Nr. 253.
Amts- und Anzeigeblatl für den O-erarntsöezirk Calw.
84. Jahrgang.
Srlchelnu» !> iwktl e; 6 mal wSchenN Nnz-lgep-kt« : Di« klemIpalNge Zrlle LS Pf„. Riklamen M Vig.— Schluh der Bnzet«-nannal>m« V Uhr normit'agd. — Fernsiirccher S.
Donnerstag, den 30. Oktober 1919.
Bezu gSpreiS: In der Ltadt mit TrSgerlohn Mk. 3.30 vierlekjährl.. PostbezuaSvreid im Or«d» u. NachbarorlSoerkehr Mk. 3 S0. i. Kernnerkehr Mk. 3.«W »efkellj,. u. Zuschlag »!Pig.
Z«r Wtzerm Lage.
Die deutsche Antwortnote
bezüglich der Blockade Rußlands.
Berlin, 30. Okt. Die deutsche Antwortnote auf die Aufforderung zur Teilnahme an der Blockade Sowjctrußlands ist gestern Nachmittag von Berlin abgegangcn. Sie wird, wie die „Deutsche Allgemeine Zeitung" mitteilt, veröffentlicht werden, sobald sie übergeben ist.
Der Wirtschaftskrieg gegen Deutschland.
Versailles, 28 Okt. „Jndepedance Belge" dementiert die Nach- r'cht deutscher Zeitungen, daß zwischen England, Frankreich, Italien, Spanien und Belgien ein Vertrag abgeschlossen worden sei, der diesen Ländern untereinander Vorzugszölle einräume, um einen Wirtschaftskrieg gegen Deutschland zu unternehmen, dem man eS auf diese Weise unmöglich machen wolle, Rohstoffe zu beziehen. Von d'sscr Sache wisse man in Brüssel kein Wort. — Daß in Wirklichkeit etwas an diesen Dingen ist, daS hört man an dem Gejammer der englischen und französischen Staatsmänner über die deutsche Konkurrenz. die immer noch gefährlich sei. Um Deutschlands Wirtschaftskraft zu vernichten, ging man in den Krieg, jetzt nachdem die Engländer Sieger sind und sich jede Willkür gestatten dürfen, werden sie zu schikanieren und die deutsche Volkskraft zu bekämpfen versuchen, wo und wann sie immer Gelegenheit haben.
Immer wieder die Auslreferrmgsfrage.
Amsterdam, 29. Okt. „Allgemein Handelsblad" sagt anläßlich beS jüngsten'Wiederauflebens der Kaiscrprozeßfrage, daß Holland seine Neutralität und sein Asylrecht nicht betseiteschieben dürfe zu Künsten eines so parteiischen, nur aus Siegern zusammengesetzten Tribunals. Das Blatt ist noch immer überzeugt, daß der Prozeß nicht, tzaüsinden wird, da diele der Alliierten im Grunde dagegen seien.
Deutschfreundliche Kundgebungen
in Elsaß-Lothringen.
Berlin, 30. Okt. In den letzten Tagen haben laut „Deutscher Tageszeitung" in verschiedenen clsässtschcn und lothringischen Ortschaften deutschfreundliche Kundgebungen stattgefunden. In Mülheim und Colmar kam es zu Kundgebungen für die Autonomie.
Die französische Bestialität.
Berlin, 30. L kt. Die Tochter eines Grubenbeamten >m Saargebiet wurde von einem französischen Soldaten in rohester Weise Vergewaltigt und mit einem Dolchmesser so zugcrichtet, daß sie alsbald verstarb. — Bekanntlich kommen fast täglich solche Bestialitäten bn besetzten Gebiet vor. Hat die deutsche Negierung nicht den Wut. vor aller Welt gegen diese Zügellosigkeit und Vertiertheit hu französischen Soldateska schärfsten Protest einzulegen?!
Englische EhrlichLeitsanwandlung
(WTB.) Amsterdam, 29. Okt. „Manch. Guardian" meldet, daß der Herzog vonNorthumberland in einer in Cambridge gehaltenen Rede erklärte, der Völkerbund sei «eder aus ethnischer, noch auf moralischer und religiöser Grundige aufgebaut. — (Aber auf der Grundlage des angelsächsisch- romanischen Imperialismus zum Zwecke der wirtschaftlichen »ad politischen Beherrschung der ganzen Welt.)
