griechisch-orthodoxe Kirche nicht als ein Werkzeug des Staates zur Beherrschung der Untertanen angesehen wis­sen will. Was sonst über die Stellung des Kaisers zur Staatskirche verlautet, deutet alles darauf hin, daß er strenge alle Vorschriften derselben befolgt. Umsomehr Beachtung verdient seine Zustimmung zu den neuesten Beschlüssen über die Toleranz in Glaubenssachen. Die­selben sind als eine entschiedene Niederlage des Ober prokure urs des Heiligen Synods, des Herrn Konstantin Pobjed on oszew anzusehen, und es ist daher wohl anzunehmen, daß dieser und seine An­hänger alles daran setzen werden, die Wirkung der Toleranzbeschlüsse soviel als möglich abzuschwächen. Trotz­dem ja diese Beschlüsse noch lange keine eigentliche Glau­bensfreiheit für die Russen bedeuten. Inwiefern man die in der: Ostseeprovinzen zur griechischen Kirche über­getretenen Lutheraner von der Neuordnung der Tinge profitieren läßt, wird die Erfahrung lehren müssen.

Politische Rundschau.

Württemberg. Auf den Staatsbahnen wurden im Rechnungsjahr April 1904 bis April 1905 insgesamt Mk. 64 583 000 Einnahmen erzieht, gegen- iiber dem Vorjahre mehr Mk. 2303257.

Schweiz. Die gesamte Regierung ist mit 37 000 bis 40 000 Stimmen wi ede r g ew ä h l t; die Sreuerfußinitiative wurde mit 42 000 gegen 24 000 Stim­men abgelehnt. Bei den Kantonsratswahlen in Zürich wurden 12 Demokraten, wie bisher, 32 Kreisinnige, 2 mehr, 28 Sozialdemokraten, 2 weniger, gewählt. Tie Sozialdemokraten verlieren auch in Winterthur 3 Sitze, wo die bürgerliche Liste siegte, gewannen aber 3 im Wahlkreise Wilfingen-Toeß, wo außerdem 2 Stichwahlen notwendig sind. In den übrigen Wahlkreisen fielen die Sozialdemokraten durch, die neu vorge­schlagen waren.

England. Neue Mordwaffen. Arthur Lee, der Zivillord der Admiralität, sagte in einer Rede in Gosport, daß der Krieg im fernen Osten die Engländer gelehrt habe, in der Konstruktion ihrer Kriegsschiffe Be­trächtliches zu ändern: Tie Admiralität bereite sich vor, in Portsmouth ein Kriegsschiff zu bauen, m ä chi- tiger als irgend eines der Jetztzeit und von einer Schnelligkeit, wie man sie nur erreichet: könne. Dieses Schiff sei das Ergebnis der Lehren, die die Admiralität aus dem Kriege gezogen habe. Um diese Lehrer: gehörig in Betracht zu ziehen und das, was sie lehrten, in die neuen Kriegsschiffe hineinzubringen, habe die Admiralität zeitweise einen Halt im Bau von Schiffen gemacht.

Türkei. Ten Vorgängen in Jemen wird in Konstantiuopel allenthalben die ernsteste Bedeutung beigelegt. Tie Türkei würde nur unter dem Aufgebot einer bedeutenden Truppenmacht in der Lage sein, ihre dort innegehabte Stellung wiederherzustellen. Hierzu gehören aber'außer einem zielbewußten Vorgehen große finanzielle Mittel. An beide:: gebricht es. Vor zwei Wochen mußte ein Dampfer mit drei für Jemen bestimmten Bataillonen acht Tage im Suezkanal stilliegen, weil er kein Geld zum Ankauf von Kozle hatte. In der vorigen Woche pas­sierte Aehnliches einem anderen Truppentransport-Dam­pfer, dem die Mittel zur Zahlung der Passagegebühr fehlten. Geht Jemen dem türkischen Machtgebiet ver­loren, so sind die in der angrenzenden Provinz Hedjaz befindlichen heiligen Städte Mekka und Medina, mit deren Besitz das Khalifat zusammenhängt, stark bedroht. In Konstantinopeler arabischen Kreisen glaubt man, daß wenn die Rebellen Jemen von den türkischen Truppen gesäubert haben, siedieProtektionEnglands anrufen werden.

