Amtsblatt
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Nr. 144
Dienstag, den 5. Dezember ttill
47. Jahrgang.
kuntkcbau.
Stuttgart, 4. Dez. Eine Delegiertenversammlung des Evangelischen Bundes Württembergs hat sich gegen die infolge der Aufhebung des Geheimen Rats vorgesehene kirchengesetzliche Berufung von zwei Staatsministern ausgesprochen.
— Der Stuttgarter Gemeinderat hat den bisherigen Rechtsanwalt Dr. Dollinger an Stelle des zurückgetretenen Bürgermeisters Dr. Rettich zum ersten besoldeten Gemeinderat gewählt.
Stuttgart, 4. Dez. Das Zentrum hat nunmehr endgiltig den Gerichtsassessor Bolz in Stuttgart als Kandidaten für den 13- Wahlkreis aufgestellt.
Herrenalb, 4. Dez. Hier hat sich ein Wintersportverein gebildet, welcher alle einschlägigen Fragen (Herrichtung einer Wiese für Eislauf, Rodel- und Schneeschuhsport, Sprunghügel re.) mit vereinten Kräften in Angriff nehmen will.
Bösingen, 3. Dez. Martin Gutekunst und seine Ehefrau Anna Maria geb. Günter begingen hier das Fest der goldenen Hochzeit.
Pfullingen, 2. Dez. Heute früh ^7 Uhr wurde wieder ein Erdstoß verspürt; ebenso wiederholt in gestriger Nacht.
In Rottweil wird am Montag den 11. Dez. eine Landesverfammlung des württemb. Zentrums abgehalten. Am Sonntag geht eine öffentliche Versammlung voraus.
Crailsheim, 4. Dez. Der zweite Wahlgang der Landtagsersatzwahl ist auf Dienstag, den 13. Dezember, festgesetzt.
Ebingen, 2. Dez. Heute morgen 6.40 Uhr erfolgte ein sehr starker Erdstoß, der die Häuser erbeben machte.
In Dill in gen stürzte eine große heiße Masse von einer alten Schlackenhalde ab und verschüttete zwei Arbeiter. Der eine wurde lebendig verbrannt, der andere schwer verletzt.
In einem Hause zu Alt ach im Rheintal wachte der Hausherr durch das Erdbeben auf und als er den Kasten noch wackeln und alles klappern hörte, war es sein erster Gedanke, daß ein Dieb da sein müsse der sich im Kasten versteckt habe. Mit dem Revolver in der Hand stand der Mann vor dem Kasten Wache, bis seine Söhne kamen, mit denen nun Kriegsrat gehalten wurde. Was tun? Den Kasten öffnen? Nein, wir werden ihn beschießen.
Alsbald krachte ein Schuß nach dem andern, und als die Munition zu Ende war, wollte man den Dieb, der noch immer nichts von sich hören ließ, doch sehen. Die Kastentüre wurde geöffnet, aber da fanden die „Tapferen" statt eines Diebes ihr mehrfach durchlöchertes, ganz neues — Feiertagsgewand.
Berlin, 4. Dez. Auf der Tagesordnung des Reichstags stand am Samstag zunächst die dritte Lesung des Gesetzesentwurfs über die Ausgabe kleiner Aktien. Derselbe wurde unverändert angenommen. — Es folgte hieraus die Fortsetzung der Beratung desPrivatbeamtenversicherungsgesetzes. Ein Antrag Hörmann, den Frauen das passive Wahlrecht zu geben, wurde abgelehnt. Das Gesetz wurde mit einigen Abänderungen angenommen. - Am Montag wurde das Gesetz über die Verlängerung der Giltigkeitsdauer des Gesetzes betr. die militärische Strafrechtspflege in Kiautschou in erster und zweiter Lesung ohne Debatte angenommen. Sodann wurden Petitionsaugelegenheiten erledigt.
Der Bundesrat überwies in seiner gestrigen Sitzung die Entwürfe der Kaiserlichen Verordnungen, betr. 1) den Geschäftsgang und daS Verfahren des Reichsversicherungsamts, 2) die Gebühren der Rechtsanwälte im Verfahren vor Sicherheitsbehörden, den zuständigen Ausschüssen. Der Vorlage betr. die Aenderung der Anlage L zur Eisenbahnverkehrsordnung wurde zugestimmt.
