Nr. 297.
Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw
84. Jahrgang.
E r l ch ein ttn st - rve»1 e r 6 mal wktkenll. An^klstevreis : Die klemsvaltiste Zeile W Dsg. Reklamen 6ti Pig.—. kktiluft der Arneistenannsdnie 8 Ukr vormiNngs. — Fernsprecher 9.
Samstag, den 20. Dezember 1919.
Vezu g-pret-e In der Stadt mit rrdq,-ri"-n Mk. <^0 vierteljährlich. PvstdezugSprei» Mk. d.U) mir Nesre'lgeld und Zuschlag.
MrpMme» in der Wiomlmsnnmlimg.
Berlin. 19. Dez Vizepräsident Löbe eröjjnet die Sitzung um 10.26 Uhr vorm. Tagesordnung: Ansragen.
Auf eine Anfrage des Abg. Kunert (U,SP) wegen der Verletzung der Immunität unabhängiger Abgeordneter durch den Reichs weh,"inister, die im Marloh Prozeß zur Sprache gekommen fei. Mtwortet
Reichswehrminister NoLke: Eine Instruktion vom 9. 8 besagte: Für den Fall eines erneuten Aufstandes beseht« ich: Ter Aufstand ist mit allen zu Gebote stehenden Mitteln io schnell wie möglich niederzufchlagen. Während der Dauer des Aufstandes sind alle Personen, die am gewaltsame» Sturz der Regierung tätig teilnehmen. sofort feftzunchmen (Hört, Kört bei den Unabh ) Ta gegen schützt die Immunität mich nicht, das ist selbstverständlich Herr Henke hat sich daher auch schleunigst aus Bremen in Sicherheit gebracht (Lärm bei den Unabhängigen, Lachen bei der Mehrheit) Die Instruktion war eine Maßnahme, für die ich allein die volle Verantwortung habe. Tie Immunität der Abgeordneten, die sich an verbrecherischen Umwälzungen nicht beteiligen, ist nicht be drobt; darüber ist kein Zweifel, lZuruf der Abg. Frau Zietz: daß Sie ein Mörder sind! — Vizepräsident Löbe ruft die Frau Zietz zur Ordnung), daß die gesamte Neicksregierung fest entschlossen Ist, jeden Versuch, durch Auistand oder Gewalt die StaatSirciheit und das Leben der Staatsbürger oder die Sicherheit der Republik zu gefährden, niederzufchlagen.
Es folgen die
Interpellationen Arnstadt und Dr. Hcinze bctr. Wirtschaft^ und Steuerpolitik, sowie das unablässige und ungeheure Steige« aller Preise.
Hu ge (DVP) begründet die Interpellation. Tie Regierung muß den Produktionsprozeß steigern. Tie Kauflust des Inlandes muß aufrecht erhalten werden. Die Steuerpolitik vernichtet unseren Kredit. Die Kohlenförderung hat sich glücklicherweise gehoben aber noch nicht genGß Unsere E mährungsbasis ist zu schwach Am Ende des Erntejahrcs müssen wir Getreide vom Ausland« kaufen. Die Preissenkungen kosten das Reich Millionen. Natürlich müssen die Gekäster und Löhne der wirtschaftlich Schwachen ent sprechend erhöht werden.
Tr. Mumm (TN.) begründet sodann die Interpellation Arnstadt betreffend die Ein- und Ausfuhr. Ein- und Ausfuhr sind planlos. Der Stand der Valuta wird ins Unerträgliche gerückt Deutsche Unternehmungen und Grund und Boden kommen in die Hand des Auslandes. Die Kindersterblichkeit wächst ins Ungeheure Die Kompetenzen der Behörden find nicht genau obgegrenzt Planlosigkeit und Unentschlossenheit herrschen in allen Kreisen. Gewaliige Summen sind nutzlos vertan. Will die Regierung jetzt endlich gegen diese Mißstände Vorgehen?
