kann, so wurde ein Offizier im Park getötet. TaS Individuum, das ebenfalls ums Leben kam, soll dasjenige sein, das auf den Offizier geschossen hat. Man ver­haftete vier Personen in dem Augerrblick, in dem sie den Park ver­ließen.

Fortsetzung der englisch-Solschewiftifchsn

Verhandlungen.

Paris, 29. Dez. Nach einer Meldung aus London wird C Grady kommenden Dienstag die Verhandlungen mit Litwinow wie­der aufnehmen.

Englisch-italienische Geschäfte.

Bern, 24. Dez. Die .Tribüne de Gcneve" meldet, daß die englische Regierung der italienischen Regierung für die Anerkennung des englischen Besitzstandes in Aegypten eine territoriale Kompen­sation an der Westgrenze Aegyptens angeboien habe.

Russisch-lettische Grenzverhandlungen.

Kopenhagen, 29. Dez. .Berlingske Tidende" meldet aus Hel» singfors: Die lettischen Delegierten auf der Dorpater Konferenz fordern Lettgallen und die Städte Melckie, Luck und Dünaburg. Die bolschewistischen Delegierten erklärten sich bereit, Lettgallen-teilweise an Lettland abzutreten, dagegen widersctzen sie sich dcc Abtretung der drei genannten Städte.

Amrrika «nd Japan.

(WTB.) Washington, 28. Dezbr. Staatssekretär Lan­sin und der japanische Botschafter haben sich übe: die Lage in Sibirien in freundschaftlicher Weise besprochen. Janan war einverstanden, daß, wenn die Vereinigten Staaten keine Verstärkungen dorthin entsenden könnten, die gegenwärtig be­setzten Minien zu halten seien, selbst wenn ,>ie Notwrnd-gkeit eintreten sollte, Verstärkungen schicken zu müssen. Es scheint, als ob die japanisch« Negierung besondere Ansirrnganoen r : der RrgOrung der Beteil igten Staaten er-

ssch 1 sie in'ffger Uebcr wns ng mit hr vdr- gchen wr'üe. (Diese amerikanische Erklärung klingt wie Hohn, da Japan jetzt isoliert dasteht, und um gut Wetter bitten muß.)