Amtsblatt

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Hirzu: Illustriertes Sonntagslrlatt und während der Saison. Amtliche FremdenlistH.

Nr. 150

Dienstag, den 19. Dezember 1911

47. Jahrgang-

«unüscbau.

Stuttgart, 18. Dez. Die von der Evange­lischen Landessynode mit der Beratung der Frage der gottesdienstlichen Begehung der Feiertage be­traute Kommission hat beschlossen, den Gottesdienst am Feiertag Mariä Reinigung, am Feiertag des Matthias, am Feiertag Mariä Verkündigung, so­wie an den Feiertagen Johannis des Täufers, des Apostels Thomas und d es Apostels Johannes all­gemein aufzugeben. Im übrigen soll an den anderen Feiertagen der Gottesdienst in denjenigen Gemein­den, in denen für seine würdige Abhaltung erheb­liche Schwierigkeiten bestehen, nach Zustimmung des Kirchengemeinderats mit Genehmigung des Delanatamts eingestellt werden können.

Stuttgart, 18. Dez. Die Handelskammer hält morgen nachm, eine Sitzung, in der u. a. die Vereinheitlichung der deutschen Eisenbahnen behandelt wird.

Hohenheim, 18. Dez. Am Samstag abend wurde hier ein sehr starkes Fernbeben registriert, dessen Herd in einer Entfernung von wahrscheinlich über 8000 Kilometer sich befindet. Beginn Sams­tag abend 8 Uhr 27 Min. 28 Sek-, Maximalbe­wegung zwischen 9 Uhr und 8 Min. und 9 Uhr 10 Minuten. t

Waiblingen, 18. Dez. Heute früh um ft-7 Uhr und kurz vor 7 Uhr wurden hier wieder Erderschütterungen verspürt. Die zweite war ziemlich stark und mit unterirdischem Rollen, sowie mit elektrischen Lichterscheinungen verbunden. Auch heute nacht 3 Uhr wurde ein Erdstoß verspürt.

Der Nag old er Vieh- und Krämermarkt am letzten Donnerstag war sehr stark besucht und hielten sich die Viehpreise, namentlich für Fettvieh, anhaltend hoch.

- Alten steig, 16. Dez. Der auf Mittwoch, den 20. Dez. fällige hiesige Viehmarkt wurde ge­nehmigt.

Schwäb. Gmünd, 17. Dez. (Selbstmord.) Gestern abend-gegen '/-8 Uhr hat sich ein 17jähriger Kaufmann von Wurinberg, OA. Maulbronn, im Abort des hiesigen Bahnhotels erschossen. Was den jungen Mann, der in Pforzheim in Stellung war, in den Tod getrieben hat, ist noch unbekannt.

Der gestrigesilberne Sonntag" war für Pforzheim und Stuttgart eingoldener". Er hat sich für das Weihnachtsgeschäft glänzend angelassen. Das wirklich prachtvolle Wetter be­günstigte die Lebhaftigkeit des Straßenverkehrs, in dem die Besucher von auswärts stark hervortraten. Das Geschäft nahm einen großen Umfang an. Allerdings muß man dabei in Betracht ziehen, daß, da der letzte Sonntagsverkaufstag schon mit

idem heiligen Abend zusammenfällt, der gestrige 'wohl den Höhepunkt des. heurigen Weihnachtsge- -schäfts bedeutet haben dürfte, j InPforzheim erwarb die Firma S- Wronker und Cie. die Anwesen der HH, Hank und Sommer mitsamt dem dahinter liegenden städtischen Ge­lände, um ein modernes, vornehmes Warenhaus dort zu erstellen.

Berlin, 18. Dez. In diplomatischen Kreisen der Reichshauptstadt ist das Gerücht verbreitet, daß eine Zusammenkunft zwischen Kaiser Wilhelm und dein König von England in nicht zu ferner Zeit zu erwarten fei. Der Termin steht noch nicht fest; doch soll dhe Zusammenkunft ungefähr mit der Rückkehr des englischen Königs von den Krönungs­feierlichkeiten in Indien zusammentreffen.

