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Lnilon ArnNiche Ircrnöenliste.
Nr. liü I
Slimsinq, den 25. September Il)l5
I 5)1. Iabramili.
Diq Operation gegen Serbien und die serbische Armee.
/ Nach langer Pause wendet sich das Interesse
I wieder jenem Staate zu, der einst äußere Veranlassung des Krieges war und im Brennpunkt der Tagesgespräche stand. Dies Interesse erfährt in Deutschland dadurch die bedeutendste Steigerung, daß uns im Tagesbericht vom 20. September zum ersten Male vom Feuer deutscher Batterie» berichtet wird, die über die Donau hinüber serbische Artillerie zum Schweigen gebracht habe».
Unschwer ist in diesem Kanonendonner das Signal zu einer neuen, groß angelegten Offensive gegen Serbien zu hören und es steht zu erwarten, daß deutsche Truppen hervorragenden Anteil an dieser Operation nehmen werden. Gewaltig lodert die Flamme des Krieges noch vor dem Herbst auf. Den vernichtenden Schlägen gegen die russischen Heeresmassen, die alle Berechnungen unserer Gegner über den Haufen warfen, folgt nun voraussichtlich ein Stoß nach Serbien hinein, um auch hier endlich reinen Tisch zu machen. Die Serben haben aus der allgemeinen Lage bisher den größle» Nutzen gezogen. Österreich-Ungarn brauchte alle seine Kräfte, um die bedrohliche Invasion der Russen in Galizien abzuweisen. Nur ein kleiner Teil seines Heeres konnte für die Operationen in Serbien frei gemacht werden, und diese» schwachen Kräften gegenüber blieb den Serben der Erfolg. Allerdings ein Erfolg, der nicht stark genug war, die eigene Offensive nach Österreich-Ungarn nun beginnen zu lassen. Doch war immerhin für Serbien viel gewonnen. Es trat jene lange Periode ein, die im Dezember begann und jetzt erst ihr Ende zu nehmen scheint, in der die Serben in ihrem Lande tun konnten, was sie wollten. Und jeder, der das serbische Volk kennt, wird ohne weiteres aunehmen dürfen, daß mit der größten Energie alles geschehen ist, um die durch Verluste und namentlich durch Epidemien schwer geschädigte Armee wieder zu reorganisieren und in einen kampfkräftigen Zustand zu versetzen, sowie die Landesgrenzen mit den denkbar stärksten Verteidigungswerken zu umgeben.
Die Save- und die Donaufront sind befestigt und werden von Truppen älterer Aufgebote bewacht. Hinter diesen Stromwachen sind stark befestigte Infanterie-Stützpunkte und Batterien entstanden, die den ersten Widerstand leisten werden. Noch weiter zurück dürfen wir uns die Gros der Armee» vorstellen, soweit diese nicht gegen die übrigen Teile der österreich-ungarischen Grenze und gegen Bulgarien Front zu machen haben. Jedenfalls dürfen wir das Vertrauen haben, daß die Offensive gegen Serbien diesmal mit soviel Kräften unternommen wird und unter derartig sicheren allgemeinen Verhältnisse», daß der Widerstand rasch und gründlich gebrochen werden kann.
Die leitenden Grundsätze der Operation sind uns naturgemäß nicht bekannt, wir wissen heute »och nicht einmal, ob überhaupt eine solche Operation in den nächsten Tagen schon beginnen wird. Die Kanonaden benSemendria und Belgrad sagen darüber zunächst nichts aus. Wir können daher auch nur in allgemeinen Zügen die Lage beurteile».
