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Wiisdad, Mittwoch der; 4 Jsnnsr

1905

Am Webstuhl der Zeit.

i Rückblick aus das Jahr 1904.

i Wenn die Wünsche für das neue Jahr rer klungen

: sind, dann ziemt es sich, den Blick auch einmal auf das k Als zurückzulenken. Was hat es uns gebracht und was s hätte es nns dringen sollen? Wohl war es uns im deutschen Vaterland? vergönnt, friedlich unsere Straße i zu ziehen, unser Getoerbe zu treiben und uns an den

i Gütern des eigenen Herdes zu erfreuen. Aber dran ß e n j in der Welt ist es weniger ruhig zugegangen, und f wie heute die Verhältnisse liegen, ist die internationale Z Politik für uns fast ebenso wichtig wie die engere heimische.

Vorüber sind die Zeiten, da der Bürger es nur als einen

- angenehmen Gesprächsstoff für die Feiertage betrachten

- konnte,wenn hinten in der Mandschurei die Völker ! auseinander schlagen." Kein Volk kann sich heule den

Einwirkungen der allgeweiiien Weltlage entziehen, und für ein denkendes Publikum ist es unerläßlich, sich die j Frage vorzulegen: wie stehen die Partien der verschie- H denen Spieler auf dem großen Schachbrett der Weltge- -i schichte?.

1; Im Vordergründe des Interesses stand das ganze Jahr über O st asie n. Im Februar war es, als Japan s den Russen den Krieg erklärte. Bald machte es in ver- ß nichtenden Schlägen die russische Flotte unschädlich, wurde

ii zum Hewrn von Korea und zwang die russische Land- zi armee durch die Schlachten am Jaln, in die Mandschurei s; zurückzugehnl. In blutigen Olefechten versuchte der rns- Z fische Oberfeldherr Knropatkin den eisernen Ring der H Japaner z» durchbrechen und sie aus der Mandschurei

zu treiben. Es gelang ihm nicht, er mußte vielmehr den !i letzten Stützpunkt seines Reiches in Korea, die heldenmütig ! verteidigte Seefeste Port Arthur, ohne Hilfe lassen. Nach !« einem tapferen, fünf Monate lang geführten Widerstande I wird General Stössel die Festung nun übergeben müssen, s Tie baltische Flotte, welche Rußland zu spät zum Ent- ij satze aussandte, vermochte es nicht mehr, Port Arthur s zu erreichen. Dafür hätte diese Flotte, ivelche ans der l Ausreise wehrlose englische Fischer in der Nähe von Hul! E beschoß, ihr Vaterland beinahe in einen ernste» Konflikt § mit England verwickelt. Der Streitfall wurde jedoch bei-

- gelegt, um vor einem internationalen Schiedsgericht von s Admirälen untersucht zu werden. Es ist dies rin schöner i! Erfolg der Schiedsg e r i ch tsbe iv e g u u g, ivelche auch ! sonst in diesem Jahre durch Abschluß einer Reich von

Verträgen zwischen den Mächten gestärkt'worden ist. js Wie wird der Krieg in Ostasien enden? Vielleicht t nicht mit einem vollen Siege der Japaner, jedenfalls aber mit einer schiveren Schädigung Rußlands, wohl weniger ? an Land, als au allgemeinem Ansehen. Dazu kommen I die innereil Gärungen dieses Riesenreiches, »velche die Re- j gierung durch kluge Reformen beilegen könnte, aber nicht ß beilegen will. Das System der brutalen Reaktion schien ii man nach der grausigen Ermordung des Ministers von st Plehwe ausgeben zu wollen, der neue Chef der russischen § Verwaltung, Fürst Swätopolk-Mirski, versprach Aender- ii ungen einzccführen aber der kurze Frühling ist schon I vorüber und die Hoffnungen der russischen Liberalen wer- ß den bald im eisigen Winter der moskowitischen Reaktion s wieder erstorben sein.

j Unter solchen Umständen hätte es für Rußland ver- ^ hängnisvoll werden können, ivenn der Sturin. auch im ii alten Wetterwinkel des Balkans losgebrocheu wäre, ss Doch ist es dort so ziemlich! ruhig geblieben; Türken, L Griechen und Bulgaren schlagen sich zwar gelegentlich, s aber sie vertragen sich doch auch wieder bis zum ß nächstenmake. So blieb es denn auch der zweiten ani j Balkan meist interessierten Großmacht Oester reich- ii Ungarn, erspart, hier einzugreifen. Sie hatte, dafür 1 Zeit, ihre heimische Misere ausgiebig durchzukosien. Misses f Reich gleicht jetzt einem aus beiden Seiten geläMrten Manne, denn auch Ungarn kommt ans den schwersten j Krisen nicht mehr heraus. Graf Tisza. will nach! Neu- f jahr den Reichstag auflösen und mit einem neuen Par­is lament die Opposition endgültig knebeln. In Oesterreich ist am letzten Tage des Jahres Korber abgetreten und s durch einen neuen Ministerpräsidenten, v. Gautsch, er- L setzt worden. Ob's viel helfen wird?

