Amtsblatt

fiir die SM Milddad.

Erscheint Dienstags, Donnerstags und Samstags. Bestellpreis vierteljährlich 1 Mk. 10 Pfg. Bei allen würl- lembergischen Postanstalten und Boten im Orts- und Nach­barortsverkehr vierteljährlich 1 Mk. IS Pfg.; außerhalb des­selben 1 Mk. 20 Pfg.; hiezu 15 Pfg. Bestellgeld.

t'UW

Anzeigest

fiik Wildd«) nnd Wgedimg.

Die Einrückungsgebühr

beträgt für die einspaltige Petitzeile oder deren Raum 8 Pfg.. auswärts 10 Pfg., Reklamezeile 20 Pfg. Anzeigen müssen den Tag zuvor aufgegeben werden; bei Wiederholungen ent­sprechender Rabatt.

Kiezu: Illustriertes SonntcrgsbLaLL und während der Saison Amtliche Iremöenliste.

Nr. 59 I

Dienstag, den 18. Mai 1915

I 51. Jahrgang.

Was Wird Italien tun?

Wer heute die italienischen großen Blätter in ihrer Mehrzahl durchblättert, wer die lauten Aeußerungen der Straße verfolgt, der möchte die Zeit wiedergekehrt glauben, da einst der Schwarze Tod die reichen Fluren verwüstete. Jene Szenen geistiger Verwirrung, sie kehren in der Form des politischen Wahns wieder, und,wie vor einer schweren unbegreiflichen Krankheit stehen wir Deutschen vor den Ausbrüchen der italienischen Volksseele.

Deutschland", so schreibt das bedeutendste Blatt Italiens,hat unser Land mit Spionen und Korruptionselementen überschwemmt, um Italien zu knechten; deutsche Soldaten vergiften in Afrika die Brunnen." Ein Mailänder Blatt rät, alle Deutschen, die heute noch in Italien weilen, an der nächsten Laterne aufzuhängen. Wir fragen unwillkürlich: Wie ist es möglich geworden, daß solche Gesinnungen in einem Lande öffentlich ausgesprochen und von der Bevölkerung begrüßt werden, dem wir seit einem halben Jahrhundert fast überall die Wege einer ruhmvollen Entwicklung geebnet und die friedliche Möglichkeit eines großen wmschaftlichen Fortschritts geschaffen haben? Als Crispi, der bedeutendste Staatsmann Italiens, am 16. September 1877 zu Bismarck nach Gastein kam, um ihm ein Bündnis gegen Frankreich an­zubieten, und als er später in Berlin und Fried­richsruh weilte, hat er stets mit warmer Leiden­schaft den Gedanken vertreten, daß die beiden, in ihrer politischen Entwicklung so ähnlichen Länder für alle Zukunft aufeinander angewiesen seien und in fester Verbindung das Zünglein an der Wage in der europäischen Politik werden könnten. Und heute dieser wilde Ausbruch des Hasses jenseits der Alpen, für den wir keine andere Erklärung M finden vermögen als die einer politischen Ver­irrung. Denn um welche praktische Werke handelt ^ sich, deren Besitz unser Verbündeter erstrebt? Italien verlangt nach der PariserTemps" ge­wisse Grenzerweiterungen im italienischen Sprach­

gebiet des Trientino, im österreichischen Küstenlande und in der dalmantinischen Inselgruppe. Deutsche Blätter berichten uns, daß das Wiener Kabinett bereit sei, in die italienischen Wünsche fast restlos zu willigen. Wenn nun aber Zugeständnisse und Forderungen so übereinstimmen, was bewegt dann die italienischen Politiker, trotzdem ihr Land in die Schrecken eines Krieges hineinzuwerfen? Wir wissen ja, wohin sonst noch die italienischen Wünsche im Miltelmeer zielen, aber sie stoßen sich an dem Wiederstand der Gegeniuteressen der Mächte, zu denen Italien jetzt entschlossen zu sein scheint, über­zugehen. Würde es wirklich ein Gewinn sein, der einen Krieg lohnt, wenn Italien die von ihm noch besetzte Zwölfinselgruppe den Dodekanes (Adria­tisches Meer) endgültig behält und wenn ihm ein Stück aus dem südlichen Anatolien (Kleinasien) zugewiesen würde, auf das es bereits vor dem Kriege, damals aber unter dem heftigsten Wieder- streben Englands sein Auge geworfen hatte? Ueberall sonst aber würde Italien durch eine Er­weiterung seines Besitzes sich die schwerste Gegner­schaft zuziehen, und allenthalben würde es bald den einen bald den andern seiner neuen Verbün­deten als erbitteten und überlegenen Widersacher vor sich sehen. Schon hat ja bezüglich Triests und Dalmatiens Rußland sein drohendes War­nungszeichen aufgezogen, Rhodus begegnet Italien der Abneigung Englands um anatolischen Festland dem Wettbewerb Frankreichs.

