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Donncrölaq, den 3 l). September rkirs

I dl. Iahraanq.

Was wird aus Polyn.

Unter den großen Fragen, die nach der Be­endigung des Krieges zu lösen sein werden, wird zweifellos die Regelung der polnischen Frage in erster Linie stehen. Die Ereignisse ans den pol­nischen und russischen Schlachtfeldern haben sogar die Regelung dieser Frage schon i» den Vorder­grund gehoben und es ist daher nützlich, sich mit dieser Angelegenheit zu befassen, wenn auch selbst­verständlich bas Eingehen in Einzelheiten ebenso wie das Aufwerfen von positiven Vorschlägen zu­nächst unterlassen werden muß. Indessen kann heule, der militärischen Sachlage entsprechend. Eines schon mit fast unbedingter Sicherheit fest- gestellt werden: Polen ist der russische» Herrschaft entzogen und wird kaum jemals wieder unter diese zurückkehren. Diese Tatsache allein berechtigt ge­wiß zu einer prinzipiellen Erörterung der pol­nischen Frage, wie sie sich in der Zukunft ent­wickeln soll. Unter diesen Umständen verdient ein Artikel besondere Beachtung, den der gewesene ungarische Minister des Innern, Graf Julius An- drasst), jüngst in einem Wiener Blatt veröffentlicht hat. Die bedeutende staatsmännische Persönlichkeit des Grafen Andrassy und seine weitreichenden Verbindungen verbürgen dafür, daß die Gesichts­punkte, die er in Bezug ans die polnische Frage entwickelt, ernster genommen werde» müssen, als dies der Fall wäre, wenn die Angelegenheit von einer anderen Seite erörtert werden würde.

Der Verfasser des erwähnten Artikels geht von dem Standpunkt aus, daß die russische Herrschaft über die Polen gebrochen werden muß, wenn nicht die polnische Wunde am russischen Körper heilen und an unserem Körper ausbrechen soll. Gras Andrassy meint, daß die Polen, falls wir jetzt die polnische Frage nicht endgültig regeln sollten, ihre Hoffnungen wieder dem eine mutigere und kraft­vollere Politik führenden russischen Imperium zü­rnenden würden. Man dürfe daher nicht zaudern, Russisch-Polen zu befreien. Und zwar müsse diese Befreiung in der Weise vor sich gehen, daß das von Rußland losgelöste Königreich Polen Mittel­europa in einer solchen Weise angegliedert wird, haß dieses daraus die möglichst größte lebende

Kraft schöpfen könnei Dein befreiten Polen müsse eine staatsrechtliche Stellung gegeben werden, die besser ist als seine heutige und es ihm als wert ° erscheinen lassen soll, in Augenblicken der Prüfung Ifür den Schutz der neuen Verbindung Leben und Blut zu opfern. Nur wenn vie Polen befriedigt werden, werden sie bereit sein, sich gegen die Re­vanchegelüste Rußlands zu stemmen, und nur dann ist die Hoffnung darauf vorhanden, daß sich Rußland in das Unabänderliche füge.

Wie läßt sich nun eine solche Befriedigung des potnischen Volkes erzielen, daß der Anschluß an Mitteleuropa den Polen wünschenswert er­scheint? Von einem vollständig selbständigen Königreich Polen kann keine Rede sein. Dies liegt auch wchl im Interesse der polnischen Nation. Ein unabhängiges Königreich Polen würde der Voraussetzungen einer selbständigen Existenz ent- raten. Zwischen drei Großmächte eingekeilt, würde es zum Spielball der letzteren werden. Diese Lösung wäre aber auch für Mitteleuropa nicht vorteilhaft, weil das neue Königreich, wer immer auch sein Herrscher sein würde, sich früher oder später nach Galizien und den polnischen Provinzen Preußens sehnen würde und die Feinde Mitteleuropas diese Sehnsucht leicht dazu benützen könnten, das von uns geschaffene Königreich an ihre Seite zu bringen. Die Polen, meint Graf Andrassy. besitzen genug politisches Verständnis, um die Wiederherstellung des Thrones der Jagel- lonen nicht zu wünschen. Es wäre nicht vernünf­tig von ihnen, wenn sie nach dem heutigen Ti­tanenkampf erwarten würden, daß wir eine für uns nachteilige Lösung annähmen. Es bleibt also nur die Wahl, ob das befreite Polen dem Deut­schen Reiche oder Österreich-Ungarn angegliedert wird. Eine unerläßliche Bedingung der Zufrieden­heit Polens ist es jedoch, daß die befreite Be­völkerung auf jeden Fall oder zumindest in ihrer Mehrheit einen einzigen staatlichen Körper bilde und zwar nicht als untergeordnete Provinz, sondern mit gesicherter staatsrechtlicher Individu­alität, mit polnisch-nationalem Charakter, mit pol­nischer Regierung. Wird Polen Österreich ange­gliedert, so müßte es einen einheitlichen Körper mit Galizien bilden; denn die Befreiung Polens

