burger Börsenhalle, G. m. o. H." übergegangen ist. Aber fauch dieser Uebergang stellt keinen Triuntph des Herrn! Scherl dar, sondern im Gegenteil ein Fiasko. Trotz aller Bemühungen, die er in seinem sattsam bekannten Stile hier gemacht hat, sst es Herrn Scherl nicht gelungen, die beiden Blätter, die er im vorigen Kahre übernommen hatte, den ,-Ham.burgischen Korrespondenten" u. die „NeueHambur- tzische Börsenhalle", in die Höhe zu bringen, sondern er sah sich zunächst genötigt, die „Neue Hamburgische Börsen j-i Halle" eingehen zu lassen, und dann verkaufte er seinen Gesamtanteil an der „Neuen Hamburgischen Börsenhalle, G. m. b. H." an den Eigentümer der „Hamburger Neuesten Nachrichten"; sodaß tatsächlich dieser Herrn Scherl Und nicht Herr Scherl jenen änsgekauft hat. Wir stellen dies lediglich fest, um zu zeigen, da hin Hamburg für den Scherlismus kein Boden äst.
Es wäre erfreulich, wenn sich auch- noch eine Reihe anderer Städte von den das öffentliche Urteil vergiften^ den Früchten des Scherlismns befreien würden. Das Hebel der Ueberzeugungslosigkeit ist in Deutschland mehr verbreitet, wie in allen anderen Großstaaten. Es sei beil dieser Gelegenheit an xin Wort eines sächsischen Nationalliberalen, T,r» Sievers, erinnert, die sich in letzter Zeit wieder ein wenig auf sich selbst besinnen. Das Wort verdient junter die geflügelten eingereiht zu werden. Es lautet: „Nicht die Politik, sondern der Mangel an Politik verdirbt den Charakter."
» » *
Ein demokratischer Bürgermeister. Durch den Rücktritt des Bürgermeisters Riegert in Kolmar ist eine Ersatzwahl nötig geworden. Die zur Vorbereitung der Wahl ernannte Kommission des Stadtrats sprach sich grundsätzlich dafür atus, daß der Bürgermeister aus der! Reihe der Stadträte auf drei Jahre, d. h. für den Rest der Mandatsperiode des jetzigen Gemeinderats , gewählt werde. Gemeinderat Scheurer schlug namens der Lidern len den -demokratischen Reichstagsabgeordne-^ len, Landesanssch-ußmitglied und Gemeinderat Blu mental als Bürgermeisters-Kandidaten vor. Ge- Nteinderat Croissant forderte namens der Klerikalen, man wöge einem Berufsbürgermeister wählen. Schließlich beschloß die Kommission bei Stimmenthaltung der Klerikalen in der nächsten Donnerstag stattfindenden Plenarsitzung Blumental als Bürgermeisterkandidaten aufzUstel- len. Blumental hat sich bereit erklärt, das Amt anzui-» Wehmen, jedoch nur als Ehrenamt ohne jede Besoldung.
» * *
Das dentsch-französische Ueüereinkommen.
Der „Petit Parisien" meldet, daß die deutsche und die französische Regierung behuss Regelung der marokka- Wischen Angelegenheit über folgende Punkte über- 'eingekommen seien:
1. Die Integrität Marokkos bleibt gewahrt.
2. Die Souveränität des Sultans erfährt keinerlei Verletzung.
A. Me Mischen Marokko und den Mächten geschlos- senenen Verträge oder Ueber-einkomüren werden geachtet > 4. Das französisch-englische und das französisch-spani
sche Uebereinkommen erfährt keinen Eintrag. >
5. Frankreich werden im Hinblick auf seine gemeinsame Grenze mit Marokko besondere Rechte zuerkannth Das Konferenzprogramm wird vom Sultan vorgelegt werben, aber jede Macht erhält das Recht der Initiative Und die Regelung aller Fragen svon internationalem! Charakter ist der einmütigen 'Zustimmung der Regierst wngen unterworfen.
Die Konferenz, so schließt der „Petit Parisien", wird, indem sie sich innerhalb dieser Grenzen bewegt, die von Rouvier eingeleitete Politik bekräftigen. Diese Politik besteht darin, die Würde und -Unabhängigkeit Frankreichs Wnversehrt zu bewahren und die besten Beziehungen zu allen Staaten zu unterhalten. Diese Politik der Ehrlichkeit und vollsten Klarheit entspricht gewiß den friedlichen Gesinnungen des französischen Volkes.