'h Blicken wir nach Westen! Tie innere Enttvickelnng

Englands ist nicht viel tveiter gekommen. Tie Cham- berlainschen Schntzzollpläne iverden noch eifrig erörtert, das Land scheint aber eher dagegen Stellung zu nehmen. Tafür hat England seine auswärtige Position durch das Abkommen mit Frankreich, ivelches ihm Egypten sichert, den Franzosen Marotko zuweist, bedeutend ge- krästigt ebenso !vie Frankreich Im letzteren Lande hat die freiheitliche Politik weitere Fortschritte gemacht, alltin Sturmlausen der Reaktion gegen das Ministerium Combos zum Trotz. Vor allen Tingen hat der Kampf gegen den Kleritälismus in diesem katholischen Lande wesentliche Erfolge zu verzeichnen. Das Endgefecht in diesem Kriege, die Beratung des Gesetzentwurfes zur völligen Trennung von Staat und Kirche, steht bevor. Auch Italien befindet sich in guter und freiheitlicher Entwickelung, da das Ministerium Giolitti durch die Neu­wahlen in seiner Stellung befestigt worden ist.

In der großen Republik jenseits des Ozeans ist .Herr Roosevelt mit überwältigender Mehrheit für weitere vier Jahre zum Präsidenten gewählt worden. Es ist dies in der Hauptsache ein persönlicher Sieg des tüchtigen Mannes, gleichzeitig aber auch eine Bestätigung seines Programms, wonach Amerika immer energisch Welt­politik zu treiben hat. Das geht nichr ohne eine starke Flotte und die ivill Herr Roosevelt auch bauen. Tn heißt es dennTue Geld in deinen Beutel!" Und das nicht zu wenig!

Port Arthur unterwirft sich.

Er ist gekommen, der Tag, da das stolze Port Arthur dahinsank. Am Neujahrsabc'nd har General Stössel sicherlich sehr gegen sein tapferes Herz! -- dem übermächtigen Gegner den Brief geschrieben, der die eigene Ohnmacht gesteht nno die Bereitwilligkeit, die Festung unter den und den Bedingungen zn übergeben. Es mag den russischen Eisenfressern, die sich in Port Arthur wie die Bären zur Wehr gesetzt haben, hart ge­nug geworden sein, ihren mongolischen Bedrängern zn sagen: Es ist soweit mit nns, wir wollen verhandeln. Noch vor wenigen Wochen antwortete General Stössel aus die Frage, ob er sich nicht ergeben möchte, mit einer ungeduldigen Gsberde, die dein Sinne nach an jene grobe Erwiderung erinnert haben mag, die dein Götz von Ber- lichingen bei ähnlicher Lage entschlüpfte. Und nun ist die Kapitulation cingeleitet.

Man darf wohl glauben, daß es sich nicht um eine bloße Kriegslist handelt, nicht nur um den letzten Versuch, einen Waffenstillstand und Aufschub zn gewinnen. Auch das wäre jaAncht unmöglich. Tie Munition ist knapp geworden, die Zahl der Verteidiger unzmäng.ich. infolge der Verluste und der Krankheiten, noch aber mangelt es nicht an Proviant und so könnte der Kommandant ver­suchen, die letzte Entscheidung zu verzögern. Vielleicht, daß doch noch die baltische Flotte inzwischen he ankommt, oder daß sonstwie etwas Unerwartetes geschieh und den Russen Hilfe bringt. Lange fackeln würden die Japaner freilich kaum noch Sie haben so schwere Opfer eingesetzt, um dies' Port Arthur zu nehmen, diesen Pfahl, der in ihrem Fleisch steckt, heranszureißen, daß sie sich nicht auf langwierige Unterhandlungen Anlassen können. Biegen oder brechen.

Es fragt sich, welche Bedingungen Stössei für die Uebergabe fordert und was die Japaner gewähren wollen. Freien Abzug mit Waffen und Gepäck für Mann und Roß? Am Ende hätten die Japaner keinen Grund, sich besonders dagegen zu sträuben, daß die kleine Schar, die vielleicht noch eine Brigade oder höchstens eine knappe Tivision stark sein mag, zur russischen Mandschnreiarmee stieße. Aber es wird auch nicht diese rechnerische Er­wägung sein, sondern die Rücksicht ans den moralischen Eindruck, die die Japaner veranlaßt, die Außergefecht- sctzung der Truppen Stössels für den Rest der Kriegsdauer zu verlängert. Wie sich die beiden Parteien bei dem Handel einigen, das müssen scharr die allernächsten Zeiten lehren.

