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Kiezu: Illustriertes KonntugsblaLt unö während der Scnfon Arntl'iche Iremöenlrste.

Nr. 98

Dienstag, den t7. August 1915 _ >51. Jahrgang.

Krieg und Volksgesuirdheit.

Ob es eines furchtbaren Krieges dazu bedurfte, das kann jetzt nicht die Frage sein. Tatsache ist, daß dieser Krieg in einer Menge schwebender Fragen, die auch die Schule beschäftigen, Auf­klärung schaffte und den Anstoß zu heilvollen Um­wälzungen gab trotz allem Unheil.

Wir, die wir auch in den letzten Jahren den Zustand des deutschen Volkes optimistisch beur­teilten, hatten gegen schwarzseherische Pessimisten oft einen schweren Stand. Man führte die sittliche Entartung unseres Volkes nach französischem Muster gegen uns ins Feld, wies auf die Ver­seuchung durch Alkohol hin und wartete über den Rückgang der Volkskraft mit erschreckenden Zahlen auf, obwohl zu derselben Zeit immer und immer wieder auf das beängstigende jährliche Zuwachsen von 900000 Seelen hingewiesen wurde.

Es ist nun gewiß nicht zu leugnen, daß unser Volkskörper in mancherlei Hinsicht angekränkelt war. Das lag neben den Mängeln, die allem Irdischen anhaften, im Wohlstand der Zeit, im zu vertrauensseligen Verkehr mit allerleifeinen" Nachbarn, in der Sorglosigkeit eines ruhmreichen Friedens. Und wir dürfen es ein Glück nennen, daß sich inmitten unseres Volkes immer wieder sehr scharfe Stimmen, warnende Rufe erhoben, Zeugen von Volksgesundheit, die Schäden ausstoßen wollten.

Es ist aber auch nicht zu leugnen, daß viele in Übertreibung unser Volk schlecht gemacht haben. Sie haben zu sehr verallgemeinert. Sie wurden zu Schwarzsehern und gaben neidischen Nachbarn, die den deutschen Aufschwung nebenher sahen, eine böse, verführerische Waffe in die Hand. Diese glaubten, Deutschland wirklich schwach zu finden, und überfielen uns, uns den Garaus zu machen. Sie glaubten insbesondere an das alte Gerede innerer Zerrissenheit. Ja, wenn's manchmal in Versammlungen, Tagungen, Land- und Reichstag­sitzungen scharf zuging, so war der tiefste Grund eben nicht Uneinigkeit und Schwäche, als vielmehr Aufklärungsdrang, Wahrheitsdurst, Verantwortlich- keitsgefühl, Interesse des letzten und einfachsten Mannes, lauter Zeugenvon Volksgesund­heit, wo einer den anderen zum Besten, wenn auch oft im Irrtum, zu fördern bestrebt war. Das ist eben deutsche Art; die finden wir sonst nirgends so in der Welt. Sie sieht nach außen etwas derb aus. Aber wehe dem, der sich Neinmischt mit langen Fingern, mit glatten und schönen Reden oder in robuster Kraft. Einige Fäuste belehren ihn über die Tatsache der eisernen Geschlossenheit um all der Güter und Ideale willen, um die eben noch in den eigenen Reihen geeifert wurde. Dieses Schauspiel hat dieser Krieg >u großen Zügen entrollt. . . uns zur Lehre und zum Heil. Im Kleinen spiegelt sich dasselbe in jeder deutschen Lebens- und Arbeitsgemeinschaft.

Wir sehen: In mancherlei Hinsicht war die Gesundheit unseres Volkes trotz der Feinkultur, die die Völker schwächte, eine gute. Wir dürfen daher auch diese zwei wichtigenFaktoren zählen: Unsere Millionen, die im Felde stehen, weisen nicht die.Spur von Unterernährung auf sonst wären sie nicht solcher hervorragenden Pistungen fähig und sie find des Lesens und Schreibens bis auf den letzten Mann kundig und dlgener Erwägungen fähig, selbständig im Denken uud Handeln und des Weites der einzelnen Kraft, aber auch der Tragweite der persönlichen Unter- ordnung sich bewußt sonst erfolgten solche schwierigen Operationen, wie sie dieser Krieg in ^°ßer Anzahl bringt und fordert, nicht geradezu

verständlich.