Berlin, 2. Dez. Das Anerbieten des deutschen Zentralkomitees vom Noten Kreuz zur Hilfeleistung im italienisch-türkischen Krieg hat die türkische Regierung mit wärmstem Dank angenommen. Die Hilfsaktion wird demnächst eingeleitet werden. Das italienische Rote Kreuz hat bekanntlich unter Hinweis auf die vaterländische Opferwilligkeit in Italien auswärtige Hilfe dankend abgelehnt.
München, 3. Dez. Der Flieger Reeb, der heute mittag 1 Uhr auf dem Flugplatz Milbertshofen zum Ueberlandflug nach Nürnberg aufgestiegen war, ist bei Vreitenfurt in Mittelfranken abgestürzt und war sofort tot.
Wilhelmshaven, 4> Dez. In der neuen , Wilhelmshavener Spionageaffäre sind in den letzten Tagen drei weitere Verhaftungen erfolgt. Es ist Landesverrat zugunsten einer Ueberseemachr (England?) begangen worden.
Wien, 4. Dez. Zum Nachfolger des zurückgetretenen Chefs des österreichisch-ungarischen
s Generalstabes von Hötzendorf ist Feldmarschall- i leutnant. von Schemua ernannt worden.
Wien, 3. Dez. Nach mehrtägigen Verhandlungen hat daS Schwurgericht den Tischlergesellen Njegus wegen Mordversuches an dem Justizminister zu sieben Jahren schweren Kerkers verurteilt.
Reims, 2. Dez Der Flieger Prevost hat mit einem Fahrgast eine Höhe von 3000 Meter erreicht und damit einen neuen Weltrekord für den Passagierflug aufgestellt.
Petersburg, 4. Dez. Die Newa hat Eisgang.
Petersburg, 4. Dez. Wie Rjetsch meldet, werden die russischen ausgedienten Mannschaften im fernen Osten wegen der Wirren in China nach Ablauf ihrer Dienstzeit noch bei den Fahnen zu-- rückbehalten.
Das große Dynamitattentat in Los Angeles (Ver. Staaten) ist nun gerichtlich als terroristisches Kampfmittel der dortigen Sozialisten erwiesen.
Bombay, 2. Dez. Der König und die Königin von England sind heute vormittag auf der „Medina" hier eingetroffen.
Hlt8 Stasi uns Umgebung.
Wildbad, 5. Dez. Der letzte Sonntag war ein Festtag für die hiesige katholische Gemeinde. Nach langem Interregnum durfte sie wieder einen ständigen Seelenhirten in ihrer Mitte begrüßen und dessen feierlicher Investitur in dem schön ge- legenen, mit frischem Tannengrün geschmückten Kirchlein beiwohnen. Unter zahlreichem Geleite von Amtsbrüdern, Freunden und Angehörigen, so- ( wie Vertretern seiner früheren Gemeinde Mühlackers hielt der neuernannte Herr Stadtpfarrer Robert. Fischer seinen Einzug in dem nun seiner Obhut anvertrauten Gotteshause. Der hochw. Herr Dekan Leeser aus Neuhausen hielt zunächst dieDredigt über die Bedeutung des Adventsfestes und speziell des Tages der Investitur für die Gemeinde und ihren neuen Seelsorger, dabei die gegenseitigen Pflichten betonend. Hierauf folgte die Vorstellung des Neuernannten und die eigentliche Investitur. Mit gespanntem Interesse verfolgten die Anwesenden die durch Herrn Dekan Leser im Auftrag deS Bischofs vorgenommene erhebende Amtshandlung mit ihren überaus sinnreichen Ceremonien, nach deren Beendigung der Neuernannte das hl. Meß
Her; und Ehre.
Roman von Arthur Zapp.
(Forts.) (Nachdruck verboten.)
Diese plötzliche Erklärung übte im ersten Moment eine lähmende Wirkung auf Frau Lehnhard aus und eine bange Pause tiefen Schweigens trat ein.