Berlin, 17. Dez. Als der Kaiser am Donnerstag nachmittag in seinem Automobil die Kaiser Wilhelmstraße in Potsdam entlang fuhr und der Chauffeur in die Kurfürstenstraße ein­biegen wollte, kam von der Nauenerstraße ein Wagen des Garde-Ulanenregiments dem Automobil entgegen. Dem Chauffeur des kaiserlichen Automobils gelang es mit Aufbietung aller Kräfte, den Zu­sammenstoß zu vermeiden. Der Passanten hatte sich beim Anblick der gefährlichen Situation eine Panik bemächtigt. Der Kaiser bewahrte seine Ruhe, während das Automobil in gemäßigtem Tempo weiterfuhr.

In der Franzstraße in Berlin hauste seit langen Jahren für sich allein ein Sonderling, ein 62jähriger Händler namens Emil Frankfurter. Kürzlich ist der Mann plötzlich gestorben. In den Taschen des schäbigen Anzuges des Mannes fand man zur allgemeinen Ueberraschung ein Vermögen von 150 000 Mark in Papiergeld vor.

Das großherzoglich weimarische Hofjagd­amt bezeichnet mit aller wünschenswerten Bestimmt­heit die durch die Presse gegangene Meldung als unwahr, wonach kürzlich nach einer Hofjagd über hundert Hasen eingegraben worden sein sollten, um die Preise nicht zu drücken.An dieser ganzen Behauptung," so schreibt das 'Hofjagdamt,ist kein wahres Wort."

Saargemünd, 16. Dez. Von den 4 bei der Benzinexplosion verschütteten Personen wurden bis jetzt drei geborgen, die vierte hofft man heute bergen zu können.

! Differdingen. Aus der Hütte stürzte ein 17 Meter hohes Gerüst ein. Zwei deutsche Mon­teure wurden auf der Stelle getötet, drei lebens­gefährlich verletzt.

Paris, 16. Dez. Die gestrige Marokkodebatte brachte mit der Rede des Deputierten Millerand

ein bedeutsames Moment. Allgemein betrachtet man in der Kammer sein erfolgreiches Eingreifen als ein Zeichen seines Eintritts in .das Kabinett Caillaux an Stelle von de Selves. Millerand sprach sich für die Annahme des deutsch-französischen Abkommens aus.

Die seit einiger Zeit zwischen Rußland und Amerika bestehende Verärgerung geht allmählich in einen förmlichen Zwist über, so daß die Ver. Staaten schon mit Repressivmaßregeln auf dem Gebiet des Handels drohen.

Saloniki, 15. Dez. Das Gerücht von der Ueberführung des früheren Sultans nach Kon­stantinopel ist erfunden.

Konstantinopel, 16. Dez. Das hieß persische Komitee hat der Presse ein Telegramm der schiti­schen Notabeln von Nedjed (Vilajet Bagdad) mit­geteilt, das an alle Mohammedaner den Appell richtet, die Unabhängigkeit Persiens gegen Rußland zu verteidigen, und in dem erklärt wird, daß man ein Korps von 55 000 Mann gebildet habe, das bereit sei, nach Persien zu marschieren. Ein zweites Telegramm meldet, daß der oberste Ulema Mullah Mahomed Karem Khorassani in dem Augenblick getötet worden sei, als das Korps abgehen sollte.

Newyork, 15. Dez. Ein furchtbares Fami­liendrama wurde in einem kleinen Dorfe bei Albany, der Hauptstadt des Staates Newyork. ent­deckt. Ein Milchmann fand morgens im Stalle, unter Stroh versteckt, die furchtbar verstümmelten Leichen einer Witwe Mormer und ihrer beiden Töchter im Alter von 20 und 17 Jahren, wäh­rend die Leiche des 28jährigen Sohnes Arthur im Pferdestalle verborgen war. Die Aufregung unter der Bevölkerung ist sehr groß, da es der Polizei bisher unmöglich war, den Mörder festzunehmen. Man nimmt an, daß der Mörder ein Italiener sein dürfte, der in Diensten der Familie stand und seit einigen Tagen verschwunden ist.

Der italienisch-türkische Krieg.