darf nicht den Eindruck einer neuen Teilung er­wecken, die Freude über die Abschüttelung der russischen Herrschaft darf nicht durch den Schmerz einer neue» Teilung ausgewogen werden.

Graf Andrassy tritt schließlich dafür ein, daß es am klügsten wäre, wenn bei unbedingter Si­cherung unlerer Großmachtstellung, die für die Polen ebenso notwendig ist wie für uns, die ge­schichtliche Individualität des polnischen Volkes und seine natürlichen Rechte respektiert werden. Eine in gemeinsamer Eintracht gesuchte Lösung läge im wirklichen Interesse aller Beteiligten und sei aucb nicht allzu schwer zu erzielen.

Die .TaqeSdenchte.

Grotzes Hauptquartier 1VTV. (amkl.)

Dienstag, 28. September. lScstlicher Kriegsschauplatz.

Der Gegner setzte seine Durchbruchsversuche auch gestern fort, ohne irgend welchen Erfolg zu erreichen. Dagegen erlitt er an vielen Stellen lehr empfindliche Verluste. Bei Loos unternahmen die Engländer einen neuen Tagesangriff, er ver­puffte völlig wirkungslos. Unsere Gegenstöße brachten neben guten Geländegewinn 2V Offi­ziere und 758 Mann an Gefangenen, deren Zahl an dieser Stelle damit auf 3387 (einschließ­lich Offiziere) steigt. 8 Maschinengewehre wurden erbeutet.

Bei Souchez-Angres-Raclincourt und sonst auf der ganzen Front der Champagne bis fest an den Fuß der Argonnen wurden feindliche Angriffe restlos abgewiesen.

In der Gegend Souain brachte der Feind in merkwürdiger Verkennung der Lage sogar Kavallerie­massen vor, die natürlich schleunigst zusammen­geschossen wurde und flüchtete.

Besonders ausgezeichnet bei der Abwehr der Angriffe haben sich sächsische Reserveregimenter und Truppen der Division Frankfurt am Main.

In den Argonnen wurde unsererseits ein klei­ner Vorstoß zur Verbesserung der Stellung bei Fillmorte ausaeführt. Er zeitigte das gewünsch­te Ergebnis und lieferte außerdem 4 Offiziere »lud 258 Mann an Gefangenen

Der BegriffBrückenkopf".

Der militärische Mitarbeiter derFrkf. Ztg." schreibt:

