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Kiezu: Illustriertes SonntagsbtaLL unö wähvenö der Saison Amtliche Iremöenl'iste. Nr. 60 I

Donnerstag, den 20. Mai 1915

I 51. Jahrgang.

Wie Emmi «nimm die jetzige läge seine«! König erklären inWc.

Wenn in Rom der bedeutungsvolle Entschluß gefaßt werden soll, der endgültig über Krieg und Frieden entscheidet, und der König das Ministerium empfängt, um seine letzten Vorschläge entgegenzu­nehmen, so ist es wahrscheinlich, daß er den Chef des Generalstabes nochmals um eine allgemeine Darlegung der Kriegslage in Frankreich und Ruß­land ersuchen wird, um sich daraus ein genaues Bild von der augenblicklichen Lage zu machen, in der sich die Zentralmächte einerseits, die West­mächte und Rußland andererseits befinden. Will der italienische Generalstabschef ein wahrheitsge­treues Bild entwerfen, das der augenblicklicheu, tatsächlichen Lage entspricht, so müßte er etwa salzendes ausführen:

1. Russischer Zusammenbruch in Galizien.

Auf dem östlich en Kriegsschauplatz haben die Russen in Westgalizien und in den Karpathen so­eben eine vernichtende Niederlage erlitten, bei der mindestens die 3. russische Armee, die am Dunajec und Biala-Abschnitt stand, und die 8. russische Armee, die den Karpathenkamm besetzt hielt, ge­schlagen, und zum größten Teil aufgerieben worden sind. Sie haben nach den letzten Nachrichten mindestens 175 000 Mann allein an Gefangenen verloren, dazu zahlreiche Geschütze und Maschinen­gewehre und den größten Teil ihrer Kolonnen und Trains. Genaue Angaben über den Umfang der Siegesbeute, die den verbündeten Truppen in die Haube gefallen ist, liegen noch nicht vor, aber sie wächst täglich, und man muß sagen, daß diese beiden russischen Armeen für die nächste Zeit nicht mehr als kampfkräftig betrachtet werden können. 6b noch andere Teile des russischen Heeres in den Rückzug verwickelt worden sind, läßt sich aus den bisher vorliegenden Meldungen noch nicht mit Sicherheit erkennen, es sind aber jedenfalls neue Verstärkungen herangeführt und in den Kampf ge­worfen, die aber ebenfalls geschlagen und mit in den Rückzug der übrigen Truppen verwickelt wor­

den sind. Irgendwelchen Einfluß haben sie nicht auszuüben vermocht.

Die Russen sind aus ganz Westgalizien heraus- geworsen und haben auch das Westufer des mitt­leren und unteren San-Abschnittes nicht zu be­haupten vermocht. Jaroslaw ist von den Ver­bündeten erobert worden. Mit den Spitzen stehen sie bereits halbkreisförmig um Przemysl. Das Gefährliche für die Russen liegt aber in dem sieg­reichen Vordringen der Verbündeten aus südlicher Richtung über die Karpathen gegen die Linie Przemysl Lemberg. Sie haben die wichtige Magiera-Höhe, südöstlich von Przemysl, bereits erobert und sind in Sa mbor siegreich eingezogen. Damit stehen sie vollkommen in der linken Flanke derjenigen russischen Abteilungen, die sich noch auf dem Ostufer des Sau-Abschnittes befinden und dort etwa versuchen sollten. Widerstand zu leisten. Die Verbündeten haben sich die Ausgänge aus dem Karpathengebirge erkämpft und damit den schwer­sten Teil ihrer Aufgabe erfüllt. Unter diesen Um­ständen ist es wenig wahrscheinlich, daß die Russen das Gelände zwischen San und Lemberg noch halten können, sondern sie werden voraussichtlich ihren Rückzug in der bisherigen Weise weiter fort­setzen müssen und auch ganz Mittelgalizien wieder räumen. Auch weiter östlich dringen die Verbün­deten vor. Die deutsche Südarmee des Generals v. Lin sin gen ist im Vormarsche über Skole auf Stryi und will anscheinend ihre Offensive un­mittelbar auf Lemberg richten. Noch weiter östlich hat auch die Armee Pflanzer-Baltin die Offensive ergriffen. Zwar haben die Russen versucht, durch eine mit stärkeren Kräften unternommene Offensive über den Dnjestr nordwestlich von Czernowitz das Vorgehen der Verbündeten aufzuhalten, und sie haben auch zunächst einige örtliche Erfolge erzielt, aber schon scheint ihr Vorstoß ins Stocken geraten zu sein. Ihre letzten Angriffe bei Kolomea wur­den abgewiesen, ja es wurde ihnen sogar von den Oesterreichern ein wichtiger Stützpunkt entrissen. In der Richtung auf Czernowitz hat wohl die Kraft gefehlt, die Angriffe gegen die Stellungen der Verbündeten fortzusetzen, denn es wird von einer Kampfespause berichtet, die dort eingetreten und lediglich durch Geschützfeuer ausgefüllt ist.