Dann aber machte sich das Entsetzen der alten Dame in einem Schwall einander überstürzender Worte Luft:
„Aufgehoben? Aber das ist ja unmöglich! Warum denn? So sprich doch, Viktor! Eine Verlobung kann doch nicht so ohne Weiteres, ohne zwingende Veranlassung aufgehoben werden. Was ist denn vorgefallen?"
Der junge Mann wandte sein Gesicht ab, um nicht den schreckensvoll auf ihn gerichteten Blicken seiner Mutter begegnen zu müssen.
„Ich sagte Dir schon, Mutter", erwiderte er, „daß ich mit Else's Bruder in vielen Dingen nicht harmoniere. Du weißt ja, die Herren in der Armee haben ihre ganz besonderen Anschauungen, und da der Professor ganz auf Seiten seines Sohnes steht, war der Konflikt eben unabwendbar."
„Aber Else — was sagt denn Else dazu?"
„Sie scheint sich der Autorität ihres Bruders und ihres Vaters zu fügen."
Die alte Dame schüttelte heftig ihren Kopf.
„Nein, nein, das ist ja nicht möglich I — Sie
liebt Dich ja doch, und sie wird Dich nicht aufgeben, weil Du über manche Dinge andere Ansichten hast, als ihr Bruder. Das kann doch nun und nimmermehr ein Grund fein, zwei Liebende zu trennen, ihr Glück zu zerstören."
Viktor zuckte mit den Achseln.
„Und doch ist es so, Mutter."
Sie nahm das Gesicht ihres Sohnes zwischen ihre Hände und drehte es zu sich herum. Ihm tief in die Augen blickend, sagte sie:
„Liebst du denn Else nicht mehr, Viktor?"
Eine unendliche Pein malte sich in den Mienen des jungen Mannes.
„Quäle mich nicht, Mutter!" stammelte er ausweichend.
Die alte Dame richtete sich mit energischem Ruck in die Höhe.
„Du liebst sie noch", sagte sie entschlossen. „Du sollst nicht auf sie verzichten, Viktor! Als Deine Braut muß sie zu Dir halten,, und schließlich wird sich der Konflikt zwischen Dir und ihrem Bruder beilegen lassen. Ich werde mit dem Professor sprechen —"
Sie machte Anstalten, sich zum Ausgehen fertig zu machen.
Jetzt sprang Viktor von seinem Stuhl auf, trat an seine Mutter heran und hielt sie an den Händen fest.
„Wo willst Du hin, Mutter?"
„Zu Wollmars. Es handelt sich um Dein Lebensglück. Ich begreife Dich nicht, Viktor. So
leicht gibt ein Mann wie Du doch nicht ein Mädchen auf, das er liebt."
Viktor biß sich in stummer Qual auf die Lippen.
„Es ist noch nicht neun Uhr", sagte er. „So früh kann man doch keinen Besuch machen. Und überdies triffst Du um diese Zeit den Professor ganz gewiß nicht zu Hause."
„Gut, so werde ich warten und später gehen."
Viktor stand eine Weile zögernd vor seiner Mutter, die sich wieder auf ihren Stuhl hatte fallen lassen.
„Ich bitte Dich, Mutter", sagte er endlich, mir zu versprechen, daß Du nicht in das Haus des Professors gehen wirst."
Frau Lehnhard sah überrascht zu ihrem Sohne auf. „Nicht? Aber warum denn nicht, Viktor? Ich' als Deine Mutter habe doch die Pflicht, wenigstens den Versuch zu machen. Euch zu versöhnen."
Er blickte an seiner Mutter vorbei zu Boden.
„Ich will mich nicht in eine Familie drängen". stieß er schwer atmend hervor, „der ich nicht mehr angenehm zu sein scheine. Mein Selbstgefühl läßt nicht zu, daß wir bittend zu ihnen gehen. Sie sollen den ersten Schritt tun. Und darum noch einmal: versprich mir, Mutter, daß Du nichts unternehmen wirst."
Er sah ihr bittend ins Gesicht und erfaßte ihre Hand.
„Nun denn", erwiderte sie, wenn auch widerstrebend, „wenn Du durchaus willst: gut, ich verspreche es Dir." (Fortsetzung folgt.)