Amerika. Bowen erhielt vom Präsidenten Roose- velt die nachdrückliche Weisung, sofort nach Washington zurückzukehren. Dieser Befehl steht in Zusammen­hang mit dem von Bowen gegen den Unterstaatssekretär Loomis erhobenen Vorwurf, dieser habe als Gesandter in Venezuela von der New-Iork-Bermudez-Compag- nie einen Scheck von 10000 Dollars empfangen.

Tie mißtrauische:: Polizisten musterten die Anwesen­den mit scharfen Blicken, konnten jedoch nichts Verdächtiges wahrnehmen, zumal Hussein das Etui mit den Diamanten bei dem ersten Geräusch, das er vernommen, rasch ge­schlossen hatte. Sie forderten nun von Lord Fairholme eine Erklärung, weshalb er sie gerufen habe, doch Brett antwortete statt seiner.Sie müssen meinen Freund ent­schuldigen, meine Herren," sagte er,er war meinetwegen etwas besorgt, doch die Sache ist vollkommen in Ord­nung, und Sie werden mir erlaüben für Ihre Be­mühung" er drückte ihnen ein Geldstück in die Hand, worauf die Beamten sich diskret zurückzogen.

Wohin nun?" fragte Fairholme, als er und Brett sich wieder auf der Straße befanden.

Sagen Sie mir erst," entgegnete der Anwalt,ob Sie bemerkt haben, nach welcher Richtung der kleine Kerl sich wandte, der vor zehn Minuten das Haus Nr. 11 verließ?"

Gewiß, und ich hörte sogar, wohin er gegangen ist. Er sah furchbar ängstlich aus, sprang in den ersten Fiaker, der vorüberkam und rief dem Kutscher zu:Nach dem schwarzen Cabaret, Boulevard Montmartre."

Brett rieb sich vergnügt die Hände.Famos! Sie sind ein trefflicher Detektiv, mein Lieber! Haben mir stundenlanges und vielleicht nutzloses Suchen erspart. Kommen Sie, wir gehen auch nach dem Boulevard Montmartre." Fortsetzung folgt.

Die Mittclmecrrcise des Kaisers.

Rom, 1. Mai. Kaiser Wilhelm trifft mit der Kai­serin und den Prinzen am 2. Mai in Venedig ein und wird dort vom Minister des Aeußern Tittoui empfangen.

Französische Maifeiern.

Paris, 1. Mai. Eine heute von dem allgemeinen Arbeiterverband aus Anlaß der Maifeier in der Arbeiterbörse veranstaltete Versammlung nahin einen st ü rmische n V erl a uf. Es -kam nach Schluß derselbe:: zu einem Z us ammensto ß mit der Polizei, wobei 12 Verhaftungen vorgenommen wurden.

St. Etienne, 1. Mar Bei Kundgebungen, die hier anläßlich der Maifeier stattfanden, kam es zu Zu­sammenstößen zwischen der Polizei und der Menge. Hidbei wurden 2 Polizeibeamte und 3 Arbeiter verletzt und mehrere Personen verhaftet.

Die Lage in Rußland.

Petersburg, 1. Mai. Das russische Toleranz­edikt, das gegen bisher einen wirklichen Fortschritt bildet, ist erschienen.

Warschau, 1. Mai. In der Ortschaft Grodeck zündeten Bauern und Arbeiter das Wohnhaus und den Meierhof des Gutsbesitzers Torfmann an. Herbei- gerufene Kosaken versuchten vergeblich, die. Menge zu zerstreuen und gaben schließlich Feuer. 8 Bauern wurden getötet, 24 schwer verletzt und 85 gefesselt ins Gefängnis gebracht.

Petersburg, 30. April. Ein kaiserlicher Erlaß gewährt den Bauern einer Anzahl Gouvernements neue Erleichterungen durch Streichung der Rückstände bei der Tilgung der von 1867 bis zur Geburt des Thron­folgers gewährten Darlehen bei Mißernten.' Tie Höhe der erlassenen Schulden wird auf 75 Millionen Ru­bel beziffert.

