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Nr. 7« I
Samsraq, dm 12. Juni 1915
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Wieder einmal sieht die deutsche Heeresleitung sich genötigt, gegenüber der französischen Republik zu dem Mittel der Vergeltung zu greifen, nachdem alle Bemühungen, sie von schnöden Vergewaltigungen deutscher Kriegs- und Zivilgefangenen abzubringen, vergeblich geblieben sind. Amtlich wird uns darüber folgendes mitgeteilt:
Schon im November v. I. hat die deutsche Regierung die Forderung gestellt, daß die deutschen Kriegs- und Zivilgefangenen ans Afrika an klimatisch einwandfreie Orte geschickt werden sollten. Diese Forderung ist durch die amerikanische und auch durch die spanische Botschaft verschiedentlich wiederholt worden.
Die französische Regierung hat es für nötig gefunden, darauf nur zu antworten, daß die Deutschen in Dahomay an gesunden Orten lebten — was nicht zutrifft — und daß nur diejenigen nach Frankreich zu senden wären, deren Gesundheit einen längeren Aufenthalt in Afrika nicht gestattete.
Frankreich hat also diese Forderung nicht erfüllt.
Zurzeit befinden sich annähernd 400 deutsche Kriegs- und Zivilgefangene in Dahomay, teils aus Kamerun, teils aus Togo, und mehrere Tausende von Kriegs- und Zivilgefangenen in Marokko und Tunis und den anderen französischen Besitzungen.
Uebereinstimmende sichere Nachrichten besagen, daß unsere Deutschen dort, an den verschiedensten Plätzen verteilt, und besonders in Dahomay, geradezu schmachvoll behandelt werden. Zum größten Teil müssen sie in glühender Sonnenhitze schwere körperliche Arbeiten verrichten (Wegearbeiten, Steineklopfen usw.)
In Dahomay ist ihre Bekleidung völlig unzureichend. Sie durften nichts aus Kamerun oder Togo milnehmen; in den leichten Sachen wurden sie im Herbst 19t4 nach Dahomay gebracht. »Abgerissen", mit leichten Kopfbedeckungen, verrichten sie ihre Arbeit.
Sie werden fast nie in Europäerwohnungen gebracht, sondern leben in selbsterbauten Lehmoder Strohhüten, ohne Moskitonetze, auf Strohmatten, ja auf nackten Fußboden. Zum Teil zimmerten sie sich ihre Betten selbst. Sie müssen selbst kochen, eine Bedienung wird ihnen zum Teil versagt. Die Bewachung geschieht in entwürdigender Weise durch Schwarze, die den Weißen ihre Macht zeigen. Die französische Zeitschrift Minoir hatte sogar die Stirn, dies in einem Bilde zu bringen, das von einem höhnischen Kommentar begleitet war.
Es fehlt an den nötigen Medizinen, wie Chinin usw., und an ärztlicher Hilfe. Ein französischer Arzt sagte: „Die Männer sollen leiden."
Das Klima in Dahomey ist eines der mörderischsten der ganzen Westküste Afrikas; nicht nur deutsche sondern auch französische Fachleute haben sich in diesem Sinne geäußert. Gelbes Fieber, Schwarzwasserfieber, Malaria sind an der Tagesordnung. Man kann sich nur mit Hilfe von Moskitonetzen gegen die Insekten schützen. Wenn es auch Orte geben mag, die für den Europäer einigermaßen bewohnbar sind, so ist das Klima im allgemeinen eines der ungesündesten.
Nicht besser ergeht es unseren Kriegsgefangenen in Nordafrika. Mit dem fortschreitenden Sommer erhöhen sich dort die Tagestemperaturen auf 50 und 60 Grad Celsius. Ohne Tropenhelme müssen unsere braven Soldaten in dieser Gluthitze schwerste Arbeiten verrichten. Das einzige, was die französische Regierung bis jetzt zugestanden hat, ist eine Verlängerung der Mittagspause von 11 bis 3 Uhr. Nach übereinstimmenden Urteilen von Fachmännern ist es für Europäer und noch dazu solche, die des Klimas ungewöhnt sind, ohne Gesundheitsschädigung unmöglich, diese Arbeiten auszuführen.