Wir nehmen, um nicht den Vorwurf des leichtfertigen Optimismus auf uns zu ziehen, an, daß die serbische Armee mit sehr starken Kräften dieser Offensive begegnen wird. Die serbische Oberste Heeresleitung hat zwar den Vorteil, daß die gesamte Nordgrenze des Landes von zwei großen Strömen, von der Save und östlich Belgrad von der Donau gebildet wird. Letztere ist mit ihren vielen hundert Bieter Breite ein riesiges Fronthindernis, das an sich leicht zu verteidigen ist. Wir Deutsche haben aber schon an der Weichsel gezeigt, daß die Geschicklichkeit unserer Technik und der Schneid unserer Truppen keine Hindernisse kennen. Die Schwierigkeit der serbischen Führung besteht rein strategisch darin, daß sie nicht von vornherein sicher weiß, an welcher Stelle der Grenze die Offensive einsetzen wird. Sie muß also ihre Truppen stark verteilen, oder sie gerät in die Gefahr, beim Einbruch der Offensive zu spät zu kommen. Nun ist die Savegrenze rund 120 Kilometer, die Donaugrenze rund 200 Kilometer lang. Durch diese mächtige Ausdehnung, die dem Angreifer eine Fülle von Möglichkeiten für Übergänge an verschiedenen Stelle», für Schein
manöver und Demonstrationen gibl, wird der Vorzug, den das Fronthindernis für Serbien an sich hat, wieder ausgeglichen. Allerdings wird die kleine gut organisierte serbische Fliegertruppe ihr Möglichstes tun, um jenseits der Ströme — die auch der eigenen Landaufklärung dasselbe unangenehme Hindernis sind wie dem Feinde — zu sehen und die entscheidenden Truppenversammlungen zu melden. Die zweite große Schwierigkeit für die serbische Oberste Heeresleitung liegt in der Haltung Bulgariens. Auch wenn Bulgarien noch neutral bleiben sollte, müssen sehr starke serbische Heerestelle an der bulgarischen Grenze Zurückbleiben.
Nu» die serbische Armee. Der serbische Soldat ist gut und tapfer, zäh und an EntbHrungen gewähl t. Die siegreichen Feldzüge gegen die Türken und gegen die Bulgaren haben das Selbstvertrauen der Soldaten und Offiziere merklich gehoben. Dieses Selbstvertrauen ist durch die Ereignisse in Serbien während des Weltkrieges nichl geringer geworden. Wir können also annehmen, auf eine Armee zu stoßen, die gut geführt wird und deren einzelne Truppenteile sich sehr gut schlagen werden. Unserer oberflächlichen Schätzung nach werde» 4—500 000 Manu nötig sein, um oie Serben verhältnismäßig raich und endgültig zu schlagen.
Die Luqeöderichte.
Großes Hauptquartier. (W. T. V. amtlich). Donnerstag, 23. September. Westlicher Kriegsschauplatz. Begünstigt durch die klare Witterung herrscht auf der ganzen Front sehr rege Tätigkeit der beiderseitigen Artillerien und Flieger. Ein anscheinend gegen die Kirchhofstellung von Souchez beabsichtigter Angriff kam in unserem Feuer nicht zur Durchführung.
Ein feindliches Flugzeug stürzte in unserem Feuer nördlich von St. Menehoult brennend ab. Ein anderes mußte nach Luftkamps südwestlich von Moussiör landen. Die Insassen sind gefangen. Über Pont a Mousson schoß ein deutscher Flieger
i
Der „feige Kornyolrn".
Eine Schulgeschichte von Eugen Jsolani.
(Fortsetzung.)
Professer Embringhausen machte eine kleine Pause; man fühlt, daß es ihm schwer wurde, zu sprechen, und wirklich klang dies durch die Worte, die er sagte: „Meine lieben Schüler, es wird mir picht leicht. Ihnen das mitzuteilen, was ich noch M berichten habe, aber es muß sein, denn es ist der ausdrückliche Wunsch Mirbes, gewissermaßen sein letzter Wille, und ich bin es auch dem Andenken Kornholms schuldig." Gewiß erinnern sich alle des Vorfalles, der sich vor ein paar Jahren in der Sekunda abspielte, und bei welchem Oskar Kornholm und Artur Milbe beteiligt waren. Ich brauch? hier die Angelegenheit nicht ausführlich zu berichten, nur kurz will ich ermähnen, daß ich da- Nsals den Kornholm im Verdacht hatte, er habe sinen Aufsatz von Mirbe eingesehen, und daß ich M „feige" genannt, weil er sein Vergehen nicht ^gestehen wollte.