TagtS-KyroniL.
Berlin, 3. Juli. Die National-Ztg. vermutet, daß die Absicht, den Reichstag schon in der zweiten
Verschleiertes Glück.
Roman von Ewald August König. LS
„Sie werden mir stet» willkommen sein/ antwortete der Stadtrat, den Handdruck erwidernd, aber seine Stimme klang jetzt nicht mehr so warm und freundschaftlich, wie vorher; doch schien der Maler die» nicht zu bemerken, denn er nahm von Herbert mit dem Wunsche Abschied, ihn bald seinen Freund nennen zu dürfen.
„Mir wirbelt der Kopf," sagte Herbert, al» er mit dem Ba- ter wieder allein war. „Ich möchte Kurt oder seinen Großvater warnen."
„Halt!" unterbrach der Stadtrat ihn ernst. ?„Laß die Hände davon, kümmere Dich um den ganzen Schwindel nicht; wenn zwei sich streiten, so bekornmt der Friedensstifter in der Regel Prügel. Was mich nicht brennt, das blase ich nicht, und überdies glaube ich auch nicht an den Verdacht Kalnokis, also überlaß es ruhig dem Baron Werner, sich dagegen zu verteidigen! Und der Mutter sagst Du auch nichts davon; sie mit ihrer lebhaften Phantasie würde gleich eine grausige Mordgeschichte daraus machen, und wir hätten keine ruhige Stunde mehr im Hause. Ich gehe jetzt zum Bureau, und ich rate Dir ebenfalls, »inen Spaziergang zu machen, damit Dein wirbelnder Kopf sich wieder beruhigt."
Damit ging er hinaus und Herbert folgte seinem Rate, gleich nach dem Vater verließ er ebenfalls das Haus, um auf einem weiten Spaziergangs über die Erlebnisse oieses Tages nachzudenken.
» ^ «
Frau Susanne Röber hatte eine sehr böse Nacht gehabt. Nicht allein die Angst um den Sohn, auch die Furcht vor dem Testa- ment de» Bruder» war e», was ihr die Ruhe und den Schlaf «aubte.
Am nächsten Morgen eilte sie schon in aller Früh« zum Hause ihre» Bruders, «m dort den Notar zu erwarten, der sich am Vormittag einfinden wollte, sobald seine Amtsgeschäfte e» ihm gestatteten.
Veronika saß noch beim Frühstück, als die alte Frau Einlaß begehrte, sie lud sie in freundlicher Weise «in, eine Taffe Kaffee mitzutrinken, Frau Susanne nahm die Einladung ohne Zaubern an.
Oktoberhälfte wegen der Rerchsfinanzre- form einzuberufen, wegen der Verzögerung dieses Werkes wieder aufgegeben worden sei.
Berlin, 3. Juli. Die Schwierigkeiten die bisher der Marokko-Konferenz entgegenstanden, gelten infolge des letzten Meinungsaustausches zwischen Paris—Berlin für völlig aufgehoben.
Berlin, 3. Juli. Das „Militürtvocheublatt" Mel-, det: Der kommandierende General des 4. Armeekorps Generalleutnant von Beneckendorff u. v. d. Hinden- bürg und der kommandierende General des 11. Armeesi korps Generalleutnant Linde wurden zu Generalen der Infanterie befördert^ Dem Gouverneur von Köln Wek neralleutnant v. u. zu E g l o f f st ei n würde der Charakter als General der Infanterie verliehen.
Berlin, 4. Juli. Teer „Vorwärts" veröffentlicht heute das vorläufige Programm für den diesjähr. Parteitag in Jen a. Ten Geschäftsbericht des Vorstands! werden Molkenbuhr und Gerisch erstatten, den Bericht der Kontrollkommission Meister, den Bericht über die Paria, mentarische Tätigkeit Förster, lieber die Parteiorganisation soll Genosse v. Vollmar sprechen, über die Maifeierf Robert Fischer. Endlich wird Abg. Bebel den politisch»! Massenstreik und die Sozialdemokratie behandeln, l Salzburg, 3. Juli. Der Großherzog von Tvska- na ernannte feinen früheren Obechosmeister Baron Si!l-f vatici zum Ehrenkavalier der Gräfin Montignch- so.' Silvatici reiste nach Flvrmtz ab und wird die Gräfin überallhin begleiten. Die Ernennung soll auf best Wunsch des sächsischen Hofes erfolgt sein.