In mancherlei Hinsicht hat der Krieg noch klarer enthüllt, in welch gutem Gesund- heitszustand das deutsche Volk sich befand, ja er hat diesen Stand noch gefördert. Er be­deutet, nachdem er da ist, eine Generalmusterung für alles Volk und eine Generalprobe aller Kräfte, nicht zuletzt einen Maßstab für die Volksbildung und Volkserziehung in den einzelnen Staaten. Sonst rüstete sich in den Sommermonaten, wer es irgendwie machen konnte,aus Reisen" und die gingen zumeist ins Ausland und waren zumeist Erholungsreisen". Wir wissen, daß das Reisen bildet, und verkennen keineswegs den tiefgreifenden Wert, das Ausland durch und durch kennen zu lernen. Darauf beruht heute eine Stärke der Deutschen, auch eine Stärke der deutschen Lehrerschaft für ihr Berufswesen. Wir unter­schätzen nicht einmal, was der Wechsel der Örtlich­keit, der Lebensweise, der Betätigung, der zeitlichen Trennung sonst zusammenlebender Menschen Gutes in sich schließt. Aber ganz abgesehen von der wirtschaftlichen Schädigung des eigenen Landes und von der Zurücksetzung der herrlichsten Heimat, abgesehen davon, daß Gegenwerte nicht in gleichem Maße ins Land kamen es war für den gesunden Menschenverstand geradezu unbegreiflich, daß nicht nur der Mann und die Frau, sondern auch das Kind und sogar das Enkelein ins Ausland mußten, weil sie soabgeschafft" und soauf­geregt" und so schrecklichnervös" und sobleich­süchtig" und soüberreizt" waren. Der Schrei nach Entlastung durchzitterte täglich die Schule. Man hatte den Eindruck bekommen müssen, daß es überhaupt keinen gesunden Menschen mehr gebe, und mußte sich schier genieren, wenn man daheim oder doch im Lande Ausspannung suchte. Hygienische Aufstellungen überzeugten dazu noch, daß die Nervosität schrecklich um sich greife, sogar unter den Kindern auf dem Lande. Von über­triebener Heikelkeit, Ansteckungsangst und gebildet aussehen sollender Feintuerei und Weichlichkeit nicht zu reden I

Wer braucht diesmal diesehochmoderne Sommerkur"? Kein Mensch! Und warum nicht? Kurz gesagt: Weil alle etwas Richtiges zu schaffen und etwas Tüchtiges zu denken haben I Und alle wundern sich, daß sie gar nicht nervös sind, wie sie meinten. Was können sie alles ertragen und mitansehen? Und alle beherrschen sich und beachten Kleinig­keiten, Launen, Grillen und Mucken nicht, die sonst den Grund zur Erholungsbedürftigkeit ab- gaben. Leider, daß es zu solcher Erkenntnis erst durch den Krieg kam! Immerhin, ists nicht ein großes Zeugnis für die deutsche Ge­sundheit? Was leisten alle die draußen, auch die Jüngsten? Was leisten all die Frauen und Mädchen? Die hygienische Läpperei um das Kind schweigt eine Weile ganz. Unsere Buben tun Soldäterles und die Mädchen stricken Strümpfe; sie essen wieder Schwarzbrot und befinden sich wohl dabei. Und alle dem setzt ein Kaiser- wort die Krone auf:Das Volk, das die besten hat, wird siegen und das sind wir." Der Furor Teutonicus hat sich durch seine Kulturver­irrung unlerkriegen lassen: nicht vor Jahrtausenden vom alten Rom mit seinen Sünden, nicht heute von Paris mit seiner teuflischen Grazie. Aber dieser entsetzliche Krieg wird ihm auf Jahrzehnte warnend nachgehen: Sei auf der Wacht! Und bleibe hart auch gegen dich selbst IUnd das sind wir" die lauge als entnervt Verrufenen, weil wir uns selber den Schein gaben. Wir dürfen es im Gegenteil geradezu als hervorragendes Zeugnis deutscher Gesundheit an- sehen, daß die deutschen Nerven in dem Riesen- ausschwung weniger Jahrzehnte mit gingen.