Jedenfalls haben die Russen keine entscheidenden Erfolge erzielt, die einen Umschwung der Lage herbeigeführt hätten. Ohne Rücksicht auf die Er­eignisse, die sich am Dnjestr abspielen, können die Verbündeten die Verfolgung der geschlagenen Russen weiter fortsetzen. Nach der jetzigen Lage muß damit gerechnet werden, daß die Russen aus ganz Galizien vertrieben werden können.

2. Russischer Rückzug in Polen.

Die Folgen des erfolgreichen Vorgehens der Verbündeten haben sich aber auch nördlich der Weichsel bis in die Gegend der Pilica erstreckt. Die Russen haben ihre dortigen Stellungen nicht halten können, sondern sind auf der ganzen Front im Rückzug nach der Weichsel begriffen. Die Ver­bündetem haben bereits die Höhengeländs der Lysa Gora vPi Feinde gesäubert und an der Weichsel die Höhan nördlich Klimontow iu Besitz genommen. Inwieweit dies auf ihre Stellungen nördlich der Pilica mn Rawka- und Bzura-Abschnitt von Ein­fluß seid wird, läßt sich noch nicht übersehen. Nach der ganzen jetzigen Lage ist es aber wahr­scheinlich, daß sie auch dort ihre vorderen Linien ausgeben und sich aus Warschau zurückziehen müssen, da sie sonst von den an der Pilica vordringenden Truppen der Verbündeten in ihrer Flanke empfind­lich bedroht werden.

Auf dem äußersten nördlichen Heeresflügel sind die Deutschen im Gouvernement Kowno vor- gedrungen, haben Libau erobert und stehen jetzt in der allgemeinen Linie LibauSzawleDubissa- Abtchnitt, nachdem sie die auf Mitau vorgeschobenen schwachen Abteilungen zurückgenommen haben. In ihrer jetzigen Front find aber alle russischen An­griffe abgewiesen worden, wobei die Russen zum Teil sehr schwere Verluste erlitten haben. Auch alle Versuche der Russen, aus der Njemen- und Narew-Linie gegen die deutschen Stellungen vor- zustoßen, sind gescheitert. Letztere sind so stark, daß auch erneute Angriffsversuche keine Aussicht auf Erfolg haben. Somit haben sich die Ver­bündeten auf der ganzen Schlachtfront von der Ostseeküste bis zur rumänischen Grenze den Russen überlegen gezeigt und haben den Gegner trotz seiner numerischen Ueberlegenheit an mehreren Stellen vernichtend geschlagen.

pariser SLraszenszenen.

Nach rund neun Monaten Krieg sind die, die sich durch die fortdauernde Aufregung an einen gewissen Reizzustand gewöhnt haben, kein Jota anders geworden. Zu dieser Sorte gehören vor allem die Hauseigentümer, die vermuten, ihre Miete einzubüßen und meinen, nachdem die deutsche Gefahr einstweilen gebannt sei, gegen eine andere ankämpsen zu müssen, nämlich die Justiz, die noch nicht daran zu denken scheint, den Pariser Haus­agrariern die früheren Gewaltmaßregeln gegen täumige Mieter zurückzugeben . . .