Also noch einmal: Wo liegt der Gegenwert und der Ersatz für die ungeheure Leistung, für die möglichen Gefahren und die Opfer, die ein Krieg mit Oesterreich-Ungarn und dessen Verbündeten notwendig mit sich bringen muß? Alle italienischen Darstellungen haben bisher eine ausreichende Be­antwortung dieser einfachen Frage bieten können. Und weil dem so ist, möchte man glauben, daß noch eine Einkehr möglich ist, daß noch die Straße die volle Gewalt über die kühle Erwägung ge­wonnen hat. Es gibt gewiß in Italien noch zahl­reiche Männer, die mit uns fühlen, daß alles Wasser der Adria, deren Beherrschung das Sehnen

der Italiener ist, nicht ausreichen würde, den Flecken abzuwaschen, den eine Abwendung von den alten Verbündeten in diesem kritischen Augen­blick auf den italienischen Namen werfen würde. Alle Augen in Italien und Deutschland schauen jetzt auf den Mann, von dem die Italiener behaupten, daß sein Einstuß auf seine Landsleute nicht geringer ist, als die Macht, über die einst der große Kanzler Bismarck in Deutschland verfügt hat. Bringt es Giolitti fertig, die immerhin noch zahlreichen Elemente, die in der großen Verwirrung und in der Siedhitze einer maßlosen Erregung der Volksmassen sich den kühlen Kopf bewahrt haben, zu sammeln, so wird er in seiner langen politischen Laufbahn seinem Lande und der Welt den größten Dienst erweisen. Mißlingt es ihm, dann ist nie ein Freundschaftsbund willkürlicher gelößt worden, nie ein Krieg einseitiger verschuldet worden. Am 22. Mai 1882 wurde der Dreibund abgeschlossen; hoffentlich überlebt ec den 22. Mai 1915.

Die österreichischen 42ey.

Der Kriegsberichterstatter Eugen Lennhoff schreibt derVoss. Ztg.: Ueber das neue Riesengeschütz ^von Skoda, die 42-Zentimeier-Hanbitze, die bei j Tarnow erfolgreich tätig war, erfahre ich inte, essante Einzelheiten: Die Russen, denen durch s.lieger- aufnahmen die Größe des Geschützes beta tt war, glaubten anfangs, es handle sich um ei len der deutschen Mörser, weshalb sie die Tätigkeit des GeschützeBertaschüsse" nannten. Ihr Irrtum fand durch einen Blindgänger Nahrung, dessen MarkeWit" (abgeleitet von Wittkowitz) sie als Wilhelm Imperator Teutonicus" .deuteten. Sie versuchten, das Geschoß zu zerlegen. Das führte zu einer Explosion, die 41 Mann tötete oder schwer verwundete. Die Haubitze braucht zum .Transport einen Eisenbahnzug, auf dem alle ^ Zubehör, so auch die Bettung, die Drehvorrichtung, .dei Panzer, das Krangestell und die Munition 'ver-aden werden. Der schußfertige Einbau erforder- zwei Tage. Gegen Flieger dient eine äußerst sorg-

Giolitti, der Friedensfreund.