mitschwangen und mit durchhielten. Beweglichkeit der Muskel und der Geisteskräfte ists, was durch unser Volk im Großen und Ganzen geht bis aufs Land hinaus, wo die Maschine Futter schneidet und das elektrische Licht die Stallung erhellt. Gegen Überreizung traten neben­her neue Kräfte und Mittel auf den Plan. Wahr­lich, ein gesundes Volk, das das Gleichgewicht zwischen Geist und Körper, zwischen Last und Lust, zwischen Entbehrung und Genuß, zwischen Arbeit und Erholung auf jeder Stufe seines raschen Aufstiegs wahrnimmt! Und daran sind bis heute alle deutschen Volksschichten gleichwertig beteiligt. Darum stehen sie heute so gleichwertig Schulter an Schulter, Männer und Frauen in Heldenkraft und Frauen und Männer in Seelengröße, einander ergänzend, wieder mehr denn je, zu einem gesunden, noch weiter aufstrebenden Volksganzen. Unser Volk braucht aber auch diese neue Gesundung, diese durchgreifende Aufklärung über seine Kräfte.

Über diesem günstigen Stand der Dinge ver­gessen wir jedoch nicht der zahlreichen Opfer an Helden, die für unsere Volkskraft einen schweren Verlnst bedeuten, nicht der zahllosen In­validen, die trotz aller Kunst der Arzte ein Bild des Elends wohl auf Jahrzehnte hinaus bieten, nicht der vielen Tausende, die nach schwersten Strapazen zeitlebens eine Schwächung ihrer Ge­sundheit mittragen werden! Der schöne Wahn vom Kraftmenschen und vom Übermenschen, dem eine Zeitlang auch die Schule huldigte, ist abermals zerstört. Aber in der Erfüllung neuer Aufgaben, die uns damit werden, wird sich unser Volk ge­sinnungstüchtig erweisen, indem es Wunden heilt und Schmerzen stillt und Bekümmerte aufrichtet. Wer von allen andern begriffe heute nicht das schöne Wort in seiner tiefsten Bedeutung:Wir haben keine Zeit müde zu sein" ? Nein, wir wollen nicht müde sein, solange so viele mehr und Größeres leiden und schaffen, denn wir. Und rasch wird sich nach alle dem Schrecklichen ein freundliches Bild von unserem deutschen Volk aufrollen, ein Bild, das neue Züge von dem Willen weiterzu­leben und weiterzustreben aufweist.

Die Tagesberichte.

Großes Hauptquartier. (W.T.B. amtlich)

Samstag, den 14. August.

Westlicher Kriegsschauplatz.

In den Argonnen wurden am Martinswerk neue Fortschritte gemacht. Die Zahl der Ge­fangenen stieg auf 4 Offiziere und 240 Mann. Oettlicher Kriegsschauplatz Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls von Hindenburg:

Nördlich des Njemen in der Gegend von AlesowKupischkyWeschinty und Kowarsk ent­wickelten sich neue Kämpfe. Vor Kowno nahmen unsere Angriffstruppen den befestigten Wald von Dominikanka. Dabei wurden 3 50 Gefangene gemacht.

Zwischen Narew und Bug erreichten unsere Armeen in scharfem Nachdringen den Slina- und Nurzecabschnitt, in dem der Gegner zu neuem Widerstand Halt gemacht hat.

Im Norden von Nowo-Georgiewsk wurde eine starke Fortstellung erstürmt. S Offiziere, 180V Mann und 4 Maschinengewehre fielen in unsere Hände.

Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold v. Bayern.

Die Verbündeten Truppen nähern sich dem Bug nördlich von Sokolow. Westlich der Linie Lusice - Miendzyrzec versuchte der Feind durch

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