Nr. 283.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw,

94. Jahrgang

Er>ch-iNttna«n>->Ie: s mal machen«. A'izelgev sIS : Di« Neinspallige Zeile 2-Pm. Montag, den 22. Dezember 191S. «ezugSpr-ir- In der Sta» mit re^eewyn Mk. z m vierteljährlich, P-stbezugsprei,

Neklainen 60 Psg. Schlntz der An^eigenannabme S Uhr vormittags. svernsprecher 9. _ Mt. ö.rO mit BesteNgeld nnd Zuschlag. _

Zur WM Lüge.

Drei deutsche Noten an die Entente.

(WTB-1 Paris, 21. Dezbr. Die deutsche Kommission der Friedenskonferenz hat drei Noten überreicht. Die erste behan­delt die Bedingungen für die Truppentransport« nach dem In­krafttreten des Friedensvertrages. Die zweite behandelt die Fragen, die zum Beginn der gegenwärtigen Verhandlungen zwischen den Sckiffahrtsverstandigen aufgeworfen wurden, und macht genaue Angaben über die deutschen leichten Kreuzer. Die dritte Note sagt, dah die deutsche Nationalversammlung das von den Deutschen unterschriebene Protokoll Mer die Unter­drückung des Artikels 81 der Nerckeverfassung über die Ver­einigung Deutsch-Oesterreichs mit Deutschland ihrerseits ge­nehmigt hat.

D!e deutsche Stimme in der europäischen Wüste.

Berlin, 22. Dez. In derDeutschen Allgemeinen Zeitung" Wird gesagt: Es ist keine Frage, daß wir heute knapp vor dem In­krafttreten des Fricdensvertrags noch einmal vor der Möglichkeit ftthen diesen Vertrag auf eine neue geistige Grundlage zu stellen. Wenn der Gedanke-der Gemeinsamkeit siegt, wenn die Ideale der Arbeiisgemeinschast sich durchsetzen, dann ist dieses Ergebnis auch mit der schmerzlichen Abgabe nickt zu teuer bezahlt Im übrigen wird die deutsche Regierung alles daran setzen, wirklich Schuldige zu bffiralcn. Das Anklagematcrial der Entente muh die Grundlage zu dem schausten Vorgehen bilden und die Ankläger der Entente müssen jede Möglichkeit bekommen, die Int-reffen und Anschauungen chrcr Lander zu vertreten. Was darüber ist. ist vom Uebel. Noch einmal steht die Frage zur Diskussion: gemeinsamer Aufbau ooer gemeinsamer Untergang Es gebt nicht um Deutschland, es geht «m Europa. D"r Ruf zu gems'nsamem Handeln der europäischen Saaten wird In den uns feindlichen Nachbarstaaten ungchört ver­hallen. denn a"s unserer Schwäche ziehen sie dock, nur Nutzen.

DsuLsHe RrchttgftsAmrg ÜÄrr Churchills Erklärung bezüglich der Erfüllung der WaffenstiNstandsbediugungen.

Berlin, 20 Dez. Nach einer Meldung desTclegraaf" aus London vom 17 Dezember teilte Churchill im Unterhause mit, dah Deutschland den Bestimmungen des Waffenstillstandes zufolge noch al'liesern müsse: 5000 Geschütze, 25 OM Maschinengewehre, 3000 Laufgrabmmörser nnd 1700 Flugzeuge. Dazu wird von zustän- d'g-r Se'te festgestellt, dah Deutschland seinen im Waffenstillstands- Vertrag übernommenen Verpflichtungen zur Abgabe von Waffen oller Art und Flugzeugen restlos nachgekommen ist Der durch Funk'pruch in-wffchcn hier e-ngegangene Originaltext der Rede Churchills zeigt übrigens, daß die Wiedergabe in der Presse den Sinn völttq entstellt hat. Im Originaltext heißt es:Churchill teilte Im Unterbaust mit. dah Deutschland den Bestimmungen zu­folge noch ausliefern müßte: 5060 Geschütze, 25 4M Maschinen­gewehr-. 3000 Laufgrabenmörstr und 1700 Flugzeuge."

England und das deutsche Doch aterlal.