Gleichviel jedoch, was die Abmachungen inr einzelnen bringen, das Ergebnis selber ist von größter Tragweite auch für eine weit entfernte Zukunft. Wenn die Japaner sich nun irn Stelle der Russen in Port Arthur festsetzen.

so haben sie einen schier unerschütterlichen Stützpunkt, weil ihnen das offene Meer gehört. Tiefe Festung ist irr der Tat uneinnehrnbar, solange die Flotte des In­habers im Kricgshafen dominiert. Nicht beim Sturm auf den 203 Meter-Hügel ist Port Arthur gefallen, auch nicht durch die Einnahme der Außensorts, sondern General Stössel wurde besiegt und Port Arthur wurde erobert just an dem 9. Februar 1904, als japanische Tor­pedoboote die russischen Kriegsschiffe erstmals über­rumpelten undbeschädigten", und später, als das Ad­miralschiffPetropawlowsk" sank und die hohe Seeschlacht bei Port Arthur mit der russischen Mederlage endete. Von Port Arthur aus kann Japan immer wieder in die Mandschurei Vorstößen, bei Port Arthur kann es sozusagen mit seiner Flotte die koreanische Landgrenze decken.

Tie Festung war in diesem Kriegssckjach die letzte Deckung, der Turm für dieWeißen". Nun Gelb ihn ge­nommen hat, sind die Russen schachmatt.

Die Handels- und Meistbegünftignngs- Berträge,

deren Kündigung ans den 1. Januar 1906 um die Jahres­wende von den Agrariern jo dringend verlangt wurde, sind nicht gekündigt worden. Es bedeutet ja in der Tat auch wenig, ob die Verträge am 31. Dezember oder ob sie etwas später gekündigt werden. Eine Kündigung zum Jahreswechsel war keineswegs notwendig, es sprechen so­gar technische Gründe gegen sie. Indem die Agrarier ein solches Verlangen stellten, zeigten sie, daß ihnen sowohl die parlamentarische Fühlung als die sachliche Einsicht abgeht. Ihnen kommt es, wie den Sozialdemokraten, bloß noch auf die agrarische Wirkung nach außen an, der zuliebe sie den für siebesten aller Reichs­kanzler" ein wenig ärgern und reizen. Die bestehenden Handelsverträge sind, wie immer betont werden muß, jeden Tag kündbar? sie bleiben bei einem normalen Verlaus der Tinge alsdann noch ein Jahr von dem Tage der Kündigung ab in Kraft. Ein Abweichen von dem normalen Verlauf ist möglich bei einer Uebereinstimmung der gesetzgebenden Faktoren. Es müßten also Bundesrat und Reichstag beschließen, daß die Kündigungsfrist abge- k ü r z t wird und den gleichen Beschluß müßten die gesetz­gebenden Körperschaften unserer Gegenkontrahcnlen fa,s.n. Eine solche Möglichkeit ist vorhanden. Es liegt hier die Versicherung des Reichskanzlers in einer Erklärung an die Berliner Nettesten vor, wonach zwischen der Be kan nt- gabe der Verträge und ihrer Inkraftsetzung jeden­falls eine hinreichende Frist gelassen wird, um den In­teressenten zu ermöglichen, sich in ihren geschäftlichen Unternehmungen auf die neuen Verhältnisse einzurichlen. Tanach ist der Termin, zu dem die neuen Verträge wirk­sam werden sollen, in den Verträgen selbst vereinbart und der Reichskanzler rechnet damit, daß der Reichstag ihm zustimmen wird, auch wenn er vom Tage der Bekannt­gabe. der Verträge ab nicht mehr ein Voltes Jahr be­trägt. Biel wird aber wohl das ist gleichfalls aus der Erklärung herauszulesen - an dem vollen Jahr nicht fehlen, da ja eine sachgemäße Uebergangsfrist in Aussicht gestellt wird und die kann nicht gut wenigrr als 12 Monate betragen. Insofern ist die Bülow'sche Er­klärung von Wichtigkeit und sie wird eine geivisse Be­ruhigung schaffen.

Bo« ostasialische« Krieg.

Der'Kampf um Port Arthur.

Zur Lage.

Ter japanische Marineminister veröffentlicht einen den Japanern in die Hände gefallenen Brief eines Offi­ziers derSewastopol" Dieser Brief besagt, daß die Belagerten die Hoffnung aufgegeben haben, daß Port Arthur entsetzt werde. Port Arthur könne über Dezember hinaus nicht gehalten wer­den. Ter Vormarsch der Japaner sei unwidersteh­lich. Tie von den Belageren! gnnachten Fortschritte seien den Belagerten in ih'er vollen Ausdehnung unbe­kannt. Tie Belogenen seien enttäuscht, daß die baltische Flotte nicht eingrcisc. Jeder Tag bringe sie der Kata­strophe näher. Tie Uneinnehmbarkeit der Festung in