Minister Schmidt: Sie (nach rechts) habe» sich früher nicht gescheut, den Arbeitern aus dem Osten menschenunwürdige Wob nungsn anzubietcn und sie wte das Vieh zu behandeln. (Zurufe rechts: Unerhört! Unwahr!) Schieber sind auch in anderen Kreisen zu suchen. Weder die Einfuhr noch die Ausfuhr Ist frei. Sic steht unter Kontrolle. Das Ernährungsclcnd unserer Kinder entrüstet uns alle. Abcr gerade Herr Mumm hat gegen jedes Friedensangebot gestimmt Ter Friede 2 Jahre früher häite uns alles Elend erspart. Sie wollen die Freiheit des Handels? Nein, die Freiheit der Ausbeutung! (Lärm rechts) Die Regierung wird den Woh nungsbau !n der Praxis fördern Wir bemühen uns Futtermittel einzuführen. Abcr so viel Privatkredit, wie dafür nötig ist. ist nicht aufzutreiben. Herr Dr. Hugo will den freien Handel und will die Löhne entsprechend heraustehen Dann müßten wir 16 Mark Stundenlohn zahlen und dann hätten wir erst die Katastrophe.- Die Rc- zierung wird dem Volke sagen: Ihr tnach rcchis - seid die Brotver- 'eurer, die aus der Konjunktur ihren Nutzen ziehen wollen. (Bei- 'aü bei der Mehrheit. Lärm rechts. Ruse: Wahlrede.) Das deutsche )olk muß unabhängig sein von irgend einer Jnteresjentenkiique. )hne die Regierung damit loben zu wollen, es ist in diesem Jahr aif wirtschaftlichem Gebiet Ungeheures erreicht worden. Hinter der Volkswirtschaft derjenigen, die den freien Handel wollen, steht ein naterieller Beigeschmack. (Beifall bei der Mhrheit.)
Es liegt ein Antrag auf Vertagung vor.
Präsident Fehrcnbach macht darauf aufmerksam, daß noch weitere ministerielle Aeußenmgen zu erwarten sind.
Minister Triberger: Tie Juterveüanten sind lange nicht vollzählig erschienen (Lärm und Zwischenruf von allen Seiten Glocke des Präsidenten ) Unterlassungen der Regierung iollen nach den Jnierpellalinnen die jetzige schlechte Lage herbeiqefübrt hoben Da? ist die größte Geickuchtssälschung, die je ausoesprochen wurde Uns selbst ernähren können wir nicht. Wir werden immer Futter
mittel. Rohstoffe und Nahrungsmittel vom Ausland brauchen. Tie Regierung hat die Pflicht, regulierend in das Wirtschaftsleben einzugreisen. Ihre Politik (nach rechts) ist keineswegs mehr ftaaiS- erhaltend. Wir werden im nächsten Monat mit ganz großzügigen Plänen hervortreten in der Wohnungsfrage, besonders für die Bergarbeiter.
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Eine Kundgebung der Nationalversammlung für die Kriegsgefangenen.
Von sämtlichen Mitgliedern der Rationalvcrsammlung wurde folgende Kundgebung angenommen: Die Nationalversammlung nimmt mit tiefem Schmerz davon Kenntnis, daß fast eine halbe Million deutscher Brüder noch immer ihrer Befreiung aus der Gefangenschaft harrt. Der größte Teil wird in Frankreich zurückgehalien, aber auch England hat noch nicht alle herausgegeben, Deutschland hat auch seine Gefangenen zurückgeschickt die zurückgebliebenen Russen nur nicht, weil es unmöglich war. Die Nationalversammlung fühlt und leidet mit den unglücklichen Gefangenen, sowie mit ihren Eltern, Frauen und Kindern, die jetzt zu Weihnachten in besonders tiefer Sehnsucht ihrer Lieben gedenken. Sie wendet sich an sie Neutralen mit heißem Dank fstr ihre bisherige Tätigkeit. Sie wendet sich an die Frauen und Männer «n den bisher feindlichen Ländern, die sich ein menschlich fühlendes Herz bewahrt haben, daß sie heute ihre Stimme erheben zu dem Rufe: Schasst de« Frauen ihr« Mänuer, den Kindern ihr« Väter, den gebeugten Elter« ihre Söhne wieder!
Sie NW de; eNl'sch-smMSm BmdnIr-DeriiM.
Lloyd George zur auswärtigen Lage.