Ueber Giolitti, Italiens größten Staatsmann, üuf dessen Wirken in Rom augenblicklich die Augen der ganzen Welt gerichtet sind, werden einige Mit- teilungen von Interesse sein, die über das reich- ^wegte Leben dieses Politikers unterrichten. Mvvanno Giolitti steht heute bereits im 75. Lebens­jahre. Er ist am 27. Oktober 1843 in Mondovi m der Provinz Cunio geboren. Schon frühzeitig hat er sich mit politischen Fragen beschäftigt. Er studierte die Rechte und wurde im Jahre 1866, afiv schon im Alter von 23 Jahren, Staatsanwalt 'a Turin. Aber lange litt es ihn nicht in der Laufbahn eines Staatsanwaltsbeamten. Seine Anfangreiche politische Tätigkeit hatte bereits die Blicke der Regierung auf ihn gerichtet und er wurde ^ Jahre 1868 ins Justizministerium und im Jahre 1869 unter Sella ins Finanzministerium prüfen. Von diesem Tage an widmete er seine Kräfte fast ohne Unterbrechung der politischen Entwicklung seines Vaterlandes. Im Jahre 1877 ^urde er Generalsekretär des Rechnungshofes. ^>ne glanzvolle Laufbahn begann aber eigentlich rrn Jahre 1882, wo er zum Deputierten ge- n>ahll wurde. Schon vorher war er unter Depretis ^ Stautsrat ernannt worden. Der Einfluß, en Giolitti in der Deputiertenkammer hatte " hatte hier die Finanzpolitik Maglianis bekämpft

bewog Crispi im März 1889, ihn zum Schatz­minister zu ernennen. Im September des nächsten Jahres wurde er auch mit der Leitung des Finanz-! Ministeriums betraut, da er auf diesem Gebiete ! ein hervorragender Fachmann ist. Schon im l Dezember desselben Jahres trat er von beiden! Aemtern zurück. Im Januar 1891 trug er viel, zum Sturze Crispis bei. Dasselbe Schicksal! bereitete er im Mai 1892 dem Minister di Rudini. Jetzt war die Bahn für ihn frei. Geistig über-! ragte er alle seine Vordermänner. Da sein Ein- > stuß ständig gewachsen war, so wurde er am 5.Mai 1892 nach dem Sturze di Rudinis mit der Bildung 'des neuen Ministeriums betraut, in dem er selbst ^ das Präsidium und das Innere übernahm. Wegen der feindlichen Haltung der Kammer reichte er 'am 27. Mai 1892 seine Entlassung ein, die aber 'abgelehnt wurde. Als er am 12. Oktober 1892 die Kammer auflöste, brachte ihm die Neuwahl ' im November eine große Majoriiät. Am 24. No- ' vember 1893 reichte er wegen politischen Schwierig­keiten aller Art seine Entlassung ein. Damit war !aber seine staatsmännische Laufbahn noch nicht beendet. Noch mehrere Male war er Minister und hat auch als Ministerpräsident nochmals die Geschicke Italiens gelenkt. Im Februar 1901 wurde er infolge seines Anschlusses an Zanardelli zum Minister des Innern ernannt. Er hatte diese Stellung bis zum Juni 1903 inne. Als

am 21. Obtober 1903 Zanardelli aus dem Mini­sterium austrat, wurde Giolitti wieder vom König mit dem Vorsitz in dem neugebildeten Ministerium betraut, in dem er auch, wie bereits im Jahr 1892, das Ministerium des Innern übernahm. 1906 hat er ieder Gelegenheit gehabt, dem Rufe seines Kc ;s zu folgen, wie er überhaupt in den letzten Jahrzehnten in amtlicher und nichtamtlicher Stellung stets den Interessen des Vaterlandes diente. Wenn er jüngst infolge der Kriegshetze vom Straßenpöbel unfreundlich empfangen wurde, so kann das an seinen Entschlüssen nichts ändern, denn in den 25 Jahren, in denen er als Minister oder Ab­geordneter tätig war, hat er gelernt, auch den Unwillen einer irregeleiteten Menge mit ruhigen Augen zu betrachten, denn er weiß, daß das rechte Ziel schließlich auch den Beifall der Vernünftigen findet. Niemals ist er von dem als richtig be- zeichneten Weg mit Rücksicht auf Persönlichkeiten abgewichen. Daher ist in erster Reihe sein großer Einfluß zu erklären, den er seit Jahren in der Kammer hat. Er gilt allgemein als hervorragendster Politiker Italiens und Salandra wird als sein Schüler bezeichnet. Seine Stimme, die in so ernsten Augenblicken von der italienischen Regierung gehört werden muß, wird sicherlich für eine friedliche Be­endigung derVerhandlungenmitOesterreichvieleMög- lichkeiten bieten. Sicher ist aber, daß, wenn es zum Kriege kommt, die Schuld nicht auf seiten Giolittis liegt.