Der Mangel an Nationalgefühl.
Amsterdam, 28. Okt. „Daily Mail" berichtet, daß Engländer. di« sich während des Krieges und seit dem Waffenstillstand für die Verhältnisse in Deutschland und Oesterreich interessieren, nächste Woche mit bekannten Persönlichkeiten aus Deutschland und Oesterreich in London eine Konferenz halten werden. Die Teilnehmer an dieser Konferenz werden sich im Hause des Lord Parmoor zu einem gemeinsamen Mittagessen vereinigen. Eingeladen sind u. a.: Bernstein, Prof. Bonn, Lujo Brentano, Arthur v. Gwinner, Kars Kautsky, Richard Martin, Graf Montgelas, Max Wahr- /burg, Hilfferding, Prof. Oppenheimer, Karl Schlesinger; die Lesterreicher: Otto Dauer, Dr. Ellenbogen, Prof. Lammasch, Mieser, Dr. Hertz, Meusdorfs, Prof. Redlich Krant. — (Es handelt sich um lauter Sozialisten und Pazifisten, die den Engländern gerade gut genug erscheinen, um nach der Niederwerfung Deurschlands jetzt die Deutschen auch mit politischer Durchtriebenheit für Englands Zwecke zu gewinnen. Eia echter Engländer oder Franzose, würde eine sc'che „Ehre", als besserer Zulukaffer in London behandelt zu werden, ablehnen. Di« Engländer werden sich sagen, mit diesen Deutschen lst doch alles anzufangen.)
Das neue englische Kabinett.
Amsterdam, 28. Okt. Drahtlos wird aus Horsea gemeldet: Das neue englische Kabinett wird sich folgendermaßen zusammen
setzen: Lloyd George Premierminister, Donar Law Groß-Siegcl- bcwahrcr, Balfour Lord-Präsidcnt des Geheimen Rates, Cumber- land und Bames ohne Portefeuille, French Lordleutnant von Irland, Me. Pherson Staatssekretär von Irland, Lord Birkenhead Lord Kanzler, Shortt Inneres, Earl Curzon A-ußereS, Milner Staatssekretär für die Kolonien, Churchill Krieg und Luftstreit- kräfte, Montagu Indien, Long erster Lord der Admiralität. Munro Staatssekretär von Schottland, Ancklond Gcddes Präsident des HandelsamteS, Addison Minister für öffentliche Gesundheit, Lord Lee Präsident des NsichSwirtschaftsamtes, Fisher Präsident des Unterrichtsamtes, Horne ArbettSminister, Eric GeddeS Finanzminister.
Eine englische Drohung an die Bolschewistenführer.
Amsterdam, 29. Okt. „Telegraaf" meldet aus London, daß der britische Unterstaatssckrctär des Aeußern im Unterhaus mitgcteilt hat. daß demnächst vermutlich in Dänemark eine Zusammenkunft von Vertretern Englands und SovjetrußlandS stattfinden wird, in der über den Gefangenenaustausch verhandelt werden soll. Die britische Negierung hat die bolschewistische Regierung drahtlos gewarnt, daß Lenin, Trotzky und andere Bolschewistenführer sür die Behandlung der britischen Kriegsgefangenen verantwortlich gemacht würden.
Japanisches Bestreben zur Erneuerung des englisch- japanischen Bündnisvertrags.
Amsterdam, 30. Okt. Nach einer Meldung des PrcssebureauS Radio aus Lyon gibt die japanische Regierung bekannt, daß sie mit England in Verhandlungen zwecks Erneuerung des englisch-japanischen Bündnisvertrages eintreten wird. — Die Japaner haben natürlich keine andere Wahl.
Französische Heuchelei.