London, 19. Dez. (Unterhaus. — Reuier) In einer Erklärung über die auswärtige Politik sagte Lloyd George u. a.: Die britische" Negierung hat in Sachen des englisch-sranzösisch- amerlkanischen Vertrages Frankreich gegenüber keine Verpflichtungen auf sich genommen und Zwar aus dem einfachen Grund«, weil sie nicht «»nehmen kann, baß die Vereinigten Staaten die Unterzeichnung des Vertrages durch ihren Vertreter in Paris nicht anerkennen werden. Was Rußland betrifft, so hat unter den Alliierten auf der Konferenz vollständiges Einverständnis über die Politik der Nichtinterrention geherrscht. Zwischen Japan und Amerika sind Besprechungen darüber im Gange, was in Sibirien getan werden soll, falls die bols^ewisti schen Armeen weiiere Fortschritte nach Osten machen. Man ist aber noch zu keinem Beschluß gelangt. Bezüglich der Zukunft der Türkei sagte Lloyd George: Die Tore von Konstaniinopel sind uns in verräterischer Weile vor der Nase zugeschlagen worden und wir können unser Vertrauen nicht mehr demselben Türhüter schenken. (— Und Gibraltar und Suez?!) Den Völkerbund besprechend, betonte Llond George die Bi-sri^tia'e^ der britischen Regierung in der Frage des Bundes, der eine unbedingte Notwendigkeit sei und etwas Besonderes werden müsse. Bezüglich Fiumes erklärte Lloyd George, der italienische Ministerpräsident sei eingelnden worden, mit ihm, Clemenceau und möglicherweise auch mit dem amerikanischen Vertreter im Laufe der nächsten Tage in Paris -nlammenzukommen, weshalb er eine Velnre^una diel-p Fr""« ablebne. ,'
Der ^englische Arbeiterführer Henderson
gegen ein englisch-französisches Bündnis.
Paris, 18 Dez. Nach einer Meldung des „Journal" aus London hat sich Henderson gegen eine frnazösisch-engli'che Allianz ausgesprochen. Frankreich habe einen ausreichenden Schutz unter anderen Formen dadurch' empfangen, daß die Rheinlande während 1ö Jahren besetzt und dann neutralisiert sls würden. Außerdem sei Deutschland entwaffnet. Frankreich dagegen behalte die allgemeine Wehrpflicht bei und nehme dank ihr in Europa eine vorherrschende Stellung ein.
Der französische Militarismus.
Paris. 19. Dez Finanzmiiristcr Klotz hol gestern in der Kammer zwei Anträge eingebrocht. Durch den einen oeriangl er einen Nachtragskredit. für das Budgetfahr 1919 von einer Milliarde. Für drei provisorische Budgetzwölstel wird ein Kredit von 12)4 Milliarden verlangt. Hiervon entfallen auf militärische und besondere Ausgaben 8 800 060 000 Francs,
Zweijährige Dienstpflicht in Frankreich.
Paris, 19. Dez. Laur .Eciarrc' daben die Kommissionen, die mit der Prüfung der Veränderungen beauftragt sind, deren da« Gesetz über die Cadres fähig ist. der Negierung einen Entwurf vor gelegt, der die Dauer des Militärdienstes auf zwei Jahre fcstjctzt.
ZU Well» kW. ^
Der Stand der mündliche« Verhandlungen.
Paris, 20 Dez. Wie der .Malm* gestern Mittelste, wird «in« / neue Sitzung der alliierten Sachverständigen mit den deutschen Sachverständigen über das zu liefernde Hafenmaterial wohl erst in zwei biS drei Tagen stattfindcn. Offiziell werde mitgeteilt. daß dies« si Unterbrechung dadurch veranlaßt sei daß gewisse Zahlenangaden der deutschen Delegierten nachgeprüst werden müßten. (Es handelt sich I. nach einem anderen Blatt um ein Dock ln Danzig, dessen Existenz ,, deutscherseits abgeleugnet wird ) Wie der .Matin" frststellt. hat aber dieses Verfahren noch einen anderen Grund. 1) sollen die - englischen Delegierten und Marineiachverständigen sich mit ihrer Re- gierung In Verbindung gesetzt haben, weil sie sich nicht berechtigt glaubten, ohne besonder« Instruktion auf ein Kompromiß einzugehen. für das offenbar die Vertreter anderer Mächte einträten, 2) /
bestehe ein Meinungsunterschiev innerhalb der französischen Delegatton. Die Ansichten des Marineministers LeygueS seien nicht die des Wirtschaftsmimsters Loucheur. Tie französischen Morineieule wollten die deutschen leichten Kreuzer sofort haben, die deutichcn Delegierten aber böten, da Deutschland diese Kreuzer für die Küsten- » , Polizei dringend notwendig habe, Eriatz in Neubauten. Dieken Vor- schlag scheine Minister Loucheur annehmen zu wollen. Inzwischen «,
hat nach dem .Petit Parisien" der Fünferrat an die deutschen Sach- ^
verständigen zwei'Fragen gerichtet, einmal über das Dock in Danzig, -
dann über die Zeit innerhalb deren die deutichen Werfirn den Ersatz für die süns leichten Kreuzer und die Schwimmdocks bauen ?