Aber neben diesen gibt es auch noch solche, me ungeschwächt aus dem Reichtum ihres vollen Herzens schöpfen und stets zu neuen schönen Aeußerungen dieser Tugend imstande sind.

So ein alter Schuhputzer an einer der belebtesten Voulevardecken, grau, mager und immerfort vor Mer Schuhputzkiste auf uud ab laufend ein grünes Vaud mit den Medaillen von 1870 auf der Brust. M hat während des Krieges keine goldenen Zeiten gehabt und in den ersten Monaten gar nichts mehr verdient, so daß er sich für eine ganze Zeit nicht Uf seinemBetrieb" einfand. Nun hat er neuer- vMs das Geschäft wieder eröffnet und sieht vom Morgen bis zum Abend das Boulevardleben an K n?^beiziehen, das vor allem in vielem Militär esteht; englisches und belgisches, genesende fran­

zösische Soldaten und die ganz jungen, noch nicht Abends schrieb er zu Hause mit großen Lettern nach der Front gegangene» Jungens in ihren, und seiner besten Rundschrift, zwar nicht direkt

schön, aber deutlich lesbar und auf einen großen weißen Karton:

neuen Uniformen. Sie kommen, soweit sie in Paris sind, des Mittags recht gerne auf den Boulevard, um sich ein wenig umzuschauen, oder Eroberungen" zu machen, sowie sie des Morgens, wenn das Wetter schön ist, auch die Champs Elysäes und die Tuilerienparks nicht verschmähe», wo die ersten keimenden Knospen so verlockend und versprechend zum Flirten einladen, je nach Rang und Stand, mit Kindermädchen oder Damen aus höheren Sphären.

Der Veteran von 1870 folgt mit warmen und liebkosenden Blicken dem vorübergehenden Militär. Die Verwundeten, die mit ihren Verbänden langsam daherkommen, die Verstümmelten, die leider auch nur allzu oft vorbeihumpeln mit Krücken, oder einem Arm, versetzen ihn in sichtbarste Rührung und von Zeit zu Zeit, wenn sie ihn zufällig an- sehen, erkühnt er sich, sie ehrerbietig zu grüßen.

Vor kurzer Zeit ist es ihm eines Tages zu viel geworden. Er, der nichts tat, als sie ansehen und grüßen, sollte er denn nicht mehr für die Helden tun können? Geld besaß er nicht. Aber er wollte doch etwas tun. Endlich kam ihm der erlösende Gedanke: wie wäre es, wenn er ihnen ihre Schuhe schön putzte? Blinkende Schuhe, das ist doch was fürs Militär, das wäre etwas, nach dem Dreckdasein in den Laufgräben. Und des

Man putzt gratis die Schuhe für französisches, englisches und belgisches Militär.

Am folgenden Morgen befestigte er diesen Karton an der Laternensäule der Boulevardecke, bei seiner Schuhputzbank. Nun läuft er mit tieferer Befriedigung vor fernem Posten rund und wenn ein Soldat kommt, so ein gelassener englischer Tommy, ein tüchtiger Belgier oder siernonchalanter Franzose und vor allem, wenn es ein noch vor­sichtig gehender Rekonvaleszent ist, dann reckt er sich in die Höhe, damit sie sein Schild sehen und man merkt deutlich, daß es seine größte Freude, sein größter Stolz wäre, einem fürs Vaterland verwundeten Helden in unerreichter Weise gratis die Stiesel zu putzen . . .

>1-

Ein anderer Punkt der Stadt. Auch die Ecke einer belebten Straße. Einer der Pariser Grün­warenwinkel mit ihren großen Auslagen an Gemüse, Geflügel, Fisch, Früchten und Primeurs. Die Ladenburschen innen sind durch weibliches Personal ersetzt sowie auf den Trams und in einem Teile vom Metropolitan aber draußen hantieren noch Männer, das heißt Jungens non etwa