In den Tagesberichten ist häufig vonBrücken­köpfen" die Rede. Was bedeutet dieser Ausdruck? Denken wir uns einen großen Fluß, der etwa durch eine Eisenbahn- und Straßenbrücke über­spannt ist. Wenn der Feind nahe an diesen Brücken sich befindet,'so kan» er durch Artillerie- seuer uns die Benutzung der Brücken verbieten oder unsere übergehenden Truppen in einer Lage an­greifen, in der sie sich nicht gut zum Gefecht zu entwickeln vermögen. Wie könne» wir das ver­hindern ? Indem wir den Feind soweit von den Brücken entfernt halte», daß sein Feuer nicht mehr auf die Übergangsstellen wirken kann, und daß unsere übergehenden Truppen genügend geschützten Raum haben, um sich entwickeln zu können. Wir «erden also ungefähr in Halbkreisform und dem Gelände angepaßt, einen Fortgürtel vor die Brücke schieben und in das Gelände zwischen die den feindlichen Jnfanterieangriff aufhaltenden Forts schwere Batterien stellen. Ist nun der Radius Reses Halbkreises (auch diese Form richtet sich "ach dem Gelände), vielleicht 8 Kilometer und haben unsere Geschütze eine Wirkungsweite von kV Kilometer, so können wir mit diesem einfachen Brückenkopf den Feind auf zirka 17 Kilometer vor dkr Brücke zum Gefecht zwingen, und ihm in

diesem Fall eine direkte Einwirkung auf die Brücke oder übersetzende Truppen verbieten, diese Truppen haben einen Frontraum von zirka 25 Kilometer ( Halbkreislinie), in dem sie sich nach Belieben und ohne Befürchtung, von einem feindlichen An­griff überrascht zu werden, entwickeln können.

Wir nennen einen solchen Brückenkopf perma­nent, wenn er schon im Friede» erbaut und bestückt worden ist. Alle Festungen an großen Flüssen sind als Brückenköpfe gedacht. Wenn die Halb­kreislinie nur auf der dem Feinde, das heißt seiner natürlichen Anmarschrichtung näher liegenden Seite befestigt ist, so wie wir ihn eben schilderten, so haben wir einen einfache» Brückenkopf vor uns, der sich zum doppelten erweitert, wenn auch auf der dem Feinde abgewendeten Seile eine befestigte Linie sich befindet, das ganze also einen befestigten Kreis darstellt, durch dessen Mitte der Fluß läuft.

Dieser aus der permanenten Festungslehre entnommene Begriff des Brückenkopfes geht von selbst auch auf die Bauten der provisorischen und Feldbefestigung über, die den Zweck haben, Brücken zu schützen und die Gefechtsentwicklung der über die Brücken marschierenden Truppen zu ermög­lichen. Ohne weiteres fügt sich dieser Aufgabe noch eine weitere an, nämlich die zurückgehenden eigenen Truppen aufzunchmen, sie in dem taktisch sehr unangenehmen Augenblick zu schützen, wo sich die zurückgehenden Massen oder Kolonnen in eine Marschkolonne zur Überwindung der Brücke ein­

stigen müssen. Wir haben schon bei Jwangorod und Warschau gesehen, wie solche Brückenköpfe die russische Offensive über einen großen Strom wirksam unterstützen konnten, wir sahen an fast allen andere» russischen Festungen, wie die Brücken­köpfe die zurückgehenden Armeen aufsaugten, auf der vom Feinde abgewandten Seite gewissermaßen wieder ausstießen und so dem russischen Rückzug wertvollste Dienste leisteten.

Ein starkes Fconthindernis, also z. B. ein großer Fluß ist für den, der sich nur verteidigen will, sehr angenehm. Es erschwert dem Feinde den Angriff und läßt den Verteidiger Zeit gewinnen. Geradeso aber, wie es dem Feind im Angriff behindert, so behindert es den Verteidiger von dem Augenblick an, wo er selbst offensiv werden, also die Vertei­digung mit dem Angriff vertauschen will. Hat der Verteidiger jedoch ein paar Brückenköpfe am Feindesufer ausgebaut oder besitzt er schon vom Frieden her einige permanente Brückenköpfe (Strom- sestungen), so hat er in ihnen die natürlichen Aus­gangspunkte für seine Offensive. Erst in jüngster Zeit sind uns Tarnopol und Trembowla dafür sprechende Beispiele gewesen. Und weil nun die moderne strategische Defensive mit allen möglichen Mitteln der Technik das Gelände für ihre Zwecke herrichtet, um gelegentlich zur Offensive überzu­gehen, deshalb spielen Brückenköpfe jeder Art in diesem Kriege eine so bedeutende und wichtige Rolle.