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Kiezu: Muflrrerles SonnlagsblaLL und während der Scrifon ArnLliche Iremöenlrste.

Nr. 7! I

Was Hilden wir vor Italien zu befürchten?

Italien hat bekanntlich die Form eines Stiefels und diese geographische Eigenart mag eine gewisse Vorbedeutung haben für das Schicksal dieses Landes I Stiefel müssengewichst" werden, um blank zu bleiben, und die italienischen Kriege bringen den Beweis dafür, daß Italien in allen seinen Kriegen als Stiefel behandelt wurde und die ihm gebührende Wichse bekommen hat. Stiefel müssen aber nicht nur gewichst sondern auchgeschmiert" werden. Das hat England im jetzigen Krieg richtig erkannt und viele Millionen Schmiergelder" wurden geopfert, um Italien zum Treubruch an seinen bisherigen Verbündeten gefügig zu machen! Tatsache ist es jedenfalls, daß Italien noch nie aus eigener Kraft einen Krieg gewonnen hat. Als König Karl Albert von Sar­dinien, der Urgroßvater des jetzige» verräterischen Königs Viktor Emanuel III., im Jahre 1848 an Oesterreich den Krieg erklärt hatte, wurde das italienische Heer am 25. Juli 1848 zum erstenmal bei Küstozza in Oberitalien durch den österreichischen Feldinarschall Radetzky geschlagen. Im Jahre 1849 folgten neue Niederlagen der Italiener bei Mor- tare und Nowara, worauf König Viktor Emanuel II., der Nachfolger Karl Alberts, Frieden schließen mußte und die österreichische Herrschaft in Ober­italien wieder hergestellt wurde. Die Erfolge, die im Kriege 1849 über die österreichischen Truppen errungen wurden, verdanken die Italiener lediglich der Hilfe der Franzosen unter Kaiser Napoleon III., der für seine Unterstützung die Abtretung Sa­voyens und Nizzas von Italien verlangte und auch erhielt. Im Jahre 1866 schloß Italien ein Bündnis mit Preußen gegen Oesterreich-Ungarn; aber während Preußen bei Königgrätz siegte, wurde die italienische Armee am 24. Juni 1866 zum zweitenmale bei Küstozza vollständig von den Oesterreichern geschlagen, und am 20. Juli wurde die italienische Flotte bei der Insel Liste, im Adriatischen Meere an der Küste von Dalmatien, durch die österreichische Flotte unter Admiral Te- getthoff so gut wie vernichtet. Trotzdem erhielt Äalien infolge der Unterstützung durch das sieg­reiche Preußen die damals noch österreichische

Dienstag, den 15. Juni 1915> öl. Jahrgang.

Provinz Venetien mit der Hauptstadt Venedig, wie ihm auch im Jahre 1870 als Folge der deutschen Siege in Frankreich der Kirchenstaat mit der Hauptstadt Rom mühelos in die Hände fiel. Nachdem Frankreich im Jahre 1881 die Italien gegenüberliegende, vorwiegend von Italienern ko­lonisierte nordasrikanische Provinz Tunis sich an­geeignet hatte, versuchte Italien den afrikanischen Negerstaat Abessinien unter seine Oberhoheit zu bringen. Nach anfänglichen Erfolgen wurde jedoch die dortige italienische Armee im Jahre 1896 bei Adua vernichtend geschlagen und dieGroßmacht" Italien mußte in dem darauffolgenden Frieden vom Addis Abeba die vollständige Unabhängigkeit des halbzivilisierten Negerstaates anerkennen. Abes­sinien halte damals nur 3 Millionen Einwohner. Im Jahre 1911 überfiel Italien die Türkei, um ihr die Provinz Tripolis in Nordafrika zu entreißen. Da Tripolis Italien gegenüberliegt, konnte Italien durch seine Flotte beliebige Truppen­mengen hinübersenden, während die Türkei, die damals noch keine nennenswerte Flotte besaß, keinerlei Verstärkungen nach Tripolis zu schicken vermochte. Trotzdem erlitten die Italiener in Tripolis schwere Schlappen und sehr schwere Ver­luste, die ihnen hauptsächlich durch den kühnen Führer der türkischen und arabischen Truppen in Tripolis, den jetzigen türkischen Kriegsminister Enver-Pascha, zugefügt wurden. Die Italiener vermochten sich in Tripolis in der Hauptsache nur an der Küste zu halten und auch nur so weit, wie die Geschütze ihrer Kriegsschiffe reichten I Erst nachdem Anfang Oktober 1912 die Balkanstaaten Bulgarien, Griechenland, Serbien und Montenegro der Türkei den Krieg erklärten, willigte die tür­kische Regierung am 15. Oktober 1912 im Frieden von Lausanne in die Abtretung von Tripolis an Italien. Trotzdem hat der Widerstand der Ein­geborenen in Tripolis gegen die italienische Herr­schaft nicht aufgehört, und die Italiener erlitten erst vor kurzem eine schwere Niederlage, bei der die gesamte Artillerie des betreffenden italienischen Truppenteils von den aufständischen Arabern er­obert wurde, während die von den Italienern ge­bildeten Eingeborenen-Regimenter zu den Auf­ständischen übergingen. Daraufhin hat die ita­