Noch schlimmer erscheint es, daß die Franzosen auch Verwundete und Kranke nach Afrika gebracht haben und ohne Erbarmen zur Arbeit zwingen.
Die Ernührung ist auch hier durchaus unzureichend. Die Pakete aus der Heimat kommen in den meisten Fällen beraubt oder gar nicht an; auch die Geldsendungen gehen sehr unregelmäßig ein. Die Strafen sind außerordentlich grausam.
eine Tatsache, die aus der Fremdenlegion schon längst bekannt ist. Vielfach haben Kriegsgefangene aus Verzweiflung über ihre Lage den Lockungen zum Eintritt in die Fremdenlegion nachgegeben, wo sie es natürlich auch nicht besser haben.
Aus einer großen Anzahl von Briefen hört man übereinstimmend die erschütternden Klagen über die Leiden unserer gefangenen Krieger in Afrika heraus. Hierbei ist zu bedenken, daß all« Postsachen der Prüfung durch die Zensur unterliegen und die Leute nicht das schreiben können, was sie wollen. Aber durch die eidlichen Aussagen zurückgetehrter Frauen und Missionare und in durchgeschmuggelten Nachrichten zeigt sich stets dasselbe traurige Bild.
Unsere Heeresverwaltung hat sich gezwungen gesehen, da alle Verhandlungen erfolglos blieben, nunmehr zu Taten, d. h. zu energischen Gegenmaßregeln, zu schreiten. Das mörderische Klima von Dahomey steht uns nicht zur Verfügung, auch auf dem Wege der Erniedrigung der weißen Raffe durch die Aufsicht von Schwarzen vermag Deutschland dem Kulturstaat Frankreich nicht zu folgen.
Aber man wird kriegsgefangeneFran- zosen in ungefähr gleicher Anzahl, wie unsere Kriegs- und Zivilgefangenen in Afrika, aus den schönste» Gefangenenlagern, wo sie alle Annehmlichkeiten und alle Fürsorge seitens der Lager- kommandanturen genießen, zu Arbeiten in die Moorkulturen überführen. Die Auswahl der Gefangenen wird ohnejedeRück- sicht auf sozialeStellungundBeruf geschehen, genau so, wie es Frankreich mit unseren Kriegsgefangenen in Afrika macht.
Wir wollen dadurch erreichen, was der Appell an die Menschlichkeit Frankreichs und langmütigste Verhandlungen bisher nicht errreicht haben.
Wir wissen aus zahlreichen Zuschriften aus unserem Leserkreise, daß die hier gegebene Schilderung der Leiden deutscher Kriegsgefangener in Afrika in jedem Punkte den Tatsachen entspricht. Der Ruf nach Vergeltung war schon lange erhoben worden, die deutsche Gewissenhaftigkeit aber verlangte, daß erst der Versuch gemacht würde, im Wege der Verständigung oder der Einwirkung dritter Stellen die französische Regierung zur Um
NttelMkGesthüiWt iinlmrEkM.
Es darf noch nicht öffentlich über die Bedingungen des Friedensschlusses geredet werden; aber es ist natürlich, daß die Wünsche und Erwartungen, welche sich an den Frieden knüpfen, sich unbewußt und ungewollt überall äußern. Das >st ja auch durchaus wünschenswert, denn eine nach außen schädlich wirkende Polemik kann daraufhin wcht entstehen, und auf jeden Fall werden die Ansichten doch geklärt.