Paris, 3. Juli. Die Deputiertenkammer nahm das Gesetz übcrdie Trennung von Kirche und Staat im Ganzen mit 341 gegen 223 Stimmen an.
Haag, 3. Jul. Das Gesamtkabinett reichte seine Entlassung ein.
Washington, 3. Juli. Der deutsche Botschafter Speck von Sternburg übermittelte dem Präsidenten Roosevelt das Beileid des Kaisers und dos Reichskanzlers anläßlich des Todes des Staatssekretärs Hay.
In Pforzheim versetzte der Schmiedgesette Fr. Eisenmann seiner Frau im Streit einen Messerstich, der! die Lunge gefährdete. Eisenmann begab sich' darauf inH Wirtshaus und erzählte einem Schutzmann, er habe sich einen Scherz gemacht, indem er seine Frau „etwas ge- stupft" habe. Als der SchutzMann nach der Frau sah, war er genötigt, deren Ueberführung nach deM Krankeim hause zu veranlassen. EisenMann würde alsbald festgenommen, während seine sechs Kinder in andere Obhut gegeben wurden.
In Heidelberg wurde Freitag Abend nach h,ii Uhr einMeteor beobachtet, das von Südwesten nach Nordosten mit helleuchtendem Lichte und ziemlich tief seine Bahn zog. Nach zehn Sekunden löste» sich einzelne Stücke los und zuletzt sprang die ganze Masse raketenartig auseinander.
Sonntag sind in Tumpen bei Umhäusen im Oetz- tal 11 Häuser niedergebrannt. Auch vieles Vieh ist verbrannt. >.
Der russische Kreuzer „R i o n", der nach O d e s sia unterwegs ist, kam in Aden an. Er bringt 610 Personen,, mit, die er von dem französischen DaMpfer „L'Hodoc", der in der Nähe von Kap G uardafu i Schiffbruch erlith gerettet hat. Der „Rion" nimmt Kohlen und geht dann! nach Dschibuti weiter. !
Nach einem Uns Mexiko eingegangenen TelegramW ist durch eine U ebersch w eMmun g, die eenem heftigen Unwetter folgte, eine Anzahl Menschen in G u an aj u ato, dem Betriebssitze von englischen und amerikanischen Minenkompanien, um ge kommen; die Zahl wird verschieden, von hundert bis auf tausend, geschätzt.
Die Hitze.
Göppingen, 4. Juli. Die große Hitze der letzten Tage hat in der Umgebung Göppingens bereits zwei Menschenleben gefordert. In Rechberghausen wurde der gräfh Forstw-art Heule, ein Mann von 69 Jahren nach der Heimkehr vo,n seinen! Vormittagsgang durch! den -Wald von Mattigkeit und Unwohlsein befallen, wodurch er sich veran
„Haben Sie von Ihrem Sohne noch keine Nachricht," fragte die Haushälterin teilnehmend, und ihr.Blick streifte »,abei scheu und ängstlich die Tür, hinter der gestern noch die Leiche Wend- leinS gelegen hatte.
„Hätte ich es erwarten können," erwiderte die alte Frau in gereiztem Tone. „Was liegt dem Richter an dem Schmerz einer unglücklichen Mutter und dem ehrlichen Namen armer Lenke? Er muß einen Schuldigen haben und ich glaube, Ihren Aussagen verdankt Hermann es, daß auf ihn der Verdacht gefallen ist."
„Daß Sie da» glauben, begreife ich," sagte Veronika ruhig und noch immer voll herzlicher Teilnahme, „der Schein zeugt ja dafür, aber die Wahrheit ist e» nicht. Daß Ihr Sohn bi» Mitternacht hier gewesen ist, und daß er von seinem Onkel Geld haben wollte, das durfte ich nicht verschweigen, aber mit keiner Silbe habe ich den Richter in seinem Verdacht bestärkt, den er schon gefaßt, als er dieses Haus betrat. Wenn sich eine Stimme gegen Ihren Sohn erhoben hat, so war e» die de» Polizeikommissars, die meinige gewiß nicht, im Gegenteil, ich habe dagegen gesprochen, denn ich glaube nicht an seine Schuld."