(WTB).>Poris, 21. Dez. Der Oberste Rat konnte die Frage der Wiedergutmachung für ScapaFlow nicht erledigen, da die englischen Delegierten erklärten, dah sie ihre Weisungen aus London noch nicht erhalten hätten. Man kann annehmen, dah die britische Regierung an Ort und Stelle Aufstel­lungen wlu' " wird, um feststellen zu können, wieviele

Tonnen Harevmatcrial Deutschland zu liefern imstande ist.

Diefriedliche" Dermelschung der Rheinkande.

* Wiesbaden, 21. Dez. Die Franzosen haben neuerdings öffentliche Sprachkurse angeordnet, um den Deutschen Ge­legenheit zu geben, die französische Sprache zu erlernen. Die Kurse sind unentgeltlich und werden von französischen Lehrern und Lehrerinnen erteilt. Der Zudrang der Deutschen, namentlich der Damenw'elt, aber auch der Arbeiter, ist so stark, dah die Kurse straßenweise organisiert werden muhten. (Ju 15 Jahren werden die Franzose^ eine Volks­abstimmung beantragen, und man wird sehen, dah die Rhein­lande französisch sind.)

Die friedliche Eroberung der Rheinlande mit feindlichem Kapital.

* Berlin, 22. Dez. DemB. L.A" zufolge wird denPol.- Parl. Nachr." aus Köln gemeldet, dah von einem englischen Konsöktium das KaufhausGermania", früher Picadilly, für wehr als 4 Millionen<t gekauft worden ist. Ebenso wird iiber den Ankauf desPalladium-Hauses" verhandelt. Auch «ine belgische Gesellschaft beabsichtigt das Colosseum für» vier Millionen -A zu kaufen. Diese Gebäude sollen zu Handels- bezw. Bankhäusern umgebaut werden.

Die Dorbrrsitnngen zur InquMlsn.

Paris, 21. Dez. Marcel Hutin macht folgende Mitteilungen, die er von besonders autorisierten Stelle erhalten haben will: Die vom Obersten Kriegsrat ernannte interalliierte Kommission zur Aufstellung dcS Verzeichnisses der als schuldig bezeichnet»» Deut­schen und zur Bestimmung dcs Vorgehens und der Satzungen der gemischten Gerichte, wie sie im. Vertrag vorg;sehen sind, hielt hier drei Sitzungen ab. Die Vorbereitungen für die Einleitung dcs gerichtlichen Verfahrens sind heute sehr vorangeschritten, da der Präsident der Kommission mit den Persönlichkeiten sich ins Einver­nehmen gesetzt hat Mehr als 500 auserlesene deutsche Namen, darunter in der Mehrzahl militärische Personen, ein Sohn Wil­helms ll., Kronprinz Rupprecht von Bayern und eine Reihe von Armeeobcrkommandantcn stehen auf dem Verzeichnis. Insgesamt werden von allen Verbündeten zusammen der deutschen Regierung 1500 Namen milgeteilt werden. Die Stellung Wilhelms ll. wird außerhalb der "Londoner Konf-rcnz geregelt werden, da er durch einen besonderen Artikel dcs Vertrages in Arcklagezustand versetzt wird Die des Vergehens an Personen verschiedener Nationalitäten angeklagten Deutschen werden durch ein gemischtes Gericht abgeur­teilt werden. Eine Anzahl von Kommandanten der Kriegs­gefangenenlager in Deutschland, die unsere Gefangenen gehässigen Scherereien anSsctzten, sollen ebenfalls zur Verantwortung gezogen werden. Diese Verhandlungen sollen vor einem Militärgericht in Paris im Laufe des Jahres 1S20 stattfinden. Und die Behand­lung unserer Kriegsgefangenen in Frankreich! Mit diesen Ver­urteilungen auf Grund brutaler Gewalt zeigen sich die Entente­gewalthaber jener unmenschlichen Henker würdig, die im Mittelalter durch die Inquisitionen Unschuldige zum Tode befördert haben. Denn die Deutschen, die hier verurteilt werden sollen, haben nur pflichtgemäß gehandelt.

Holland verweigert die Auslieferung des Kaisers.

* Brussel, 21. Dez. Die ZeitungSoir" vernimmt aus guter Quelle, dah Holland durch seine Delegierten den Ver­tretern der Alliierten Mitteilen lieh, es werde die Ausl i'e f e- rung des Deutschen Kaisers zur Aburteilung verweigern. Die holländische Regierung wird sich auf das Asylrecht Pützen und anch andere Gründe geltend machen.