Die Lage tu Kreta.

Kanea, 1. Mai. Die Konsuln haben die kretische Regierung aufgefordert, von allen öffentlichen Gebäuden dis g riechisch e Fla g g e zu entfernen und sie durch die kretis che zu ersetzen. Wenn dieser Forderung nicht nachgekommen werde, würden die internationalen Truppen mit ihrer Durchführung beauftragt wer­den. Ter englische Kreuzer Venus hat gestern früh Kanea mit 70 Mann internationalen Truppen an Bord verlassen, dis in Pyrgopsilonero, Provinz Kissamo, gelandet werden sollen, um die Freilassung der in dem Gefecht bei Vukolies gefangengenommenen Gendarmen zu erzwingen.

Die Lage am Balkan.

-j- Konstantinopel, 1. Mai. Am Donnerstag hat bei Svilanowo und Rajcani (Vilajet Uesküb) ein Kampf mit einer Bande stattgefunden. 19 Komitazzis und 3 Soldaten blieben tot.

Der Kolonialkrieg in Südweftafrika.

§ Berlin, 1. Mai. Wie Throta meldet, ließ Haupt­mann Welck am 17. April eine große Hererowerft, welche die freiwillige Uebergabe verweigerte, am Osondjacheberg aufheiben. Es bestätigt sich erneut, daß das Gelände bis zur englischen Grenze vom Feinde geräumt ist. Ter Bandenführer Morenga hat in der Nacht vom 24. zum 25. April die Karasberge geräumt und ist in öst­licher Richtung aufgebrochen.

Bom ostasiatischen Kriegsschauplatz

lieber das baltische Geschwader liegen immer noch keine ernst zu nehmenden Meldungen vor. Während nach einer Londoner Tepesche die begrün­dete Annahme vorhanden ist, Roschdjestwenski habe sich nach den Philippinen gewandt, besagt ein Telegramm aus Tsingtau:Das zweite baltische Geschwader trifft mit dem dritten in der Nähe der Insel Hainan zu-

Unteroffizier des Lehr-Bataillons in der neue» Feldnniform.

sammen." Daß die Vereinigung der Flotte Rosckdi-n wenski's mit der Nebogatow's nahe bevorsteht, ist wM sicher. In Tokio glaubt man sogar, daß sie schon h-u:. stattfindet. """

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Aus der Mandschurei liege:: folgende Nachrichten vor:

Petersburg, 1. Mai. Die letzten Telegramm, aus Gunschuling bestätigen die Anwesenheit beträchtlicher feindlicher Streitkräfte in der Mongolei. ^

Petersburg, 1. Mai. Von allen Site:: werden Scharmützel gemeldet. In: Generalstab glaubt man jedoch nicht, daß diese kleinen Kämpfe die Vorläufer einer rößeren Schlacht sind. Man erwartet vor Mitte Mai eine größere Schlacht, übrigen- gestattet auch hie Beschaffenheit des Terrains, auf welchem sich Russen und Japaner- gegenwärtig gegenüberstehen, vorläufig keim größeren Operationen.

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Die Lage zur See.

)-( Saigon, 1. Mai. Agence Havas. Ein rus­sisches Geschwader ist irr Port Depot, 50 Meilen nördlich der Karnranh-Bucht und in der Mainlehkoi-Bucht, außer­halb der Territorialgewässer stationiert. Eine Anzahl Transportschiffe liegt unbeweglich am Kap Saint Jouques und Saigon Fluß. Tie Flotten-Tivision von Chochin- China'ist in lästert worden, um die Achtung vor der Neutralität iw: französischen Gewässer aufrecht zu er« halten. ^

Blutige Oster» in Warschau.