Versailles, 29 Okt. „Temps" meldet, General Gourand, der nach Sorten geht, habe erklärt, er gehe nicht dort hin, UNI etwa ein französisches Protektorat in der Levante aufzurichten, sondern nur, um die britischen Truppen In gewissen Gebieten abzulösen und die Ordnung ausrecht zu erhalten, b'S die Friedenskonferenz das politische Statut über die verschiedenen Teile deS oSmonischen Reiche? geregelt habe. — Ob ein deutscher General oder Staatsmann die Annektion eines Landes auch so fein umschreiben könnte.
Der Kritik des amerikanischen
Senat am „Völkerbund-.
Versailles, 30 Okr D-m Sonderberichterstatter des „Echo de Paris" in Washington meldet, der Senat werde Aufklärung fordern, welche Verpflichtungen Wilson und Oberst House den europäischen Regierungen gegenüber bezüglich verschiedener Mandate der Vereinigten Staaten, namentlich in Armenien und Konstantinopel übernommen hätten. Ferner werde er den Bcr'cht einer ans Kleinasien nach Washington znrückgekehrten Kommission verlangen, deren militärische Mitglieder sich jedem Gedanken eines Mandats widersetzten, während die Zivilbeamtcn der Annahme geneigter seien. Die Agitation der MissionSgesellschaftcn für ein Eingreifen in Armenien werde ln der Presse stark bekämpft.
Der Kampf gegen das Deutschtum ln Amerika.
Amsterdam, 29. Okt. DaS Reutersche Bureau meldet auS Newyork. daß der Oberste Ge 'shof die Ausführung von Opern in deutscher Sprache untersagt hat.
LMnL.
Ein Jahr österreichisch» Republik.
Wien, 29 Okt. Wie der „Morgen'" berichtet, sprach der Staats sckretär sür Heerwesen, Dr. Deutsch in einer Volksversammlung über das Thema „Ein Jahr Republik und führte aus: „Die von radikaler Seite in unseren Reihen oft verlangte Alleinherrschaft der Sozialdemokratie ist undurchführbar. Wir mußten unS den Strömungen, die auf eine Errichtung der Rätediktatur hinzieltcn, ent- gegenstellcn. Daß dies uns gelungen ist. ist daS Verdienst der Sozialdemokratie. Wenn wir nachgegcbcn hätten, wäre eS zur Räte- diktotur gekommen und schließlich zum Zusammenbruch Ungarn?. Ich hatte, fuhr der Staatssekretär fort, die Gewalt für ein untaugliches Mittel, um die Ordnung anfrechtzu-'halten. Gewalt darf erst angcwendet werden, wenn die letzten Mittel zur Verständigung versagen. Wir müssen nur einige Jahre auSbalten, bis die politische Lage in der Welt so ist. daß Deutsch-Ocsterre'ch den Anschluß findet, der es ihm ermöglicht, existieren zu können."
Wenigstens ein Bindeglied.
V-rlin, 30. Oft. Wie dem „Berliner Lokalanzeiger" aus Fulda berichtet wird, beschlossen die deutsch-österreichischen Dahnen, beim Deutschen Bahnvcrein zu verbleiben. — Wenn'- die Entente gestattet I
DLnische Kartoffeln.
Berlin, 30. Okt. Von den in Dänemark angekauften Kartoffeln ist gestern der Dampfer „Juno" mit etwa 20 000 Zentnern, aut „Voffi scher Ze.tuna" in Lambura rinactroffea.
Der Wiederaufbau Frankreichs.
In der „Kölner Post" lesen wir folgendes: Die Landstragen in Frankreich und Flandern nehmen schnell ihren Zustand aus der Vorkriegszeit wieder an, und schon ist es möglich, fast überall ans den früheren Schlachtfeldern mit dem Motor herumzufahren. Alle Granatlöcher und Schützengraben werden nach und nach von einer Armee von Chinesen aus- gefüllt, die in erstaunlichem Fortschritt die ausgedehnten und verwüsteten Gefilde einebnen. Ein Korrespondent der „Central News", der gerade zurückgetehrt aus der Gegend Bapaume— Tambrai, Lille, Ppern, sagt, daß Amiens noch viele Merkmale der Kriegsschicksal« der letzten Jahre zeigt, jedoch kehrten die früheren Bewohner schnell zurück und die Geschäfte wik- kelten sich schon wie üblich an vielen Stellen ab. In A r r a s würden die Wiederherflellungsarbeiten unter sehr anerkennenswerter Hilfe von deutschen Kriegsgefangenen gefördert. Die Verwüstungen des Kriegs in den Oedlöndereien seien schon fast vollständig überdeckt durch Helle rote Mohnblumen. Die Stadt Lille biete schon wieder den Anblick der Räumlichkeit. Ppern sei allerdings noch ein Trümmerhaufen, aber die Bürger kehrten zurück, um in den Hütten der Nachbarschaft zu wohnen.