Das Programm der «Eisr» belgischen Regierung.

Brüssel, 20. Dez. Die belgische Regierungserklärung, die gestern in der Kammer verlesen wurde, rechtfertigt die Existenz dcs Koalitionsministertums damit, daß keine der Parteien die Mehr­heit im Parlament erhalten habe. Als Ziele der Regierung werden die 'Dmeokratisicrmig des Senats, die Einführung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts und das Frauenstimmrecht bezeichnet Ferner wolle die Negierung das Sprachenproblem und die gewerk­schaftlichen Fragen prüfen, sowie im Bergbau und im Eisenbahn­wesen die Ncgierungsverwaltung in Aussicht nehmen Bei dem Ausbau des Arbeiterrechtes werde die Einführung des Achtstunden­tags geplant. Ueber die Verhandlungen zur Abänderung der Ver­träge von 1839 sei Abgeschlossenes noch nicht mitzuteilen. Alle Garantiemäckte hätten t«' Verpflichtung, Belgien neue Garantien .zu geben Belgien wolle sich in Zukunft auf den Willen der Wcst- mächte, besonders auf England nnd Frankreich stützen, mit denen Abkommen zur Sicherstellung der Landesverteidigung und wirtschaft­liche Verträge geplant seien. Schließlich beabsichtige die Regierung auch, weitere Verbesserungen in den Kolonien einzuführen.

Die Schweiz «nter der Vormundschaft

der Entente.

* Berlin, 22. Dez. Nach demB. Tgbl." wird derNat.- Ztg." in Basel gemeldet, daß die deutsch-schweizerischen Wirt- schastsverhandlungen auf Schwierigkeiten stoßen. Der Einfluh des mit einem englisch französisch-amerikanischen Konsortium abgeschlossenen und für die Schweiz günstigen Kohlenabkom­mens auf die Verhandlungen sei unverkennbar.

Staatskanzler Renner übe« seine Pariser Reise.

* Wien, 20. Dez. Boi der Verhandlung des Vudgctprovi- soriums berichtete heute nachmittag der aus Paris mit der Ab­ordnung des Kabinettsrates zurückgekehrte Staatskanzler Or. Renner über seine Verhandlungen in Paris und stellte fest: Politisch ist Las Ergebnis der Reise ein voller Erfolg. (?) An die Ausführungen des Staatskanzlers Renner schloß sich eine kurze Debatte. Der Erohdeutsche Schönbauer erklärte be­züglich dcs in derLiberte" erschienenen Interviews mit dem Staatskanzler, er könne diese Aeuherungen unmöglich für wahr halten, da sie mit dem feierlichen Danke in Widerspruch stän­den, den der President der NationaiLcrsaunnlung unter Zu­stimmung des ganzen Hauses der reichsdcutschen Bevölkerung für das Drotopfer ausgesprochen habe. Staatskanzlet Nen­ner stellte fest, dah, wie er bereits in den Blättern berichtet chabe, das Interview der .Liberte". worin der Ausdruck Skla­

verei oder Versklavung in so zweideutigem Zusammenhang er­scheine, auf einem Mißverständnis beruhe und dah hier, wie aus den nordischen Blättern ersichtlich sei, ein Hörfehler vorliegen müsse. Diese Bemerkung sei tatsächlich nicht ab­gegeben worden. Der Staatskanzler erklärte ausdrücklich, daß er sich mit ganzem Herzen der Dankeskundgebung angeschlossen habe, die der Präsident namens des Hauses für die deutschen Liebesgaben erstattete. Ich bin überzeugt, erklärte Nenner, dah in der großen Not immer mehr die Stimme des Blutes, der geschichtlichen Gemeinschaft wird, und ich bin sicher, da'h diese dauernde kulturelle Gemeinschaft zwischen Deutsch-Oester­reich und dem Deutschen Reiche unzerstörbar fortdauern wird, wie auch manchmal die politischen Machtverhältnisse der Welt diesem Zusammenhang widersprechen mögen. Der Staats­kanzler stellte ferner fest, dah die Pressenachricht über die ge­währten neuen Kredite ganz unbegründet ist. Allerdings habe er die unbedingte Zuversicht, dah geholfen werde, da er überall wo er mit den Vertretern des Auslandes und der Westmächte zusammenkam, mir eine Stimme der Sympathie und der Über­zeugung gehört habe, daß Oesterreich geholfen werden r (Und was verlangt die Entente für diese Hilfe?)