lienische Regierung beschlossen, alle im Innern von Tripolis befindlichen italienischen Besatzungen zurückzuziehen und nur die Küstenplätze zu halten. Die Kolonie Tripolis ist etwa doppelt so groß, wie das deutsche Reich. Diese kurzgefaßte Ge­schichte der italienischen Kriege zeigt klar, daß die Tapferkeit der italienischen Truppen nicht so groß ist wie die Verschlagenheit und die Gewissenlosig­keit der italienischen Regierung.

Die Tagesberichte.

Großes Hauptquartier. (W.T.V. amtlich).

Samstag, den 12. Juni.

Westlicher Kriegsschauplatz.

Feindliche Angriffe in den Dünen nordöstlich von Nieuport und Mannekensiere aus dem Osthab­hange der Lorettohöhe und gegen Souchez wurden abgeschlagen.

In dem Nahkampfe nördlich Ecurie (Labyrinth) setzten die Franzosen gestern zweimal mit frischen Kräften zum Angriff an. Es gelang, den Feind vollständig aus unserer Stellung zu werfen. Ein abends einsetzender neuer Vorstoß der Franzosen brach in unserem Jnfanteriefeuer zusammen. Der zurückflutende Feind erlitt sehr erhebliche Verluste.

Bei Serres (südwestlich Hebuterne) sind wir aus unserer rückwärtigen Stellung wieder im Vor­gehen.

Oestlicher Kriegsschauplatz.

An der Dubissa in Gegend Zoginie und Be- tigola mißlangen russische Vorstöße.

Nördlich Prasznysz griffen unsere Truppen an, stürmten eine russische Stellung und nahmen 150 Mann gefangen, einige Maschinengewehre und Minenwerfer.

An der Rawka, halbwegs BolimowSochae- zew, brachen mir in die feindliche Stellung ein. Bis jetzt wurden 600 Russen gefangen.

Südöstlicher Kriegsschauplatz.

Oestlich Przemysl ist die Lage unverändert.

Die Armee des Generals v. Linsingen hat den von Norden her gegen ihren Flügel vorgehenden

Ai Mm Gefährlichkeit «scmkeMr.

(Fortsetzung.)

Bei den Franzosen finden wir einen Grund hur Feindschaft, den wir nach unserer Terminologie alsnationalen" bezeichnen müssen; er ist im letzten Grunde mystisch; wir können ihn beschreiben, aber nicht erklären, und man könnte sich denken, wenn ein anderes Volk im heutigen Frankreich lebte.'dann würde es nicht vorhanden sein.