Wilson hat genug.
(WTB.) Versailles, 27. Okt. Nach einer Meldung der „Chicago Tribüne" aus Washington haben einige demokratische Senatoren erklärt, der Präsident des Demokratischen Nationalrats werde in den ersten Tagen des Januar ankün- digen, daß Wilson sich nicht mehr als Präsidentschaftskandidat präsentieren werde.
Die Arbeiterbewegung in Amerika.
Berlin, 30 Okt. Rach einer Meldung des „Berliner Lvkal- anzelgers" aus Haag wird auS Chicago gedrahtet: IS Abteilungen des amerikanischen Eisenbahner»erbend? mit insgesamt 12 «M Arbeitern aus dem Chicagoer Distrikt werden am Donnerstag den Streik erklären, wenn ihre Lohnforderungen nicht v-rher bewilligt werden. Wettere Abteilungen mit 100 000 Arbeitern sind ebenfalls In der Abstimmung über den Streik begriffen.
Eine Maile Wer die NeilWchr
in der RalionaloersaMliiU.
» Die zweite' Lesung des Reichswehrhaushalts gab den Parteien Veranlassung, ihre Stellung zu diesem von der Entente uns aufgezwungenen Ordnungsdienst zu kennzeichnen. Was früher die Linke übernahm, das übt jetzt die Re :e aus, Kritik an den Einrichtungen des Heeres. Man will sich aus begreiflichen Gründen mit der Reichswehr gut stellen. So wurden jetzt von den Vertretern der Deutschen Dolkspartei und den Deutschnationalen Anträge auf bessere Verpflegung der Mannschaften und bessere Löhnung gestellt und eine Sicherstellung der Zukunft der Angehörigen für den Fall ihres Austritts aus dem Heere (nach 12 Jahren) verlangt. Es scheint die Welt auf dem Kops zu stehen. Früher nahm sich die Linke für bessere Behandlung der Mannschaften an, heute liegt das Wohl der Mannschaften besonders der Rechten am Herzen. Die Anträge sind sicherlich gut gemeint, aber ihr politischer Hintergrund ist ebenso durchsichtig wie seinerzeit, als die a- ßischen Konservativen kurz vor dem Zusammenbruch sich aus einmal für das allgemeine Wahlrecht begeisterten und die konservative Reichstagsfraktion für gleiche Beköstigung der Offiziere und Mannschaften eintrat. Das führten die Vertreter der Linken denn auch auf die Anträge hin an. Die Sozialisten wiesen nach, das; die heutige Reichswehr fast soviel kostet i-.ie früher die Unterhaltung des gesamten Heeres. Rament vor sozialdemokratischer Seite wurde den Bemühungen der Rechien um die Reichwehr starkes Mißtrauen entgegengesetzt, weil es offenkundig sei. daß die Rechte groß« Propaganda innerhalb des Offizierkorps und bei den Mannschaften treibe. Die Mehrzahl der Offiziere stehe der gegenwärtigen Regierung feindselig gegenüber. Es bestehe auch ein starkes Mißverhältnis zwischen adeligen und bürgerlichen Offizieren, wodurch der Reaktion noch mehr Vorschub geleistet werde. Die adeligen Offiziere würden sich wieder „fühlen". In den Lagern würden die Schriften des (konservativen) Herrn Traub gelesen und ftidr.aenii i.che Schriften verteilt. Der dcutschnationale Abg. Grase meinte, wenn alle monarchistisch gesinnten Offiziere austrctcn wolllen, dann gäbe es nur noch einen kläglichen Nest von Lfsizirren. Reichswehrminister Nosle bezeichnet« die Rede Gräjes. der