8 Warschau, 1. Mai. Heute nachmittag zog eine aus 5000 Arbeitern mit ihren Familien bestehende Menge mit 5 roten Fahne:: unter Absingung revolutionärer Lie­der nach dem Witkowsky-Platz. Man ließ sie dort Aus­stellung nehmen. Später traf eine Patrouille Garde- Ulanen ein, welche die Menge passieren ließ. Tie Ulanen blieben an dm Häusern halten. Als hiernach Infanterie von der Marchalkowska-Straße her anrückte, griffen die Ulanen die Menge an, und die Infanterie s ch o ß auf dieselbe. Tie Menge machte Kehrt. Tie In­fanterie fuhr aber fort zu feuern. Es wurden im Ganzen 2 Salven und 40 Einzelschüsse ab­gegeben. Tie Sanitätswache zählte 31 Tote und 15 Verwundete. Tie Polizei schaffte außerdem 69 Tote und Verwundete fort und nahm 50 Verhaftungen vor und konfiszierte zwei Fahnen. In der Jerusalem-Straße fcnrd ebenfalls ein Zusammenstoß zwischen Trup­pen und einer Volksmenge statt. Letztere gab Feuer, tvurde aber durch Patrouillen zerstreut. Ein Polizei­beamter wurde verwundet, 20 Arbeiter verwundet und 25 getötet. Auch hier wurden mehrere rote Fahnen vor: der Polizei entfernt. Tie Stadt scheint heute abend

tot; die Geschäfte sind geschlossen.

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8 Lodz, 2. Mai. Gestern kam es verschiedentlich zu Zusammenstößen, bei denen es mehrere Ver­wundete gab. Zwei Arbeiter sind ihren Verletzungen erlegen. Tie Arbeiter haben die Fabriken verlassen! und diese sind darauf geschlossen worden. Tie Be­völkerung ist in großer Aufregung, da Massendemonstra­tionen seitens der Arbeiter erwartet werden.

Im Landtag

ging auch Samstag noch die Debatte über die Gewerbe­aufsicht fort. Dabei wurde seitens des Zentrums die selbständige kollegiale Behandlung aller die Gewerbeauf­sicht berührenden Fragen vertreten, während der Abg. Tr. Hieb er die seither schon bestandene Angliederung der Gewerbeaussicht an die Zentralstelle für Gewerbe und Handel beizubehalten empfahl. Gegenüber den Versuchen, die Vortragstätigkeit der Gewerbeinspektoren in möglichst engen Grenzen zu halten, trat Tr. Hieber für die freie wissenschaftliche Betätigung ein. Mehrere Redner sprachen sich auch giegen eine von dem sozialdemokratischen Wg. Keil geforderte Zuerkennung polizeilicher Strafgemlt an dis Gewerbeinspektionsbeamten aus. Das ganze Kapi­tal und die in denselben geforderte Vermehrung des Gewerbeaufsichtspersonals um einen Jüspektor, 4 Assi­stenten und 1 Assistentin wurde schließlich ohne sachliche Beanstandung bewilligt. Beim Straßenbauetat wurde n. a. vom Berichterstatter Hang eine baldige Vorlegung einer neuen Wegbauordnung unter mög­lichst weitgehender Uebernahme der Nachbarschaftsstraße auf den Staat befürwortet. Gegen den letzteren Wunsch wandte sich der ritterschaftliche Mg. Graf Uexküll. Minister v. Pis chek machte die Mitteilung, daß der Entwurf der neuen Wegordnung nahezu fertig­gestellt sei, daß deren endgültige Gestaltung aber wesentlich durch finanzielle Erwägungen beeinflußt wer­den und so auch noch der Finanzminister ein Wörtlein m:t- zureden haben dürfte.

Aus der Partei.

Heilbronn, 1. Mai. Tie junge und alte Volts- Partei hielt Samstag Abend lt.Heilbr. Ztg." in der Linde ein«: gemeinschaftlichen Tikussionsabend ab. M der Tagesordnung stand ein Referat des Herrn Amts­gerichtssekretärs Fuchs über die Generaldebatte M württentbergischen Etat. Tie klaren und lichtvollen Aus­führungen des Vortragenden wurden mit lebhaftem Bei­fall ausgenommen.

Zuffenhausen, 1 . Mai. Eine sehr gelungene Schillerfeier wurde lt.Beob." am Sonntag rin alten Lamm" gefeiert.Junge und alte Volkspartei hatten dazu Einladungen ergehen lassen. Die Bedeutung