Kurze Zeit, nachdem Frankreich ein Einheits­staat geworden ist, weisen die Franzosen eine merk­würdige Leidenschaft für ihren Staat auf, die sich sanz gut mit einer gewissen anarchistischen Gesinnung Segenüber seinen sittlichen Forderungen verträgt. Äan spricht da gewöhnlich von der französischen welkest und der Sucht nach Glanz; es ist aller wohl bedenklich, Eigenschaften von Individuen über eine Gesellschaft auszusagen. Der Staat er- Mn den Franzosen zunächst als die Monarchie, sogar als die Person des Monarchen; mit einem ^ahn ohnegleichen haben sie ihren Monarchen altes geopfert, wie der Herzog von Saint-Simon sagt, haben sie Ludwig XIV. sogar die Ehre Üsgeben; dann, mit derselben Wut, nachdem sie w Monarchie gestürzt hatten, haben sieb,a Kranes" oerI/Lmpsreur" zu ihrem Götzen gemacht. Wir üchen der sonderbaren Erscheinung zu nahe, um * ""fällig zu finden, wie sie ist.

Eine ihrer merkwürdigen Folgen ist, daß die

jeweilige Regierungsform der Franzosen sich mit suggestiver Gewalt schwächeren Völkern von selber auslegte, so töricht und schlecht sie war: erst ihre absolute Monarchie und dann ihre Republik; im Suggestionsstadium der letzteren stehen wir noch heute, und diese Suggestion erklärt allein die grund­losen Sympathien, welche die Franzosen bei allen möglichen Völkern haben. Die Begeisterung für ihren Staat trieb die Franzosen immer zu Kriegen, wenn sie sich stark genug glaubten; diese Kriege waren aber im letzten Grunde immer sinnlos, weil sie keinen vernünftigen Zweck harten, sondern nur Ausfluß ihres politischen Selbstgefühls waren. So wird dann in Zeiten, wo sie mächtig sind, ein schwindelndes Gebäude einer Herrschaft errichtet, von der sie eigentlich gar nichts haben.

Rußland hat durch jede Kriegsperiode Land, England Ausbreitungsmöglichkeiten gewonnen, beide ost ohne sonderlichen Ruhm; Frankreich hat oft großen Ruhm erworben, und nachher war alles aus; jene Länder haben sich bereichert und gestärkt durch ihre Kriege, Frankreich wäre durch sie gänz­lich verarmt und machtlos geworden, wenn es nicht auf einem fruchtbare» Boden in günstigem Klima immer eine fleißige, nüchterne, sparsame und kinderarme Bevölkerung gehabt hätte. Es ist töricht zu sagen: Die Republik ist der Friede, oder die Monarchie ist der Friede. Wenn sich nun unter jeder möglichen Staatsform seit Jahr­hunderten genau wiederholt, daß die Franzosen

sinnlose Kriege anfangen, wenn sie siegen, sich übermütig betragen, und wenn sie besiegt werden, jammern, daß sie gar keine Schuld haben, sondern daß ihre schlechte Regierung sie hineingeriffen hat, so darf man daß als typisch für sie betrachten, ebenso wie man Ereignisse, wie die Bartholomäus­nacht oder die Septembrisaden, als typisch für sie betrachten muß. Mit anderen Worten: solange in Frankreich Franzosen leben, wird uns immer von Westen Kriegsgefahr drohen, und solange Frankreich nicht schwach ist, haben wir keine Ruhe.

Um solche Dinge klar zu machen, sind Ab­straktionen nötig, und muß man Dinge schärfer darstellen, als sie in der verwischenden Wirklichkeit scheinen. Mit dieser Verwahrung sei das Folgende über England gesagt:

England ist immer das Land der zwei Nationen gewesen: die eine Nation fuhr auf der See, raubte und handelte, und die andere blieb zu Hause, stellte die Dienstboten für die anderen, welche mit dem gewonnenen Geld gut bezahlt wurden, arbeitete in Werkstätten die Gegenstände, mit denen die andere handelte, und säte und erntete das Korn, das sie. Nur die Interessen der einen Nation kommen in Betracht, und wenn man etwa das Korn billiger von außen erhandeln kann, so ver­treibt man den Teil der anderen Nation, welche den Acker bebaut und richtet die Felder für die Jagd ein. Solche Staatsgebilde hat es immer gegeben, seit dem ältesten Babylon, und alle haben