Auch die häufig auftretenden unbegründeten Gerüchte über bevorstehenden Friedensschluß mit der einen oder anderen Macht gehören hierher. ^>e entstehen aus Sympathien für den einen oder °en anderen Gegner, mit dem man späterhin hofft, desser auskommen zu können. Die Sympathien lur ein anderes Volk pflegen sich zu entwickeln, "enn man eine Verwandschaft mit ihm annimmt, schätzt"^"" seine staatlichen Einrichtungen
. Haben diese Sympathien schon in Friedens- Men ihre Bedenken, so sind sie hochgefährlich im ^ueg, und es ist deshalb wohl nicht unangebracht, wenn man sich ihre Bedeutung einmal klar macht.
der auf angeblicher Rassengemeinschaft Uhenden Sympathie hört man augenblicklich wenig, ch sie England zugute kommen würde, das durch ^ Politik doch einen zu energischen Haß erzeugt über die Sympathie, welche auf hochgeschätzten
staatlichen Einrichtungen der anderen Völker ruht, ist scheinbar rationeller und wirkt deshalb immer. Konservative Männer denken, mit Rußland kann man sich schließlich immer verständigen, aber England und Frankreich sind gefährlich; und liberal gesinnte glauben, daß man mit Frankreich oder namentlich England doch leicht zu einer Einigung kommen müsse, aber der Zarismus müsse niedergeschlagen werden.
Diese» Ansichten liegt eine Ueberschätzung der politischen Formen zugrunde, welche zum großen Teil aus den innerpolitischen Kämpfen entstanden ist. Diese Kämpfe sind ja gewiß notwendig; aber die inneren Gegensätze sind nur an zweiter Stelle wichtig; die Gemeinschaft des Volkes ist wichtiger. Das sieht bei uns jeder ein mit Ausnahme einiger sich jetzt absplitternder Doktrinäre der Sozialdemokratie, die wie alle Doktrinäre eben das Unterscheidungsvermögen für die verschiedenen Grade der Wichtigkeit' der Erscheinungen nicht haben; und nach dieser Einsicht wird auch gehandelt. Aber im Gefühlsmäßigen bleibt natürlich doch immer die Ueberschätzung der politischen Formen, weil man ja lange Jahre sich immer nur der Gegnerschaft bewußt war und nicht der selbstverständlichen Gemeinschaft; und wo dann die Kontrolle der Einsicht fehlt, wie in dem scheinbar unverfänglichen Gedanken über einen Separatfrieden, da kommt sie wieder hervor.
So ist es denn wohl gut, wenn man sich ein
mal klarmacht: Was bedeuten eigentlich im bestimmten Fall, also für die Feindschaft gegen uns, die staatlichen Formen?
Wenn man sagt, daß jede Nation für ihr Handeln nur bestimmt wird durch ihre Interessen und durch nichts anderes, so sagt man gewiß etwas Richtiges. Man muß nur bedenken, daß eine jede Nation ihre Interessen selber bestimmt; daß nur ein Teil ihrer Interessen allgemein menschlich ist, ein anderer Teil aber national; und daß man, um diesen zweiten einzusehen, immer nur das Volk selber fragen muß; es ist aber sehr schwer, seine Antwort zu verstehen.
Etwa: wenn man die Karte studiert, so wird man finden, daß Rußland keinen genügenden Ausgang zum Meer hat. Jedes Volk, welches auf dem Boden des jetzigen Rußland lebt, wird, von einer gewissen Stufe der Zivilisation an, notwendig nach einem solchen Ausgang streben müssen; wenn die vorhandenen Ausgänge durch solche Nationen besetzt sind, daß ihre staatliche Existenz gefährdet wird durch dieses Bestreben, so wird das auf dem russischen Boden lebende Volk immer der Todfeind dieser Nationen sein müssen, mag das Volk nun slawisch oder tatarisch sein, mag es sich absolutistisch oder republikanisch organisieren. Zwei Ausgänge waren früher möglich; wenn jenes Volk mächtig genug ist, um sein Interesse vollständig durchzusetzen, wird es nicht eher ruhen, bis es einerseits Hamburg hat, andererseits Konstantinopel und die