„Sieglauben nicht daran?" fragte Frau Susanne, deren stechender Blick voll Mißtrauen auf dem hübschen Gesicht ruhte.
„Nein, ich kenne Ihren Sohn besser unh halte ihn solcher Tat nicht fähig."
„Ach, wenn Sie das nur dem Untersuchungsrichter gesagt hätten."
„Ich habe e» ihm gesagt und werde e» im nächsten Verhör wiederholen. Der Richter wird freilich so lange an seinem Verdacht festhalten, bis er andere Spuren gefunden hat!"
„Und wo soll er diese Spuren suchen," sagte die alte Frau während sie in fieberhafter Erregung di« Kaffeekanne ergriff, um ihre Tasse noch einmal zu füllen. „Sie allein könnten ihm darüber Auskunft geben, niemand, selbst ich nicht, hat meinen Bruder so gekannt, wie Sie."
Fräulein Veronika Spitzer schüttelte mit ungläubiger Miene ba» Haupt, ein Seufzer entrang sich ihren Lippen.
„Da» will nichts bedeuten," erwiderte sie, „ich war ja nicht bei der Tat zugegen, ich habe auch in jener Nacht nicht» Der- dächtigeS gehört. Und ich möchte auch nicht gern einen Verdacht aussprechen, durch den vielleicht ein Schuldloser in namenlose» Unglück kommt."
laßt sah, das Bett auszusuchen. Wenige Minuten spätest traf ihn ein Herzschlag, per seinem Leben ein Ende machte In Lindenbronn, Gde. Wäschenbeuren, erlag der Bauest Michael Weiler einem Hitzschlag, von dem er bei der Feld» arbeit betroffen worden war.
München, 3. Juli. Tie abnorme Hitze hält ach ja sie nimmt noch etwas zu. Zeitungen und Polizeidienst registrieren 11 Hitzschläge, darunter drei tätlich ver-, laufene.
München 3. Juli. Hier herrscht so enorme Hitze,, daß in den Mittags- und Nachmittagsstunden seit Freitag die bis 40 Grad Celsius reichende graphische Skala best selbstregistrierenden Thermömeter an den WettechäuscHertz nicht mehr ausreicht. Am Freitag war der höchste Stand« des Quecksilbers 47 bis 48 Grad Celsius, am Samstag 46 Grad, heute um 10 Uhr vormittags war er bereits 42 Grad. Die Quecksilbersäule der Thermometer in den Wetterhäuschen vermag überhaupt nur bis 50 Grad Celsius zu zeigen. Das Sorüm-ermittel ist in München ,15 Grach Ter Hygrometer zeigte heute Bormittag 10 Uhr 45 Prozent Feuchtigkeitsgehalt der Luft, gestern war die geringste Sättigung derselben mit Wasserdampf. Dä gibt es jetzL in München nur einen erträglichen Aufenthaltsort: dis weiten schattigen Bierkeller. Mit Schrecken sieht man da auf die vielen, vielen!, hier der Ausstellung wegen anwesenden Landwirte, die uns das Mer wegtrinken.
Nürnberg, 3. Juli. Der Posten vor der Wohnung des kommandierenden Generals erlitt am Sonntag gegen Abend einen Hitzschlag. Ter General bemühte- sich sofort persönlich uni den Erkrankten und sorgte fitst dessen Ueberführung in das Lazarett. In der Stadt! kamen weitere sechs Hitzschlägc vor.
Dresden, 3. Juli. Infolge der enormen Hitze, bei der die Teinperatur auf 43 Grad Celsius stieg, erlitten gestern sechs Personen Hitzschlag. Heute Mach gen brachte ein Gewitter Abkühlung. > Tic Elbe sinkt rapid.
Trier, 3. Juli. Ein 64jähriger Taglöhner würde auf dem Felde durch Hitzschlag getötet.
Danzig, 3. Juli. Heute Morgen nach fünf Uhr entstand ein heftiges Gewitter. Ter Blitz schlug in die St. Katharinenkirche und zündete. Ter Turin ist bereits eingestürzt. Man befürchtet, daß die Kirche vollständig ausbrennen wird.
Straßburg, 3. Juli. In Diesdorf würden zwei Kinder des Gastwirtes Inden int Alter von fünf und sechs Jahren vorn Blich getötet, während sie mit ihren Eltern bei Tisch saßen.