Wien, 20 Dez. Zu den Gerüchten über ein zwischen Deutsch- Oesterreich und Frankreich geplantes Bündnis gegen Deutschland erfährt dasDeutsche Volksblatt" an maßgebender christlichsozialer Stelle, daß an eine derartige Orientierung in Oesterreich, insoweit die christlichsoziale Partei in Frage komme, nicht gedacht werden könne. Wenn wir, schreibt das Blatt den realen Machtver-"liuiffen Rechnung tragend, derzeit auf die Verwirklichung des nationalen Ideals verzichten müssen, so kann doch von einer unfreundlichen ge­schweige denn feindseligen Haltung gegenüber Deutschland keine Rede sein.

Italiens mmerminderLe Ansprüche auf die östliche Adriaküste.

Rom, 21. Dez. Stefani. Der Minister des Auswärtigen Soialja hielt in der Kammer eine Rede über den gegenwärtig-!! Stand der Verhandlungen bezüglich der italienischen Ansprüche, wo­bei er ausführte, daß die Alliierten gewillt feien, von dem letzten amerikanischen Vorschlag etwas abzugeycn. Er sagte, die wich­tigsten Forderungen, die die italienische Delegation mit aff e O r'-'c vertreten habe, beträfen verschiedene Inseln in der Adria, die ki.u- tralisicrung der dalmatinischen Küste, die istrische Halbinsel nnd einen Bcrbindungsstreisen vom italienischen Gebiete znm Staatsgebiete des Freistaates Fiume. Das darauf bezügliche Memorandum der Alliierten sei noch nicht beantwortet worden. Die adriatische Frage werde in keiner Weise verzögert, sondern demnächst in Par s dis­kutiert werden Sie werde geführt von den Ministerpräsidenten Frankreichs. Englands und Italien, von den Ministern des Aus­wärtigen dieser Staaten und dem Botschafter der Vereinigten Staaten. Der Minister berührte sodann auch die übrigen politischen und industriellen Probleme.

(WTB.) Rom, 22. Dez.Popolo Romano" äußert sich zu der Rede Ctialojas, dah die Erklärungen des Ministers mit wenig Begeisterung ausgenommen werden dürften, denn das italienische Volk werde nicht zufriedengestellt sein, wenn Fiume nicht italienisch werde und wenn die Italiener Dalmatiens nicht unter den Schutz Italiens gestellt würden. Andere Blätter betonen, dah die Aufnahme der Rede für die Landes­behörden und die fremden Regierungen eine.Warnung sein möge.

3«m Attentat auf den englischen Landvogt in Irland.

London, 20. Dez. Der König richtete eine Depesche an Feldmarschall Lord French, in der er ihn dazu beglück­wünscht, dah er dem gegen ihn gerichteten Attentat entgangen ist. Der Marschall verdankt seine Rettung dem Umstande, dah er sich im ersten Auto befand. Da die Hauptangreifer ihn im zweiten Auto wähnten, richteten sie ihr Feuer auf dieses. Zwei Komplizen des Angreifers, der getötet wurde, versuchten, dessen Leiche wegzuführen, muhten aber infolge des auf sie gerichteten Feuers darauf verzichten. Immerhin ge­lang es ihnen, zu entfliehen. Die Persönlichkeit der getöteten Attentäters konnte fcstgestellt werden. Es handelt sich um einen Ladenburschen aus Dublin.

Amsterdam, 21. Dez. Im Unterhaus schilderte Macpherson den Anschlag auf den VizekLnig von Irland. Dem Presse­bureau Radio zufolge hielt Donar Law kurz nach dcm Anschlag eine Rede, in der er u-.tter lautem Beifall c.: .st .'te, das englische Volk werde sich durch solche Tatsachen nicht ^inschüchiern lassen. Nach drahtlosen Meldungen aus England verurteilen alle englischen Blätter mit Ausnahme des soziali­stischenDaily Herald", den Mordanschlag auf Lord French.