Nun, meine lieben Schüler, ich muß offen besannen, daß ich bis heute an jene Schuld Korn- Mms glaubte, obwohl ich damals den Vorwurf Wutlich zurücknahm, da der Vater Kornholms sür die Unschuld des Sohnes eintrat. Indessen Mute ich doch stets den Eindruck nicht loswerden, sich entweder der Vater Kornholms geirrt Me oder von seinem Sohn getäuscht worden sei.
So blieb denn — ich bekenne das hiermit offen — auf dem Kornholm in meinem Innern stets das Odium der Feigheit haften, und es ist mir von einigen seiner Mitschüler mitgeteilt worden, daß auch sie an diesem Urteil festhielten.
Aber, meine lieben Schüler, daß dieser Oskar Kornholm kein feiger Mensch war, das hat Ihnen schon der Herr Direktor nach dem Briefe des Hanptmann Ihres Mitschülers gesagt. Ich gestehe offen und ehrlich, ich habe dem Oskar Kornholm sehr unrecht getan, nicht er hatte damals das begangen, dessen ich ihn zieh, sondern Artur Mirbe. In seinem kurz vor seinem Tode geschriebenen Briefe, den mir die Krankenschwester übersandte, bekennt er seine Schuld. Artur Mirbe, ein fleißiger, tüchtiger junger Mann, war damals krank gewesen, hatte dadurch den ausgegebenen Aussatz zu machen vergessen und hatte ihn in einer Pause, während die andern Schüler auf dem Hofe waren, nach dem ersten besten Hefte das chm in die Hände gefallen, dem Hefte Kornholms, flüchtig niedergeschrieben. Er schreibt in seinem letzten Briefe: „Da Sie, Herr Professor, damals sofort den Kornholm bezichtigten und wiederholt sagten, mir wäre dergleichen nicht zuzutrauen, wagte ich mich nicht, Sie mit meinem Schuldbekenntnis zu unterbrechen. Dann war es zu spät; es war schlecht, sehr schlecht von mir. Ich war ein feiger Mensch, viel feiger noch als Sie, Herr Professor, den Kornholm hielten. Dieser scheute sich ja nur.
nach Ihrer Meinung, ein Schulvbekenntnis abzu- lege»; ich aber ließ ruhig den Verdacht auf einem andern lasten und bekannte nicht. Das war doppelte Feigheit. Aber hören Sie auf meine Entschuldigung, Herr Professor: Ich war in dem Wahn, daß ich Hütte die Schule verlassen, wohl meinem einzigen, höchsten Wunsche, zu studieren, entsagen müssen. Das schien mir entsetzlicher als der Tod. Ich glaubte das nicht überleben zu könuen. Und so griff ich damals freudig nach dem Strohhalm, den mir ihr fester Glaube an meine Unschuld bot. Im ersten Augenblick kam es mir da gar nicht zum Bewußtsein, welch schweres Unrecht ich gegen den lieben Oskar Kornholm beging. Dann habe ich mir wohl tausende Male Vorwürfe gemacht, aber ich brachte es doch nicht über mich, gutzumachen, was ich begangen. Ich war der Ferge und ließ es geschehen, daß man Kornholm so nannte.
So, meine lieben Schüler berichtet mir Mirbe über seine Schuld, und er bittet nicht nur mich um Verzeihung, er fleht mich auch an, den, wie er sich ausdrückt, „schwer betrogenen Oskar Kornholm" in seinem Namen um Verzeihung zu bitten und seinen Mitschülern mitzuteilen, wie sich damals die Sache verhielt und wie er alle getäuscht hat.
(Schluß folgt).