Pie Hlnruyen in Ausland.
Tie furchtbaren Disziplinlosigkeiten in allen Teilen des russischen Reiches nehmen ihren Fortgang. Aüchj die Arbeiterunruhen gewinnen wieder an Ausdehnung.
- An allen Ecken des großen Reiches herrscht Mord, Brand und Gährnng. Tie Regierung ist demgegenüber einfach hilflos, sie weiß nicht, wo sie zuerst zufassen soll. Es geht sogar das Gerücht, daß die russische Recherung die Mächte um Entsendung der Stationsschiffe nach Odessa ersucht habe, um dort die Muhe wiederherzustellen. Tie Verlust? an Nationalvermögen müssen enorm fein, allein in Odessa werden sie aus 140 Millionen geschätzt. ,
Ter Pobjedonoszew erZiebt sich.
Wie dem Reuterschen Bureau aus Odessa gemeldet wird, hat sich Her Pobjedonoszew Montag morgen ergeben. Tie Rädelsführer der Meuterer würden, von den Offizieren bezeichnet und an das Land gesetzt. Ihre Zahl betrug etwa 67. Tie Besatzung leistete von neuem denj Eid. Es geht das Gerücht, daß sich -einer der früher ge-i landeten Offiziere erschossen habe. Ter Torpedobootszev- störer Strelmytelny hielt einen Dampfer an, der imi Verdacht steht -an -der Meuterei beteiligt zu sein und Mrt- qlieder des Revolutionskomitees an Bord zu haben. Die Bevölkerung ist weiter beunruhigt. Viele Israeliten WÜ«
dern aus. ^ . . ... .
Der Standard meldet, daß sich der Kommandant des Pobjedonoszew erschossen.habe, um-dem Schicksal des Koüt-' Mandanten des Potemkin zu entgehen. .
Ter Torpedobootszerstörer Smetlirng erhielt den Bl«
„Ist das Unglück meines Sohnes noch nicht namenlos genug? Wenn Sie einen Verdacht hegen, wenn Sie irgend etwas wissen, so müssen Sie es aussprechen, da» verlange ich von Ihnen."
„Ja, wenn ich es nur mit Sicherheit wüßte! E» ist einstweilen nur eine Vermutung, sie stieg in der vergangenen Nacht in mir auf, als ich meinen Kopf mit der Geschichte marterte. In den letzten Tagen ist ein Herr häufig zu Ihrem Bruder gekommen und zwar immer am späten Abend, und wenn er wieder fortgegangen war, dann fand ich den alten Mann verdrießlich und verstimmt. Ich hörte auch einmal einen heftigen Wortwechsel zwischen den beiden, aber ich mochte nicht horchen und auch nicht fragen, in die Geschäftsangelegenheiten Wendlein» habe ich mich nie eingemischt."
„Und Sie kannten den Herrn nicht?" fragte Frau Susanne, die nun auch einen scheuen Blick auf die Türe des Nebenzimmers warf, als ob sie fürchte, daß ihr Bruder plötzlich wieder eintreten könne."
„Er war mir völlig fremd, aber ich würde ihn sofort wie» dererkennen, wenn er mir noch einmal begegnete. Er war groß, trug einen grauen Bollbart und einen breiten Schlapphut, er hatte auch ein scheue» Wesen; als ich ihn zum erstenmal sah, stieg sogleich der Gedanke in mir auf, daß er kein reine» Gewissen habe."
„Sie kennen auch seinen Namen nicht?"
„Nein."
„War er vorgestern Abend wieder hier?"
»Bevor ich zu Bett ging nicht, ob er späte, noch gekommen ist, weiß ich nicht."
„Dann würde er doch geschellt haben, und Sie hätten e» ge- Hort!
»Sicher," nickte Veronika, auf deren Antlitz der stechende Blrck der alten Frau unverwandt ruhte. „Aber konnte nicht in dem Augenblick, al» er das Hau» erreichte, Ihr Sohn dasselbe verlassen? Konnte er nicht vor dem Hause auf da» Oeffnen der Tür gewartet haben, weil er jede» Geräusch vermeiden wollte?"
„Um Mitternacht würde mein mißtrauischer und furchtsamer Bruder ihn nicht eingelaffen haben," sagte Frau Susanne mit ungläubigem Kopfschütteln. 118.20