' könnten. Gestern fand keine Sitzung des Fünserrats statt und eS ist auch fraglich, ob er beute zuiammentreten wird, da heute Vorm'ttog 6
im Elysee ein wichtiger Ministerrat staitsindet Frühestens kann >?
hmite Sonnabend Nachmittag die Entscheidung fallen Marcel Hutin ,
hat von einer Persönlichkeit, die der Friedenskonferenz nahelieht, gehört, man erwarte, daß gegen den 1. Januar die diplomatischen Be- Ziehungen zwischen Frankreich und Deutschland ausgenommen ^
würden. " Ä
Der »Temps* zu den deutschen Gegenvorschlägen. E
Pr«is, 18. Dez. (Harms.) Zu den dc:u' cn Vor,! l gen H
sagt der „Temps", wenn die Kreuzer für die Ki'stenpoffzei von A
Deutschland gebraucht werden, seien sie im gleichen Maße für )
Frankreich notwendig, welches während des Krieges seine i
Schifisbauten Hab« unterbrechen müssen und das nur beschränktes Vertrauen in die Versprechung von Neubauten setze, di« man ihm fetzt gemacht habe. Es wäre übrigens paradox, D'atsch- , land einen Vorwand zu geben, um Skersten in Tätigkeit zu ? erhalten, auf welchen Kriegsschiffe gebaut werden, ^
Die Auffassung der deutschen Regierung über die Zurückhaltung der Skapa»3flowlnannscha.Leir.
Berlin, 26. Dez. Di« Antwort, weiche die Regierung aus ^
die kleine Anträge in der Ratianalmcriommlung wegen der Zu- H
rückhaltung der Crepe-FlorZ.!. ,te in England nicht verlesen ß
konnte, weil die Unterzeichner nicht anwesend waren, wird tn §
der „Deutschen Allgemeinen Zeitung" mitgetLilt. Dazu heißt es dann: Gegen die Internierung in Scapa Flow hat die deut- x sche WaffenstiUstandslommiPicn seinerzeit leider vergeblich Ein- Z spruch erhoben. Wäre die Internierung nickt dort sondern 'n einem neuiralen Haien erfolgt und wäre nicht Li« NachSckicn- übermittlur.g an den deutschen Admiral tn rechtswidrig^* Weise beschränkt worren, so hätte der Irrtum der Waffenstillstand >ei abzelaufen, nicht entstehen können. Eine Versenkung der Flotte wäre nicht erfolgt. Die amtlichen englischen Veröffentlichungen' sind nur eine neue Bestätigung dieses Sachverhalts. Die Regierung weist noch einmal aus den Nechtsstandxunlt hin, um bestimmt Verwahrung dagegen einzulegen, daß d-r englische Lordkanzler erffort hat Deutschland bestreite seine Verantwortlichkeit in demselben Augenblick, wo England die Jnstrukt cn entdeckte, die die Versenkung der Flotte zur Foloe hatte Die deutsche Regierung ist nicht in der Lage, ihren Reckissiandpunkt zur allgemeinen Richtschnur ihres Handelns zu machen. S>e st gezwungen, den äußerst möglichen Er>atz anzubieten. Die Ne» . gierung erwartet, daß ihr Entgegenkommen auf die Beschleunigung der Rückkehr der Vesatzin'p ff ' ' *^^e" wird.
Die Alliierten brauchen die Auslieferung.
Paris. 19. Dez. (Havas) In französischen diplomatischen Kreisen wird gesagt, daß die Annahme eines Gesetzes durch die deutsche Nationalversammlung aus Ahnd.ino von Lecoeden, die seit Eröffn mg der FesMoliolcste« bis rum Te-'e der Unter» zescha:,ng des Drr'eiller Vertrages begangen worden sin», reuen Text durch Herrn v. Lersner der Fricdcnskonjerenz Hb rminelt si wurde, an de» Bestimmungen des Frielensvertrages bezüglich der Ausiicfcriing der Schuldigen durch De'ttich^ind, die iür di« Verbrechen, welche durch die feindlichen Truppen in den be-