Tripolis, 18. Dez. Aus das 50. Infanterie­regiment, ein Bataillon des 73. Infanterieregiments und eine Abteilung Lanzenreiter, die gestern mit Geschützen zu einer Erkundigung in der Richtung auf Dansur vorrückten, wurde von öereinzelten Beduinen aus der Ferne eine Anzahl Schüsse ab­gegeben, die jedoch keinen Schaden anrichteten. In der Oase wurden einige Waffen gefunden. Vier Araberhäuptlinge wurden zu einer Besprechung mit dem Oberkommandierenden nach Tripolis geleitet. Eine Erkundigungsabteilung, bestehend aus zwei Bataillonen, zwei Schwadronen und einer Batterie Gebirgsgeschützen, die gestern morgen bis zum Bir

Herz und Ehre.

Roman von Arthur Zapp.

(Forts.) (Nachdruck verboten.)

In aufgeregter, zorniger Stimmung verließ Amtmann Wollmar seinen Bruder. Die Gründe desselben hatten ihn ganz und gar nicht überzeugt. Im Gegenteil, er war der Ansicht, daß Else min­destens dasselbe Anrecht auf eine glückliche Zu­kunft habe, wie ihr Bruder. Claus werde und könne in einer neuen, ebenso achtbaren Tätigkeit Zufriedenheit und Glück finden, für Else aber gäbe es doch nun einmal nur den einen Mann in der Welt, an dem ihr junges Herz mit allen Fasern hinge, und da man mit Sicherheit annehmen könne, daß Lehnhard sie einmal glücklich machen würde, so sei es eine Grausamkeit, die beiden Liebenden zu trennen.

Während-der nächsten Tage arbeitete sich der Amtmann in einen immer lebhafteren Zorn hinein. Else's stille Trauer schnitt ihm in's Herz, und seine Phantasie malte ihm die erschreckendsten Folgen. Wie oft hatte man nicht schon gelesen, daß ver­

liebte Mädchen in's Wasser gegangen oder sich sonst ein Leid angetan hatten. Während der Beratungen, die er mit seiner Frau hielt, nannte er seinen Bruder einengrausamen Pedanten" und seinen Neffen einengrausamen Egoisten". Und im Verein mit seiner gleichgestimmten Lebensgefährtin sann er hin und her, um einen Ausweg zu finden.

Endlich kam es wie eine Erlösung über ihn; ein vergnügtes, pfiffiges Lächeln strahlte über sein feistes Gesicht, und er rief seiner erstaunt aufblicken­den Gattin zu:

Ich hab's gefunden furchtbar einfach! In acht Tagen sind Else und Lehnhard das glück­lichste Paar in der Welt!"

Aber wie willst Du denn das möglich machen ?" fragte die Frau Anumann verwundert und kopf­schüttelnd.

Der korpulente Amtmann beugte sich vornüber und flüsterte seiner neugierig aufhorchenden Ehehälfte ein paar Worte ins Ohr.

Aber die etwas bedächtiger mit ihren Gedanke» und Entschlüssen verfahrende Dame machte ein be­denkliches Gesicht.

Dein Bruder würde Dir's nie verzeihen", sagte sie.

Doch der Amtmann machte eine gemütlich ab­wehrende Handbewegung.

Unsinn I Ich sage Dir, er wird mir später einmal sogar dankbar sein dafür. Mein Bruder gehört zu den Menschen, die man zu ihrem Glück zwingen muß. Und selbst, wenn dann muß ich mich eben damit abfinden. Die Hauptsache ist, daß Else glücklich wird.

Aber meinst Du, daß sie darauf eingehen wird?"

Das wollen wir gleich sehen."

Der Amtmann ries seine Nichte, die nach ihrer Gewohnheit allein mit gesenktem Köpfchen im Garten wandelte und ihren schmerzlichen Gedanken nachhing.

Der optimistisch veranlagte, joviale Mann, der schon alle Schwierigkeiten glücklich behoben sah, faßte seine Nichte am Kinn und sagte halb schel­misch, halb ernst:Nun sage mal, Elschen, Du kannst also wirklich von Deinem Viktor nicht lassen?"